Mittwoch, 27. November 2013

Der Widerstand des Christen gegen die äußeren und inneren Feinde des Staates- Priester Johannes Nothhaas



Jedem Staat drohen Gefahren durch Feinde von innen und von außen.
Feinde von außen sind jene, die aus eigenem Interesse auf das Territorium eines anderen Staates vordringen und dort ihre Macht ausüben. Der angegriffene Staat ist vom Völkerrecht her berechtigt, eine solche Aggression auch mit Mitteln der Gewalt abzuwehren. Die Abwehr der Aggression eines anderen Staates ist nach christlicher Auffassung die einzige Rechtfertigung für einen Krieg. Denn dieser Verteidigungskrieg dient der Aufrechterhaltung der Friedensordnung der Völkergemeinschaft und ächtet somit jeden Aggressor.
Welche Aufgabe der Christ als Staatsbürger des angegriffenen Staates hat, ist nach Röm 13,1-7 deutlich. Er hat seinen Staat zu unterstützen in der Aufrechterhaltung des Friedens gegen den Aggressor. Als Soldat hat er die Pflicht, die Unverletzlichkeit des eigenen Territoriums zu verteidigen. Wenn nötig, mit Waffengewalt. Wie vereinbart der Christ den Schießbefehl gegen den Feind mit dem göttlichen Tötungsverbot?

Um diese Frage zu beantworten, soll folgende Situation geschildert werden: Es ist das Jahr 1941. Finnland hatte sich in der Befürchtung einer sowjetischen Aggression auf sein Territorium für den Verteidigungsfall vorbereitet. An der finnisch-sowjetischen Grenze tritt eine finnische Kompanie zum Morgengebet an. Danach werden die Soldaten auf die Wachpositionen an der Grenze eingeteilt. Ein Soldat bezieht seinen Posten auf einem bewaldeten Berg, von dem aus er freie Sicht hat über eine fast baumlose Ebene. Auf ihr naht sich ein Zug sowjetischer Soldaten in Dreierreihen, ahnungslos und in der offenen Absicht, auf finnisches Gebiet vorzudringen. Was soll der finnische Soldat jetzt tun, der eben noch beim Morgengebet Gott um Schutz und Schirm für den Tag angerufen hat? Soll er das 5. Gebot halten und den feindlichen Trupp durchziehen lassen, oder soll er den Befehl, die Grenze seiner Heimat mit der Waffe zu verteidigen, befolgen und in den nächsten Minuten 30 Menschenleben auslöschen? Er spricht ein Gebet zu Gott und bittet Ihn, um Verzeihung der Sünde, die er nun begehen wird, und der Sünden derer, die er nun töten wird. Der Zug der Feinde ist inzwischen nahe genug herangekommen, und der Soldat beginnt mit seinem Tod bringenden Gewehrfeuer auf die in der deckungslosen Ebene liegenden 30 Männer. Diese sind ihm wehrlos ausgesetzt, weil sie den Schützen in dem bewaldeten Berghang nicht erkennen können. Einer nach dem anderen findet den Tod. Als sich dort unten nichts mehr bewegt, steigt der Finne aus seiner Deckung. Ein Schuss peitscht von unten nach oben, und der Finne erhält einen Streifschuss an der Stirn. Der erkennt den letzten lebenden Feind hinter einer kleinen Tanne und versetzt auch ihm den Todesschuss.
Diese Situation zeigt in beklemmender Weise in welchem Zwiespalt sich der Christ als Soldat und nicht minder als Staatsbürger befindet, wenn sich Glauben und staatsbürgerliche Verpflichtung widersprechen. Hätte der finnische Soldat dem Tötungsverbot gemäß gehandelt, wäre eventuell das Leben von noch viel mehr Menschen durch den Einbruch der Feinde in Gefahr gewesen. Militärisch gesehen hätte er ein Vergehen begangen, auf das im Kriegsfall die Todesstrafe steht. Wie auch immer er gehandelt hätte, jedes Mal hätte seine Entscheidung dem Leben von vielen Menschen ein Ende gesetzt. Auch durch die Verweigerung des Kriegsdienstes hätte er sich nicht dieser Schuld entziehen können. Er lässt mit dieser Entscheidung nur andre Staatsbürger, die für die Verteidigung des Staates notwendige, Schuld bringende Arbeit verrichten, da er ja mit seinen Steuergeldern das staatliche Militär mitfinanziert. Ein echter Pazifist kann eigentlich seine Überzeugung nur außerhalb aller staatlichen Gemeinschaft leben. Er müsste sich einen gesetzesfreien Lebensraum suchen und dort auf alle Sicherheit einer staatlichen Gemeinschaft verzichten. Eine solche Lebensweise ist heute nur noch in der Theorie möglich.
An dieser Auswertung der geschilderten Kriegssituation wird deutlich, dass der Christ in zwei Bereichen lebt. Mit seiner Taufe hat er das Unterpfand für seine himmlische Berufung, und mit seiner Staatsbürgerschaft die Verpflichtungen dieser menschlichen Gemeinschaft gegenüber angenommen. Da der Staat ein Teil dieser gefallenen Welt ist, kann er sich nicht vor schuldhafter Verstrickung bewahren. Er bleibt mit seiner himmlischen Berufung stets auf die Sünden vergebende Gnade Gottes angewiesen.
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Der Widerstand des Christen gegen die inneren Feinde des Staates
Ein Staat besteht, wenn sich eine Gemeinschaft von Menschen auf ein Gesetz geeinigt hat, nach dem ein Zusammenleben organisiert wird. Das Großartige an der Erfindung des Gesetzes ist, dass es der Herrscherwillkür und dem Verbrechen einen Riegel vorschiebt und allen das Zusammenleben erleichtert. Es gibt ein Gesetz und unter normalen Umständen eine Macht, die auf dessen Einhaltung achtet. Wenn der Staat darüber nicht wacht, droht dem Staat von zwei Seiten her Gefahr: Einmal von den Übertretern des Gesetzes im Volk und zum andern, wenn der Staat selbst in seinen Vertretern ins Lager der Verbrecher gewechselt hat.
Gegen die Gesetzesbrecher setzt der Staat die Polizei ein. Aber auch der einfache Staatsbürger ist verpflichtet, die Polizei zu unterstützen. Im Falle eines Einbruchs soll er nicht nur die Polizei rufen, sondern auch versuchen, dem Täter die „Arbeit“ und die Flucht zu erschweren oder gar ihn dingfest zu machen. Mit solchem Handeln schützt er nicht nur sich selbst, sondern auch die Gemeinschaft vor dem Gesetzesbrecher. Wo es um die Wahrung des Rechts geht, da ist der Christ wie jeder Staatsbürger zu aktivem Eingreifen verpflichtet.

