Dienstag, 14. Januar 2014

Die Pharisäer - hl. Justin Popovic


“Der größte unter euch” – wodurch ist er groß? – durch den Gottmenschen. Worin liegt die Größe des Gottmenschen beschlossen? Im demütigen Dienst an den Menschen, an allen Menschen. “Ich bin unter euch wie ein Diener” (Lk 22, 27). Darin liegt die ganze Soziologie des Evangeliums beschlossen. Der Größte ist dadurch groß, daß er allen in Demut dient.; kleiner als der Allergrößte ist der, der einer kleineren Zahl an Menschen dient; klein ist der, der nur seinen Nächsten dient, und der Kleinste – der, der niemandem dient außer sich selbst. Das ist die Skala der Größe der Menschen. Und weiter: klein, kleiner, am kleinsten ist derjenige, der verlangt, daß ihm andere dienen. All solche sind nicht vom Geiste Christi beseelt. Sie wissen in der Tat nicht, welches die hauptsächlichste, schöpferische, synthetische, zusammenhaltende Kraft der menschlichen Gesellschaft ist. Wie sie nicht wissen, was der Mensch ist, so wissen sie auch nicht, was die Gesellschaft ist. Tatsächlich ist die Demut die Grundlage des Menschen und ebenso der Gesellschaft. Wenn der Mensch sich nach dem Evangelium erkennt und mißt, dann wird er unendlich demütig vor dem Schöpfer-Gott und Lebenspender, der Seele und Leib und alles schenkt. Er fühlt und weiß mit seinem ganzen Wesen: daß von Gott alles Beständige kommt, alles Unsterbliche, Ewige, Wertvolle, Gottmenschliche. Daher kann er niemals genügend Demut vor Gott empfinden. Er ist immer aufrichtig der Ansicht, daß er nicht genügend demütig vor dem Herrn ist. Daher erniedrigt er sich immer wie vor Gott so auch vor den Menschen und vor allen Geschöpfen Gottes. Indem ersich jedoch erniedrigt, erhöht er sich zum unsterblichen und ewigen Leben, zur unsterblichen und ewigen Wahrheit, zum unsterblichen und ewigen Himmelreichs.
Dem demütigen Menschen gegenüber steht der Stolze. Stolz? Wodurch hat der Mensch das Recht stolz zu sein? Was hat er, was er nicht empfangen hätte: ist es etwa die Seele, das Herz, die Augen, oder das Gewissen, oder das Bewußtsein, oder der Verstand, oder der Geist, oder der Körper, oder die Gefühle, oder die Schönheit? Der Stolz ist die zerstörerischste Kraft in der menschlichen Welt: sie vernichtet den Menschen genauso wie die Gesellschaft. In der Tat gibt es nichts, was den Menschen so erniedrigt und zerstört wie der Stolz. Grundsätzlich ist er das Herz jeglicher Sünde, jeglichen Lasters, jeden Falls, jeden Unglücks. Wie die Demut zu jeder Tugend führt, so lenkt der Stolz zu jedem Laster. Es gibt keine Sünde, die den Stolz nicht zur Mutter hätte, und keine Tugend, die nicht die Demut ihre Mutter nennte.
Wodurch verschließen die Pharisäer das Himmelreich vor den Menschen? Durch ihre Heuchelei. Indem sie nämlich den Menschen durch ihr Leben scheinbare Frömmigkeit beibringen, verschließen sie vor ihnen die Tore des Himmelreiches, in welche man allein durch wahre Frömmigkeit eintritt, d.h. durch tatsächliches Leben für Gott und in Gott. Der Mensch wird des Himmelreiches würdig, wenn er auf der Erde nach dem Gesetz des Himmels lebt, welches unser Herr Jesus Christus verkündete. Das Evangelium Christi enthält in sich das Gesetz des Himmels; die Erde wurde mit dem Evangelium zur Schule, in welcher die Menschen das Leben im Himmelreich erlernen und sich darauf vorbereiten. Deshalb wurde die Erde in der Kirche zum Teil des Himmels, während der Himmel zum Besitz der Erde wurde. Deshalb sind in der Kirche die Engel und die Menschen gleich und stellen eine Gemeinschaft dar, eine Welt, ein Leben. Für sie gilt ein und dieselbe Wahrheit, ein und dieselbe Gerechtigkeit, und Liebe, und Leben; mit einem Wort: ein Gesetz – das Allgesetz. Hinter den Worten des Heilands schwer ist es euch steht die Hölle, genauso wie sich hinter Seinen Worten “selig sind die Armen an Geist” (Mt 5, 3) das Paradies verbirgt, die Seligkeit steht.
