Freitag, 1. April 2016

Einige Geistliche Unterweisungen- hl. Altvater Paisios vom Berg Athos


Biene und Fliege 
Aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich, daß das Leben der Menschen in zwei Kategorien einzuteilen ist. Es gibt keine dritte: Entweder gehört der Mensch zur ersten oder zur zweiten. Die eine Kategorie der Menschen ist einer Fliege ähnlich. Eine Fliege ist dadurch charakterisiert, daß sie sich immer auf Schmutziges setzt. Zum Beispiel, wenn es viele süßduftende Blumen gibt und irgendein Tier macht eine Ecke im Garten schmutzig, wird sie durch den schönen Garten fliegen, ohne sich auf irgendeine der Blumen zu setzen. Erst wenn sie die Ausscheidungen sieht, wird sie geradewegs herunterkommen und anfangen, darin zu graben. Sie genießt den Gestank, der dann durch das Aufwühlen entsteht, und kann sich davon nicht losreißen. Wenn sie die Möglichkeit hätte zu sprechen und ihr sie fangen und fragen würdet, ob sie wisse, wo die Rosen im Garten seien, würde sie antworten, daß sie nicht wisse, was das sei. Sie würde sagen: tIch weiß, wo es Senkgruben, Toiletten, Tierexkremente, Schmutz gibt...! Genauso ist es im Leben, wo es Menschern gibt, die einer Fliege ähneln. Das ist die Kategorie von Menschen, die gelernt haben, über alles negativ zu denken und überall das Schlechte zu entdecken, wobei sie all das Gute nicht bemerken und es ignorieren. 
Die andere Kategorie der Menschen ähnelt einer Biene. Die charakteristische Eigenschaft einer Biene besteht darin, daß sie etwas Schönes und Süßes findet und sich darauf setzt. Nehmen wir zum Beispiel an, daß jemand in einem schmutzigen Raum eine Vase mit Blumen aufgestellt hat. Wenn eine Biene hineinfliegt, wird sie an allem Schmutzigen vorüberfliegen und sich nirgendwo niederlassen, solange sie nicht eine Blume gefunden hat und sich auf sie setzt. Wenn ihr diese Biene fangen und sie fragen würdet, wo Abfall und Senkgruben seien, würde sie antworten, sie habe nichts dergleichen bemerkt, doch es gab gewiß Hortensien, Rosen, und weiter hinten gab es noch mehr Rosen und dann Veilchen, und dort drüben war Honig, und an dieser Stelle Zucker...
 Es wird sich herausstellen, daß sie eine Kennerin alles Guten ist und keine Ahnung von etwas Schlechtem hat. Genauso gehört der Mensch entweder zur Kategorie der Fliege oder der Biene.
 Der Altvater kam zu folgendem Abschluß: Wenn mich Menschen besuchen und andere anklagen, gebe ich ihnen dieses Beispiel und lege ihnen nahe zu wählen, zu welcher Kategorie sie gehören und gleichfalls festzustellen, zu welcher Kategorie die Menschen gehören, die sie anklagen. 

