Freitag, 1. Februar 2019

Mentale Manipulation in Sekten

Mönch Vt.Arsenios Vliagoftis

Dr.d.Theologie - Dr.d.Philosophie



  Ich möchte Sie zunächst auf den Erfahrungsbericht einer jungen Frau verweisen, die früher Mitglied in einer Sekte gewesen ist, als bestmögliche Einleitung, aber auch als gute Zusammenfassung des Themas, mit dem wir uns beschäftigen werden:
  „Dort (in der Organisation) nämlich wurde ich herzlich aufgenommen. Wir haben uns bald darüber unterhalten, wie es in welchem Zustand sich die Welt befindet und was Gott wohl darüber denken mag. Sehr schnell entstanden daraus in mir Schuldgefühle und der Gedanke, dass ich mithilfe ihrer „Bibel“ die Dinge in einem klareren Licht sehen würde, dass ich den Weg erkennen würde, um mich einerseits selbst zu finden und andererseits auch dazu beizutragen, die Welt zu verbessern. Ich fing also an, diesen Lehrseminaren beizuwohnen, obwohl ich dabei oft einschlief, da sie über drei Stunden (ohne Unterbrechungen) dauerten. Als ich nicht so reagierte, wie sie es von mir erwarteten, begannen sie damit, über Satan zu sprechen und hielten mir vor, dass ich meine Fehler anzuerkennen habe. Ich verbrachte drei Wochenenden in der Sekte, ohne mich innerlich dagegen wehren zu können, während dessen ich nicht einmal selbst eine Erklärung für mein Verhalten finden konnte. Ich fühlte mich unglücklich und konnte nicht aus der Sekte austreten, obwohl mich niemand wirklich daran zu hindern versuchte. Die ewig langen Dialoge und die emotionalen Lieder drehten sich immer sinnlos um dieselben Themen. Sie drängten mich dazu, Entscheidungen zu fällen, um die „Perfektion zu erreichen“, „kleine Opfer“ zu bringen, wie zum Beispiel meinen Mann und die Kinder zu verlassen, oder mein Vermögen der Sekte zu überlassen. Nach dem dritten Wochenende war ich tatsächlich bereit dazu, diese Opfer zu bringen. Ich ignorierte einfach die zukünftigen Auswirkungen und die Art und Weise, wie ich den Zustand erreichen würde, den sie mir vorgaben. Wie dem auch sei, ich bemerkte, dass ich Gedankenlücken hatte, die sich auf die Zeit bezogen, als ich in der Sekte verkehrte. Ich versuchte, die Erinnerungen zurückzurufen, aber es gelang mir nicht. Dies war ein alptraumhafter Zustand, an den ich mich nicht einmal erinnern möchte, weil er Grauen in mir verursacht.
  Ich erinnere mich an die Doktrin, dass wir dem Führer vertrauen und folgen sollten, so wie ein Kranker den Anweisungen des Arztes folgt und seine Medikamente einzunehmen hat; ich hatte mich zu beugen und Essensentzug, Schlafentzug und Meditation über mich ergehen zu lassen, und zwar nicht mit Gewalt, sondern durch Manipulation. Dies gab den Führern die Möglichkeit zu sagen, dass jeder Anhänger frei seine Entscheidungen treffen kann.
Als die Zeit günstig schien, verließ ich die Sekte dann doch mit einem „Lebt wohl“ und bin nie wieder dorthin zurückgekehrt. Allerdings hat es ganze zwei Jahre gedauert, bis ich mich von diesen furchtbaren Fesseln endlich befreien konnte. Ich frage mich immer noch, welche meiner Taten damals gut oder schlecht waren und wie es dazu kommen konnte.“
Dies war der Erfahrungsbericht von J.M-, der früheren Anhängerin einer Sekte.
  Das Gehörte schenkt uns ein gutes Bild über das Phänomen der mentalen Manipulation, mit dem wir uns beschäftigen werden.
