Mittwoch, 1. Januar 2014

Nach Weihnachten...

„Wir sollten uns jedem Menschen gegenüber so verhalten, dass unsere Gerechtigkeit niemanden richtet, sondern in jedem Menschen die Schönheit erkennt, mit der Gott ihn ausgestattet hat und die wir Gottes Bild im Menschen nennen. Wir sollten uns vor dieser Schönheit verneigen und jedem Menschen helfen, dass diese Schönheit in ihm in all ihrem Glanz erstrahlen kann und alles Finstere und Üble zerstreut. Diese Schönheit sollten wir in jedem Menschen erkennen und ihr einen Weg aufzeigen, dass sie Wirklichkeit werden, siegen und lichtvoll erstrahlen kann“. - aus einer Predigt von Metropolit Antonij von Sourozh
Lasst uns in unserer Fantasie zweitausend Jahre zurückreisen. Was für ein wunderbares Gefühl sollte uns dann erfassen. Schon eine ganze Woche ist es her, seit dem die Welt eine andere geworden ist. Die Welt, die für tausende von Jahren wie ein verlorenes Schaf umherirrte, ist jetzt gefunden und aufgehoben auf den Schultern des Gottessohnes, der ein Menschensohn geworden ist. Der unüberwindbare Abgrund, den die Sünde zwischen Gott und dem Menschen aufgerissen hat, ist nun – wenn auch nur im Ansatz – überwunden. Gott ist in die Geschichte hineingetreten. Gott selbst ist Mensch geworden. Gott hat Fleisch angenommen und alles Sichtbare, all das, was sich uns wegen unserer Blindheit als tote und träge Materie darstellt, kann sich nun rühmen und sich als Sein eigener Leib begreifen. Es ist etwas vorher nie da Gewesenes geschehen und die Welt ist schon nicht mehr, was sie einmal war.
Zur Menschwerdung gehört aber auch noch ein anderer Aspekt. Gott ist Mensch geworden und Gott hat durch Christus Worte entscheidender Wahrheit gesprochen. Eine solche Wahrheit, die – wie Hefe, die in einen Teig gegeben wird – allmählich die Welt verändert. Gott hat uns die Größe des Menschen offenbart. Christus, nachdem Er Mensch geworden war, war ein Beweis  - und bleibt dies für immer – dass der Mensch so großartig ist, so tiefgründig und so geheimnisvoll tief, dass er in sich nicht nur die Anwesenheit Gottes erfassen kann, wie eine Kirche oder ein Tempel, sondern sich auch mit Gott verbinden kann und Anteil gewinnen kann an der göttlichen Natur, wie es der Apostel Petrus in seinem Brief ausdrückt.
Der Mensch ist so großartig, dass sich Gott–wie weit wir auch von unserer Berufung abkommen und wie nichtswürdig wir uns ihr gegenüber auch erweisen mögen-mit uns niemals auf etwas anderes einlässt, als dass Er unser Vater ist und wir Seine Söhne und Töchter – Söhne und Töchter des Allerhöchsten.
Der Verlorene Sohn bat seinen Vater, dass dieser ihn als einen seiner Knechte aufnimmt, da er sich nicht für würdig befand, sich weiterhin als Sohn zu begreifen. Der Vater ließ sich jedoch nicht darauf ein. Als der Sohn seine Schuld einzugestehen begann, unterbrach ihn der Vater, bevor jener seine Idee, als Knecht bei ihm zu arbeiten, ausgesprochen hatte. Denn Gott lässt es nicht zu, dass wir vor Ihn treten als Geknechtete. Wir sind nicht seine Sklaven und Diener. Hat nicht etwa Christus zu seinen Jüngern gesagt:  Ich nenne euch nicht weiter meine Diener, denn der Diener kennt nicht den Willen seines Herrn. Ich habe euch alles gesagt.
Und ebenso: in Christus ist uns offenbart und durch Ihn verkündet, dass jeder einzelne Mensch von unschätzbarem Wert ist. Christus lebt und stirbt für jeden von uns. Es geht hier nicht um Gruppen, sondern um jeden einzelnen von uns. Jeder von uns – so heißt es im Buch der Offenbarung – hat bei Gott einen Namen. Diesen Namen werden wir erfahren am Ende der Zeiten. Ihn kennt jedoch niemand außer Gott und der, der ihn erhält. Dieser Name ist unser Verhältnis zu Gott, er ist einzigartig und unwiederholbar. Jeder von uns ist für Gott einzigartig. Wie wunderbar ist das! Die alte Welt kannte Völker und Rassen, sie kannte Sklaven und Herren, sie teilte die Menschen in Kategorien ein, so wie es auch die moderne Welt tut, die immer tiefer absinkt und zum Heidentum zurückkehrt, indem sie die Menschen nach Kategorien, Typen und Gruppen unterscheidet. Nur für Gott allein geht es bei uns Menschen um lebendige Persönlichkeiten, um Männer und Frauen. 
Christus hat uns ebenso eine neue Gerechtigkeit, eine neue Wahrheit gebracht. Er hat sie uns verkündet. Es ist nicht mehr die bestimmende und strafende Gerechtigkeit des Gesetzes, sondern eine Wahrheit einer anderen Art. Wenn Christus zu uns sagt: Lasst eure Gerechtigkeit höher sein als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, dann zeigt Er damit, wie Gott zu jedem von uns steht. Er nimmt jeden von uns an, so wie wir sind. Er nimmt den Rechtschaffenden so an wie auch den Übeltäter. Er freut sich über das Gute und stirbt für jeden Sünder, dass auch dieser das Heil erlangen möge.

Gott hat uns dazu berufen, dies auch zu beherzigen und uns auch so zu verhalten. Nicht nur unter uns Christen, sondern auch unter all den Menschen, die uns umgeben. Wir sollten uns jedem Menschen gegenüber so verhalten, dass unsere Gerechtigkeit niemanden richtet, sondern in jedem Menschen die Schönheit erkennt, mit der Gott ihn ausgestattet hat und die wir Gottes Bild im Menschen nennen. Wir sollten uns vor dieser Schönheit verneigen und jedem Menschen helfen, dass diese Schönheit in ihm in all ihrem Glanz erstrahlen kann und alles Finstere und Üble zerstreut. Diese Schönheit sollten wir in jedem Menschen erkennen und ihr einen Weg aufzeigen, dass sie Wirklichkeit werden kann, siegen und lichtvoll erstrahlen.
Er hat uns ebenso eine solche Liebe offenbart, die die Welt vor Christus nicht kannte und die die moderne Welt, wie es ebenso auch die alte Welt getan hat, so fürchtet.  Eine Liebe, die dazu bereit ist, verletzt zu werden, hilflos zu sein, die sich ganz hingibt und sich dabei nicht schont, die großzügig ist und sich opfert, die ohne Maßen gibt und nicht nur das, was sie hat, sondern auch sich selbst.
Das ist es, was das Evangelium und die Menschwerdung Gottes der Welt gebracht haben, und dies lebt nun alles in unserer Welt.
Christus hat gesagt, dass das Licht in der Dunkelheit aufscheint und dass die Finsternis es nicht ergreifen kann, es aber ebenso auch nicht auslöschen kann. Dieses Licht leuchtet und wird auch immer leuchten. Siegen kann es jedoch nur, wenn wir es verkünden und wir die Gebote von der Wahrheit und der Liebe in Leben verwandeln. Wenn wir Gottes Sicht auf die Welt annehmen und der ganzen Welt beweisen, dass unser Glauben, das heißt unsere Überzeugung und Hoffnung die einzigste Kraft ist, die anderen helfen kann, ein neues Leben zu beginnen. Doch dafür, damit die Menschen neu zu leben beginnen, müssen sie dieses Neue bei uns sehen und erleben. Die Welt ist nur im Ansatz neu geworden durch die Vereinigung Gottes mit dem Menschen, als das Wort Fleisch geworden war. Wir sind nun dazu berufen, dieses Neue auch zu verkünden, den Glanz und die Herrlichkeit Gottes auch in die Finsternis und die Dämmerungen dieser Welt zu tragen.
Möge Gott uns Mut und Liebe schenken, dass wir mit großzügigem Herzen Seine Verkünder und Seine Zeugen sein können. Der Segen des Herrn, Dessen Gnade und  Menschenliebe sei mit euch, jetzt und immer dar und von Ewigkeit zu Ewigkeit!
Amen

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