Die heilige jungfräuliche Märtyrerin Markella (22 Juli)
Das
Kloster zu Ehren der heiligen Markella befindet sich am malerischen
Strand von Volissos, einem der größten Dörfer von Chios1.
An diesem Ort fand im
Jahre 1500 n. Chr. das Martyrium der heiligen Markella statt.
Die
Namen der Eltern der in Volissos2
geborenen heiligen Markella sind uns leider nicht überliefert
worden. Der selige Nikēforos von Chios berichtet
uns in seinen Schriften jedoch, dass ihre Mutter eine gläubige
Christin war, während ihr Vater zwar als Kleinkind getauft worden,
aber nicht gläubig war. Diese gottesfürchtige Mutter verstarb früh,
als ihre Tochter noch ein kleines Mädchen war. Markella entwickelte
sich dennoch zu einer tugendreichen und hübschen jungen Frau, dem
guten Beispiel ihrer Mutter folgend. Sie zeichnete sich durch ihre
innige Liebe zu Christus, wie auch durch ihre Gutmütigkeit und
Reinheit des Körpers und der Seele aus. Mit großem Eifer gab sie
sich dem Gebet, aber auch anderen gottgefälligen Beschäftigungen
hin, wie dem Fasten und den Werken der Barmherzigkeit. Sie war in
allem ein wahres Kind der heiligen Kirche.Weil sie sich selbst, als
unbefleckte Braut Christi, vollkommen Gott widmen und der Welt
entsagen wollte, wies sie alle Heiratsgesuche junger Männer
entschlossen ab.
Der
Widersacher Luzifer jedoch, der alle Tugend hasst, wollte dieses
Geschöpf Gottes bezwingen. Doch es war ihm unmöglich, durch unreine
Gedanken Markella zu beeinflussen, weil sie sich mannhaft und weise
mit dem Gebet gegen diese wehrte. Sie war keine geistige Tochter der
Urmutter Eva, die mit Freude auf das hinterlistige Geflüster des
Menschenfeindes gehört hatte, um daraufhin die paradiesische Heimat
verlassen zu müssen. Selbst die heimtückische Leidenschaft des
Hochmutes konnte er nicht in ihrem Herzen wecken, deswegen gab er den
direkten Krieg gegen sie auf. Schließlich erdachte er sich eine
List, die für die Christen ungeheuerlich war und allein aus diesem
üblen Geist entspringen konnte! Er trat in den Vater ein, der ein
verdorbenes Dasein führte und dessen Herz aus diesem Grund von der
göttlichen Gnade verlassen war.
Zuerst
besah er seine Tochter und ihre jugendliche Schönheit mit zügellosen
Augen, woraufhin er mit unzüchtigen Gedankenbildern angegriffen
werden konnte. Aus diesen entstand durch seine eigene freie
Einwilligung die Bereitschaft dazu, die unreinste der Sünden zu
begehen. Er begann, getrieben von krankhaften Gelüsten und
dämonischen Einflüssen, das Gesetz Gottes aber auch jenes der
Menschen zu verachten, und seine Tochter fleischlich zu begehren! Als
der Elende, der keine Gottesfurcht besaß, beschloss, sich an ihr zu
vergehen, war Markella ungefähr 18 Jahre alt. Er versuchte anfangs
mit vielen Versprechungen und wohlklingenden Worten seine Tochter
dazu zu überreden, Christus zu verleugnen und diese abscheuliche
Sünde freiwillig mit ihm zu begehen. Als sie ihn immer wieder abwies
und er erkannte, dass sie niemals ihre Zustimmung zu dieser Tat geben
würde, beschloss er, nunmehr mit Gewalt sein Verlangen zu stillen.
Bestürzt
und verletzt von den schamlosen Absichten ihres kaltherzigen Vaters
verließ sie das Elternhaus und floh wie ein gejagtes Reh in die
umliegenden Berge, um ihre Reinheit bewahren zu können. Sie
versteckte sich im Buschwerk vor ihm, bis ein Schafhirte, der sie
beobachtet hatte und gewiss nichts von den schrecklichen Absichten
des Vaters wusste, dem Vater ihren Aufenthaltsort verriet. Und als
dieser sie tatsächlich entdeckte, entzündete er die Sträucher, um
sie wie ein wildes Tier aus ihrem Versteck zu treiben! Sie schaffte
es wieder zu entkommen und lief, bis sie die Küste erreichte. Aber
auch dorthin folgte ihr ihr Vater und beschoss erbarmungslos ihren
zarten Körper mit Pfeilen, bis sie von einem der Pfeile getroffen
und verwundet wurde.
Markella verlor
alsbald ihre Kräfte und fiel auf die harten Felsen der Meeresküste.
Verzweifelt richtete sie ihren Blick und ihr Herz gen Himmel und
flehte: “Herr, öffne diesen Felsen, damit ich mich in ihm
verbergen kann“! Denn es gab keinen anderer möglichen
Fluchtweg und nichts fürchtete sie mehr, als ihrem schamlosen Vater
hilflos in die Hände zu fallen. Plötzlich tat sich der Felsen
tatsächlich unter ihr auf! Als ihr Folterer sie erreichte, war sie
bereits bis zur Hüfte eingetaucht, doch das war genug, um ihren
Vater davon abzuhalten, sie zu schänden. Ihre Reinheit vor Gott und
das ewige Leben war ihr wichtiger als das vorläufige Leben, das sie
sicherlich durch ein elendes Einverständnis hätte retten können.
Der Vater
erstarrte beim Anblick dieses offensichtlichen Wunders, doch Reue
empfand er nicht; es war vielmehr so, dass sein Zorn noch mehr
aufloderte, weil er seine Gelüste nicht mehr befriedigen konnte. Er
nahm ein scharfes Messer zur Hand und schnitt seiner Tochter wie im
Wahn beide Brüste ab. So war es einst auch der Erstmärtyrerin
Thekla ergangen. Wie muss sich diese junge Frau, diese zarte
unberührte Knospe, bloß gefühlt haben, als ihr eigener Vater, der
sie eigentlich schützen und liebevoll vor allem Übel bewahren
sollte, wie ein Tyrann so gnadenlos malträtierte? Am Ende vollendete
er sein grausames Werk, indem er Markella enthauptete und ihr seliges
Haupt ins Meer warf. Das Haupt der Märtyrerin erhellte daraufhin ein
übernatürliches Licht und es hielt sich mit der Hilfe Gottes über
Wasser, bis es von einem italienischen Schiff entdeckt und an Bord
gezogen wurde. Die übrigen Reliquien der Heiligen sollen sich immer
noch im Inneren des Felsens befinden, der eine deutliche rote Färbung
angenommen hat, wie auch andere Steine, die sich dort befinden, wo
das Blut der Heiligen geflossen war.
Auf diese Weise
erhielt die heilige Markella den niemals verwelkenden Siegeskranz der
Märtyrer Christi. Denn gewiss hätte die göttliche Allmacht sie von
den Händen des Mörders befreien können; doch durch diesen
gewaltsamen Tod erhielt sie nebst der schneeweißen Tracht der
Jungfräulichkeit zusätzlich das kostbare purpurne Gewand des
jungfräulichen Blutes.
Durch das zu
Unrecht vergossene Blut der Märtyrerin verwandelte sich das
Meerwasser in Weihwasser, das durch einen kleinen Spalt im Felsen der
Heiligen auf rätselhafte Weise entspringt und viele Heilungen
vollbringt. Dort, wo sich Markella im Gebüsch versteckt hatte,
errichteten die Gläubigen zu ihren Ehren eine Kirche und dort, wo
sich der Fels geöffnet hatte, ein Kreuz zur Erinnerung an das
Wunder.
Unzählige
Heilungen, die bis heute unter den Gläubigen durch die Fürbitten
Markellas stattfinden, bestätigen die Heiligkeit der Märtyrin.
Zeugen dieser göttlichen Zeichen sind unter anderem große und
heilige Persönlichkeiten der orthodoxen Kirche, wie z.B. der heilige
Makarios Notaras, Bischof von Korinthos, der heilige Nektarios,
Bischof von Pentapolis, und auch der heilige Nikēforos
von Chios, der ihre Biographie niederschrieb und ihren Bittkanon
verfasste.
Wie man im Neon
Leimonarion* nachlesen kann, fanden besonders im 17. und 18.
Jahrhundert zahlreiche Wunder statt, von denen einige
niedergeschrieben wurden. Dazu gehören unter anderem die Heilung
zwei kranker Priesterkinder, die Errettung einer Frau vor dem Tod in
Agio Giorgis, die Heilung eines blinden Kindes, eines krebskranken
Mädchens aus Psara und eines Gelähmten. Vielleicht erfreut es die
Leser, wenn wir auch einige Beispiele der jüngeren Jahre hier
aufführen:
Im Jahre 1992
berichtete der Augenzeuge Pfarrer Nikolas Makris unter anderem von
folgenden Vorfällen:
- Während einer
Pilgerfahrt zum Heilgenschrein begann der Priester damit, die Hymne
der Heiligen Markella zu singen. Im selbigen Moment begann die See zu
dampfen und das Wasser verlor seinen salzigen Geschmack, wurde zu
heiligem Wasser. (Oft wird davon berichtet, dass das Meer an
diesem Ort an ihrem Gedenktag „dampft“).
- Während der
Heiligen Liturgie in der Kirche der heiligen Markella stürmte ein
Mädchen in das Gotteshaus und rief laut: „Pater, hören Sie,
was mir gerade zugestoßen ist!“ Doch bevor sie mit ihrer
Geschichte beginnen konnte, fiel ihr Blick auf die Ikone zu ihrer
rechten, die den blutigen Kopf der heiligen Markella in den Wellen
treibend zeigte. Das Mädchen schrie: „Diese Frau habe ich
gesehen!“ Und sie berichtete davon, dass sie mit ihren Eltern
am Strand entlang gegangen war. Sie kamen an den Platz, an dem das
Gedenkkreuz steht und wo die heilige Markella vom Pfeil getroffen
worden war. „Ich sah eine schwarz gekleidete Frau, die
anscheinend Spielzeug verkaufte. Ich fragte meine Eltern, ob diese
Frau nicht zu früh zum Fest gekommen sei, aber meine Eltern konnten
sie nicht sehen. Wir gingen weiter, doch auf meinem Rückweg sah ich
wieder diese Frau. Ich rief, dass sie dort sei. Die Frau hob ihre
Hand, winkte mir zu und verschwand plötzlich vor meinen Augen.“
Es war die heilige Märtyrerin Markella gewesen, die dem jungen
Mädchen erscheinen wollte, vielleicht, um sie im Glauben zu
bestärken.
- Eines Tages
brach im Kirchhof ein dicker Zweig eines Eukalyptusbaums ab. An der
Bruchstelle erschien das Gesicht eines Mädchens mit einem
Heiligenschein. Es handelte sich um die Ikone der heiligen Markella.
Das
Kloster und ihre Kirche schmücken zahlreiche Weihgaben geheilter
Christen. Aus ganz Griechenland pilgern orthodoxe Gläubige zum
Heilgenschrein, um die Wohltaten der heiligen Märtyrin Markella zu
empfangen, besonders an ihrem Gedenktag, dem 22 Juli/ 4 August eines
jeden Jahres.
1griech.
Χίος
2
Das Dorf Volissos liegt im
Nordwesten der Insel Chios in
der Ägäis. Diese Insel, die bereits seit ca. 5000 Jahren bewohnt
und durch ihre Mastixbäume bekannt ist, soll nach der Überlieferung
auch die Heimat des griechischen Dichters Homer sein.
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