Mittwoch, 8. Januar 2014

Hegumen Nikolai Vorob’ev 1894-1963


Zur Person von Nikolai Vorob’ev:
...aus einfachen ländlichen Verhältnissen stammte Igumen Nikon (Nikolai Vorob'ev 1894-1963). Am Beginn seines geistigen Weges standen jedoch religiöse Zweifel, die ihn auf der Suche nach einer Orientierung zunächst zum Beginn eines Studiums an Psychoneurologischen Institut in St. Petersburg, später nach bewußter Hinwendung zur Religion zum Studiumder Theologie an der Moskauer Geistlichen Akademie bewegten. Der größere Teil seines Lebens war durch äußere Unsicherheit gekennzeichnet. Nach der Mönchsweihe (1931) erwartete ihn weniger ein beschauliches Einsiedlerleben als ein wechselvolles Einzelschicksal in den Widrigkeiten des Vorkriegsstalinismus. Auch eine mehrjährige Lagerhaft blieb ihn nicht erspart. In den Jahren 1944-1948 betreute er jeweils für kurze Zeit Gemeinden imGebiet von Smolensk und Kaluga. Von 1948 an betreute er bis zu seinem Lebensende 1963 die Gemeinde von Gshazk (Gagarin, zwischen Smolensk und Moskau). Seine seelsorgerlichen Briefe stammen aus der Zeit von 1950-1963. Darin legt er unter anderem besonderes Gewicht auf die Unerschütterlichkeit der persönlichen Wertungen, in seinen eigenen Worten - die Unerschütterlichkeit der Vorliebe für Gott und das Gute, mit der Konsequenz, daß die Wechselfälle des Lebens die Persönlichkeit nur marginal beeinflussen. Möglicherweise hängt diese Betonung der Wertordnung mit seiner frühen Suche nach dem Absoluten, das auch absolute Maßstäbe einschließt, zusammen. Der Weg zu dieser Stabilität der persönlichen Wertung führt aber das Erleben der eigenen moralischen Schwäche, der eigenen Ohnmacht, mit der Folge, allein in der Bindung an Gott einen Ausweg erkennen zu können. Seine seelsorgerlichen Briefe spiegeln in ungewöhnlichen Maße persönliche Erfahrungen wieder. Die Unberechenbarkeit der äußeren Umstände und der eigenen Kräfte und die Neigung, dem Vertrauen auf Gott eine überragende Bedeutung einzuräumen. 

Aus seinen Briefen:


Selbsterkenntnis und Barmherzigkeit Gottes
Die ganze Menschheit und jeder einzelne Mensch befinden sich im Zustand tiefer Gefallenheit und Verderbtheit und der Mensch kann sich allein nicht bessern und retten und für das Reich Gottes würdig werden. Es bessert den Menschen der Herr Jesus Christus, der deswegen auf der Erde gekommen ist. Doch bessert diejenigen, die an Christus glauben und ihre Verderbtheit, oder wie wir meistens sagen, ihre Sündhaftigkeit, erkennen. Daher sagt der Herr: Ich bin gekommen, nicht die Gerechten (d.h. diejenigen, die sich selbst für gut und gerecht halten), sondern die Sünder zur Buße zu rufen“! Eben jene, die ihre Verderbtheit, Sündhaftigkeit, und ihre Unfähigkeit, sich selbst zu bessern, gesehen haben, und die sich an den Herrn Jesus Christus um Hilfe wenden. Oder, genauer: Die den Herrn um Barmherzigkeit bitten, um die Reinigung von den Wunden der Sünde, um die Heilung des Aussatzes der Seele und das Geschenk des Reiches Gottes alleindurch die Barmherzigkeit Gottes, nicht für irgendwelche unserer guten Taten. 
Derjenige, der richtig auf dem geistlichen Wege geht, beginnt, immer mehr Sünden in sich selbst zu sehen, bis er schließlich mit seinem geistigen Sehvermögen sich selbst ganz in Sünde, im Aussatz der Seele sieht, im Herzen spürt, daß er Schmutz und Unreinheit ist, daß er sogar unwürdig ist, den Namen Gottes anzurufen, und nur wie der Zöllner, nicht wagend den Blick nach oben zu richten, mit Schmerz ausruft: „Gott sei mir Sünder gnädig“. Wenn er lange Zeit in einer solchen inneren Einstellung gelebt hat, geht der Mensch zu gegebener Zeit wie der Zöllner gerechtfertigt daraus hervor. 
Wenn der Mensch sich selbst für gut hält und einzelne, selbst schwere Sünden für zufällig, an denen nicht so sehr er selbst, sondern eher verschiedene äußere Umstände oder andere Menschen, oder die Dämonen, schuld sind, er selbst aber, der wenig schuld ist. So ist dies eine falsche Einstellung, ein Zustand offener oder verborgener Verführung, wovon der Herr uns alle befreien möge. 
Um den richtigen Weg zu gehen, muß man auf sich achten, auf seine eigenen Taten, Worte, Gedanken, Wünsche usw., mit den Geboten Christi vergleichen, ohne sich irgendwie zu rechtfertigen, man muß sich bemühen, sich soweit möglich zu bessern, nicht die anderen beschuldigen und verurteilen, sich im Reue dem Herrn zuwenden, sich vor Gott und den Menschen demütigen – dann wird der Herr einem solchen Menschen allmählich seine Gefallenheit zeigen, seine Verderbtheit und seine unbezahlbare Schuld. Der eine schuldet 500 Denare, der andere 50, aber beide hatten nichts, wovon sie bezahlen konnten. Es ist erforderlich, daß der Herr gemäß Seiner Barmherzigkeit beiden vergibt, d.h. es gibt niemand, der so gerecht ist, daß er nicht auf die Barmherzigkeit des Erlösers angewiesen ist. 
Und hier ist die Weisheit Gottes! Ein offensichtlicher Sünder kann eher demütig werden, zu Gott kommen und gerettet werden, als äußerlich Gerechte. Deshalb sagte der Herr Jesus Christus, daß Zöllner und Sünder im Reich Gottes vielen äußerlich Gerechten zuvorkommen. 
Durch die Weisheit Gottes fordern die Sünden die Demut des Menschen und dadurch seine Rettung: Deshalb verbot der Herr, das Unkraut aus dem Weizen auszurupfen. Ohne Unkraut würde leicht Stolz entstehen. Gott aber widersetzt sich dem Stolz. Stolz und eine hohe Meinung von sich selbst sind das verderben des Menschen. (S. 15-17)

Geistlicher Reichtum und geistliche Armut 

„Einer trage des anderen Last, und so erfüllt das Gesetz Christi“. Wer aber das Gesetz Christi erfüllt, wird von dem Frieden Christi überschattet, der das normale menschliche Verständnis übersteigt. Dieser Friede macht den Menschen unempfindlich gegen irdische Bedürfnisse und Leiden, löscht das Interesse an dieser Welt, führt den Menschen in die Höhe, erzeugt im Herzen die Liebe zu allen, die alle Mangel des Nächsten verdeckt und sie nicht bemerkt, die den anderen mehr bemitleidet als sich selbst. Zu diesem Frieden sind alle berufen, die an Christus glauben, besonders aber diejenigen, die im Mönchsstand leben. Wenn aber dies alles fehlt, dann sollten wir wenigstens vor Gott beklagen, daß wir arm und bedürftig und von allem Guten entblößt sind. Wir sollten aufhören, einander Vorwurfe zu machen und zu verurteilen, da wir selbst untauglich sind und in der Gefahr schweben, vom Herrn verworfen zu werden. „Wir haben Babylon behandelt, und es ist nicht gesund geworden“. Wird uns der Herr noch lange ertragen? 
Mit der Liebe Gottes ist die Gerechtigkeit Gottes verbunden, durch die Adam aus Paradies vertrieben wurde, die Sintflut hineinbrach, Sodom und Gomorra verbrannte und der Herr Jesus Christus für unsere Sünden gekreuzigt wurde. So wollen wir voreinander und vor dem Herrn uns demütigen, unsere unheilbaren Wunden beklagen, und nach unseren Kräften einander zur gegenseitigen Liebe anhalten. Dann wird der Herr für unsere Demut und unser Ertragen der anderen auch uns ertragen nach dem Grundsatz: Mit welchem Maß ihr messet, wird euch gemessen werden. 
Wenn wir uns aber ohne Kampf den Leidenschaften überlassen, was erwartet uns dann, wenn nicht das verworfen – werden? Das Reich Gottes ist das Reich des Friedens, der Liebe, der Freude, der Sanftmut, usw. Doch mit den entgegengesetzten Eigenschaften werden wir nicht in das Reich Gottes eingelassen. (14-15)

aus dem russischen übersetzt von H. Kurio 
www.orthodoxinfo.de

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