Ja, was hatten denn die Leute Außergewöhnliches gesagt? Aber nicht einmal das konnten die Pharisäer ertragen; sie haben, wie ich schon erwähnt, sich immer über das Gute geärgert, das anderen erwiesen wurde, und nichts tat ihnen so weh, als das Heil der Menschen. Und doch gab der Herr nach und ließ der Leidenschaft Zeit, sich abzukühlen. Doch das Übel entzündete sich von neuem: denn abermals tat der Herr Gutes. Und die Pharisäer wurden noch wütender als der Dämon. Denn der fuhr wenigstens aus dem Leibe des Besessenen aus, ging davon und ergriff die Flucht, ohne etwas zu sagen. Diese dagegen versuchten den Herrn bald zu töten, bald zu verleumden. Da ihnen das erste nicht glückte, so wollten sie wenigstens seinen guten Ruf schädigen (vgl. Mt 12, 23).
So ist eben der Neid, der wohl das größte Übel ist, das es gibt. Der Ehebrecher genießt doch wenigstens eine gewisse Lust und vollzieht seine Sünde in kurzer Zeit. Der Neidische dagegen straft und züchtigt sich selbst noch früher als den, auf den er neidisch ist, und läßt nie ab von seiner Sünde, sondern verharrt unablässig in ihr. Denn wie das Schwein an seinem Schmutz und der Teufel an unserem Schaden seine Freude hat, so erfreut sich der Neidische am Unglück des Nächsten; und wenn dem anderen etwas Widerwärtiges geschieht, dann labt er sich daran und atmet auf und hält den fremden Schaden für sein eigenes Glück und das eigene Unglück für des Nächsten Glück. Er achtet dabei nicht so sehr auf das Angenehme, das er vielleicht empfindet, als auf das Böse, das dem anderen widerfährt. Verdienten nicht solche Menschen, dass man sie steinigte und totschlüge wie räudige Hunde, wie fluchbeladene Dämonen, wie die leibhaftigen Erinnyen? Wie gewisse Käfer sich vom Miste nähren, so nähren sich diese vom Unglück des Nächsten; sie sind die geschworenen Feinde und Widepsacher der menschlichen Natur. Andere werden beim Anblick eines geschlachteten Tieres zum Mitleid bewegt; wenn du aber einen Menschen siehst, dem etwas Gutes widerfahren ist, gerätst du in wilden Zorn, zitterst und wirst bleich. Gäbe es wohl etwas Schlimmeres als eine solchen Wahn? Darum konnten auch Unkeusche und Zöllner ins Reich eingehen, während die Neidischen, die schon drinnen waren, desselben verlustig gingen. Denn "die Kinder des Reiches", heißt es, "werden hinausgeworfen werden." Die anderen ließen ab von der Schlechtigkeit, die ihnen anhaftete und erlangten Dinge, die sie nie gehofft hätten; diese verloren auch das Gute, das sie besaßen. Und ganz mit Recht. Dieses
Laster macht ja den Menschen zum Teufel; das macht ihn zum wilden Dämon. Ob dieses Lasters geschah der erste Mord; seinetwegen ward die Menschennatur missachtet, ward die Erde befleckt, die sich später öffnete und den Dathan, Kore und Abiron mit ihrem Anhang und all jenem Volk lebendig aufnahm und verschlang.
Doch könnte da einer sagen, es ist leicht, über den Neid zu schelten; wichtiger wäre es zu wissen, wie man von dieser Krankheit frei werden kann. Wie können wir also von diesem Übel befreit werden? Durch den Gedanken, dass es nicht bloß dem Unzüchtigen nicht erlaubt sein sollte, die Kirche zu betreten, sondern ebensowenig dem Neidischen; ja diesem noch viel weniger als dem anderen. Jetzt erscheint es allerdings manchen sogar als etwas Gleichgültiges; darum wird es auch nicht genügend beachtet. Sobald wir aber klar erkennen, dass es etwas Böses ist, werden wir auch leicht davon abstehen. Darum weine und seufze, trauere und flehe zu Gott!
Lerne dich einer schweren Sünde schuldig fühlen und bereuen. Wenn du so gesinnt bist, dann wirst du schnell von der Krankheit befreit werden. Und wer wüßte nicht, sagst du, dass der Neid etwas Böses ist? Es ist keiner, der es nicht wüßte, und doch halten sie diese Leidenschaft nicht für so sündhaft wie Unzüchtigkeit und Ehebruch.
Wer hat es sich denn je zur Schuld angerechnet, wenn er bitteren Neid gehegt? Wer hat jemals Gott gebeten, er möchte ob dieses Fehlers Erbarmen mit ihm haben? Niemals auch nur ein einziger! Im Gegenteil, wenn er fastet und einem Armen eine kleine Münze gibt, dann mag er tausendmal neidisch sein, er wird gar nicht glauben, etwas Böses getan zu haben, obgleich ihn die schlimmste aller Leidenschaften im Besitz hat. Warum ist doch Kain so schlecht geworden? Warum Esau? Warum die Kinder des Laban? die Söhne Jakobs? Warum Kore, Dathan und Abiron mit ihren Anhängern? Warum Maria und Aaron, ja der Teufel selbst?
Quelle: prophet-elias.com
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen