Sonntag, 24. November 2013

Erzpriester Georgios Metallinos- Die Essenz der Erneuerung /Eine Forderung der Zeit



Die Essenz der Erneuerung1
Eine Forderung der Zeit ιn den letzten Jahren ist mehr denn je  die Rede  von Erneuerung "in  der Kirche". 
Unter dem Eindruck der stürmischen Entwicklungen unserer Epoche kommt man soweit,  auch die Kirche als eine weltliche Größe (Gesellschaftsgruppe) zu betrachten, die  sich  ebenfalls sämtliche Methoden der Verbesserung  und des Fortschritts zu eigen machen müsse.  Und im  Leben des  westlichen Christentums ist der Begriff des "aggiornamento" (Modernisierung2) seit dem 2. Vatikanischen Konzil (1962-65) zum meistgebrauchten Schlagwort geworden. Es trifft zu, dass  unsere traditionellen Methoden im Bereich der kirchlichen Hierapostolie sehr oft ungeeignet scheinen, die erwarteten Früchte zu erbringen. So entsteht 
der Eindruck, wir hätten eine grundlegende Erneuerung "der Kirche" nötig, um bei unserer Arbeit irgendeinen Erfolg  erzielen zu können.  Wir müssen daher die  folgenden
entscheidenden Fragen beantworten

a) Was ist es, das sich in der Kirche ändern kann?
b) Welches ist das theologische Verständnis der Erneuerung?
c) Was ist als echte Erneuerung zubetrachten?

Kirche und Erneuerung
Bekanntlich lässt sich die Kirche nicht mit absoluter Genauigkeit definieren. Doch wir wissen, dass sie nicht eine weltliche Größe ist, sondern gottmenschliche Wirklichkeit, die vom Menschen nur durch Erfahrung, existentiell, mit der Gnade Gottes und durch Teilnahme an ihrem Leben "erkannt" werden kann. Die Kirche ist Mysterium, Leben und Gemeinschaft mit der Allheiligen Dreiheit innerhalb dieser Welt. Ihr Anfang ist  "vor aller Zeit", im ewigen Willen des Dreieinigen Gottes. 
Doch die Kirche wurde in die Welt "gepflanzt" (hl. Irenäos von Lyon), damit die Welt in ihr gerettet werde. Sie lebt mithin in der Welt als eine spezifische gottmenschliche Wirklichkeit, die  sich  in Raum und Zeit, hier und jetzt, vollzieht. Sie rettet jedoch die Welt nicht mit weltlichen Mitteln, sondern mit der göttlichen Gnade, die sie besitzt. Die einzige Art, in der die Kirche der Welt helfen kann, besteht darin, dass sie  die Welt um sich zu sich zieht und Christus  einverleibt, Dessen Leib sie ist und deren Haupt Er ist. Denn nur indem wir am Leben Christi teilhaben, können wir gerettet und vom Tod befreit werden. Rettung ist eben diese Einverleibung in die Kirche. Die Welt wird gerettet, indem sie Kirche (nicht Klerus!) wird, das heißt indem sie Christus eingefügt wird. In der Kirche sind folglich zwei  Elemente miteinander vorhanden: das Ungeschaffene und das Geschaffene, das Zeitlose und das Zeitliche, das Göttliche und das Menschliche. 
Das erste ist jenes, das rettet und heiligt, das zweite jenes, das gerettet und geheiligt wird.Das göttliche Element ist von Natur aus unwandelbar. Würde auch dieses sich verändern, hätte die Welt nicht in jeder Epoche die gleiche Möglichkeit und Gewissheit der Rettung. Da andrerseits das menschliche Element in der Kirche nicht unbewusst, auf gleichsam magische Weise gerettet wird, sondern bewusst, durch seine eigene Mitwirkung (Synergie), kann man von einer fortwährenden Erneuerung sprechen, jedoch nicht "der Kirche", sondern "innerhalb der Kirche", das heißt Erneuerung des Lebens der Gläubigen, des menschlichen Elements der Kirche. 
Dies  verhält sich so, weil die Kirche zwei Seiten hat. Sie ist "Kirche Gottes", die jedoch (auch) aus Menschen besteht, und zwar aus solchen, die leicht verwundet werden von der Sünde. Sie lebt in Raum und Zeit und ist folglich nicht nur göttliche Wirklichkeit, sondern auch historische Größe. Solange sie in der Welt ist, gelangt sie nie zur Vollkommenheit des  Reichs der Himmel, sondern bleibt  "Angeld des künftigen Erbes, Erstlingsgabe der ewigen Güter" (Anaphora der Liturgie des Hl. Basilios). 

