Freitag, 10. Januar 2014

Sollten Christen nur das anerkennen, was in der Bibel steht?

Wir hören häufig Personen aus unterschiedlichen protestantischen Gemeinschaften sagen: „Wir erkennen nur die Bibel an. Wir gehen nicht darüber hinaus.“ Trotzdem gibt es eine Vielzahl von unterschiedlichen Ansichten zwischen diesen Gemeinschaften, und sogar zwischen den Mitgliedern derselben Gemeinschaft.

Unterschiede in den Übersetzungen
Wie kann es möglich sein, dass die Protestanten „nicht über die Heilige Schrift hinausgehen“, und sich trotzdem untereinander widersprechen? Wenn die Bibel von Gott als „Glaubenssatzung“ gegeben worden wäre, als vollständige Anleitung für das, was wir glauben sollten, dann müssten sie sich alle darin einig sein, was sie aussagt. In Wirklichkeit sind jedoch deren Differenzen erheblich.
Wenn Gott beabsichtigte, dass wir die Heilige Schrift als alleinigen Glaubensführer betrachten, müsste er auch dafür sorgen, dass sie in allen Sprachen dasselbe aussagt. Doch neben den Übersetzungen aus dem Griechischen und Hebräischen in die verschiedenen Sprachen, die dem Text durchaus einen anderen Sinn geben können, gibt es auch innerhalb einer Sprache unterschiedliche Übersetzungen. Es kommt auch vor, dass verschiedene Religionsgemeinschaften ihre eigene Übersetzung herausgeben, die bestimmte Aussagen entsprechend ihren Lehren oder Dogmen anders wiedergibt.
Nur die Bibel?
Als ein Beispiel betrachten wir eine Stelle der Heiligen Schrift, die mit unserem Thema zu tun hat. Wir vergleichen dabei den griechischen Grundtext mit zwei Übersetzungen in die deutsche Sprache, die ihn unterschiedlich wiedergeben.
Es handelt sich um 2. Timotheus 3, 16, wo es im griechischen Grundtext heißt"Πάσα γραφή θεόπνευστος, και ωφέλιμος προς διδασκαλίαν, προς ελεγμόν, προς επανόρθωσιν, προς παιδείαν την εν δικαιοσύνη..."
Die Einheitsübersetzung gibt die Bibelstelle folgendermaßen wieder: „Jede von Gott eingegebene Schrift ist auch nützlich zur Belehrung, zur Widerlegung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit;…“ Wie im Grundtext wird hier nicht der bestimmte Artikel „die“ verwendet.
Andere Übersetzungen fügen den bestimmten Artikel „die“ ein, sodass der Eindruck entsteht, dass der Vers über „DIE“ Heilige Schrift spricht. Dadurch soll die Ansicht gestützt werden, dass NUR die Heilige Schrift durch Gott inspiriert ist.
Die NWÜ der Wachtturm - Gesellschaft zum Beispiel übersetzt diese Stelle so: „Die ganze Schrift ist von Gott inspiriert und nützlich zum Lehren, zum Zurechtweisen, zum Richtigstellen der Dinge, zur Erziehung in [der] Gerechtigkeit,…“
Aber auch so sagt dieser Vers nicht aus, dass NUR die Heilige Schrift inspiriert ist. In Wirklichkeit sagt sie lediglich aus, dass jede Schrift, die inspiriert ist, auch nützlich ist. Diese Stelle handelt überhaupt nicht von der Heiligen Schrift! Sie handelt von jeglicher inspirierten Schrift! Denn als diese Bibelstelle geschrieben wurde, galt nur das Alte Testament als Heilige Schrift.
„Aber es gibt doch keine andere inspirierte Schrift außer der Bibel!“ wird vielleicht jemand protestieren.

DIE BIBEL SELBST SAGT JEDOCH NIRGENDWO AUS, DASS SIE DIE EINZIGE INSPIRIERTE SCHRIFT SEI!
Wenn jemand dies behauptet, sagt er das aus sich selbst heraus, ohne es anhand der Bibel beweisen zu können.
Dadurch würde er aber selbst nicht „nur die Bibel“ annehmen, wie er es gerne behauptet, sondern auch etwas eigenes, das über die Bibel hinausgeht: Dass nur das zu akzeptieren ist, was in der Bibel geschrieben steht.

Denn in Wirklichkeit steht in der Bibel weder irgendwo geschrieben, dass nur sie von Gott inspiriert ist, noch steht geschrieben, dass wir nur die Bibel akzeptieren dürfen und nichts anderes! Diese Behauptungen sind somit schon von sich aus, „etwas anderes“! Es handelt sich dabei nämlich um eine außerchristliche menschliche Überlieferung, die die Kirche in den 20 Jahrhunderten ihrer Geschichte niemals angenommen hat.
Die Glaubwürdigkeit der Kirche
Die Bibel selbst gibt nicht die Ansicht wieder, dass wir sie als Satzung und alleinige Grundlage unseres Glaubens betrachten sollten. Der Apostel Paulus schreibt das mit deutlichen Worten im ersten Timotheusbrief 3, 15: „Falls ich aber länger ausbleibe, sollst du wissen, wie man sich im Hauswesen Gottes verhalten muss, das heißt in der Kirche des lebendigen Gottes, die die Säule und das Fundament der Wahrheit ist.“
Nach dieser Aussage ist nicht die Bibel das Fundament unseres Glaubens, wenn wir die Wahrheit erfahren wollen,sondern die Kirche! Die Bibel ist heilig und inspiriert, sie ist aber nicht verfasst worden, um als Fundament für unsere Dogmen zu dienen. Die Dogmen haben ihr Fundament in der Kirche. Die Bibel ist ein Weg, den die Kirche verwendet, um sich mitzuteilen. Die Kirche verfügt jedoch über viele Wege der inspirierten Mitteilung an die Menschen.
Die obige Bibelstelle antwortet auch auf die Frage, die manche stellen: „Selbst wenn wir davon ausgehen, dass es auch andere inspirierte Schriften neben der Bibel gibt, wie können wir uns auf etwas anderes außer der Bibel verlassen, die doch so nah zur Zeit des Herrn geschrieben wurde?“
Die Antwort ist, dass die Kirche genauso wie sie für die Glaubwürdigkeit der Heiligen Schrift bürgt, sie es auch für die Glaubwürdigkeit der übrigen kirchlichen Überlieferung tut. Wenn die Kirche nicht als glaubwürdig genug betrachtet wird, um für irgendeine Schrift zu bürgen, dann ist sie notwendigerweise auch nicht glaubwürdig bei der Auswahl der Schriften, aus denen die Bibel besteht! Denn da die Bibel selbst keinen Katalog ihrer Schriften enthält, ist der Leser gezwungen, sich auf überlieferte Quellen außerhalb der Bibel zu stützen.
Das Neue Testament hat seine jetzige Form im 4. Jahrhundert n. Chr. erhalten, nachdem sich der Kanon des Heiligen Athanasius durchgesetzt hatte, der zum ersten Mal das Buch der Offenbarung im Neuen Testament beinhaltete. Diese Schrift war bis zu diesem Zeitpunkt nicht Bestandteil der verschiedenen Bibelkanons. Wie kann also jemand die Offenbarung anerkennen, die im 4. Jahrhundert von der Kirche in den Kanon aufgenommen wurde, und gleichzeitig ältere Schriften der Kirche ablehnen?
Da sie in der Reformation des 16. Jahrhunderts wurzeln und keine historische Kontinuität zu der Zeit der Apostel haben, lehnen verschiedene protestantische Glaubensgemeinschaften die Kirche, die vor ihnen existierte, ab und behaupten willkürlich, dass die Kirche abgefallen wäre. So akzeptieren sie nur die Bibel, da sie aus der Zeit der Apostel stammt. In Wirklichkeit hat aber die Kirche des 4. Jahrhunderts (die sie nicht anerkennen) festgelegt, welches die Schriften der Bibel sein sollen. Es existierten zu dieser Zeit auch andere Schriften aus dem ersten Jahrhundert. Anhand der bewahrten Texte des 4. Jahrhunderts wählte der Heilige Athanasius diejenigen aus, die mit der kirchlichen Überlieferung übereinstimmten. Im selben Grad, in dem die Heilige Überlieferung des 4. Jahrhunderts abtrünnig und falsch wäre, wäre auch die Heilige Schrift abtrünnig und falsch.
Scheinbare Widersprüche
„Wieso gibt es dann Widersprüche zwischen der Bibel und der übrigen Überlieferung?“ wird jemand fragen.
In Wirklichkeit gibt es keinen Widerspruch. Genauso wie jemand, der die Bibel nur mit dem Zweck liest, Widersprüche zu finden, diese auch von Buch zu Buch finden wird, wird auch ein Protestant, der mit diesem Zweck die sonstigen inspirierten Schriften der Überlieferung liest, die gleichen scheinbaren Widersprüche finden.
In der Bibel gibt es zum Beispiel den Vers Matthäus 23, 9, wo geschrieben steht: Auch sollt ihr niemand auf Erden euren Vater nennen;“. In einer anderen Stelle aber, in 1. Korinther 4, 14-15, nennt sich der Apostel Paulus Vater der Korinther! 

Jemand, der gläubig ist, erkennt hier die unterschiedliche Bedeutung des Begriffs „Vater“ in diesen zwei Bibelstellen. In der ersten wird der Begriff in einem absoluten Sinn, der nur Gott zusteht, verwendet, in der zweiten Stelle, geschieht dies in einem relativen Sinn, der auch Menschen zukommen kann. Jemand, der darauf aus ist, Fehler zu finden, wird hier einen Widerspruch erkennen. In der gleichen Art und Weise handelt ein Protestant, der die Kirche beschuldigt, einen Priester als „Vater“ ( Pater) zu bezeichnen. Interessant dabei ist, dass es derselben Person nie in den Sinn kommen würde, den Apostel Paulus zu beschuldigen, in Widerspruch mit Jesus Christus zu stehen! Die sonstige Heilige Überlieferung erscheint ihm aber dennoch widersprüchlich.
Das gleiche trifft auch auf die anderen Punkte zu, in denen Protestanten die Heilige Überlieferung kritisieren. Dabei wäre es angebracht, vor jeglicher Kritik, die Kirche selbst nach den Gründen für die scheinbaren Widersprüche zu fragen, anstatt sich auf Begründungen zu verlassen, die aus fremder Quelle stammen.
Die inspirierten Quellen des Glaubens
Das obige deutet auf noch einen Punkt hin, der zum besseren Verständnis der Argumentation dienen kann. Die Tatsache, dass jeder die Bibel nach seinem Urteil auslegen kann, hat dazu geführt, dass es heute Tausende von Gemeinschaften gibt, die behaupten, über die richtige Auslegung zu verfügen. Das zeigt auf, dass die Bibel, auf sich alleine gestellt, nicht der sichere Weg zu Gott ist. Zur richtigen Auslegung wird die Anleitung der Kirche benötigt, die die Bücher der Bibel verfasst und zusammengestellt hat. Sie hat als „Säule und Fundament der Wahrheit“ über die Jahrhunderte das Evangelium, die Frohe Botschaft, unverändert bewahrt. Wo es in der Bibel Lücken gibt, werden diese durch andere inspirierte Quellen ergänzt.
Deswegen verwendet die Orthodoxe Kirche die folgenden inspirierten Schriften, die sich untereinander in völliger Harmonie befinden:
Die Bibel als die Heilige Schrift,
die Entscheidungen der ökumenischen Konzilien,
die Texte der Kirchenväter, die durch die ökumenischen Konzilien genehmigt wurden,
die Hymnologie der Kirche,
und die Liturgischen Texte.
Diese alle befinden sich in völliger Übereinstimmung zueinander und zu den Lehren der charismatischen Heiligen aller Zeiten. 
 Die Ansicht der Heiligen  Schrift
„Aber warum wird dann am Ende der Bibel verboten, diesem Buch etwas hinzuzufügen oder wegzunehmen?“ wird der Leser vielleicht beharren.
Tatsächlich ist das Buch, auf das sich diese Stelle bezieht( Offenbarung 22, 18-19), das Buch der Offenbarung und nicht die Bibel als Ganzes. Sie kann nicht die Bibel meinen, weil sie sich ausdrücklich auf die „prophetischen Worten dieses Buches“ bezieht. Außerdem ist die Offenbarung erstmalig im vierten Jahrhundert in den Kanon der Heiligen Schrift aufgenommen worden. Und das wichtigste, der zweite und dritte Brief des Johannes sind um 98 n. Chr. geschrieben worden, zwei Jahre nach der Offenbarung! Demnach dürften sie auch nicht zur Bibel hinzugefügt werden, wenn sich diese Stelle auf die Bibel als Ganzes beziehen würde. Jedenfalls existierte, als diese Bibelstelle geschrieben wurde, noch lange kein vollständiger Kanon der Bibel, also kann er auch nicht gemeint sein.
Im Gegenteil, die Heilige Schrift selbst sagt aus, dass es neben ihr „auch anderes“ gibt. Im letzten Vers seines Evangeliums erwähnt Johannes, dass es noch vieles andere gibt, was Jesus getan hat. „Wenn man alles aufschreiben wollte, so könnte, wie ich glaube, die ganze Welt die Bücher nicht fassen, die man schreiben müsste.“
Auch woanders aber verlangt von uns die Heilige Schrift, aus dem Munde des Apostels Paulus diesmal, die Heilige Überlieferung nicht abzulehnen:
2. Thessalonicher 2, 15: „Seid also standhaft, Brüder, und haltet an den Überlieferungen fest, in denen wir euch unterwiesen haben, sei es mündlich, sei es durch einen Brief.“
Neben dem, was in den Briefen der Apostel geschrieben worden ist, ist in der Kirche auch ihre mündliche Überlieferung bis heute bewahrt geblieben.
Warum akzeptieren die Leugner der Überlieferung nicht diese Worte der Heiligen Schrift? Die Worte des Herrn gegen die Überlieferung, auf die sie sich gerne stützen, beziehen sich auf die Jüdische Überlieferung, nicht auf die Christliche, die da noch nicht existiert haben kann.
Die Christliche Überlieferung beinhaltet auch die „feste Speise“, die im Hebräerbrief 5, 11-14 erwähnt wird. Hier, im schwierigsten Brief der Heiligen Schrift, wird sein Inhalt als „Milch“ bezeichnet. Dann würde ja die Bibel diese „feste Speise“ nicht beinhalten! Wenn man dieses Bild fortführt, muss die feste Speise in der übrigen Heiligen Überlieferung zu finden sein.
Dasselbe erkennt man im 2. Petrus 1, 19. Dort wird das Wort der Propheten als ein Licht bezeichnet, das an einem finsteren Ort scheint, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in unseren Herzen.
Lasst uns das Licht der Heiligen Schrift, das uns in den Glauben einführt, mit Vernunft gebrauchen, damit wir aus allem Nutzen ziehen können, was Gott zu unserer Unterweisung bereithält.
Übersetzung:  Emanuel K.
Quelle oodecom.gr 

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