Die
heilige Diakonin Olympias1
Bekannt
und geachtet ist die selige Olympias nicht nur aufgrund ihrer
strahlenden Tugenden, sondern ebenso wegen ihres Dienstes als
Diakonin, als auch wegen ihrer engen geistlichen Beziehungen mit zwei
großen Vätern unserer Kirche, dem heiligen Gregorios von Nazianz
und dem heiligen Ioannēs
Chrysostomos2.
Olympias wurde ungefähr um 365 n. Chr. als Tochter des hohen
kaiserlichen Beamten Anicius Secundus in eine durchaus wohlhabende
Familie hineingeboren. Ihre schulische Bildung war, ihrer Stellung in
der damaligen Gesellschaft entsprechend, ausgezeichnet. Darüber
hinaus war sie gesegnet mit einem überaus sanften und gutmütigen
Wesen. Doch ihre Mutter und ihr Vater entschliefen frühzeitig.
Seitdem war ihre Kindheit überschattet von Schmerz und Trauer um die
geliebten Eltern. Gleich darauf nahm sie jedoch ihr Onkel Prokopios
in seine Obhut. Dieser war Eparch von Konstantinopel, und seine
Gemahlin Theodosia war die Schwester des heiligen Amphilochios von
Ikonion3.
Theodosia war eine gläubige Christin, die sich fortan liebevoll und
sorgsam um die Erziehung des Mädchens kümmerte. Zum großen Segen
des jungen Mädchens war Prokopios außerdem ein guter Freund des
heiligen Grēgorios
von Nazianz, der zu jener Zeit nach Konstantinopel gebeten worden
war, um die damals weit um sich greifende arianische Häresie zu
bekämpfen. Als man erkannte, dass Grēgorios,
der ein wahrer Freund und Hirte der Orthodoxie war, mit seinen
Tugenden und seinen Kenntnissen große Erfolge erzielte, und dass er
viele irrgeleitete Schäfchen in die eine, heilige, katholische und
apostolische Kirche zurückgeführt hatte, ernannte man ihn um 380 n.
Chr., unter Begeisterungsstürmen der Bevölkerung und gegen seinen
eigenen Willen, zum Erzbischof von Konstantinopel.
Die
junge Olympias lernte im Alter von ungefähr 12 Jahren den heiligen
Grēgorios kennen und
lieben, pflegte ihn sogar „Vater“ zu nennen. Aber auch er liebte
sie väterlich und beriet sie als ihr geistlicher Führer. Dieser
große Kirchenlehrer, der zudem den Beinamen „der Theologe“
trägt, führte sie in das spirituelle Leben ein, weckte in ihr die
Liebe Christi und stellte somit die Weichen für ihre weitere
glorreiche Entwicklung. Als sie im Jahre 386 n. Chr. mit dem Eparchen
Nebridios den heiligen Bund der Ehe einging, befand sich der Heilige
bereits im Selbstexil. In dieses hatte er sich aufgrund von Intrigen
und Machtspielen in Kirche und Adel begeben, um im segensreichen
asketischen Leben und in der Einsamkeit seine Erfüllung zu finden.
Er schickte ihr aus der Ferne jedoch einen Brief, als ein „Geschenk“
zu ihrer Vermählung, der uns seine Gefühle für sie verdeutlichen,
aber auch allen christlichen Frauen dienlich sein kann:
„Meine
Tochter, zu deiner Hochzeit schenke ich, dein geistlicher Vater, dir
dieses Schreiben. Der väterliche Ratschlag ist das größte Gut. Ich
weiß, dass du eine wahre Christin sein möchtest. Und eine wahre
Christin muss nicht nur eine solche sein, sondern auch so erscheinen.
Deswegen erbitte ich dich, gib Acht auf dein Erscheinungsbild. Sei
einfach gekleidet. Gold, gefasst mit kostbaren Steinen, sollte nicht
Frauen wie dich schmücken. Und umso mehr die Schminke. Es ziemt sich
nicht dein Gesicht, das Ebenbild Gottes, zu verunstalten und zu
verändern, nur um Anderen zu gefallen. Du sollst wissen, das ist
Gefallsucht, bleibe einfach in deiner Erscheinung. Du aber hast dir
große und hohe Ziele in deinem Leben gesetzt. Und diese Ziele
verlangen von dir Bemühung und Achtsamkeit.... so nur wirst du die
hohe Berufung der Ehe erkennen, die es ist, zu Heiligen und Märtyrern
zu werden. Trage Sorge dafür, dass du die Früchte des Heiligen
Geistes erwirbst. Habe Liebe, Freude, Frieden, Geduld,
Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmut, Keuschheit (Gal
5,22)... In der Ehe soll deine Zuwendung und Liebe lodernd und
unvermindert für Jenen
sein, den Gott dir gab... Ihr sollt alles miteinander teilen, Freude
wie Leid... Auch die Sorgen sollt ihr teilen, denn so wird das Haus4
gefestigt sein.…Auch dieses beachte und höre: habe keinen
ungezügelten fleischlichen Trieb. Führe ebenso deinen Gatten dazu,
dass er die heiligen Tage respektiert. Denn die Gesetze Gottes sind
erhabener als das Ebenbild Gottes“,
schreibt der hl. Grēgorios
unter anderem an seine geistliche Tochter, zum Wohle ihrer Seele und
für das gute Gelingen ihrer Ehe.
Doch
bereits nach wenigen Monaten fand dieses Ehebündnis ein jähes Ende,
denn Nebridios verstarb unerwartet, wie uns der heilige Chrysostomos
später in einem seiner Briefe an Olympias bestätigt. Vom heiligen
Agiorit Nikodēmos
und dem Kirchenhistoriker Palladius wird erwähnt, dass
Olympias trotz dieser kurzen Ehe ihre körperliche Reinheit bewahrt
hatte, denn „zu Zeiten, als sie noch jungfräulich war,
verstarb ihr Ehegatte, so blieb sie Jungfrau und war nun auch
Witwe“5.
Die Lehren und das Beispiel ihres geistlichen Vaters Grēgorios,
sein heiliges christliches Leben, das Kreuz seiner Verfolgungen und
seine Kämpfe gegen die furchtbaren Häresien, wie auch seine
leuchtenden Tugenden, hatten die Seele der Witwe Olympias
entscheidend geprägt. Und ihr weiteres Leben sollte nunmehr in
vielem dem seinen gleichen.
Als
Kaiser Theodosios I. vom Tode des Nebridios erfuhr, wurde ihm der
üble Gedanke geboren, die junge und durchaus wohlhabende und
vielumworbene Witwe mit einem seiner Verwandten namens Elpidios zu
vermählen. Doch Olympias weigerte sich vehement, diesem Wunsch Folge
zu leisten, weil sie längst einen bedeutsamen Entschluss gefasst
hatte: Für sie war ihre frühe Witwenschaft ein deutliches Zeichen
Gottes: Sie wollte der Welt entsagen und ihr Dasein nunmehr Gott und
ihren Mitmenschen widmen. Der
Kaiser nahm mitunter ihr ganzes
Vermögen in Beschlag, um ihre Standhaftigkeit zu brechen, doch auch
dieses führte keinesfalls zum Erfolg. Und noch viele andere
Druckmittel setzte er ein, um ihre Meinung zu ändern. Unter anderem
verbot er ihr, ihrer liebsten und teuersten Beschäftigung
nachzugehen, dem Kirchengang! Sie schrieb ihm in einem Brief: „Wenn
mein König gewollt hätte, dass ich mit einem Gatten lebe, dann
hätte Er mir den ersten nicht genommen... Er befreite mich vom
schweren Joch (der Ehe) und gab meiner Seele das gute Joch der
Enthaltsamkeit“. Zu guter Letzt
blieb Theodosios nichts anderes übrig, als seine Niederlage
anzuerkennen und alle Erlasse gegen die Jungfrau annullieren zu
lassen. Ihre Liebe zu Gott und Seiner Kirche konnte nicht bezwungen
werden, wie ein Feuer loderte sie ihrem Herzen und war ihr ein
geistiges Schutzschild, das sie im Glauben festigte und ihre Schritte
führte.
Sodann
übergab sie der Kirche ein immenses Vermögen, das für
Wohltätigkeiten und übrigen Ausgaben, wie z.B. für den Bau von
Kirchen und Klöstern, verwendet wurde; sie besaß nicht nur Münzen,
sondern unter anderem Gold und Silber, zahlreiche Grundstücke und
Herrenhäuser. Der hl. Patriarch Nektarios, der Vorgänger des
heiligen Patriarchen Ioannēs
Chrysostomos, weihte Olympias zur Diakonin, obwohl sie kaum das
dreißigste Lebensjahr vollendet hatte. Es war üblich, vor allem
ältere Frauen, die verwitwet oder zeitlebens in Jungfräulichkeit
gelebt hatten, mit diesem heiligen Dienst zu betrauen. Doch ihr
christlicher Lebenswandel und ihre großen geistlichen Verdienste um
die Kirche, wie auch ihre beachtliche Bildung und ihre frühzeitige
Witwenschaft verhalfen ihr zu dieser ehrenvollen Aufgabe in
verhältnismäßig jungen Jahren.
Dieser
göttliche Dienst der Diakoninnen, der bis zum Ende des
Byzantinischen Reiches eine weit verbreitete Institution der Heiligen
Orthodoxen Kirche darstellte, war ein nicht unwichtiger Bestandteil
des orthodoxen Kirchenlebens. Die Diakoninnen widmeten sich vor allem
den geistigen und körperlichen Bedürfnissen und der Berichtigung
möglicher Verfehlungen der Christinnen der Gemeinde. Sie betreuten
aufopfernd die Kranken und Bedürftigen, gaben den guten Rat in
familiären und spirituellen Angelegenheiten. Sie überbrachten den
weiblichen Gemeindemitgliedern Botschaften und Beschlüsse des
örtlichen Bischofs, waren die Stütze der Witwen und der Waisen.
Eine andere wichtige Aufgabe war der Beistand während der
Erwachsenentaufe von Frauen, deren Ölsalbung sie übernahmen.
Außerdem kümmerten sie sich oftmals um die umfassende Katechese der
Gläubigen gemäß der orthodoxen Lehre, um das Hüten der Tore
während des Gottesdienstes und um die Platzeinweisung von Frauen und
Kindern im Kirchenraum. Mitunter geschah es, dass sie christliche
Märtyrer in den Verliesen besuchten, sich um ihre Wunden kümmerten
und ihnen Trost zukommen ließen. Und in einigen Fällen kam ihnen
die große Ehre zuteil, die heilige Kommunion Christinnen am
Sterbebett zu spenden, wenn diese sich nicht mehr in die Kirche
begeben konnten. Obwohl sie als ein Teil des Klerus angesehen und
entsprechend während eines Gottesdienstes zu Diakoninnen geweiht
wurden, kann man in keinem Fall von einer Frauenpriesterschaft
sprechen, denn sie erfüllten weder dieselben Aufgaben wie die
männlichen Diakone, noch wurden sie jemals zu Presbytern oder gar zu
Bischöfen geweiht. Außerdem entsprach die Diakonie, den
geschichtlichen Quellen zufolge, keiner Vorstufe zur Priesterweihe,
sondern stellte vielmehr eine unabhängige Institution dar, die für
den Beistand der Gemeindemitglieder geschaffen worden war. Und auch
das natürlich immer im Sinne der Anweisungen des örtlichen
Bischofs. Die Diakoninnen sollten „vom Heiligen Geist
erleuchtet, aber auch rein sein von jeglicher Besudelung des Leibes
und des Geistes, um das zu vollziehende Werk würdig erfüllen zu
können“6.
Die
selige Olympia widmete sich nun mit Frohmut voll und ganz diesem
ehrwürdigen Dienst innerhalb der heiligen Kirche des Herrn. Sie
entwickelte sich zu einer der bedeutendsten byzantinischen
Diakoninnen. Von Palladius wird erwähnt, dass sie solch eine
Anerkennung genoss, dass selbst der Erzbischof Nektarios in
Kirchenangelegenheiten ihre Meinung einzuholen pflegte. Ihre
Menschenliebe, die Sanftmut und die Verachtung des Geldes, das sie
großzügig an die Bedürftigen verteilte, ihre Demut und
Einfachheit... Alles Gute war dieser schönen Seele eigen.
Als
der heilige Patriarch Nektarios um 397 n. Chr. entschlief, wurde
der heilige Ioannēs
Chrysostomos nach Konstantinopel berufen, um den patriarchalen Thron
zu besetzen. Der Grund dafür war sein guter Ruf, der ihm längst
vorausgeeilt war. Nachdem er zunächst die bestmögliche schulische
Ausbildung genossen und für kurze Zeit als Rhetoriker an Gerichten
(Advokat) gearbeitet hatte, verließ er die trügerische Welt, um in
einem kleinen Kloster, und später in einer Höhle in der Einsamkeit,
als Asket zu leben. Als er wieder nach Antiochia, in seine Heimat,
zurückkehrte und man seine geistliche Höhe erkannte, weihte man ihn
zuerst zum Diakon und später zum Presbyter. Dort hinterließ er ein
großes Werk, denn er bemühte sich stets mit Eifer darum, die
spirituellen und materiellen Bedürfnisse seiner geistlichen Herde
auf vielerlei Art zu stillen. Seine glühenden Predigten erwärmten
und erleuchteten die Herzen der Gläubigen, die ihn deswegen mit dem
Beinamen „Chrysostomos“ (Goldmund) schmückten. Nachdem der
heilige Ioannēs
zum Patriarchen des
Neuen Roms gewählt wurde, traf er auf die Diakonin Olympias. Sie sah
in ihm den guten Hirten und geistlichen Vater, der den heiligen
Grēgorios
in ihrem spirituellen Leben ersetzen
würde, und diente ihm fortan in all seinen kirchlichen und
mildtätigen Werken wie einst die heiligen Schülerinnen unserem
Heiland Christi. Der Heilige beriet sie stets väterlich und kümmerte
sich um ihr Seelenheil. Es verband sie ein Band der geistlichen Liebe
und gegenseitigen Anerkennung.
Nebst
der Hagia Sophia wurde mit dem Vermögen der Olympias ein Kloster
erbaut, in dem sie selbst gottgefällig lebte und als Äbtissin
ungefähr 250 Nonnen um sich herum versammelte. Das klösterliche
Leben war geprägt von Gehorsam, Gebet und Metanie. Außerdem wurden
dort ein Krankenhaus und ein Fremdenhaus errichtet. Die Nonnen und
auch andere fromme Frauen widmeten sich aufopferungsvoll den kranken
und mittellosen Mitmenschen und bemühten sich um deren körperliche
wie seelische Gesundheit. Mit besonderer Sorgfalt bereitete Olympias
eigens die bescheidene Kost des asketischen Hierarchen Chrysostomos
zu, was sie als eine besondere Ehre empfand. Das übrige Vermögen,
das ihr noch geblieben war, spendete sie überaus großzügig den
Bedürftigen. Ihr Name wurde im ganzen Byzantinischen Reich durch
ihre Gütigkeit bekannt. Ihre Spenden erreichten selbst abgelegene
Gemeinden, die sie oft um Hilfe baten.
