Samstag, 23. November 2013

Die spirituelle Krankheit unserer Zeit: ATHEISTEN-TREND IN DEN USA

Singen und preisen ohne Gott

Die Gemeinde singt, lauscht der Predigt, sammelt die Kollekte, später gibt es Kaffee und Kekse. Ein ganz normaler Sonntag in einer US-Kirche? Fast, denn einer fehlt zur christlichen Idylle: Gott.
Es sieht wie ein typischer Sonntagmorgen in einer US-Megakirche aus. Mehrere Hundert Menschen sind gekommen, die Musik ist mitreißend, die Predigt klingt inspirierend, es gibt Lesungen und Minuten stillen Nachdenkens, stiller Reflexion. Nur eines fehlt: Gott.

Die Menschen, die sich hier versammelt haben, gehören einer Bewegung von Atheisten an, die vieles an dem mögen, was die Gottesdienste religiöser Glaubensgemeinschaften bieten. Sie wollen Ähnliches erleben - nur ohne einen Bezug auf Gott. Fast drei Dutzend solcher Gemeinden, die von ihren Unterstützern "atheistische Megakirchen" genannt werden, haben sich mittlerweile in den USA und in Australien etabliert. An diesem Morgen treffen sich erstmals Gleichgesinnte im kalifornischen Los Angeles zur "Sunday Assembly", übersetzt Versammlung am Sonntag. Wie schon zuvor bei ähnlichen Veranstaltungen in San Diego, Nashville, New York und anderen US-Städten geben sich die Menschen die Klinke in die Hand, um zusammen spirituell zu sein, ohne Ritual und Religion.

Britische Komiker etablieren Sonntagsversammlungen

Vorausgegangen war ein erfolgreiches Debüt in Großbritannien, die Idee wurde dann - auch dank der sozialen Medien - rasch in Übersee aufgegriffen. Sie ging von zwei britischen Komikern aus, Sanderson Jones und Pippa Evans, die das Ganze aber keineswegs als Scherz betrachten. Das Duo ist in diesen Tagen in den USA und Australien auf Tour, um Spenden zu sammeln und Atheisten rund um die Welt dabei zu helfen, ihre eigenen Gemeinden aufzubauen.

Jones kam vor sechs Jahren auf den Gedanken, nachdem er ein Konzert mit Weihnachtsliedern besucht hatte. "Da gab es so viel, was ich gern mochte. Aber leider war der Kern etwas, an das ich nicht glaube. Wenn man an Kirchen denkt, gibt es wenig, das schlecht ist. Man singt dort schöne Lieder, hört Interessantes, denkt darüber nach, wie man selbst besser werden und anderen Menschen helfen kann - und das in einer Gemeinschaft mit wunderbaren Beziehungen. Was kann man daran nicht mögen?" Laut einer im vergangenen Jahr veröffentlichten Studie des US-Meinungsforschungsinstituts Pew gehören 20 Prozent der Amerikaner keiner Religion an. Vor fünf Jahren waren es 15 Prozent. Allerdings zählten die Meinungsforscher zu dieser Kategorie auch Menschen, die nach eigenen Angaben an Gott glauben, aber keine Verbindung zu einer organisierten Religion haben, oder die sich selbst als "spirituell", aber nicht "religiös" betrachten.

Gemeinschaft ja, Glauben nein

Die "Versammlungen am Sonntag" sprächen vor allem Menschen an, die nicht mehr glaubten, aber die Gemeinschaft vermissten, die ihnen die Kirche geboten habe, sagt Phil Zuckerman, Professor für säkulare Studien am Pitzer College im kalifornischen Claremont. "In den USA herrscht ein bisschen das Gefühl, dass du nicht patriotisch bist, wenn du nicht religiös bist. Ich glaube, dass eine Menge dieser Leute sagen: 'Hey, wartet mal. Wir sind sozial eingestellt, wir sind gute Menschen, wir sind gute Eltern und sind genauso gute Bürger wie ihr. Und wir werden eine Kirche gründen, um das zu beweisen.'" Also Atheismus als eine Art Religion? Nicht alle finden diese Idee gut. "Es stimmt etwas nicht damit, diese ganze religiöse Sprache, die Bilder und das Ritual für den Atheismus zu übernehmen", sagt Michael Luciano, der sich selbst als Atheist bezeichnet.
Aber von solchen Vorbehalten war bei der jüngsten Premiere der "Sunday Assembly" in Los Angeles nichts zu spüren. Hunderte von Menschen stampften rhythmisch auf dem Boden, klatschten und jubelten zu mitreißenden Darbietungen von "Lean on Me", "Here Comes the Sun" und anderen Hits, die - angeleitet von Jones und Evans - anstelle von Kirchenliedern gesungen wurden. Am Ende machten dann Pappkartons zum Spendensammeln die Runde, während die Teilnehmer bei Kaffee und Hefeteilchen plauderten, Kinder auf dem Boden spielten. Elijah Senn fand den Morgen einfach perfekt. "Ich glaube, wir haben bisher in verschiedener Hinsicht ein Image vermittelt, das andere erschreckt, irgendwie gemein wirkt, so etwas wie: 'Wir wollen die Wände einreißen, wir wollen zerstören'", sagt der Atheist. "Ich bin wirklich froh, mit anderen zusammenkommen zu können und zu zeigen, dass es uns nicht um Zerstörung geht. Es geht darum, Dinge besser zu machen."
Das soll auch das Motto der "Sonntagsversammlungen" widerspiegeln. Live Better, Help Often, Wonder More - lebe besser, helfe häufiger, mache dir mehr Gedanken.
Quelle: N24

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