Die echte Erneuerung
Die Orthodoxie spricht nicht von Erneuerung der Kirche selbst oder des Lebens der Kirche, denn die Kirche bleibt allezeit neu in Christus, und das Leben der Kirche ist das Leben Christi Selbst. Alles  was in authentischer Weise in der Kirche existiert, lebt in Christus und ist infolgedessen "eine neue Schöpfung" (2 Kor 5,17). Das einzige, was uns alt machen kann, ist die Sünde, denn sie führt uns zur Verderbnis des Todes. 
Im christlichen Sinn bedeutet Erneuerung mithin  unsere fortwährendeBefreiung von der Tyrannei der Sünde.  Weil dies innerhalb der Kirche fortwährend möglich gemacht wird durch den geistigen Kampf sowie durch die Heiligen Mysterien und der in diesen wirksamen göttlichen und ungeschaffenen Gnade, istdie Sünde  -die Quelle unseres Verderbens und Alterns  -nichts weiter als eine bloßer Zwischenfall, eine heilbare Erkrankung, die in jedem Augenblick unseres Lebens überwunden werden kann. Dies ist, was die Worte des Apostels Paulus besagen:  "Erneuert euch in der Gesinnung eures Geistes und zieht an den neuen Menschen, den Gott gemäß erschaffenen, in Gerechtigkeit, Heiligkeit und Wahrheit" (Eph 4,23-24). 
Unter dieser Voraussetzung, soweit wie einer  in Christus  ist, ist er ein  neuer Mensch und hat keinerlei Erneuerung nötig. Das Einzige mithin, das wir alle, als das menschliche Element des Leibes Christi, nötig haben in unserem Leben, ist eine fortwährende Rückkehr zur Wahrheit in Christus, von der wir uns entfernen mit jeder unserer Sünden, welcher Art sie auch sei. Und hier muss ich daran erinnern, dass auch die Häresie Sünde ist!
Diese Rückkehr ist ein Prozeß, der in der Kirche unausgesetzt vor sich geht, und den wir als den eigentlichen "Erneuerungsprozeß" bezeichnen können. Echte Erneuerung besteht folglich darin, dass wir uns fortwährend erneuern in Christus, der Quelle unseres neuen Lebens. Neu ist das, was (beständig) in Christus bleibt (s. 2 Kor 5,17 / Eph 4,22ff). 
Dass einer eine neue Schöpfung ist, bedeutet, dass er in Christus ist und in Ihm lebt. Es besteht mithin ein wesenhafter Unterschied zwischen der Art und Weise, wie die Welt den Begriff "Erneuerung" gebraucht, und wie die Kirche ihn versteht. Für die Welt ist "neu" eine zeitliche Kategorie. Doch für die Kirche ist er eine qualitative und geistige Kategorie. In der  Semantik3 der Welt  ist "neu" ein relativer Begriff.  Etwas ist  neu im Verhältnis zu etwas anderem, das es ersetzt, um zu gegebener Zeit seinerseits ersetzt zu werden durch etwas "Neues", weil nichts in dieser Welt dem Gesetz des Alterns entraten kann. In der Kirche hingegen reden wir vom  "ewig Neuen", und das ist Christus, der allezeit  Neue Mensch, der Neue Adam. Christus altert niemals, denn Er ist das Neue an sich, das unerlässlich war, um die Welt zu erlösen, das absolut  Neue, denn Er ist zur Gänze frei von der Sünde. 

Deshalb  -was immer in Christus lebt, ist dadurch ebenfalls neu. Die echte Erneuerung, so wie die Kirche sie versteht, ist nicht die Ersetzung des Alten durch etwas Neues, sondern das  ständige Verharren in Christus, das fortgesetzte, ununterbrochene Leben in der Wahrheit Christi, mit anderen Worten -sie ist der vergöttlichte Mensch.

1Gr.  Originaltitel "Η ουσία της Ανανεώσεως", Auszug aus dem Buch von Vr. Georgios "Η Εκκλησια μέσα στον κόσμο"  ("Die Kirche in der Welt", hrsg. Apostoliki Diakonia, Athen) www.alopsis.gr. Erzpriester Georgios Metallinos  ist Emeritierter Professor der Theologischen Fakultät der Universität Athen, der er von 2004-2007 als Dekan vorstand. Dt. Übers. Kloster Hl. Johannes des Vorläufers, Chania 2010.
2Vom deutschsprachigen Katholizismus gewunden mit "Heutigwerden" übersetzt.
3Bedeutungslehre, Lehre über Sinngehalt und Bedeutung der Wörter.

Quelle: Prodromos-Verlag

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen