Der heilige Gorazd
wurde am 26. Mai 1879 in Hruba Vrbka in Mähren geboren. Sein weltlicher Name
war Matej Pavlik. Matejs Mutter hieß Anna, sein Vater Jan Pavlik. Der Vater war
Landwirt von Beruf und stellte in seinem Heimatdorf viele Jahre den Bürgermeister.
Die Familie, in die Matej geboren wurde, war römisch- katholischen Glaubens.
1898 schloß Matej erfolgreich seine Gymnasialausbildung ab. 1902 absolvierte er
die katholische Fakultät zu Olmütz und wurde am 5. Juli desselben Jahres zum
katholischen Priester geweiht. Bis 1904 war er dann Kaplan der
deutschsprachigen Gemeinden von Karlstein und Braunsdorf. Ab 1904 hatte er
vierzehn Jahre lang die Stellung des Administrators der Kirche am
psychiatrischen Sanatorium zu Kromjeritz inne, wodurch er sich einen guten
Einblick in die Probleme der menschlichen Seele erwarb.
Bereits in seiner Studienzeit war bei Matej Pavlik das
Interesse an den Heiligen Methodios und Kyrillos, den Aposteln der Slawen,
erwacht. Aus der Beschäftigung mit ihrem Leben und Wirken erwuchs dann ein
tiefes Interesse für das Glaubensleben der orthodoxen Kirche. So besuchte
er auch während seiner Studienzeit die Stadt Kiew und das dortige
Höhlenkloster.
Während des ersten Weltkriegs wuchs in ihm die
Ablehnung gegenüber vielen Lehren und Ansichten der römischen Kirche. Nach dem
Krieg schloss er sich der Bewegung der sogenannten „Tschechoslowakischen oder
Hussitischen Kirche“ an. Schon bald aber erkannte er, dass dieser liberale,
„altkatholische“ Weg ihn nicht zur Kirche der heiligen Apostel zurückführen
konnte. Und so begann er innerhalb dieser Bewegung für einen Anschluss der
Gemeinden an die Orthodoxie zu werben.
Am 20. September 1921 bekannten Matej Pavlik und
fünfundzwanzig weitere Gemeindevertreter in Sremski Karlovac während einer
Bischofssynode der serbischen Kirche ihre Glaubensüberzeugung mit dem orthododoxen
Glaubensbekenntnis und baten um Aufnahme in die orthodoxe katholische Kirche
des Ostens durch die serbische orthodoxe Lokalkirche.
Am folgenden Hochfest der Geburt der Allheiligen
Gottesgebärerin, wurde Dr. Matej Pavlik im Kloster Krusedol zum Mönch Gorazd
geschoren Seinen neuen Namen im Mönchstand erhielt er nach dem aus Mähren
gebürtigen heiligen Gorazd, einem Schüler des heiligen Methodios.
Tags darauf wurde der Mönchspriester Gorazd während
einer bischöflichen Liturgie im Kloster Grgetek in den Rang eines Abts und am
Abend des gleichen Tages während der Vesper im Kloster Hopovo in den Rang eines
Archimandriten erhoben. Am 25. September weihten Patriarch
Dimitrije von Serbien, Metropolit Antonij (Chrapovickij), Metropolit Varnava
von Skopje und Bischof Josif von Bitola in Anwesenheit fast des gesamten
Episkopats der serbischen orthodoxen Kirche den Archimandriten Gorazd zum
Bischof der orthodoxen Kirche Christi. Der neue Bischof von Mähren und
Schlesien, der später den Titel von Tschechien, Mähren und Schlesien erhielt,
war in seinen Bemühungen um den Aufbau der orthodoxen Kirche in der
Tschechoslowakei von unermüdlichem Eifer erfüllt. Die tschechischen orthodoxen
Gemeinden wurden, obgleich nur klein an der Zahl ihrer Mitglieder, immer mehr
und erbauten unter Bischof Gorazds Leitung trotz der schweren Wirtschaftskrise
vierzehn Gotteshäuser. Selbst Anstrengungen zum Bau eines Klosters unternahm
der eifrige Bischof. 1922 begab er sich sogar nach Amerika, um seinen dort
lebenden tschechoslowakischen Landsleuten den Zugang zur orthodoxen Kirche zu
ermöglichen. Auch half er den aus der Union mit Rom zur Orthodoxie
zurückgekehrten Gläubigen in den Karpaten und setzte sich erfolgreich für die
Rechte der wiedererrichteten, orthodoxen Diözese von Mukacevo und Presov ein.