Hinter falschen menschlichen Gebeten, was verbirgt sich da? Eine eitle, eigensüchtige, menschenliebende Seele, und zwar auch eine leichtsinnige. Was ist falsches Gebet? Jegliches Gebet, das auf Eitelkeit um der Menschen willen beruht. Betet ein Mensch lügnerisch, dann ist das ein Zeichen dafür, daß sein ganzes inneres Leben völlig verwirrt ist. Das verweist ebenso auch darauf, daß er eine leichtsinnige und unverständige und dumme Auffassung von Gott hat. Und daher auch eine leichtsinnige, unverständige und dumme Auffassung vom Menschen. Denn er erwartet von den Menschen das, was man von Gott erwarten müßte; und umgekehrt: von Gott erwartet er das, was man von den Menschen erwarten sollte. Alles ist verworren und auf den Kopf gestellt. Für falsches Gebet sagt der Herr schwere Verurteilung voraus, so schwer, daß nur das Letzte Gericht diese eröffnen kann. Denn lügnerisches Gebet zeigt, daß der Mensch ein verlogenes Verhältnis zu Gott aufweist und zu den Menschen; und darunter verbirgt er unausweichlich auch ein lügnerisches Verständnis Gottes, der Menschen und der Welt.
Beispiele dafür, wie die Pharisäer den Sinn der Gebote Gottes entstellten, zeigen in welchem Maße sie blind und dumm waren. Der Heiland nennt sie daher offen “blinde Führer”, “blinde Narren” – mwro/ ka/ tuflo/. Dies ist das erste und einzige Mal, daß der sanftmütige und geduldige Heiland die Pharisäer so nennt. Es handelt sich um eine äußerst wichtige Angelegenheit, weshalb der Heiland so viel Bitterkeit zeigt. Blinde Führer – das sind Pharisäer und Menschen pharisäischen Geistes, denn sie leben in Stolz und Lüge und lehren und führen andere. Selbstherrliche Menschen sind eben geistig Blinde; doch ihre Eigenliebe treibt sie, sich zu Führern zu erklären, und in der Tat sind sie blinde Führer. Und nicht nur das, sondern sie sind auch Narren, “Dumme” = moro, denn ihr Geist ist geblendet und ihr Herz verfinstert, und mit ihrem Verstand urteilen sie nicht recht und mit ihrem Herzen empfinden sie nicht gesund. der Heiland benutzt das Wort “moro”, von welchem Er in der “Bergpredigt” sagte, daß der Hölle des Feuers würdig ist, wer seinem Bruder sagt: “mor™” (Mt 5, 22). In der Bergpredigt sagt der Retter, daß man dieses Wort dem Bruder “auf keinen Fall” sagen darf; in diesem Fall aber: die Pharisäer verwandelten durch ihre Überheblichkeit ihre Seele in ein Irrenhaus, in welchem sich nichts an seinem göttlichen Platz befindet: alles ist durcheinandergeworfen, umgekrempelt, sinnlos geworden; in der Er sie als Narren bezeichnet, offenbart der Heiland lediglich ihren geistlichen Zustand und verweist auf die Gefahr, die den Menschen von solchen Narren und Blinden, von solchen blinden Führern droht.
