10. Juli 2008
Mönch Mark (Chomitsch) Genau vor zehn Jahren, im Juli 1998, wurden in der Einsiedelei von Optina (Optina Pústyn) die Reliquien der ehrwürdigen Starzen von Optina aufgefunden. Das Portal „Bogoslov.ru“ veröffentlicht die Erzählung eines Augenzeugen jener Ereignisse und bietet der Aufmerksamkeit der Leser eine Auswahl einzigartiger Fotografien dar, die im Kloster während der Arbeiten an der Auffindung der Reliquien in den Jahren 1988 und 1998 gemacht worden sind.
Das genaue Datum für den Beginn der Ausgrabungen wurde nicht im voraus festgelegt. Der Vorsteher des Klosters bat lange vor Anfang Juli um den Segen seiner Heiligkeit des Patriarchen, aber die Erlaubnis aus dem Patriarchat kam erst kurz vor dem Gedenktag Vater Nikons (Beljajew), d.h. zum Patronatsfest der Skite, der Geburt Johannes des Täufers. Vater Nikon verließ als letzter der Starzen das Kloster im Jahr 1927, und segnete nun, 70 Jahre später, gewissermaßen die Arbeiten zur Öffnung der Reliquien der Starzen.
Vor Beginn der Arbeiten hielt man ein Moleben (Bittgottesdienst) ab. An der Begräbnisstätte der Starzen Anatolij und Warsonofij, zwischen der Kirche der „Gottesmutter von Kasan“ (Kasanski-Kathedrale) und der Kirche zur „Einführung der Gottesmutter in den Tempel“ (Wedenski-Kathedrale), sowie hinter dem Altarbereich der Nikolski-Seitenkapelle letztgenannter Kirche betete die Klosterbruderschaft unter großem Andrang der Gemeinde um die erfolgreiche Durchführung des geplanten Werkes, auf das sich das Kirchenvolk viele Jahre vorbereitet und gewartet hatte.
Arbeiter des Klosters beseitigten das Steinpflaster, mit dem die Grabstellen der Starzen in den 80 - 90er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts belegt worden war, entfernten die Absperrungen und einige Schichten Erde. Dann wurden die Ausgrabungsstellen mit provisorischen Umzäunungen, Drehkreuzen und Seilen abgeriegelt und mit zwei Armee-Planezelten überdeckt, die eigens dafür herbeigeschafft worden waren.
Während der Arbeiten las man ununterbrochen den Psalter. Zuvor war die Ausgrabungsstelle geweiht worden. Für die Teilnahme an den Arbeiten in Optina war der bekannte Archäologe S.A. Beljajew eingetroffen. Er war früher schon an der Auffindung der Reliquien des hl. Theofan des Einsiedlers und der Identifizierung der Überreste der Zarenfamilie beteiligt.
Der Vorsteher des Klosters plante, die Reliquien nur einiger Starzen zu öffnen, da sich die Durchführung der Ausgrabungen als sehr arbeitsintensiv erweisen sollte. Der Zutritt auf das Territorium des Klosters wurde in diesen Tagen eingeschränkt. Die Klosterarbeiter nahmen nur an der ersten Etappe der Ausgrabungen teil; sie halfen, die Grabsteine zu entfernen, die Kreuze fortzutragen und die oberen Schichten zu öffnen: Den Pflasterstein, der den Weg zur der Kathedrale bildete, die Erde, und dann auch das Fundament der zerstörten Kapellen der Starzen.
Zum Bedauern der Bruderschaft erwies sich, dass das Haupt des Starzen Warsonofij von der eben erwähnten Säule zerdrückt worden und in viele Splitter von drei bis vier Zentimeter Größe zerfallen war. Die Reliquien des Starzen waren etwas dunkler als die Knochen von Vater Anatolij.
Bei Vater Warsonofij war das Mönchskreuz und das Paraman (gesticktes Kreuz, Teil der Kleidung eines Schimönches) gut erhalten geblieben. Unter den Knochen Vaters Anatolijs befand sich eine Menge Tierknochen - klein und weiß, waren sie charakteristisch zerstückelt. Der Zustand der Gruft und des in ihr bestatteten Archimandriten erlaubt die Schlussfolgerung, dass die Reliquien der Starzen einer Einwirkung unterlagen. Man hatte versucht, ihre Ruhe zu stören. Außerdem entdeckte man zu Füßen des Starzen Anatolij einen kleinen weißen weiblichen Schädel (er besaß weibliche anatomische Merkmale). Mit großer Wahrscheinlichkeit kann man vermuten, dass es sich dabei um die Überreste der Fürstin Tatjana Rtischtschewa handelt, die ebenfalls entweiht wurden. Ihr Grab lag genau östlich des Grabes von Vater Anatolij und war offenbar geschändet worden, weil in ihr eine Person aus einem Fürstengeschlecht ruhte.