Bischof Gorazd gab den
orthodoxen Katechismus, das orthodoxe Gebetbuch und verschiedene,
gottesdienstliche Bücher - so die Liturgietexte des heiligen Johannes
Chrysostomos und des heiligen Basilios des Großen und einen gekürzten „Trebnik“
(Buch zum Vollzug der Bittgottesdienste) in tschechischer Sprache heraus.
Im Mai 1942 verübten
tschechoslowakische Fallschirmjäger, die unentdeckt über dem damals sogenannten
Protektorat Böhmen und Mähren abgesprungen waren, ein Attentat auf den stellvertretenden
Protektoratsleiter Heydrich. Dieser erlag dann im Juni seinen Verletzungen.
Einigen der Attentäter war es gelungen, sich in der Krypta der orthodoxen
Kathedralkirche in Prag zu verstecken. Doch die Gestapo kam ihnen durch Verrat
auf die Spur. Das Gotteshaus wurde am 18. Juni 1942 von deutschen Soldaten
umstellt und beim folgenden Kampf im Inneren der Kathedrale wurden alle
Widerstandskämpfer getötet. Aufgrund der Tatsache, dass die Freiheitskämpfer in
der Krypta der orthodoxen Kathedrale Zuflucht gefunden hatten, war auch das
Schicksal Bischof Gorazds besiegelt. Um wenigstens das Leben der schon am Tag
der Erstürmung des Gotteshauses verhafteten beiden Priester, sowie des Küsters
und seiner Familie zu retten, war er bereit, als zuständiger Bischof die
gesamte Verantwortung auf sich zu nehmen. Am 25 Juni wurde der heilige Gorazd
verhaftet und schwer gefoltert. Am 3. September verurteilte man ihn zum Tod
durch Erschießen. Vollstreckt wurde das Urteil schon am folgenden Tag. Den
ehrwürdigen Leib des heiligen Bischofs verbrannte man im Prager Krematorium.
Mit Vladyka Gorazd wurden auch der Vorsteher der Kathedralkirche, Vater Vaclav
Cikl, und der Vorsitzende ihres Kirchenrates, Jan Sonnevend, erschossen. Einen
Tag später folgte ihnen Vater Vladimir Petrek, der als einfacher Priester an
der Kathedralkirche gedient hatte, ihnen ins Martyrium nach.
Weitere
zweihundertsechsunddreißig Personen, die den Freiheitskämpfern Hilfe geleistet
oder mit ihnen in Verbindung gebracht wurden, wurden im Oktober 1942 im Konzentrationslager
Mauthausen in Österreich umgebracht. Unter ihnen befanden sich folgende neun
Mitglieder der orthodoxen Kathedralgemeinde: Marie Ciklova, die Gattin Vater
Vaclavs, Marie Gruzinova, die Sekretärin Bischof Gorazds, Marie Sonnevendova,
die Gattin Jan Sonnevends, Ludmila Rysava, ihre Tochter, Vaclav Ornest, der
Küster der Kathedrale, Frantiska Ornestova, seine Gattin, Miluse Ornestova,
ihre Tochter, Karel Louda und Marie Loudova. Bereits am 1. September war die
Tschechische Orthodoxe Kirche verboten und ihr gesamtes Eigentum zugunsten des
Deutschen Reiches eingezogen worden. Ihre Gotteshäuser wurden geschlossen und
alle Geistlichen zur Zwangsarbeit nach Deutschland abtransportiert.
1961 beschloss die
serbische orthodoxe Kirche und 1987 orthodoxe Kirche in Tschechien und der
Slowakei Bischof Gorazd zu den heiligen Neomartyrern zu zählen.
1999 wurde, nachdem man schon früher in einem
Nebenraum der Kathedrale eine Kapelle zu Ehren des heiligen Gorazd eingerichtet
hatte, an Südwand der Kathedralkirche ein Schrein für den neuen Heiligen
errichtet. Das Zentrum dieses Schreins bildet eine große Ikone des heiligen
Gorazd, und rechts und links von ihr sind hinter Glas seine bischöflichen
Gewänder, sein Hirtenstab und seine Mitra zur Verehrung ausgestellt, da die
nationalsozialistischen, deutschen Besatzer seine Reliquien sofort nach dem
Martyrertod verbrannt hatten.
Zusammengefasst und ergänzt von Thomas Zmija- Horjanyj nach Michael Schulte; Art.: „Bischof Gorazd von Tschechien und Mähren-Schlesien“, in Bautz, biographisch- bliographisches Kirchenlexikon.
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