Auf
diese Tagen der Freude und Seligkeit folgten jedoch Tage der Tränen
und der bitteren Versuchungen. Die aufrichtigen und ermahnenden
Predigen des heiligen Ioannēs
Chrysostomos zeigten zuweilen gerechtfertigte Strenge gegenüber
Sünden und Verfehlungen auf, vor allem der Privilegierten und
Reichen. Damit machte sich der heilige Kirchenvater die machtvolle
Kaiserin Eudoxia zur Feindin, die Gemahlin des Kaisers Arcadius, die
der Heilige in einer seiner Predigten wegen einer boshaften Aneignung
des Feldes einer mittellosen Frau, und in einer anderen wegen der
selbstverliebten Errichtung einer Statue ihrer selbst, gerügt hatte.
Die
reuelose Eudoxia fand im Bischof Theophilos von Alexandrien, dem der
Erzbischof von Konstantinopel wegen früherer Angelegenheiten schon
längst ein Dorn im Auge war, einen loyalen Verbündeten. Gemeinsam
führten sie eine regelrechte Hetzjagd gegen den heiligen Ioannēs
und seine Freunde. Der asketische
und strenge Hierarch mit der reinen Lebensführung und der
Barmherzigkeit dem armen Volk gegenüber hatte die Missgunst auch
anderer Kleriker geweckt, die entweder unenthaltsam oder gar
unsittlich und luxuriös ihre Tage verbrachten, während die übrigen
Christen über ihr skandalöses Verhalten empört waren und im
heiligen Ioannēs
einen tadellosen Kleriker und Hirten sahen. So kam es in der
Konstantinopel zu Vorfällen, die wohl eher Überfällen der
barbarischen Völker glichen, wie der Heilige selbst in einem seiner
Briefe beschreibt: „...drang auf
einmal eine Schar von Soldaten in die Kirchen ein, und zwar am großen
Samstag, als der Tag sich schon zum Abend neigte, trieb den ganzen
Klerus, der zu mir hielt, mit Gewalt hinaus, und umstellte bewaffnet
den Altar... Viele wurden aber auch verwundet und so hinausgetrieben,
und voll Blutes wurden die Taufbrunnen, vom Blute errötete das
geweihte Wasser... Das Volk wurde auf das Feld hinausgetrieben, die
große Menge der Einwohnerschaft hielt sich außerhalb der Stadt auf,
leer waren an dem hohen Festtag die Kirchen, mehr als vierzig
Bischöfe, die nämlich mit mir in Gemeinschaft standen, wurden samt
dem Klerus und Volk mutwilliger Weise und ohne Ursache
hinausgedrängt. Überall Jammern und Wehklagen und Tränenströme...“7
Schließlich wurde der Heilige mit Intrigen, Verleumdungen und
falschen Synoden abgesetzt und verbannt.
Die
zarte Seele der Diakonin Olympias hatte diese schrecklichen Vorfälle
und Intrigen miterlebt und war zutiefst bestürzt. Übermannt von den
tragischen Ereignissen fiel sie in tiefe Trauer um die Leiden des
Heiligen und um den schlechten Zustand der Kirche. Sie erlebte nach
der Angelegenheit mit dem heiligen Grēgorios
zu ihrer Jugendzeit nun zum zweiten
Male die ungerechte Verfolgung und Entbehrung ihres geistlichen
Vaters.
Der
heilige Chrysostomos schrieb ihr mehrere wunderbare Briefe aus dem
Exil, um sie über seine Lebensverhältnisse in Kenntnis zu setzten,
um sie zu beraten und vielmehr noch, sie liebevoll zu trösten:
„Erkenne aus der andern Seite auch,
wie groß der Nutzen der Leiden selbst dann ist, wenn man nicht um
Gottes Willen leidet, (Niemand halte Das für Übertreibung!)
gleichwohl aber leidet und zwar mit Starkmut und Ergebenheit, den
Herrn für Alles preisend.“
Aus
ihnen erfahren wir auch sehr viel über die Tugenden, das Wesen, die
Werke, die Versuchungen und das geistliche Leben der Diakonin: „Ich
weiß um die Erhabenheit deiner Gedanken, ich weiß um die Stärke
deiner frommen Seele, ich weiß um die Fülle deiner Besonnenheit,
und um die Kraft deiner Philosophie8...
Wie weit würde es mich führen, und wie umfangreich müsste die
Erzählung werden, wenn man aufzählen wollte die Widerwärtigkeiten,
die du von früher Jugend an bis jetzt zu ertragen hattest: von
Hausgenossen und von Fremden, von Freunden und von Feinden, von
Verwandten und von Nichtverwandten, von Vornehmen und von Menschen
aus dem gemeinen Volke, von Gewalthabern und von Menschen ohne Amt
und Würden, und endlich von Solchen, die zum Klerus zählten! Wollte
man überdies noch der Beweise anderer Art gedenken, durch die du
diese Tugend bewährt hast, und die Leiden aufzählen, die dir nicht
von andern Menschen, sondern von dir selbst sind angetan worden: man
würde finden, dass du dich stärker und ausdauernder als Stein und
Erz und Stahl bewiesen hast. Deinem Leibe, der von Natur so zart und
wehleidig und unter Verweichlichungen jeder Art großgezogen war,
hast du durch vielfache Züchtigungen so zugesetzt, dass es kaum
besser mit ihm steht, als wenn er schon ganz ertötet wäre; und du
hast dir eine solche Menge von Krankheiten aufgeladen, dass weder die
Kunst der Ärzte noch die Kraft der Arzneien noch die sorgfältigste
Pflege dagegen ankommen kann, und dass du beständig von Schmerzen
geplagt wirst.“9
Des
weiteren rühmt er die Reinheit ihres Lebens, ihre Geduld im Leiden,
ihre Enthaltsamkeit „am
Tische“,
ihr Wachen im Gebet während der Nachtstunden, wie auch ihre
„Ungeziertheit der Gewänder,
der Fußbekleidung, der Gangart“.
Doch
sie verband nicht nur die Liebe Christi, die reine Freundschaft und
Eintracht, sondern auch die Fülle der Versuchungen, das gesegnete
Kreuz, das der allbarmherzige Herr zur Vervollkommnung ihrer Seele
zugelassen hatte. Olympias kannte die Vielzahl seiner christlichen
Tugenden und wusste nur zu gut um seine Unschuld. Deswegen
verteidigte sie ihn öffentlich und unterstützte ihn in der
Verbannung durch finanzielle Mittel, mit denen er sich unterhalten
und überdies unter anderem Sklaven freikaufen und Bedürftigen
beistehen konnte. Sie weigerte sich außerdem konsequent, trotz
Schmeicheleien und Drohungen, mit seinem unrechtmäßigen Nachfolger
Arsakios in Kommunion zu treten. Ihre Feinde suchten eine günstige
Gelegenheit, um die im Volk beliebte und einflussreiche Diakonin
ebenfalls beseitigen zu können. Als es später zu
einem Brand in der Hagia Sophia kam, der aus Missgunst den Anhängern
des Chrysostomos zur Last gelegt wurde, ergriffen sie eben diese
Gelegenheit und bezichtigten auch Olympias der Brandstiftung. Sie,
die in dieser prachtvollen Kirche so viele teure Jahre
aufopferungsvoll gedient hatte, sollte nun die heiligen Gemäuer dem
Feuerwahn übergeben haben! Welch unfassbare Vorstellung und dreiste
Unterstellung! Trotzdem wurde sie ohne Gerichtsverfahren und
Beweismittel zu einer hohen Geldstrafe verurteilt, Soldaten zerrissen
ihre Kleider und das ehrwürdige Kloster wurde von Attikos, dem
Nachfolger von Arsakios, aufgelöst. Zahlreiche Demütigungen und
Bestrafungen musste sie über sich ergehen lassen, bis man sie
ebenfalls ins Exil schickte. Ihr Verbannungsort war Nikomedia. Doch
auch dort verzagte sie nicht, weil sie erfüllt war von der
tröstenden heiliger Gnade, die durch die heilenden Versuchungen eher
zunahm, als zu schwinden. Geduldig hob sie das Joch der Bedrängnis
und setzte das geistliche Werk als wahre Gottesmagd fort.
Im
Jahre 407 n. Chr. entschlief der heilige Kirchenvater Chrysostomos im
Exil in Komana, ermüdet von den vielen asketischen Mühen und
Krankheiten, um dem Herrn im Himmel zu begegnen. Doch die letzten
Worte, die seine Lippen verließen waren: „Gelobt sei der Herr
für Alles“. Olympia erreichte bald diese traurige Nachricht im
Exil. Dieser harte Schlag sollte der letzte in ihrem kurzen Leben
sein, das sie gänzlich Gott gewidmet hatte, weil sie allein das
wahre Leben begehrte. Wenige Monate später, im Juli des Jahres 408
n. Chr., übergab auch sie ihre heilige Seele Gott unserem Schöpfer,
um in das wahre Leben überzugehen.
Aus
der Überlieferung erfahren wir noch folgende übernatürliche
Ereignisse: Die heilige Diakonin Olympias erschien nach ihrer
Entschlafung dem Mētropolit
von Nikomedia und bat ihn darum, ihre heiligen Gebeine ins Meer zu
werfen. Dieser erfüllte tatsächlich ihren Wunsch, weil er davon
überzeugt war, dass es sich nicht um einen Trug des Widersachers
handelte. Die Ströme brachten die heiligen Gebeine bald ans
gegenüberliegende Vrochthous.
Indes waren einige Anwohner dieses Ortes durch göttliche
Erscheinungen über die Ankunft der Reliquien in Kenntnis gesetzt
worden. Sie nahmen die heiligen Gebeine mit der gebührenden Ehre in
Empfang und brachten sie in die Kirche des heiligen Thomas. Dieses
Gotteshaus wurde jedoch zwischen 616 und 626 n. Chr. von den Persern
niedergebrannt. Die selige Äbtissin des Klosters der heiligen
Olympias, Schwester Sergia, fand die Reliquien unter der Amtszeit des
Patriarchen Sergios I. (610-638 n. Chr.) abermals im Meer auf. Es ist
nicht überliefert worden, ob diese von jemanden wieder ins Wasser
geworfen worden waren oder ob es sich dabei um ein Zeichen Gottes
handelte, Der diese wertvollen Schätze auf diese Weise für die
Gläubigen erhalten wollte. Doch ein Wunderzeichen war in jedem
Falle, dass das Meereswasser um die heiligen Gebeine herum
blutgetränkt war. Zahlreiche Priester überführten sie mit großer
Ehrerbietung in das neue Kloster der heiligen Olympias, das von
Justinus I. erbaut worden war. Während der Überführung floss immer
noch reichlich Blut aus den heiligen Gebeinen, die durch die Gnade
Gottes sehr viele Wunder unter den Gläubigen wirkten.
Die
heilige Orthodoxe Kirche feiert das Gedenken der Seligen und
Bekennerin Olympias jährlich am 25 Juli/ 7 August.
1gr.
Ολυμπιάς oder
neugr. Ολυμπιάδα (Olympiada)
2Übersetzt
auch Johannes Chrysostomos oder Goldmund genannt
3Der
heilige Amphilochios von Ikonion, gefeiert jährlich am 23 November/
6 Dezember
4gemeint
ist hier die Familie
5
s. heiliger
Nikodēmos
Agiorit,
Synaxaristes der zwölf Monate, dritter Band. Verlag Domos (Δομός),
2005
6s.
Chrysostomos Migne Band 47, Zitat 513-532
7Chrysostomos,
An Innocentius von Rom. Erster
Brief.
8Philosophie,
gr. Φιλοσοφία =
Liebe zur Weisheit
9Chrysostomos,
Zweiter Brief an Olympias
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