Der Abschluss der Arbeiten zur Auffindung der Reliquien der Starzen Anatolij I und Warsonofij fiel auf den 9. Juli um 6 bis 7 Uhr morgens, den Festtag der Ikone der Gottesmutter von Tichwin.
Die Bruderschaft beseelte der Gedanke, dass eine gewisse «historische Gerechtigkeit» wiederhergestellt werden würde und den Reliquien der Starzen, die teilweise geschändet worden waren, die entsprechende Ehre erwiesen werden sollte.
Zur Öffnung der Reliquien der Starzen auf dem Begräbnisplatz, der sich hinter dem Altarbereich der Nikolski-Seitenkapelle der Wedenski-Kathedrale befand, schritt man ebenfalls am 8. Juli. Es war bekannt, dass die Gräber dieser Ruhestätte in nord-südlich verlaufenden Reihen angeordnet waren. Zwanzig Jahre vor der Übergabe des Klosters an die Kirche, d.h. ungefähr im Jahr 1968 hat Nadjeschda Aleksandrowna Pawlowitsch, Dichterin und geistiges Kind des Starzen Nektarij, die Anordnung der Gräber der Brüder Kirejewskij und des Starzen Amwrosij vermerkt.
Außerdem half Olga Aleksandrowna Kawelina (Nonne Serafima), die von Kindheit an durch ihren Großonkel Archimandrit Leonid Kawelin mit der Einsiedelei von Optina verbunden war, nach der Wiedereröffnung des Klosters die Gräber der Starzen zu finden.
Aber diese Informationen erwiesen sich als unzureichend, wie sich später herausstellte. Man entfernte sich von der Begräbnisstätte des Starzen Amwrosij (wie man früher angenommen hatte) und begann Gräber zu öffnen, die sich in dieser Reihe nach Norden zu befanden.
Die Überreste zweier Männer, in denen man die Starzen Makarij und Lew vermutete, wurden mit aller nötigen Behutsamkeit aus der Erde gehoben, auf Papier gelegt, das über Sperrholz gebreitet war, und in die Wedenski-Kathedrale übertragen.
Es war unmöglich, der Bekleidung der Körper und vielen anderen merkwürdigen Besonderheiten keine Aufmerksamkeit zu schenken. Die Brüder versuchten, die Nichtübereinstimmung ihrer Erwartungen mit dem tatsächlichen Resultat der Ausgrabungen zu versöhnen und gewissermaßen anzupassen. (Man muss anmerken, dass die aufgefundenen Reliquien der Väter Makarij und Lew ausgezeichnet erhalten waren). Aber nachdem man die entstandene Lage erörtert hatte, wurde schnell klar, dass bei der Lokalisierung der Grabstellen noch im Jahr 1988 ein Fehler gemacht worden war. So waren am 16. Oktober 1988 die Reliquien des Starzen Joseph aufgefunden und zur Verehrung aufgebahrt worden, und nicht die des gottseligen Amwrosij, (wie man früher angenommen hatte). Nördlich des Grabes von Vater Joseph befinden sich die Grabstellen der Brüder Kirejewskij (Iwan Wassiljewitsch und Pjotr Wassiljewitsch), sowie Natalia Kirejewskijs, der Gattin Iwan Wassiljewitschs. Die Reliquien der Starzen Amwrosij, Makarij und Lew befinden sich in der darauffolgenden Reihe nach Westen hin.
So hat die Familie Kirejewskij auch nach ihrem Ableben dem Kloster gedient. Gerade sie hat den weiteren richtigen Weg für die Ausgrabungen gewiesen, obgleich diese Richtung nicht von Anfang an feststand.