Was aber ist das Wichtigste im Gesetz? – Recht, Barmherzigkeit und Glauben. Das ist die Seele des Gesetzes, die übrigen Anweisungen – das ist gleichsam nur der Körper des Gesetzes. Überhaupt ist die Seele wichtiger als der Körper, so ist auch die Seele des Gesetzes wichtiger als der Körper des Gesetzes. Das Pharisäertum ist darin beschlossen, das Wichtige für Nebensächlich zu erklären, und das Nebensächliche für Wichtig. Darin liegt auch das Wesen der Heuchelei, des Formalismus, der Oberflächlichkeit. Die Heuchelei mißt nur das Aussehen, nur da Äußerliche, nur den Anblick, nur die Hülle; es mag nicht zur Wurzel vordringen, in das Wesen, das Innere, das Herz, von wo alle Lebenskräfte und lebenschaffenden Kräfte ausgehen. Ohne göttliche Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Glauben, verwandelt sich der Mensch in ein leeres Schema, ein Skelett der Menschlichkeit, eine Hülle von Menschheit, eine Leiche der Menschlichkeit. Denn durch die göttliche Gerechtigkeit, Barmherzigkeit undGlauben steigen in den Menschen göttliche unsterbliche Kräfte herab und ergießen sich durch sein ganzes Wesen; diese machen ihn allmählich unsterblich, göttlich und verchristen ihn.
Erbärmliche geistliche Blindheit und erschütternder geistlicher Wahnsinn: Ihr blinden Führer, die ihr Mücken seihet und Kamele verschluckt, d.h. sie verwandeln Kleinigkeiten in Großes, und große Dinge in Kleinigkeiten; Zweitrangiges in Hauptsächliches, und Hauptsächliches in Nebensächliches; Kleines in Großes, und Großes in Kleines; die Sonne in ein Sandkorn, und ein Sandkorn in die Sonne. Die Maßstäbe sind für sie völlig verkehrt, beschummelt; alles ist verworfen, was normal ist, und das Anormale als Normal angenommen; und mehr noch: als Maßstab des Normalen. Darin besteht der wichtigste geistliche Fall jeder Art von Pharisäertum. Das ist der Typ des verdorbenen Menschen, des umgekrempelten Menschen, der die Füße oben hat: er geht auf dem Kopf, denkt mit den Füßen; vergöttert den Tropfen, verachtet das Meer; idolisiert das Geschöpf, verwirft den Schöpfer. Und all das geht in seiner Herkunft auf den Begründer des ursprünglichen Pharisäertums zurück: den Teufel. Denn er erklärte als erster das Nebensächliche als Hauptsächliches, d.h. rief sich als wichtig aus, und Gott als nebensächlich; als erster ersetzte er durch das Nebensächliche das Wichtige, d.h. durch sich – Gott. Seine Erfindung und sein Ideal: durch das Geschöpf den Schöpfer zu ersetzen; anstelle des Schöpfers das Geschöpf zu stellen. Und wenn dieser Grundsatz durch menschliche Seelen und Logik verbreitet wird und reift, dann negiert das Geschöpf den Schöpfer; dann gibt es Gott nicht, sondern es gibt die Welt, es gibt das Geschöpf, es gibt die Schöpfung. Das ist die Höhe des Formalismus, des gnoseologischen Phänomenalismus. Hier ist schon die ganze menschliche Logik in diese Auffassung, dieses Prinzip eingeengt: es gibt keinen Schöpfer, es gibt das Geschöpf. Tatsächlich: alle seihen sie die Mücke und verschlucken die Kamele. Oder wenn dieses Prinzip auf den Menschen angewandt wird, auf das menschliche Wesen, dann lautet es: der Mensch hat keine Seele, aber er hat einen Körper; er hat Haut und Schale, aber kein Herz und Mark. Auf die Soziologie angewandt würde dieses Prinzip lauten: die Menschen sind Backsteine, Mechanismen, seelenlose Schrauben in der Gesellschaft, in der menschlichen Gemeinschaft, in der Menschheit. Es gibt keine freien Persönlichkeiten, nur Automaten. Mit einem Wort: Turmbau zu Babel…
