Über die Tugend der Sanftmut, der Einfachheit und der Güte, die nach weiser Besinnung erworbenen und nicht von Natur aus gegebenen (Auszüge)
1.Dem Sonnenaufgang geht
das Morgenlicht voraus wie der Demut die Sanftmut. Doch auch das
Licht selbst, Christus nämlich, führt diese (Tugenden) in derselben
Reihenfolge an: „Lernt von mir“, so sprach Er, „denn ich bin
sanftmütig und von Herzen demütig“ (Mt 11,29). Es entspricht der
Natur der Dinge, uns vor dem Erscheinen der Sonne vom Morgenlicht
erleuchten zu lassen, um uns daraufhin reichlich am Anblick der Sonne
zu laben. Denn wahrlich unmöglich ist es, wie uns auch von der Natur
aufgezeigt wird, dass einer die Sonne erblickt, das heißt die Demut,
bevor er das Morgenlicht, das heißt die Sanftmut, erfahren hat.
2.Die Sanftmut ist ein
beständiger Zustand des Geistes, der sich durch Lob oder
Verschmähung nicht wandelt. Sanftmut bedeutet, für den Nächsten
aufrichtig zu beten, ohne die Zerstreuungen, die dadurch entstehen,
als Störung zu empfinden. Die Sanftmut ist wie ein Felsen über dem
schäumenden Meer, der unerschütterlich alle Wellen bricht, die auf
ihm aufschlagen.
6.Die Einfachheit ist eine
Gewohnheit und Seelengesinnung. Ihr Geist ist kein herumwandernder
und neigt nicht zu bösen Gedanken. Die Güte hingegen ist ein
seelischer Zustand, der (den Menschen) mit geistiger Süße und
Freude erfüllt, und vollkommen frei von bösen Gedanken und Argwohn
ist.
7.Wichtigstes Merkmal des
Kindesalters ist die Einfachheit. Solange Adam diese besaß, sah er
weder seine seelische noch seine körperliche Blöße.
19.Die Hinterlistigkeit
ist eine Wissenschaft, oder besser gesagt eine Schandtat der Dämonen,
der es an Wahrheit fehlt, was sie zu verbergen versucht, um viele
hinters Licht zu führen.
20.Heuchelei ist der
Zustand, in dem der Leib, das heißt die äußeren Bekundungen, zu
der Seele im Gegensatz stehen. Dieser Zustand ist verflochten mit
bösen Gedanken aller Art und Lügenwerken.
23.Ein Fall hat schon oft
die Bösen und Hinterlistigen ohne eigenen Vorsatz zur Besinnung
gebracht und Gutmütigkeit und Erlösung geschenkt.
24.Bemühe dich darum,
deine Vernunft und dein Urteil als verblendet anzusehen, um Erlösung
und Aufrichtigkeit in unserem Herrn Jesus Christus zu finden. Amen.
Übersetzung aus dem
Griechischen: Alexia Ghika-Kyriazi
Heiliger Johannes Klimakos - Die Himmelsleiter (Klimax)