Beispiele guter und schlechter Gedanken 
Einmal kam ein Junge, ungefähr 17 Jahre alt, und klopfte an die Tür, so daß ich sie öffnete. Ich trat heraus und näherte mich dem Zaun. - "Ich möchte Vater Paisios sehen", sagte er. Ich sagte ihm, um seine Neigung zu prüfen: "Er ist nicht hier. Er ist nach Kariés gegangen, um Zigaretten zu kaufen." - "Nun gut, dann werde ich auf ihn warten", antwortete der Junge, der stets gute Gedanken im Kopf hatte. - "Geh!", sagte ich ihm, "warum willst du denn auf ihn warten?" - "Nein, Vater, ich möchte ihn sehen!", beharrte der Junge. Er hatte eine gute Veranlagung, und ich konnte ihn nicht durcheinanderbringen, trotz der Tatsache, daß ich ihn lange quälte. Er akzeptierte keinen schlechten Gedanken. Er hatte eine gute Seele. Einmal kam ein Mann, der keine guten Gedanken hatte, mich besuchen, damit ich ihn als Novizen aufzunehme. - "Ich habe hier keine Novizen. Zuerst wegen der vielen Menschen, die hier als Kellner arbeiten wollen und dabei irgendeinen Gewinn machen möchten, aber nicht als Mönche, denen es um das Geistliche geht. Zweitens, da ich nun schon viele Jahre Mönch bin, habe ich ein bißchen was Gutes angesammelt, genauso aber auch einige Schwächen, die ich noch nicht losgeworden bin. Und wenn Sie hierher kämen _ sagte ich ihm _ dann würde Ihnen sogar das Gute (Fasten, Nachtwachen, Gebet usw.) schaden, denn Sie wären nicht in der Lage, es zu befolgen, und meine Schwächen werden Ihnen auch schaden, denn Sie würden sie nicht ertragen können. Deshalb werde ich Sie nicht akzeptieren." Nachdem er das gehört hatte, begann er andere Klöster aufzusuchen.
Nach einigen Tagen, als ich im Garten war und zwei Tomaten mit etwas trockenem Brot aß, begann ich über die segensvollen Taten Gottes nachzudenken, die Er für mich vollbracht hat. Ich begann Gott zu danken, daß Er mir solch ein wunderbares Haus an diesem schönen Ort gegeben hatte, um das mich viele Reiche beneiden würden, denn sie könnten wünschen, solch ein Häuschen für ihre Freizeit zu haben. Ich dachte, daß das nun mein Haus sei, ohne daß ich dafür Miete bezahlen muß, für die, um sie aufzubringen, andere Menschen hart zu arbeiten hätten. Außerdem habe ich meine tägliche Nahrung, und um sie zu haben, muß ich nicht in der Fabrik arbeiten wie viele andere. Daß ich an einem heiligen Ort lebe, wo es so viele gute Brüder gibt. Als ich an all das dachte, wurde ich von solcher Zerknirschung wegen meiner Dankbarkeit für diese großen göttlichen Segnungen erfüllt, daß ich zu weinen begann und nicht mehr weiteressen konnte. Als ich in solch gerührter Verfassung war, kam der junge Mann, der mich ein paar Tage zuvor gefragt hatte, ob ich ihn als Novize akzeptieren würde, hinauf an den Zaun. Damit er mich nicht weinen sähe, ging ich sofort in mein Kellion, wusch mein Gesicht und brachte mich in Ordnung, dann ging ich zur offenen Tür. Offensichtlich von dieser Verzögerung in Versuchung geführt, sagte er zu mir: "So ist das also, he?! Und dich hält man für einen Asketen? Du hast Fleisch gegessen, und als du mich gesehen hast, bist du sofort verschwunden, damit ich dich nicht sehe. Jetzt habe ich begriffen, was du in Wahrheit bist!" Durch solch eine Anschuldigung verblüfft, lachte ich und versuchte mich nicht zu rechtfertigen. Ich war nur erstaunt darüber, wie leicht er für schlechte Gedanken den Weg freimachte. 
Der Altvater sagte: Laßt uns niemals jemanden verurteilen. Wenn wir sehen, daß jemand eine Sünde begeht, laßt uns weinen und Gott bitten, ihm zu vergeben. Wenn wir die Fehler der anderen verurteilen, bedeutet das, daß unser geistlicher Blick noch nicht gereinigt ist. Derjenige, der seinem Nächsten hilft, empfängt Hilfe von Gott. Derjenige, der ihn mit Neid und Bosheit verurteilt, hat Gott als seinen eigenen Richter. Laßt uns keinen richten. Laßt uns jeden für einen Heiligen halten und uns selbst für Sünder. Man kann den Nächsten nicht nur durch Worte, sondern geistig und durch die innere Einstellung des Herzens verurteilen. Die innere Einstellung färbt unsere Worte und Gedanken. Auf jeden Fall ist es  besser, in unseren Überlegungen zurückhaltend zu sein, um nicht in das Verurteilen zu fallen. Mit anderen Worten, laßt uns vermeiden, uns dem Feuer zu nähern, andernfalls werden wir uns verbrennen oder uns am Rauch vergiften. Es ist besser, uns selbst zu richten und aufzuhören, an den Fehlern der anderen interessiert zu sein.^ Und bei anderer Gelegenheit: Man sollte niemals, auch nicht unter den schlimmsten Umständen, einem negativen Gedanken gestatten, in unsere Seele einzudringen. Der Mensch, der unter allen Umständen die Neigung zu guten Gedanken bewahrt, wird stets gewinnen; sein Leben wird ein ständiges Fest sein, denn es wird immer auf gutem Denken basieren.

Quelle: "Altvater Paisios vom Berg Athos - Der hesychstische Weg des Friedens", Zusammengestellt von Bischof Alexander (Mileant), Johannes A. Wolf und Christos V.M. Tagarakis

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