Der
bettlägerige Mönch Sophronios auf Kreta,
der an Amyotropher
Lateralsklerose (ALS) im Endstadium leidet,
spricht mithilfe eines augengesteuerten Tastatursystems in einem
Interview für den örtlichen Sender Crete TV über seine Erkrankung
und seinen Glauben.
Man sagt,
dass der Schmerz das Dasein vollkommen macht. Erleben sie dies auch
und wenn ja, auf welche Weise:
S: Der
Schmerz ist eine bedeutende Schule, die einem Selbstkenntnis lehrt,
die wiederum zur Bruderkenntnis und letztendlich zur Gotterkenntnis
führt. Der Schmerz bringt Demut mit sich, mit der unser Herz sanfter
wird und sich Gott und den Mitmenschen öffnet. Ich kommuniziere mit
Menschen auf der ganzen Welt, die an körperlichen oder seelischen
Krankheiten leiden.
Mit der
Hilfe Gottes, meiner Erfahrung als Mensch, der Schmerzen und
Bettlägerigkeit erlebt hat, kann ich mich, wenigstens etwas, in sie
hineinfühlen, um ihnen Tröstendes und Worte Christi zu sagen. Heute
gibt es so viel Einsamkeit auf der Welt, Aufruhr und Furcht. Wir
Christen, die wir das Geschenk Gottes erhalten haben, Christus zu
kennen, sollten die Freude, den Frieden und die Liebe, was alles
Christus selbst ist, mit unseren Mitmenschen teilen. Besteht darin
nicht unser aller Bestimmung, errettet zu werden?
Was würden
sie zu jemandem sagen, der sich Sterbehilfe (Euthanasie) wünscht?
S: Das Leben
ist ein Gottesgeschenk an uns alle. Ich erkenne dies mehr noch, seit
ich bettlägerig bin. Niemand ist auf die Welt gekommen, weil er es
mit seinem eigenen Willen so entschieden hat. Wie kann man seinem
Leben ein Ende setzten, wenn es einem im Grunde überhaupt nicht
gehört? Darin sehe ich das Problem unserer Zeit, denn sie kultiviert
im Menschen eine egozentrische Lebensweise, von der Gesellschaft, der
Familie, der Nachbarschaft, der Heimat abgesondert, sodass man meint,
unabhängig zu sein, autonom auf dieser Welt. Meiner Meinung nach
führt diese falsche Lebensanschauung dazu, dass die heutigen
Menschen von der „Selbstvergöttlichung“ zum Selbstmord geführt
werden. Ich kann gut verstehen, wenn ein Patient den anderen nicht
zur
Last fallen
möchte, oder es seinen Liebsten ersparen will, ihn leiden zu sehen.
Es ist erniedrigend – das weiß ich nur zu gut. Aber der Demütige
erlebt das Königreich Gottes, nicht der Egoist.
Glauben Sie,
dass sie dieselbe Einstellung dem Schmerz gegenüber hätten, wenn
sie nicht gläubig wären?
S:Ohne Christus
würde ich mich in einem elenden Zustand befinden. Es gibt einen
anderen Schmerz, der qualvoller ist. Und das ist der Schmerz, den die
Seele empfindet, wenn ihr die Präsenz Gottes fehlt, die alles belebt
und selbst den menschlichen Schmerzen Sinn gibt. Die Abwesenheit
Gottes aus dem Leben der Menschen heutzutage ist der qualvollste und
unerträglichste Schmerz.
Wenn sie
leiden, gibt es dann Momente, in denen sie Gott und Ihren Glauben
hinterfragen?
S: Das
Gegenteil ist der Fall. Ich fühle mich dann mit Gott vereint und
spüre Seine Liebe und Anwesenheit noch intensiver. Natürlich
bedeutet das nicht, dass nicht auch Augenblicke der menschlichen
Schwäche auftreten. Ein Christ benötigt Glauben, Mannhaftigkeit und
Beharrlichkeit. Gott lässt uns nie im Stich.
Wie kann das
Leid zum Segen werden? Was kann „Leben“ bedeuten, wenn man ans
Bett gefesselt ist?
