Montag, 25. November 2013

Das Geschenk der Gnade Gottes


Und indem wir ausharren in der Askese, in Demut, in Liebe, geschieht plötzlich etwas. "Plötzlich", sagt Abba Isaak, "ohne dass wir es gewahren, ohne äußere Ursache, unerwartet", geschieht etwas in dir. Eine Freude, ein innerer Jubel und Frohmut steigt auf in dir und geht hervor aus dir. Du wunderst dich und sagst: "Das kommt nicht von mir." Es ist dir geschenkt worden. Weshalb? Weil Gott der Allgute ist. Er ist in der Tat der Allgute. Du antwortest: "Aber ich bin doch unwürdig, ich verdiene Bestrafung!" Und da begreifst du den Heiligen, der sagt, dass Gott nicht gerecht ist, sondern ungerecht. Warum?

Weil Er, wenn Er gerecht wäre, uns alle längst zu Asche verbrannt hätte. Du erinnerst dich an die Worte von Abba Isaak, der sagt, dass man Gott nicht Seiner Macht wegen fürchten soll, sondern Seiner Liebe wegen. 
Diese göttliche Verwunderung und Überraschung bleibt in dir. Diese Freude, dieser Jubel geht nicht vorüber, sondern nimmt zu. Das ist es, was der Herrn meinte, als Er über den Heiligen Geist sprach, Den die Glaubenden empfangen: "Wer an Mich glaubt, aus dessen Herz werden Ströme lebendigen Wassers fließen" (Joh 7,38-39). Diese Tröstung quillt hervor und durchströmt den ganzen Menschen, "alle Gelenke, die Nieren und das Herz". Du empfindest, dass das geschieht, was im Synaxarion zum Fest Aller Heiligen gesagt ist: "Der Heilige Geist kommt herab, und der Staub steigt empor in die Himmel." Der Staub, der ganze Mensch, wird emporgehoben. Der heilige Gregor Palamas seinerseits sagt, dass Gott dem Menschen einen Leib gab, damit dieser durch unsere Hinwendung zu Ihm geistig werden möchte. Doch durch unsere Hinwendung zum Irdischen haben wir im Gegenteil sogar unseren Geist zu Fleisch gemacht. Er sagt nicht "fleischlich", sondern "zu Fleisch".

Die Heiligen mithin empfangen jene Gnade, nach langer Askese, nach langer Übung in der Demut und vor allem in der Geduld. Sie empfangen jenes Erbarmen Gottes und sind erstaunt über die Gabe. Sie sind verwundert über die Barmherzigkeit und die Liebe Gottes, über die Größe Seiner Gabe. Sie empfinden sich als nichts, als letzte von allen. Sie sehen alle anderen als gut, sie lieben alle unentgeltlich, so wie Gott ihnen Seine Liebe unentgeltlich geschenkt hat. Der Heilige fragt: "Was hat Gott an mir gefunden, dass Er mir Seine Liebe schenkt?" Deshalb spürst du, wenn du dich einem Heiligen näherst, dass er dich liebt. Er nützt dich nicht aus. In seiner Nähe empfindest du eine Weite, eine grenzenlose Weite, und eine Wärme.
Da wirfst auch du die Waffen weg, hörst auf, zu widerstehen. Nun ist die Reihe an dir, erstaunt zu sein. Du verwunderst dich vor dem Heiligen, so wie er sich verwundert vor Gott dem Vater.

Auschnitt aus: Altvater Basilios von Iviron- "Der Heilige-Archetyp der Orthodoxie"
Übersetzung: Prodromos-Verlag

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