Donnerstag, 14. Februar 2019

Mönch mit ALS : „Der Schmerz ist eine bedeutende Schule“


Der bettlägerige Mönch Sophronios auf Kreta, der an Amyotropher Lateralsklerose (ALS) im Endstadium leidet, spricht mithilfe eines augengesteuerten Tastatursystems in einem Interview für den örtlichen Sender Crete TV über seine Erkrankung und seinen Glauben.

Man sagt, dass der Schmerz das Dasein vollkommen macht. Erleben sie dies auch und wenn ja, auf welche Weise:
S: Der Schmerz ist eine bedeutende Schule, die einem Selbstkenntnis lehrt, die wiederum zur Bruderkenntnis und letztendlich zur Gotterkenntnis führt. Der Schmerz bringt Demut mit sich, mit der unser Herz sanfter wird und sich Gott und den Mitmenschen öffnet. Ich kommuniziere mit Menschen auf der ganzen Welt, die an körperlichen oder seelischen Krankheiten leiden.
Mit der Hilfe Gottes, meiner Erfahrung als Mensch, der Schmerzen und Bettlägerigkeit erlebt hat, kann ich mich, wenigstens etwas, in sie hineinfühlen, um ihnen Tröstendes und Worte Christi zu sagen. Heute gibt es so viel Einsamkeit auf der Welt, Aufruhr und Furcht. Wir Christen, die wir das Geschenk Gottes erhalten haben, Christus zu kennen, sollten die Freude, den Frieden und die Liebe, was alles Christus selbst ist, mit unseren Mitmenschen teilen. Besteht darin nicht unser aller Bestimmung, errettet zu werden?

Was würden sie zu jemandem sagen, der sich Sterbehilfe (Euthanasie) wünscht?
S: Das Leben ist ein Gottesgeschenk an uns alle. Ich erkenne dies mehr noch, seit ich bettlägerig bin. Niemand ist auf die Welt gekommen, weil er es mit seinem eigenen Willen so entschieden hat. Wie kann man seinem Leben ein Ende setzten, wenn es einem im Grunde überhaupt nicht gehört? Darin sehe ich das Problem unserer Zeit, denn sie kultiviert im Menschen eine egozentrische Lebensweise, von der Gesellschaft, der Familie, der Nachbarschaft, der Heimat abgesondert, sodass man meint, unabhängig zu sein, autonom auf dieser Welt. Meiner Meinung nach führt diese falsche Lebensanschauung dazu, dass die heutigen Menschen von der „Selbstvergöttlichung“ zum Selbstmord geführt werden. Ich kann gut verstehen, wenn ein Patient den anderen nicht zur
Last fallen möchte, oder es seinen Liebsten ersparen will, ihn leiden zu sehen. Es ist erniedrigend – das weiß ich nur zu gut. Aber der Demütige erlebt das Königreich Gottes, nicht der Egoist.

Glauben Sie, dass sie dieselbe Einstellung dem Schmerz gegenüber hätten, wenn sie nicht gläubig wären?
S:Ohne Christus würde ich mich in einem elenden Zustand befinden. Es gibt einen anderen Schmerz, der qualvoller ist. Und das ist der Schmerz, den die Seele empfindet, wenn ihr die Präsenz Gottes fehlt, die alles belebt und selbst den menschlichen Schmerzen Sinn gibt. Die Abwesenheit Gottes aus dem Leben der Menschen heutzutage ist der qualvollste und unerträglichste Schmerz.

Wenn sie leiden, gibt es dann Momente, in denen sie Gott und Ihren Glauben hinterfragen?
S: Das Gegenteil ist der Fall. Ich fühle mich dann mit Gott vereint und spüre Seine Liebe und Anwesenheit noch intensiver. Natürlich bedeutet das nicht, dass nicht auch Augenblicke der menschlichen Schwäche auftreten. Ein Christ benötigt Glauben, Mannhaftigkeit und Beharrlichkeit. Gott lässt uns nie im Stich.

Wie kann das Leid zum Segen werden? Was kann „Leben“ bedeuten, wenn man ans Bett gefesselt ist?
S: Die Schmerzen und Hindernisse erscheinen einem manchmal unerträglich. In diesen Momenten spüre ich die Präsenz und den Trost Gottes noch stärker. Ich glaube, dass diese zwei Fragen nur Derjenige beantworten kann, an den ich mich auch in schwierigen Stunden wende, wenn ich auf den leidenden und gekreuzigten Christus blicke. Er verwandelte als Erster Seinen Schmerz in Segen. Und Sein Leben auf dem Kreuz wird gerühmt, Er blieb in der Geschichte als der Glorreiche König. Das Vorbild und gleichzeitig die Erholung jedes Leidenden.

Welche Herausforderungen bringt Ihre Erkrankung mit sich?
S: Ich habe ALS/MND, die Krankheit, an der auch Stephen Hawking litt. Es gibt keine Therapie. Ich bin gelähmt, kann nur Augenlider und Lippen bewegen. Ich kann nicht schlucken, sodass ich mit einer Magensonde ernährt werden muss. Ich kann nicht eigenständig atmen, sondern nur mit der Unterstützung einer Sauerstoffmaske. Ich könnte Ihnen noch weitere Einzelheiten nennen, aber es genügt zu sagen, dass ich nichts eigenständig tun kann, ohne die Hilfe und Pflege einer anderen Person.
Als Weltlicher (vor dem Mönchsleben), war ich sehr unabhängig, handelte sehr egoistisch. Jetzt, da ich nicht einmal das Kleinste ohne Hilfe tun kann, verstehe ich, weshalb Christus uns lehrte, in einem Leib vereint zu sein. Wir brauchen einander und sollten in einer Gemeinschaft mit unseren Mitmenschen leben.

Wie viele Jahre sind Sie bereits bettlägerig und wie findet die Kommunikation statt?
S: Ich bin jetzt seit 6 Jahren permanent bettlägerig und kommuniziere mit einem Computersystem, das mir erlaubt, mit Augenbewegungen zu schreiben. Gott sei gelobt! Sehen Sie, wie es der gute Gott gefügt hat?

Was ist das Positivste, dass Sie Ihrer Meinung nach Ihrer Krankheit abgewinnen konnten?
S. Zweifellos die Vereinigung mit Gott, Dessen Liebe mein Herz erfüllt.

Wie gestaltet sich ihre Beziehung zu ihren Brüdern im Hl. Kloster Gouvernetou, seit Sie erkrankt sind?
S: Ich fühle mich im Hl. Kloster Gouvernetou sehr gesegnet. Es ist ein heiliger Ort unter dem Schutzmantel der Allheiligen. Mit der lebendigen Präsenz des heiligen Johannes des Eremiten und ein Schauplatz von Martyrien, sehr gnadenreich. Gottes Fügung schenkte mir auch einen gesegneten Hegumen, Altvater Irinäus, einen Gottesmenschen, der voller Liebe ist. Die Brüderschaft lebt sehr einträchtig, hat demütige Väter (Mönche), die ihren guten Kampf kämpfen.
Sie pflegen mich mit aufopfernder Liebe. Ein Beispiel für die Liebe, die hier herrscht ist folgendes:
Als ich Novize wurde, stellte man zur gleichen Zeit fest, dass ich an ALS leide, eine unheilbare Krankheit. Als ich erfuhr, wie der Krankheitsverlauf sein würde, sagte ich zu meinem Altvater, dass ich der Brüderschaft nicht zur Last fallen wollte und deshalb doch nicht ins Kloster eintreten würde. Aber der Altvater und alle anderen Väter bestanden darauf, dass sie mich genau so wollten, wie ich war. Das ist wahre Liebe Christi.

Was würden Sie unseren Zuschauern, kranken und auch gesunden, gerne mitteilen, die uns gerade verfolgen?
S: Leben ohne Christus ist kein Leben. Mit Christus als Lebensmitte verfügt man über Liebe, Frieden und Lebenssinn. Wie der heilige Porphyrios zu sagen pflegte: „Christus ist absolut alles“.


Quellen:
www.cretetv.gr
www.ekklisiaonline.gr