Blinde Führer sind wahnsinnig darin: sie reinigen den Kelch von außen, der innen von Schmutz angefüllt istSie reformieren den Menschen und die Gesellschaft, waschen und bügeln ihnen den Anzug, die Kostüme, wechseln die Uniform. Wahrlich sie kennen den Menschen nicht und was im Menschen ist. Wahrheit und Prinzip des Evangeliums aber und des Gottmenschen: der Mensch wird von innen reformiert, um auch von außen reformiert zu werden; geistlich wird er mit ganzem Herzen wiedergeboren und neu erzogen, damit auch seine Werke und Handlungen dem Evangelium entsprechen. Alle anderen Pädagogiken, welcher Art und welchen Zeitalters sie auch sein mögen, das ist nur Dressur, Politur, Pharisäertum im ontologischen Sinn; phänomenologistische Pädagogik. Darin eben liegt die Tragödie der europäischen humanistischen und hoministischen Pädagogik, Reformistik, Phänomenalistik, Pharisäistik. Darauf baut die gesamte europäische hoministische Kultur auf, diese verunstaltende Dressur, denn sie hat den europäischen Menschen in einen Roboter verwandelt, hat ihn dessen beraubt, was seine unsterbliche und göttliche Größe ausmacht: der Seele und Gottes. das ist der pharisäische Menschentyp, ganz veroberflächlicht, veräußerlicht und nach außen gekehrt, ganz auf den Körper herunternivelliert, und noch: auf die Haut, auf die Kleidung. Schrecklich zu sagen: die europäische Menschheit hat sich in eine Garderobe verwandelt. Nachdem sie in erster Linie den Menschen auf den Körper begrenzte, mußte sie ihn schließlich auf das Essen und die Kleidung herabführen. Es reicht, jenen deutschen Ausspruch in Erinnerung zu rufen: “Der Mensch ist, was er isst”.
Das ist der pharisäische Menschentyp: von innen ganz angestrichen. Das ist tatsächlich der Typ des europäischen humanistischen Menschen: vom Erasmischen Nukleus bis zum Nietzscheischen Übermenschen. In allen seinen Editionen und Wandlungen und Reformen ist der europäische Mensch im Grunde ein solcher. Ganz im Äußerlichen, im Sichtbaren, im Hautmäßigen. Er ist ohne sich umzusehen von allem Gründlichen, Inneren, Unsichtbaren geflohen. Bis er den ganzen Verstand und die Logik und die Seele auf zweitrangige, äußerliche Dinge und Erscheinungen seines Wesens verschwendete, bis innen in seiner Seele ungestört alles Unreine, Schmutzige, Anormale, Unmenschliche entstand und sich entwickelte, um letztlich zur vollkommenen Menschenfresserei zu verschmelzen, die ihren Triumph in der verstandlosen Verherrlichung des Übermenschen feiert, der Übermenschlichkeit. Konkret ist all das luxuriös in der praktischen Moral des europäischen homo sapiens in Erscheinung getreten, des europäischen Roboters, wie auch in der europäischen nationalen und internationalen Politik, durch unzählige selbstmörderische Kriege auf allen Kontinenten. Zweifellos haben diese Kriege die glänzende Maske von der europäischen Menschheit gerissen, und sie erwies sich als von innen voller Heuchelei und Gesetzlosigkeit und jeglicher Unreinheit (Vers 27). Europäer – wer ist das, was ist das? Sagt uns der Gottmensch: “getünchte Gräber, von außenschöne, aber von innen voll von toten Knochen und jeglicher Unreinheit. So sind auch alle Menschen aller Zeiten und aller Kontinente, die nach pharisäischem Vorbild und Moralkodex leben. Der Gottmensch betrachtet alle Menschen vom Beobachtungsturm des Evangeliums und sagt uns das Geheimnis des menschlichen Wesens, wo es sich auch befinden möge, und wie immer es sich auch offenbaren möge. Pharisäertum, in welcher Gestalt auch immer, ist dämonische Philosophie und Lebensethik, weshalb es auch überall die Hölle schafft, in allen Welten.

aus: DIE BLOSSSTELLUNG DER SCHRIFTGELEHRTEN UND PHARISÄER DURCH DEN HEILAND (23, 1–39), hl Justin Popovic

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