  Die Begriffe Mentale Manipulation, Coercive Persuasion und Neuro-Linguistisches Programmieren, die ich im weiteren Verlauf verwenden werde, sind als nahezu gleichbedeutend anzusehen. Es handelt sich hierbei einfacher gesagt um Gehirnwäsche (mind control). Auch der Begriff Mentale Rekonstruierung findet Verwendung, der jedoch neutraler ist und nur unzureichend die unethischen und illegalen Perspektiven dieser Methoden zum Ausdruck bringt.
  Die klinische Psychologin und Professorin an der Berkeley-Universität in Kalifornien, Margaret Thaler-Singer, die seit den 60er Jahren Vorreiterin auf dem Forschungsgebiet dieses Phänomens, sowie dem der Sekten allgein ist, betont:
Eine Coersive-Persuasion-Programmierung ist eine Methode der Verhaltensmanipulation, die benutzt wird, um unter bestimmten Voraussetzungen das „Erlernen“ und die Adaption einer Sammlung von Verhaltensweisen oder einer Ideologie zu begünstigen. Sie unterscheidet sich dabei von anderen Methoden weniger zwanghafter sozialer Unterrichtungen oder friedvoller Persuasion, in der Art und Weise, wie sie getarnt organisiert und angewandt wird, wie auch hinsichtlich der Methoden, die auf die Ausbeutung einer Person und seines Umfeldes hinzielen und die verwendet werden, um bestimmte Verhaltensweisen zu unterdrücken und andere zu begünstigen. Im Laufe der Zeit können für die Zwangs-Persuasion Schmerz, Folter, Drogen, physische Gewalt oder Androhung von rechtlichen Schritten eingesetzt werden, um bessere Erfolge zu erzielen.“
Des weiteren führt Prof. Singer an:
  „Zwangspsychologische Techniken (oder Zwangs-Persuasion), sind das Programmieren von Verhaltensveränderungen, die psychische Kräfte auf zwanghafte Weise verwenden, um die Erlernung oder Adaption einer Ideologie oder einer Sammlung von Anschauungen, Vorsätzen oder Verhaltensweisen zu provozieren. Die wichtigste Strategie, die von den Praktizierenden angewendet wird ist jene, systematisch zwischen mehreren Formen zwanghafter Manipulierung, Ängsten, und Techniken, die permanenten Stress provozieren, die ihnen zur Verfügung stehen, zu wählen und sie systematisch zum Einsatz zu bringen. In einem solchen Programm wird das Objekt (d.h. der Mensch) dazu gezwungen, eine Reihe von kleinen „unscheinbaren“ Schritten zu adaptieren. Jeder kleine Schritt ist so konzipiert, dass er als klein erscheint und die Objekte (die Menschen) die Veränderungen an sich selbst nicht bemerken und auch das Zwanghafte an den Prozeduren nicht zu erkennen vermögen. Die Objekte dieser Techniken (Die Menschen/Opfer), erkennen nicht die verborgenen organisatorischen Ziele der zwangspsychologischen Programme bis zu einem weit fortgeschrittenen Stadium, wenn sie sie überhaupt zu irgendeinem Zeitpunkt wahrnehmen. Diese Techniken werden im Gruppenumfeld durch „Freunde und Mitstreiter“ der Opfer auferlegt, die gute Vorsätze haben, aber selbst in die Irre geleitet worden sind. Dies hält das Opfer davon ab, die Mechanismen des Selbstschutzes zuzulassen, die beim Menschen eigentlich in Konkurrenzsituationen in Erscheinung treten.