S: Die
Schmerzen und Hindernisse erscheinen einem manchmal unerträglich. In
diesen Momenten spüre ich die Präsenz und den Trost Gottes noch
stärker. Ich glaube, dass diese zwei Fragen nur Derjenige
beantworten kann, an den ich mich auch in schwierigen Stunden wende,
wenn ich auf den leidenden und gekreuzigten Christus blicke. Er
verwandelte als Erster Seinen Schmerz in Segen. Und Sein Leben auf
dem Kreuz wird gerühmt, Er blieb in der Geschichte als der
Glorreiche König. Das Vorbild und gleichzeitig die Erholung jedes
Leidenden.
Welche
Herausforderungen bringt Ihre Erkrankung mit sich?
S: Ich habe
ALS/MND, die Krankheit, an der auch Stephen Hawking litt. Es gibt
keine Therapie. Ich bin gelähmt, kann nur Augenlider und Lippen
bewegen. Ich kann nicht schlucken, sodass ich mit einer Magensonde
ernährt werden muss. Ich kann nicht eigenständig atmen, sondern nur
mit der Unterstützung einer Sauerstoffmaske. Ich könnte Ihnen noch
weitere Einzelheiten nennen, aber es genügt zu sagen, dass ich
nichts eigenständig tun kann, ohne die Hilfe und Pflege einer
anderen Person.
Als Weltlicher
(vor dem Mönchsleben), war ich sehr unabhängig, handelte sehr
egoistisch. Jetzt, da ich nicht einmal das Kleinste ohne Hilfe tun
kann, verstehe ich, weshalb Christus uns lehrte, in einem Leib
vereint zu sein. Wir brauchen einander und sollten in einer
Gemeinschaft mit unseren Mitmenschen leben.
Wie
viele Jahre sind Sie bereits bettlägerig und wie findet die
Kommunikation statt?
S: Ich bin
jetzt seit 6 Jahren permanent bettlägerig und kommuniziere mit einem
Computersystem, das mir erlaubt, mit Augenbewegungen zu schreiben.
Gott sei gelobt! Sehen Sie, wie es der gute Gott gefügt hat?
Was ist das
Positivste, dass Sie Ihrer Meinung nach Ihrer Krankheit abgewinnen
konnten?
S. Zweifellos
die Vereinigung mit Gott, Dessen Liebe mein Herz erfüllt.
Wie
gestaltet sich ihre Beziehung zu ihren Brüdern im Hl. Kloster
Gouvernetou, seit Sie erkrankt sind?
S: Ich fühle
mich im Hl. Kloster Gouvernetou sehr gesegnet. Es ist ein heiliger
Ort unter dem Schutzmantel der Allheiligen. Mit der lebendigen
Präsenz des heiligen Johannes des Eremiten und ein Schauplatz von
Martyrien, sehr gnadenreich. Gottes Fügung schenkte mir auch einen
gesegneten Hegumen, Altvater Irinäus, einen Gottesmenschen, der
voller Liebe ist. Die Brüderschaft lebt sehr einträchtig, hat
demütige Väter (Mönche), die ihren guten Kampf kämpfen.
Sie pflegen
mich mit aufopfernder Liebe. Ein Beispiel für die Liebe, die hier
herrscht ist folgendes:
Als ich Novize
wurde, stellte man zur gleichen Zeit fest, dass ich an ALS leide,
eine unheilbare Krankheit. Als ich erfuhr, wie der Krankheitsverlauf
sein würde, sagte ich zu meinem Altvater, dass ich der Brüderschaft
nicht zur Last fallen wollte und deshalb doch nicht ins Kloster
eintreten würde. Aber der Altvater und alle anderen Väter bestanden
darauf, dass sie mich genau so wollten, wie ich war. Das ist wahre
Liebe Christi.
Was würden
Sie unseren Zuschauern, kranken und auch gesunden, gerne mitteilen,
die uns gerade verfolgen?
S: Leben ohne
Christus ist kein Leben. Mit Christus als Lebensmitte verfügt man
über Liebe, Frieden und Lebenssinn. Wie der heilige Porphyrios zu
sagen pflegte: „Christus ist absolut alles“.
Quellen:
www.cretetv.gr
www.ekklisiaonline.gr