Die Unsicherheit bezüglich des Fehlers bei der Lokalisierung der Reliquien der Starzen hielt einige Stunden an. Man stellte viele Vermutungen diesbezüglich an und erörterte die Frage, wo nun die echten Reliquien des Starzen Amwrosij, wie auch diejenigen der anderen Starzen zu suchen wären. Die Bruderschaft war zu sehr an die früher angenommene Lage der Reliquien, die allen teuer waren, gewöhnt. Es hatten sich bestimmte feste Vorstellungen gebildet, auf die man schwerlich schnell verzichten konnte. Der Vorsteher des Klosters trat telefonisch mit seiner Heiligkeit dem Patriarchen in Verbindung und erhielt den Segen, die Reliquien aller Starzen, die sich in der Nekropole befinden, zu öffnen. Von diesem Augenblick an begann man, die Gräber in folgender Reihenfolge zu öffnen: In der auf die Gräber Vater Josephs und der Kirejewskijs anschließenden Reihe nach Westen, in Bezug die Gräber der Starzen - a) Amwrosij, nördlich von ihnen - b) Makarij und Lew, südlich - c) Ilarion östlich - und d) Anatolij (Potapow).
Sehr bald wurden alle Zweifel zerstreut. Die Richtigkeit der Annahme über die Lage der Reliquien der Starzen bestätigte sich. Und obwohl der Vorsteher des Klosters zu Recht von der Bruderschaft forderte, alles Beweismaterial mit großer Sorgfalt einzusammeln, war es ganz klar, dass dies die Reliquien von Mönchen und gerade die der gesuchten Starzen waren. Teile von Paramanen, Kreuze, Klobukreste (Reste von Mönchhüten), Gefäße mit Lampenöl aus der Kathedrale, ja die Unverweslichkeit der Reliquien selbst sprachen beredt davon, dass die Reliquien der gottseligen Amwrosij, Makarij, und dann Lew und anderer Väter geöffnet wurden. Auch die seelische Verfassung der Bruderschaft sprach für sich. Der Wunsch zu arbeiten, der Wunsch zu wachen, (der Vorsteher musste sogar einige Brüder zu einer Ruhepause wegschicken), Ehrfurcht und gegenseitige Hilfe, letztendlich das Erscheinen der Bruderliebe zeugten davon, dass ein außergewöhnliches Ereignis stattfand.
Die Liebe der Starzen war überreich auf alle ausgegossen. Die Strengsten wurden durch diese Gnade milder. Und es begab sich, dass man einen Mann begrub; da sie aber die Kriegsleute sahen, warfen sie den Mann in Elisas Grab. Und da er hinab kam und die Gebeine Elisas berührte, ward er lebendig und trat auf seine Füße. (2. Kön. 13,21)
Niemand bezweifelte, dass die Bruderschaft alle Arbeiten zu Ende führen würde, und der noch ausstehende Arbeitsumfang war nicht gering.
Südlich des gottseligen Amwrosij fand Starez Ilarion seine Ruhestätte, und etwas weiter ruht der ergebene Freund des Letzteren — Vater Flavian (Malenkow).
Zwischen den Reihen, zum Haupt Starez Amwrosijs und zu Füßen Starez Josephs hin, lag ein wenig seitlich Starez Anatolij (Potapow), der kurz vor seinem Ableben hierher gekommen war und gesagt hatte, dass an dieser Stelle noch ausreichend Platz für einen Menschen sei.
Die Brüder erinnerten sich an Momente aus dem Leben des Starzen Joseph, welche besagen: „Es lebte in der Einsiedelei von Optina ein alter Starez, der die Gabe des Sehens besaß, Vater Pachomij, ein Heiliger. Er mochte Vater Joseph sehr, und als jener noch ein einfacher Mönch war, bat Vater Pachomij jedes Mal, wenn er sich mit ihm traf, unbedingt um seinen Segen. — „Vater Pachomij, ich bin doch kein Priestermönch“, — antwortete ihm Vater Joseph mit einem Lächeln.
— „Ich wundere mich“, — sagte Pachomij. — „Vater Joseph ist aus demselben Holz geschnitzt wie der Vater Amwrosij“.
Eine Magd Gottes – eine Närrin um Christi Willen – , erschien bei Starez Amwrosij. Als sie Vater Joseph sah und sagte sie zu ihm: „Ein Starez hatte einmal zwei Zimmerdiener; der eine von ihnen hat dessen Platz eingenommen“.
Es starb der Vater, und es geschah als ob er nicht gestorben wäre: Denn er hatte an seiner Stelle einen, ihm ähnlichen gelassen. (Sir. 30,4)
Zehn Jahre behütete das Kloster der ehrwürdige Joseph, dessen wundertätige Gebete sich mit dem Segen des gottseligen Amwrosij vereinten.
Die Gebeine des gottseligen Amwrosij waren von besonderer Farbe, ähnlich hellem, durchtränkten Holz. Sie waren sehr gut erhalten. Die Gruft war ziemlich trocken und nur mit wenig Erde verfüllt.
Der Sarg Vater Makarijs lag 30-40 Zentimeter tiefer als der Sarg Vater Amwrosijs, und die Gruft war feuchter. Seine Reliquien waren auch in sehr gutem Zustand, von der Farbe dunklen Holzes.
Nachdem die Gebeine Vater Makarijs entnommen worden waren und somit die Möglichkeit entstanden war, das Gruftgewölbe gefahrlos abzubauen, vergrößerte man die Öffnung in der Wand zwischen beiden Grüften, damit einer der Brüder in Gruft Vater Lews, die hoch mit Erde verfüllt war, hineinkriechen konnte,. Die Erde stand so hoch, dass man sich nur im Liegen den Weg zu den Reliquien frei räumen konnte. Die 30-40 Zentimeter tiefer gelegene Gruft war noch dazu noch sehr feucht. Offensichtlich war schon jemand in das Grab des Starzen eingedrungen: Die Knochen des Skelettes lagen durcheinander, waren mit Erde vermischt, so dass man die ganze Erde, die man aus der Gruft herausholte, durchsieben musste. Einer aus der Bruderschaft musste die Erde im Liegen einem anderen übergeben, der in die Gruft hinein- und wieder herauskroch, um sie weiterzureichen. Die Oberfläche der Gruft querte jemand so unvorsichtig, dass der östliche Teil des Gewölbes gerade dort einstürzte, wo die Eimer mit Erde übergeben wurden. Der Bruder, der sich in der Gruft befand, war ernstlicher Gefahr ausgesetzt und für kurze Zeit vom Entsetzen, ja von der Todesangst gepackt, in diesem kleinen Raum zerdrückt zu werden. Der andere Bruder indessen hätte sich der Gefahr ausgesetzt, unter den Ziegeln des einstürzenden Gewölbeteils beerdigt zu werden, wenn er sich in diesem Moment in der Gruft aufgehalten hätte, um Erde zu fassen. Doch er wurde nur harmlos von einer Menge Erde überschüttet. Nach der Angst trat das Gefühl des Erbarmens Gottes und der Anwesenheit und Fürsprache Starez Lews ein. Man stellte oben einen Aufseher ab und fuhr mit den Arbeiten fort. Die abschnittsweise Entnahme der Reliquien des Starzen verlief erfolgreich; später setzte man sie wieder zusammen, ohne dass es dabei zu nennenswerten Verlusten kam.
Ebenso fand man in der Wedenski-Kathedrale nach und nach die Gebeine Starez Anatolijs des Jüngeren auf. Der obere Teil seines Skelettes war besonders gut erhalten und hatte dieselbe Farbe, wie die Reliquien von Starez Amwrosij.
So waren bis zum 11. Juni die Reliquien aller Starzen, die der Auffindung zugänglich waren, gehoben und in eigens vorbereitete hölzerne Truhen geborgen worden, ihre weitere Bearbeitung erwartend. Alle Arbeiten verliefen in großer Einheit und im Geist brüderlicher Liebe. Es waren unvergessliche Tage für die Klosterbruderschaft, von denen man nicht Abschied nehmen wollte. Es war das Ereignis, das seit langem erwartet wurde und die Erwartenden nicht enttäuschte. Es wurde zu einem der wichtigsten Meilensteine im Leben des Klosters. Ein Ereignis, das untrennbar mit dem Begriff „Verherrlichung“ verbunden ist.
In kurzer Zeit war auch das zertrümmerte Haupt des gottseligen Warsonofij wieder hergestellt worden. Einer unter den Ikonenmalern konnte im Laufe einiger Stunden die Schädelknochen mit Hilfe von weichem Wachs zusammenfügen, wobei lediglich ein Fragment im Bereich der Schläfen verloren ging.
Eines Tags besuchte der Bischof das Kloster während der Ausgrabungen, und dieser Besuch wurde von der Klosterbruderschaft als gutes Zeichen und als Segen der Kirche aufgenommen.
Es war die Zeit eines wahren Triumphes der Orthodoxie, als die Reliquien der Starzen mit entsprechender Würde in Ordnung gebracht und – in die speziellen Truhen untergebracht, längere Zeit in der Wedenski-Kathedrale ausgestellt wurden, gegenüber dem Sakrophag des ehrwürdigen Amwrosij.
Das Kloster erwartete die Übertragung der Reliquien seiner Starzen in die wiederhergestellte und in eine Ruhestätte umgewandelte Kirche der Ikone der Gottesmutter von Wladimir.
Quelle: http://de.bogoslov.ru
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