  Die zwangspsychologische Manipulation dieser Programme zielt auf die Überbrückung des kritischen Denkens und der Person und seiner freien Willensentscheidungen ab, um jeglichen Protest, die ihm seine Gedanken und die Logik vorgibt, zu annullieren. Die Opfer verlieren nach und nach die Fähigkeit, unbeeinflusst Entscheidungen zu treffen und bewusst über sich zu bestimmen. Das kritische Denken, der Selbstschutz, bewusste Vorgänge, persönliche Prinzipien, Anschauungen, Verhaltensweisen, Kontakte und logisches Denkvermögen werden verdrängt.“
  Kommandant J.P. Morin der französischen Polizei, war einer der Ersten, die sich in Frankreich wie auch weltweit mit dem „Sektenphänomen“ beschäftigten, und insbesondere mit der Suppression der Menschen in Sekten mittels der mentalen Manipulation. Seinen Ausführungen nach findet die mentale Manipulation in großen Sekten mithilfe von Hypnose und darauf folgend durch Autohypnose statt. In seinem klassischen Buch „Sectarus, Le violeur der conience“, lesen wir Folgendes: „Die Programmierung des Menschen hat zur Folge, dass er seine Selbstständigkeit seines Bewusstseins verliert, und zwar in solchem Maße, dass keine Initiative mehr vorhanden ist, und dass, um eine Reihe von auferlegten und vorbestimmten Handlungen zu begünstigen. Diese mentale Manipulation wird erreicht durch Suggestion mittels Hypnose, darauf folgt später psychische Gewalt.
  Die Suggestion findet statt, wenn eine Handlung entweder realisiert wird oder eine Anschauung aufgrund der Beeinflussung durch eine andere Person akzeptiert wird, ohne dass die Person, auf welche die Manipulation angewandt wurde, sich dieser Manipulation bewusst ist. (..)
  Im Zustand der Suggestion akzeptiert die Person Anschauungen und Ereignisse und adaptiert sie ohne jegliches kritisches Denken. Sie glaubt an das, was ihr erzählt wird, ohne die Richtigkeit zu hinterfragen. Bei einer Person, die besonders aufnahmefähig ist, wird mit ein tiefer „Schlaf“ herbeigeführt, und zwar mittels der Hypnose. Ebenso können natürliche oder chemische Mittel benutzt werden, um diese Ziele zu erreichen. Während dieses unzureichenden, künstlich (d.h. durch Hypnose) erzeugten Schlafes, kann man beobachten, dass es der Person vollends an bewusstem Willen fehlt, wohingegen die Reflexe unverändert bleiben. Aus diesem Grund zeigt der Hypnotisierte ein Verhalten, in dem sein Bewusstsein überhaupt nicht funktioniert.“, und der Kommandant J.P. Morin setzt seine Beobachtungen fort: „Wenn die Hypnose erfolgreich verläuft wird das Bewusstsein ausgeschaltet und der Mensch handelt nur noch reflexartig. Um andere Bewegungen auszuführen, müssen sie durch andere suggeriert werden. Diese Form der Suggestion ersetzt den bewussten Willen. Diese Suggestionen können während des Schlafes, der durch die Hypnose herbeigeführt wurde, aber auch danach umgesetzt werden. Bei Suggestionen, die nach der Hypnose umgesetzt werden, spricht man von Posthypnose.
  Die posthypnotischen Suggestionen beziehen sich in der Regel auf einen begrenzten Zeitraum von zwei Monaten. Nichtsdestotrotz sind sogar seltene Fälle bekannt, in denen Handlungen ausgeführt werden, die man einer Person vor einem Jahr vorgegeben hatte (Auftrag). (…) Gemäß eines bereits im Voraus wohlüberlegten Programms kann man einen Hypnotisierten in einen Zustand systematischen Schlafes versetzen. Ohne die Autohypnose erkennen zu können, zeigt er auf ein Zeichen hin, das ihm suggeriert worden ist, Reaktionen. Dieses Zeichen, das immer das gleiche zu sein hat, kann viele Formen haben. Mit dem Erscheinen dieses Zeichens (Bewegungen, codierte Worte, rhythmische Klänge etc.) fällt die Person in den hypnotisierten Zustand zurück, wenn er einer intensiven Suggestion unterzogen worden ist. Da die posthypnotische Suggestion möglich ist und eine Person dadurch in bestimmten Zeitfrequenzen wieder in Hypnose versetzt werden kann, gibt es keinen Grund, damit aufzuhören. Man programmiert die Person auf solche Weise, dass sie sich später vollkommen von selbst programmieren kann und sich unbewusst in einem ständigen Zustand der Untergebung und Abhängigkeit von seinem Guru befindet, ohne Urteilsfähigkeit oder eigenen Willen. 
  In großen Sekten, die Zwang anwenden, führen lange, mühsame Vorträge, die monoton vorgetragen werden, und einschläfernde Lieder, die oftmals von anstrengenden und depressiven Ritualen begleitet werden, zu einer Art Gruppenhypnose. Wir haben beobachten können, dass der Hypnoseschlaf auch mit anderen Methoden herbeigeführt werden kann. Heute wird des Öfteren die chemische Methode verwendet, weil sie effektiver ist. Die Praktizierenden geben ihren Opfern ein spezielles Schlafmittel, das sie in signifikant höherem Maße auf die Suggestion ansprechen lässt. Diese Droge gibt ihnen die Möglichkeit, eine Person in einen Zustand des unzureichenden Bewusstseins zu versetzen, damit die Person sein Unterbewusstsein dem Willen des Experimentierenden überlässt.(...) In den großen Sekten wird die Droge häufig oral eingenommen. Pulver und Sirups werden mit Gewürzen vermengt, um den Geschmack zu neutralisieren. Unmittelbare Ergebnisse sind die Folge. Selbst sehr ausgeglichene und innerhalb der Gesellschaft geachtete Personen, die sich eigentlich nicht manipulieren lassen, werden innerhalb von weniger als 2 Stunden von einer unbekannten Religion überzeugt, deren Dogma oft die Grenzen selbst der größten Vorstellungskraft sprengt. Während der ersten Hypnosesitzung suggeriert der Praktizierende dem Hypnotisierten, auf ein bestimmtes Zeichen hin jedes mal erneut in den Hypnosezustand zu fallen. Außerdem trägt er ihm auf, den Umstand des Zeichens im bewussten Zustand zu vergessen, d.h. wenn er wieder aufwacht. In den nächsten Sitzungen genügt allein das Zeichen, um die Hypnose herbeizuführen, sodass die Einnahme einer weiteren Dosis des Schlafmittels nicht mehr notwendig ist.
  Mit dieser Methode wird den Anhänger zum Beispiel der Auftrag suggeriert, in die Sekte zurückzukehren, um Versammlungen beizuwohnen. Sobald er den Sitz der Sekte verlässt, ist er vollkommen programmiert, sodass er sich infolge selbst, aber auch andere zu programmieren bereit ist. Sowie eine der Sekte nicht zugehörige Person versucht, ihm andere Informationen zukommen zu lassen, fällt er erneut in   den Zustand der Autohypnose und unterzieht sich sich selbst der Dogmatisierung.
  Die bereits Bekehrten, die auf der Straße Zeitschriften zugunsten der Sekten verkaufen, zeigen ein charakteristisches Verhalten auf. Wenn jemand versucht, ihnen zu beweisen, dass sie selbst Opfer und zu Objekten schamloser Ausbeutung eines Guru-Händlers verkommen sind, verkünden sie bloß naiv: „Wir beten für euch, damit eure friedlose Seele errettet wird“. Anschließen verlassen sie schleunigst den Aktionsstandort, formen sich zu neuen Gruppen und begeben sich in der Regel in das Innere eines Lagers, um sich dort gemeinsam der Meditation zu widmen. Nach einer Viertelstunde sind sie wieder bereit dazu, nahezu wie Wanderhändler, ihre Aktionen fortzuführen, nunmehr noch bestärkter in ihren Ansichten.“
  Diese grundlegenden Feststellungen, insbesondere jene, dass die mentale Manipulation mittels der Hypnose auferlegt wird, treffen auch bei Dr. Marvin Galper1 (klinischer Psychologe in San Diego/ Kalifornien) auf Zustimmung, der früheren Anhängern politisch-religiöser Sekten zu Rehabilitation verhalf. Er bestätigt, dass die Sekten bei ihren Anhängern Gehirnwäsche durchführen, mit Methoden, die in Nordkorea bei amerikanischen Kriegsgefangenen Anwendung fanden. Die Anhänger werden in einen Zustand versetzt, der sie dazu verleitet, ihre persönlichen Überzeugungen zu überdenken, um die Überzeugungen der Sekte zu adaptieren.
Es ist wichtig anzumerken, dass auch die Technik der fernöstlichen Meditation von allen Sekten anwenden wird, die des sogenannten Wassermannzeitalters (oder New Age; Neues/Aquarianisches Zeitalter) angehörig sind, wenn sie diese auch manchmal anders bezeichnen mögen. Es handelt sich dabei um eine Methode der Hypnose oder Autohypnose und ist vom Hinduismus und Buddhismus übernommen worden.
Es folgt die Beschreibung einer „Meditationsübung“ von einem Menschen, der tief in die Gewässer der Sekten eingedrungen war.
  „Die Sitzung fand in einem großen Saal eines Ashram2 in Indien statt. Lehrerin war eine Frau mit dem Titel einer Swami3, europäischer Herkunft und langzeitige Schülerin des Guru. Sie trug orangen farbige Mönchsgewänder.
  Die Schüler waren Besucher des Ashram, von kleinen Kindern bis zu Personen mittleren Alters. Yoga-Indra, wie es genannt wird, wird als Entspannungstechnik gepriesen und richtet sich an Menschen, die in der modernen Gesellschaft leben.
  Wir sollten uns auf rücklings den Boden legen, ohne uns gegenseitig zu berühren und uns so gut weit möglich entspannen. „Schließt eure Augen, entspannt euch“, hieß es. Die Anweisungen wurden langsam, mit Abständen, formuliert, um genug Zeit zu haben, sie umzusetzen. Vollkommene Stille herrschte im Saal und allein die Stimme der Swami war zu vernehmen. „Fühlt, wie euer Körper schwer wird, sehr schwer... es ist unmöglich, ihn nunmehr zu bewegen... fühlt, wie er den Boden berührt... (minutenlange Pause)... Fühlt jetzt, wie euer Körper ganz leicht wird.. wie er über dem Boden schwebt... ihr seid nun bereit, zu fliegen... Vergesst jetzt euren Körper und stellt euch in eurem Geist einen schönen Sonnenuntergang vor... jetzt eine gelbe Blume... einen schönen Wasserfall... eine leuchtende Sonne.“
  Die schönen Bilder wechselten sich untereinander ab. Ich sah sie sehr plastisch vor mir... Es war, als würde ich eine Dokumentation in meinem Geiste sehen. Die Stimme der Lehrerin war ruhig und beständig, sie sprach mit normalem Rhythmus. Die ganze Prozedur dauerte ungefähr eine Stunde. „Erlangt jetzt wieder das Bewusstsein über euren Körper zurück... bewegt eure Glieder, ganz langsam“. Tatsächlich empfand ich mein Körper als schwer und konnte keine schnellen Bewegungen durchführen.
  „Öffnet eure Augen ganz langsam und erlangt wieder das Bewusstsein des Raumes zurück.“ Ich stand ganz langsam auf, als würde ich aus einem tiefen Schlaf erwachen. Als ich mich umblickte sah ich, wie die meisten den Eindruck machten, als wären sie gerade erst aus einem Schlaf aufgewacht... Einige lagen jedoch immer noch auf dem Boden. Sie waren eingeschlafen! Sie schliefen tatsächlich!
  „Weckt sie auf“, sagte die lächelnde Lehrerin. Wir weckten sie ganz seicht und sie sahen mit Erstaunen, wie sie die anderen ironisch lächelnd anblickten.“
Auch fügt der frühere Anhänger hinzu: „So wird eine Yoga-Indra- Sitzung durchgeführt.
  Was geschah dort wirklich? Lassen Sie uns überlegen. Zunächst einmal gab es eine Swami, die Anweisungen gab, welche umgesetzt werden sollten. Wird dadurch nicht vielleicht auch „gelehrt“, dass man den Swami zu gehorchen hat? Außerdem wurde empfunden und im Geist realisiert, was die Swami vorgab. Kann man das nicht auch Suggestion nennen? Die Kontrolle über den Geist wurde der Swami überlassen, die mit ihm tat, was sie wollte. Sie besaß die vollkommene Kontrolle über den Geist für einen bestimmten Zeitraum... Dies geschah natürlich mit der Erlaubnis der Teilnehmer, den eigenen Willen auszuschalten und zur Seite zu drängen, um dem Willen der Swami Folge zu leisten.

  Sie haben nur soviel Macht über uns, wie wir es selbst zulassen.
Stellen Sie sich nur vor, wie es wäre, diese Methode täglich anzuwenden? Welche Ausmaße würden diese Phänomene annehmen? Würde man sich vielleicht am Ende sogar wünschen, durch eine oder einen Swami in all unseren Handlungen geführt zu werden? Handelt es sich dabei möglicherweise nicht nur um eine Entspannungstechnik, sondern auch um eine Unterwerfungsmethode?“
Die Ansicht, dass während der Meditation, hauptsächlich durch die sogenannte Vertiefung, hypnotische und autohypnotische Prozeduren durchgeführt werden, teilen die meisten seriösen Forscher. Stichweise anzuführen wären Dr. Klaus Thomas, Dr. d. Medizin und d. Philosophie und früherer Direktor des Schultz-Institutes für Psychotherapie, Autogenes Training und Hypnose in Berlin4, der angab, dass der Meditierende während der Meditation zu Wahnvorstellungen geleitet werden kann. Dazu tragen auch die Wiederholungen der Mantras bei, von denen die meisten glauben, dass es sich um sinnlose Worte handelt, wohingegen es sich in Wirklichkeit gewöhnlich um Götternamen aus dem hinduistischen oder buddhistischen Pantheon handelt.
  Dionysios Farasiotis, der Autor des Buches „Die Gurus, der Junge und Altvater Paisios“, auf das wir uns bereits bezogen haben und aus dem wir die Beschreibung der Meditationsübung geschöpft haben, behauptet, dass die Meditation als eine Form der Hypnose und Autohypnose signifikant Unterwerfung und Passivität begünstigt, und demzufolge auch zur mentalen Manipulation eingesetzt werden kann. Der Meditierende folgt den Anweisungen des für die Meditationsübung Zuständigen und hat überhaupt keine Zeit, um darüber nachzudenken. „Wenn man nachdenken möchte, muss man die Übung unterbrechen“, fügt Herr Farasiotis hinzu.
  Selbstverständlich werden diese Techniken mentaler Manipulation nur durchgeführt, wenn zunächst die geeigneten Ziele ausfindig gemacht worden sind. Viele Sekten haben ausführliche Handbücher zur Verfügung, in denen beschrieben wird, wie menschliche Zielobjekte gefunden werden können, die sich leicht manipulieren lassen. Solche Handbücher richten sich hauptsächlich an Verkäufer und Zuständige für die Einstellung von Personal. Für gewöhnlich sind die am leichtesten Manipulierbaren junge, leichtgläubige, naive, sowie auch Menschen, die eingeschränkte Urteilsfähigkeit besitzen, weil sie aus einem überfürsorglichen Elternhaus stammen, oder solche, die wegen einer frischen emotionalen Enttäuschung, finanzieller Schwierigkeiten, der aber eines gesundheitlichen Problems ausgesprochen labil sind.
  Die mentale Manipulation wird im hohem Grade begünstigt, da sie ein Teil der Gesinnung und der Techniken der Sekten ist. Für die Kontrolle des Anhängers ist grundlegend, dass der Führer der Sekte als göttlicher Lehrer angesehen wird, als fleischgewordener Gott, als Messias, z.B. des Wassermannzeitalters. Da er ein göttlicher Lehrer ist, besitzt er Authentizität, sodass seine Anhänger und Jünger ihm ausnahmslos Folge zu leisten haben. Des führt sie schrittweise zur vollkommen Abhängigkeit von ihm. Es handelt sich um eine bidirektionale Prozedur: Einerseits wird die mentale Manipulation durch die Gesinnung begünstigt, die innerhalb der Sekte kultiviert wird, dass der Führer ein göttlicher Lehrer ist und dass seine Worte und Handlungen niemals angezweifelt werden dürfen, andererseits wird mittels der mentalen Manipulation die Gesinnung bekräftigt, dass der Führer unfehlbar ist.
  Die meisten der Sekten projizieren bekanntermaßen eine absolut vereinfachte Interpretation der Welt, währenddessen verteufeln sie alles Außenstehende, vor allem, wenn jemand oder etwas Kritik an ihnen übt. Sie pflegen die Neubekehrten von ihren Verwandten und Freunden zu isolieren und flößen ihnen üblicherweise Hass gegenüber ihren Eltern, und vorrangig der Mutter, ein. Die Sekten schmeicheln dem Egoismus der Neubekehrten und behaupten, dass er persönlich die Gesellschaft uns den ganzen Planeten zu retten vermag. Gleichzeitig lassen sie in ihm Schuldgefühle entstehen, denn wenn er das Ziel nicht erreicht, das vom Programm vorgegeben wird, ist er angeblich selbst daran Schuld, weil er die Techniken nicht korrekt durchführt. Die Organisation trägt in keinem Fall Schuld.
  Währenddessen wird auf die Anhänger gewaltsamer mentaler Druck ausgeübt, indem reale oder irreale Gefahren betont werden. Die „Zeugen Jehovas“ zum Beispiel rufen durch den bevorstehenden Armageddon Ängste hervor, den, wie sie behaupten, allein die „Zeugen Jehovas“ überleben werden!
  Ein anderes großes Kapitel, das jedoch den Rahmen unseres Themas sprengen würde, stellt die allgemeine mentale Manipulation dar, die hauptsächlich über die Massenmedien stattfindet. Dieser Thema werden wir an dieser Stelle nicht anschneiden. Doch zu erwähnen ist allemal, dass von allen mentalen Manipulationen, denen der Mensch heutzutage ausgesetzt ist (Fernsehen, Werbung, Verkaufstechniken, Politik), die gefährlichste aller jene der Sekten ist, weil sie aufgrund ihres totalitären Charakters nicht allein ein bestimmtes Ziel verfolgen (z.B. dass wir ein Produkt kaufen), sondern auf die Kontrolle und Ausbeutung des ganzen Menschen und auf das Zentrum der Persönlichkeit selbst abzielen; das Heiligste und Kostbarste, das ein Mensch besitzt. Schließlich handelt es sich bei diesem Problem nicht nur um ein soziales und juristisches, sondern vielmehr um ein spirituelles.

Bewältigung
  Des Weiteren werden wir uns damit beschäftigen, wie man dieses Problem bestmöglich bewältigen könnte.
  Zunächst muss gesagt werden, dass der Umgang oder die Bewältigung hauptsächlich präventiv sein muss und mit viel Arbeit verbunden ist, vonseiten der Kirche mithilfe der Katechese und den Elterninitiativen, aber auch vom Staat, da das Problem auch soziale und juristische Aspekte hat.
  Die Technik des „Umprogrammierens“, die bereits seit den 80er Jahren vor allem in den Vereinigten Staaten von Ted Patrick umgesetzt wurde, kann keinesfalls gutgeheißen und legalisiert werden, da sie alle von den Sekten angewandten Methoden der mentalen Manipulation anwenden – nur entgegengesetzt. Dies geschieht, indem die Anhänger mit Gewalt entführt und physisch von der Sekte entfernt werden. Das Umprogrammieren bezweckt, und erreicht auch bis zu einem gewissen Grade, die Gehirnwäsche eines Sektenanhängers, um ihn von der Sekte unabhängig zu machen und in seinem Geist neue Ansichten zu wecken. Das heißt wieder Gehirnwäsche, um die alte Gehirnwäsche zu revidieren!
  Sicher ist, dass viele Opfer von Sekten, die einer Gehirnwäsche unterzogen worden sind, speziale psychiatrische und psychologische Hilfe benötigen. Die ist ein schwieriges Thema, über das viel diskutiert werden muss.
Sicher ist auch, dass man sich von der Schadensquelle, d.h. der Sekte und ihrem gefährlichen Einfluss, entfernen muss, um therapiert zu werden.
  Um einem Menschen zu helfen, der sich in den Fesseln einer Sekte befindet, versuchen wir primär sein eigenes Denkvermögen und seine Kritikfähigkeit zu fördern, welche durch die Sekte und die mentale Manipulation „auf Eis gesetzt worden sind“. Wenn der Anhänger, das Opfer, damit beginnt, Lehren, Methoden der Organisation und die Authentizität des Führers zu hinterfragen und anzuzweifeln, ist der Anfang bereits getan.

Nachwort
  Zusammenfassend kann man sagen, dass die mentale Manipulation oder Gehirnwäsche der Schlüssel für das Verständnis der Art und Weise darstellt, auf die Sekten aus freien Menschen abhängige Diener machen. Aufgrund dessen stellt die mentale Manipulation ein Kriterium dafür dar, ob es sich bei einer Organisation wirklich um eine Sekte handelt. Sekten und mentale Manipulation gehen Hand in Hand.
  Die mentale Manipulation und die Unterwerfung unter einer Sekte, die daraus folgt, wird hauptsächlich mithilfe von Hypnosemethoden umgesetzt, wobei die wichtigste die sogenannte Meditation ist.
  In einer Zeit wie der unsrigen, in der Sekten, sogar vielmals begünstigt durch Forschungen von Psychologen und Psychiater, welche die mentale Manipulation zur Wissenschaft erhoben haben, müssen wir uns dafür einsetzen, die Menschen vor dieser Falle zu bewahren, und zwar mit kombinierten Aktionen und Maßnahmen auf dem sozialen wie auch dem juristischen Gebiet.
  Vor allem für uns Orthodoxe befindet sich die Priorität darin, dem Menschen zu zeigen, dass seine Probleme sich auf die Frage nach dem Sinn des Lebens konzentrieren und dass dieser nur in Jesus Christus, dem Gottmenschen, wahrhaftig gefunden werden kann.

Zeitschrift „Dialogos“
Januar-März 2017, Band 87

1 Marvin F. Galper, «Extremistische religiose Kulte und verandertes Bewusstsein», Destruktive Kulte, S. 108-115
2Hinduistisches Kloster
3Titel hinduistischen Mönches/ hinduistischer Nonne
4 Klaus Thomas, Dr. med. und Dr. phil., «Persönlichkeitsveränderungen junger Menschen in destruktiven Kulten. Von der überwertigen Idee bis zur hypnotischen Gehirnkontrolle», Destruktive Kulte, S.116-125