Was soll der Christ tun, wenn der Staat selbst gegen seine Gesetze ins Lager der Räuber gewechselt hat?
Auch dann bleibt die Berufung auf das Recht die erste Aufgabe des Bürgers. So ruft er als Christ den Staat zu seiner eigentlichen Aufgabe zurück. Wenn der Räuberstaat darauf nicht reagiert, ist es dem Christen nicht erlaubt, Gewalt anzuwenden. Die Schwertgewalt schwebt nicht frei über allen Menschen, so dass jeder nach ihr greifen könnte, sondern ist an das Amt gebunden. In der Loslösung der Schwertgewalt vom Amt besteht die größte Gefahr für das Zusammenleben der Menschen in dieser Gemeinschaft. Wenn ein unterdrückter Volksteil im Aufruhr eigenmächtig nach der Schwertgewalt greift, werden dadurch die Mächte der Auflösung und der Zerstörung entfesselt, die schlimmer sind als die Tyrannis. Denn im Aufruhr wird die Amtsgebundenheit der Schwertgewalt beseitigt und dem Chaos Tür und Tor geöffnet.
Mit dieser Anerkennung der Autorität des Staates ist der Christ jedoch nicht zur Passivität gegenüber dem Unrecht verurteilt. Die wirksamere Form des Widerstandes gegen einen totalitären Staat ist der legitime Widerstand durch: Das offene Wort, die Gehorsamsverweigerung gegen Unrechtbefehle (Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen, Apg 5,29), das Erleiden des Unrechts eventuell bis zum Zeugentod für das Gute (Martyrium).
Neben dem Gebet ist das öffentliche Wortzeugnis der Christen das wirksamste Mittel gegen die Bosheit, weil es geistliche Waffen sind.

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