Dienstag, 22. April 2014

Die heiligen Raphael, Nikolaos und Irene feiern heute (Osterdienstag)

Die wundertätigen heiligen Neumärtyrer von Karyes

An dieser Stelle möchte ich dem Leser die wahre Geschichte der Heiligen von Karyes schildern, und auch über das Auffinden ihrer wundertätigen Reliquien berichten, als uns der Herr aus den Tiefen der Erde vor nicht allzu langer Zeit wunderbare Mysterien offenbart hat. Dieses Kloster auf dem Hügel, in dem das Herz des müden Wanderers von göttlicher Liebe durchflutet wird, und der Verstand die unzähligen Wunderzeichen kaum erfassen und begreifen kann, ist sicherlich einer der wichtigsten Wallfahrtsorte Griechenlands. Es befindet sich nahe des Kurortes Thermē auf der Insel Lesbos (auch Lesvos). Dort haben sich wahrlich wundersame Dinge zugetragen, doch wir werden etwas ausholen müssen, um diese Ereignisse verständlich wiederzugeben.
An diesem heiligen Ort, der Karyes genannt wird und zur Ortschaft Thermē gehört, besaß einst ein Türke namens Hassan Bey einen Olivenhain, auf dem sich die Ruinen einer alten Kirche zu Ehren der allheiligen Gottesmutter befanden. Dieser Ort wurde von jeher das „Allerheiligste von Karyes“ genannt, auch „allheilige Jungfrau“ und ferner „Mönch“. Die Bewohner von Thermē kamen jährlich am Osterdienstag zusammen, um dort ehrfürchtig die heilige Liturgie zu zelebrieren. Diese Gewohnheit hatten sie von ihren Vorfahren übernommen, doch der tiefere Grund dafür war mittlerweile, über die vielen Jahre, die ins Land gegangen waren, in Vergessenheit geraten. Hassan Bey indes hinderte sie nie daran, diesen Gottesdienst abzuhalten, obwohl er als besonders streng und erbarmungslos galt.
Manchmal beobachteten einige der Anwohner eigenartige Phänomene, die sie nicht erklären konnten. So sahen welche einen Mönch, der die Ruinen der Kirche beweihräucherte und vor ihren Augen plötzlich verschwand. Manchmal hörten sie Glocken und Gesänge, oder sahen ein übernatürliches Licht, das aus den Ruinen kam. Nicht nur Christen, sondern auch die andersgläubigen Türken sahen diese Erscheinungen. All diese Zeichen ließen viele Menschen zu dem Schluss kommen, dass auf dieser Stätte die göttliche Gnade weilte.
Nach der Kleinasiatischen Katastrophe flüchteten tausende von Griechen, die zuvor in Kleinasien lebten, nach Griechenland, und der Olivenhain ging in die Hände der Flüchtlingsfamilie Marangou über. Doch nicht aus Zufall, denn dies geschah mithilfe der Fürbitten der allheiligen Gottesgebärerin, die der Mutter der Familie im Schlaf erschien und ihr alles vorhersagte. Aggelikē Marangou versprach, zu Ehren der Gottesmutter eine neue Kirche an diesem Ort erbauen zu lassen. Viele Jahre später, im Jahre 1959, entschied ihre Tochter Vasilikē, die nunmehr verheiratet war mit Aggelos Rallēs, endlich das Gelübde ihrer Mutter einzulösen. Sie baten den örtlichen Metropoliten um die entsprechende Genehmigung und begannen mit den Arbeiten.

Am 3. Juli 1959, während der Ausgrabungen der Fundamente, fand einer der Arbeiter, Doukas Tsolakēs, ein Grab auf, in dem ein menschliches Skelett lag; plötzlich empfand er in seinem Herzen eine unbeschreibliche Freude. Ein Wohlgeruch kam aus dem Grab. Die Gebeine waren von goldgelber Färbung. Die Hände waren auf der Brust gekreuzt, aber der Schädel war vom übrigen Körper abgetrennt. Der Unterkiefer fehlte und an seiner Stelle befand sich ein Ziegel, auf dem drei byzantinische Kreuze aufgemalt waren. Der Duft verstärkte sich und erfüllte die Luft. Sofort wurden Aggelos Rallē, der Dorfpriester Euthymios Zolos, das Erzbistum, wie auch ein Archäologe verständigt, denn man hatte außerdem Marmorplatten aus der byzantinischen Epoche und andere archäologische Kostbarkeiten aus der Erde geholt. Die Menschen fragten sich, wer wohl der gute Christ gewesen war, der dort bestattet war: Die Geschichte des Ortes war noch unbekannt. Doch man legte zunächst die Gebeine einfach in einen Sack hinein, und maß diesen sonderbaren Zeichen keine Wichtigkeit bei.
Doch gleich darauf nahmen die übernatürlichen Phänomene zu. Der Arbeiter Doukas Tsolakēs, der vollkommen ungläubig war und seit Jahrzehnten den Kirchengang mied, spürte eine unsichtbare Kraft, die ihn mehrmals daran hinderte, die Gebeine hochzuheben und zu befördern. Er bekreuzigte sich zum ersten Mal wieder nach 24 Jahren und war überzeugt davon, dass es sich beim Verstorbenen um „einen gerechten Menschen“ handelte! Seine Ehefrau, Maria Tsolakē, kam eines Tages zur Ausgrabungsstätte. Sie traf auf einen Priester, den sie für einen der Dorfpriester hielt. Er näherte sich ihr und sie verbeugte sich vor ihm und wollte ehrerbietig seine Hand küssen. Doch da sah sie, dass er über dem Boden schwebte! Erschrocken traute sie sich nicht mehr, seine Hand zu küssen und schaute ihm wortlos in die Augen, doch diese strahlten wie das Sonnenlicht! Maria ging weiter, und als sie sich wieder umdrehte, sah sie erstaunt, dass der Priester immer noch an der selben Stelle stand, aber jetzt ohne Haupt! Sie rief angsterfüllt nach der Gottesmutter, woraufhin die Gestalt in einem Lichtblitz verschwand. In der selben Nacht sah sie einen sehr lebendigen Traum, in dem ihr eine wunderschöne, schwarzgekleidete Frau erschien, die zu ihr sprach: „Maria, du hättest keine Angst haben sollen. Der dir erschienen ist, war kein Gespenst und auch nicht der Dorfpriester. Es war der Mönch, der an diesem Ort als Asket lebte und von den Türken geschlachtet wurde. Eines Tages werdet ihr seinen Namen, seine Heimat und all seine Marter erfahren...“ Diese Gestalt war die allheilige Gottesmutter gewesen.
Außerdem waren unerklärliche Geräusche von den Gebeinen her zu vernehmen und es duftete oftmals nach Weihrauch. Man bat den Priester um eine Totenmesse für den unbekannten Toten. Aber man kannte seinen Namen noch nicht, um ihm zu gedenken. Da erschien der Heilige dem Priester, und auch anderen Christen, im Traum und sagte, dass er Raphaēl hieße und von den Insel Ithaka stammte. Eine Reihe von Erscheinungen und Apokalypsen folgten, durch die das Wirken und das Martyrium der Heiligen von Karyes den Menschen enthüllt wurde. Weil wir jedoch in diesem Buch über die heiligen griechischen Mütter sprechen, werde ich nicht auf die Einzelheiten der Lebensgeschichte dieses großen heiligen Priestermönches eingehen, sondern nur grob die Umrisse darlegen:
Der weltliche Name des Heiligen war Georgios Laskaridēs, er wurde in Ithaka geboren und christlich erzogen. Ihm wurde eine hohe Bildung zuteil und in seiner Jugend diente er für eine Weile als Offizier in der Armee. Als er die Armee verließ, weil er die Niederlagen der Christen auf dem Schlachtfeld gegen die Muslime nicht ertrug, entsagte er der Welt und wurde zum Mönch geschoren und später zum Priestermönch geweiht und bekam den Namen Raphaēl. Er diente als Priester und Prediger in Athen und wurde danach zum Oberpriester, Archimandrit und Prälat des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel ernannt. Aufgrund seiner Fähigkeiten wurde er auf eine Mission nach Frankreich geschickt, um in Morlaix zum ersten Mal dem heiligen Nikolaos zu begegnen, der damals in Frankreich Medizin studierte und aus Thessaloniki stammte. Der junge Student verließ das weltliche Leben, wurde bald zum Diakon geweiht und folgte seinem geistlichen Vater Raphaēl nach Thrakien, wo sie sich noch aufhielten, als die Osmanen im Jahre 1453 Konstantinopel eroberten. Sie flüchteten nach Lesbos, welches zu jener Zeit noch nicht eingenommen worden war, und siedelten sich auf dem Hügel Karyes an, wo sich früher ein Nonnenkloster befunden hatte und jetzt ein einziger Mönch namens Rouvim als Einsiedler lebte.
Dieses Nonnenkloster zu Ehren der Geburt des heiligen Gottesgebärerin führte einst die heilige Äbtissin Olympia. Olympia stammte gebürtig aus Konstantinopel, verbrachte ihre Kindheit jedoch in Peloponnes, wo sie mit Gottesfurcht erzogen wurde. Ihr Vater war Priester und ihre Mutter eine Priestertochter, aber sie entschliefen, als die kleine Olympia erst zehn Jahre alt war. Dann brachte man sie nach Lesbos, zu ihrer Tante Dorothea, die damals das Kloster führte. Als sie das neunzehnte Lebensjahr erreichte, wurde sie zur Mönchin geschoren, um nur sechs Jahre später ihrer Tugenden wegen zur Äbtissin ernannt zu werden. Doch am 11. Mai des Jahres 1235 kamen Piraten auf die Insel, die auch das Kloster stürmten. Damals lebten dort 30 selige Schwestern, die ihr ganzes Dasein Gott gewidmet hatten. Die niederträchtigen Piraten stürzten sich auf die Jungfrauen; einige wurden geschändet und andere wiederum schafften es, in die Berge zu fliehen und sich dort vor ihnen zu verstecken. Doch Olympias und eine andere selige Mönchin namens Euphrosynē mussten viele Marter erleiden, denn Olympias weigerte sich zu fliehen, um als Äbtissin die Schwestern und das Kloster nicht zu verlassen, und die gute Euphrosynē hingegen konnte nicht fortlaufen, weil sie sehr betagt war. Die Gottlosen hängten die heilige Euphrosynē an einen Baumast und verbrannten sie bei lebendigem Leib bis nur Asche von ihr übrigblieb. Olympia wurde mit brennenden Kerzen gefoltert, die sie an ihren Leib hielten, um ihr furchtbare Verbrennungen und unbeschreibliche Schmerzen zuzufügen. Dann brachten sie eine Eisenstange zum Glühen und schoben sie ihr durch das eine Ohr, um sie aus dem anderen wieder heraustreten zu lassen. Nach diesem Martyrium übergab die Märtyrin ihre heilige Seele dem Herrn. Die Piraten erdachten sich noch eine Gräueltat und nagelten ihren geheiligten Körper mit 20 großen Nägeln auf eine Holzplatte. So wurde sie auch später von Christen bestattet, und selbst die Nägel wurden in ihrem Grab später aufgefunden.

An diesem Ort ließen sich der heilige Raphaēl und der heilige Nikolaos nieder und verbrachten neuen Jahre in Frieden und Eintracht. Dann verstarb der Mönch Rouvim. Seinen Platz nahm ein anderer Mönch namens Stavros ein. Diese kleine Brüderschaft führte ein spirituelles Leben, das die Inselbewohner anzog. Sie besuchten den Gottesdienst im Kloster und holten sich geistlichen Rat. Doch um 1462 eroberten die Osmanen auch Lesbos. Auf der Insel entstand Aufruhr und eine Bewegung, die sich gegen die Besatzer richtete und sie mit Waffengewalt zu bekämpfen versuchte, was ihnen jedoch misslang. Viele Christen, die an dieser Bewegung teilgenommen hatten und von den Osmanen verfolgt wurden, fanden Zuflucht im Kloster. Unter ihnen waren auch der Bürgermeister Vasilios mit seiner Ehefrau Maria, seinem kleinen Sohn Raphaēl und seiner Tochter Irēnē und der gute Lehrer Theodoros. Die große Fastenzeit neigte sich dem Ende zu und die versammelten Christen empfanden mit großer Intensität das Gedenken der göttlichen Leiden. Jeder Tag, der verging, brachte sie ihrem eigenen Leiden näher. Am Gründonnerstag hielt der heilige Raphaēl zum letzten Mal den heiligen Gottesdienst ab und am Karfreitag stürmten bewaffnete türkische Soldaten wutentbrannt das heilige Kloster.
Als der selige Abt Raphaēl die Meute kommen sah, kniete er sich auf den Boden, erhob seine Hände zum Gebet und sagte diese mutigen Worte: „Euch werde ich nur meinen Leib geben, denn meine Seele gebe ich nur Gott“. Sie zerrten ihn am Bart und an seinen Haaren und schlugen gnadenlos auf ihn ein. Dann hängten sie ihn an den Füßen an einem Nussbaum auf und folterten ihn viele Stunden lang, durchbohrten ihn mit Lanzen und töteten ihn fünf Tage später, am Osterdienstag, indem sie ihm mit einer Säge den Unterkiefer zersägten. Den heiligen Nikolaos banden sie an einem Nussbaum fest und schlugen ihn ebenfalls. Doch er erlag einem Herzinfarkt, als er mit ansehen musste, wie sein geliebter geistlicher Vater Raphaēl grausamst ermordet wurde. Auch andere Mönche und der Lehrer wurden gefoltert und getötet.
Der Bürgermeister wurde dazu aufgefordert, seinen Glauben zu verleugnen und zum Islam überzutreten, um sich selbst und seine Familie zu retten. Als er sich weigerte, entriss einer der Soldaten das Kleinkind Raphaēl aus der Umarmung seiner Ehefrau Maria und trampelte es tot. Doch ihr Wahn bewegte sie dazu, sich auch an der unschuldigen zwölfjährigen Tochter der Familie, Irēnē, zu vergreifen. Ein Soldat schleifte sie an den Haaren von ihren Eltern fort. Als die tragische Mutter versuchte, sie ihm zu entreißen, hackte er mit einem Beil die eine Hand und den Fuß der Tochter ab und warf sie den erschütterten Eltern zu, mit den Worten: „Hier, nimm deine Tochter“. Die herzzerreißenden Schreie und Wehklagen der Eltern erzürnte die Folterer nur umso mehr. Sie setzten das blutüberströmte Mädchen in ein großes Tongefäß hinein und verbrannten es bei lebendigem Leibe. Die gute Mutter ertrug den Anblick des Martyriums ihrer Tochter nicht und verstarb an einem Herzstillstand. Der Bürgermeister wurde ebenfalls gefoltert, ermordet und dann in Stücke zerlegt.
Nachdem die türkischen Soldaten all diese und noch viele weitere unmenschliche Untaten vollbracht hatten, legten sie einen Brand, der auch die Klostergebäude vernichtete. Die Körper der heiligen Märtyrer ließen sie einfach liegen, an diesem Osterdienstag, dem 9 April des Jahres 1463. Am nächsten Abend wagten sich ein paar tapfere Christen auf den Hügel hinauf und bestatteten die heiligen Märtyrer.
All diese Ereignisse wurden von den Heiligen selbst mit Träumen und Visionen offenbart, die daraufhin durch die Fundstücke der Ausgrabungen bestätigt wurden. So fand man zum Beispiel am 12. Mai 1961 das Tongefäß, indem man die heilige Irēnē verbrannte; in ihm befanden sich verkohlte Überreste, die auf das Alter und das Geschlecht schließen lassen. Die Schaufel bestätigte stets die Offenbarungen der Heiligen.
Sogleich begannen die sogenannten neuerschienenen heiligen Neumärtyrer, wie man sie nennt, viele Wunder zu wirken, bis zum heutigen Tage. Unzählige Christen haben bereits ihre Heilung und den Trost bei ihnen gefunden. Vielen erscheinen sie im Traume oder als Vision im Wachen. Die vielen Weihgaben zeugen von dieser Tatsache. Im Jahre 1962 wurde das heilige Kloster des heiligen Raphaēl an der selben Stelle wie das alte Kloster gegründet. Durch göttliche Führung, wie sie selbst sagt, kam die ehrwürdige Äbtissin Eugenia Kleidara an diesen geweihten Ort, um die neue Schwesternschaft zu gründen und sie seitdem bis zum heutigen Tage mit der Hilfe Gottes zu führen. Die ehrwürdige Äbtissin vollendete mit ihrem persönlichen selbstlosen Einsatz und mithilfe der Heiligen, die ihr erschienen, Stück für Stück das Kloster. Eugenia Kleidara hat sehr viele Bücher geschrieben und veröffentlicht, die sich entweder mit dem Leben und Wirken der Neumärtyrer von Karyes, oder aber mit anderen christlich-orthodoxen Themen auseinandersetzen. Für dieses Werk ist sie mehrmals ausgezeichnet worden. Außerdem werden regelmäßig Bücher veröffentlicht, in denen die Briefe der Gläubigen mit ihren Namen und ihrer Adresse abgedruckt sind, in denen sie sich für ein Wunder bedanken wollen und die Kraft der wundertätigen Heiligen bestätigen.
Die heiligen Neumärtyrer Raphaēl, Nikolaos, Irēnē werden jährlich am Osterdienstag gefeiert, die seligen Märtyrinnen Olympia und Euphrosynē hingegen am 5/18 Mai.


Zusammenstellung u. Übersetzung: Alexia Ghika

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