Montag, 13. Januar 2014

Archimandrit Georgios Kapsanis- Christus und das gesellschaftliche Problem

Je mehr sich der Mensch reinigt von den Leidenschaften, desto mehr erlangt er die Möglichkeit der wahren Gemeinschaft mit Gott und mit den anderen menschlichen Personen.
Diejenigen, die den Menschen auf romantische und äußerliche Art betrachten, verlagern das Übel von den Personen auf die Gesellschaft, und deshalb sind sie der Meinung, dass die Verbesserung der Gesellschaft auch die Verbesserung der Personen mit sich bringen werde. Wir Orthodoxen jedoch, ohne die Bedeutung der gesellschaftlichen Einflüsse zu leugnen, geben den Vorrang der Transfiguration der Person durch die Metanie und die Göttliche Gnade.
Wir sind sehr im Irrtum, wenn wir die Gesellschaft verändern wollen, ohne zu kämpfen um unsere eigene Veränderung. Es ist zumindest naiv, zu glauben, dass die Veränderung einiger gesellschaftlicher Institutionen auch die Veränderung der Menschen herbeiführen werde, ohne Metanie.
Der kranke Mensch schafft kranke Gesellschaften, und die kranken Gesellschaften machen die Menschen noch kränker. Die gesellschaftlichen Krankheiten heilen zu wollen, ohne die persönliche Krankheit zu heilen, bedeutet, dass wir das Problem einfach verschieben, dass wir uns weigern, unsere persönliche Verantwortung dafür zu anerkennen, dass wir der Metanie ausweichen, unseren Egoismus bejahen und nicht bereit sind, uns selbst so zu sehen, wie wir sind. Es ist bezeichnend, dass der Herr als Vorbedingung für die Teilhabe an Seinem Reich die persönliche Metanie setzte. Man darf auch nicht verkennen, welches das Werk des Teufels ist bei der Auflösung der Personen und der Gesellschaften, beim Überhandnehmen des Übels. Die humanistische Simplifizierung der gesellschaftlichen Probleme leugnet die Existenz des Teufels. Das Evangelium hingegen und die christliche Erfahrung zeigen deutlich, in welchem Maß die teuflischen Kräfte einwirken auf Personen und auf gesellschaftliche
Zustände. Sie zeigen die Notwendigkeit des Kampfes gegen den Teufel, der Lösung von diesem und der Exorzismen der bösen Geister. Es ist Aufgabe begnadeter Priester, Mönche und Laien, die Geister zu unterscheiden, damit der Christ nicht in die Fangnetze gerät, die der Böse auslegt für ihn, indem er sich unter der Maske des Guten präsentiert.
Wir betonen hier die Macht der widersetzlichen, anti-eucharistischen und antigesellschaftlichen Mächte nicht etwa, um die Unmöglichkeit ihrer Überwältigung darzutun, sondern um die Notwendigkeit aufzuzeigen, dass der kämpfende Christ derselben Rechnung trägt. Christus hat jene Mächte besiegt, und der Christ hat die Möglichkeit, mit der Kraft Christi und der Mitwirkung der Göttlichen Gnade an diesem Sieg Christi teilzuhaben.
In diesem Punkt unterscheidet sich der christliche gesellschaftliche Kampf von jedem anderen Kampf. Die Gesellschaft, die die humanistischen Systeme errichten wollen, seien es die idealistischen oder die materialistischen, hat den Menschen zum Mittelpunkt. Die Gesellschaft der Christen hingegen hat den Gottmenschen zum Mittelpunkt.
Menschlich sind auch die Mittel der Humanisten. Jene der Christen jedoch sind gottmenschlich. Der christliche Sozialismus hat als Fundament die Demut. Der humanistische Sozialismus dagegen hat als Fundament den Hochmut, die Autarkie, die Absonderung von Gott. Hier wiederholt sich die Ursünde Adams: das Streben nach Vergöttlichung ohne Gott.
Es ist wohl kein Zufall, dass beide jener humanistischen Systeme mit ihren Anwendungen in der Wirtschaft - Kapitalismus und Kommunismus - im häretischen Westen geboren wurden, wo der religiöse Anthropozentrismus des "unfehlbaren" Papstes und des Filioque den Weg bereitet hatten dafür. Dies sollten jene Orthodoxen oder vormals Orthodoxen bedenken, die unüberlegt unsere orthodoxe Tradition verleugnen, gewöhnlich aus Unwissenheit, um sich an die westlichen Systeme zu klammern.
Der bloß menschliche Charakter des nichtchristlichen Sozialismus versagt diesem die Möglichkeit, der Seele des Menschen zum Frieden zu verhelfen, weil er den Menschen ohne Versöhnung läßt mit dem himmlischen Vater und infolgedessen ohne Heimat.
Erinnern wir uns an das Wort des heiligen Augustinus, das die allgemein menschliche Erfahrung ausdrückt: "Für Dich, Herr, hast Du uns erschaffen, und ruhelos ist unser Herz, bis es ruht in Dir."
Die atheistischen Gesellschaftssysteme helfen zwar, einige gesellschaftliche und wirtschaftliche Probleme zu lösen, doch sie helfen uns nicht, Gott und dem Mitmenschen auf wahrhafte und wesenhafte Weise zu begegnen. Sie geben keine befriedigende Antwort auf unsere existentiellen Fragen und insbesondere auf das zentrale Problem des Todes. Die Welt wird schön geordnet, um zu sterben. Obwohl sich diese Systeme und vor allem der Marxismus durch einen ausgeprägten weltlichen "Messianismus" kennzeichnen, sind sie in Wirklichkeit nicht imstand, hinüberzuführen "aus dem Tod ins Leben" (Joh 5,24), 
und deshalb bringen sie tragische Menschen ohne Hoffnung hervor. Gerade die intensive humanistische oder auch unternehmerische Tätigkeit entspringt bisweilen dem Bemühen, unser grundlegendes Problem zu vergessen, das Problem des Todes, und befreit zu werden von der Angst, der Leere und dem Überdruß, welche das Leben kennzeichnen, das getrennt ist von seiner Quelle, dem Dreieinigen Gott. Deshalb sind diese Systeme, trotz der guten und lauteren Absichten vieler edler Menschen, die kämpfen und sich aufopfern für deren Ideale, im Grunde gegen den Menschen gerichtet. Im Namen einer besseren und gerechteren Gesellschaft halten sie den Menschen fern von der vollen gottmenschlichen Gemeinschaft, die letzten Endes allein imstand ist, seine Natur zu befrieden und zu vollenden, sperren ihn ein in den engen Käfig eines geschlossenen, von Maschinen beherrschten, unpersönlichen materialistischen Universums und entziehen ihm den Anblick des Himmels. Wahrlich, welchen Sinn kann unser Leben haben, wenn wir bloß entwickelte Tiere sind und nicht Abbild Gottes? Wenn wir zum baldigen Tod verurteilt sind, ohne Möglichkeit der Teilhabe am ewigen Leben Gottes?

Quelle: www.prodromos-verlag.de

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