Samstag, 26. April 2014

Hl. Johannes (Maximowitsch) - Predigt über die Gnade des Schächers


“Einer der gehängten Verbrecher lästerte Ihn und sagte: «Bist Du nicht der Messias? Dann hilf Dir selbst und uns!» Der andere aber wies ihn zurecht und sagte: «Hast du nicht einmal Furcht vor Gott, der du das gleiche Gericht erleidest? Wir leiden zu Recht, denn wir empfangen, was unsere Taten verdienen: Dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Und er sprach zu Jesus: «Gedenke meiner, wenn Du in Dein Reich kommst!» Er erwiderte ihm: «Wahrlich, ich sage dir, heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein!” (Luk 23,39-43)
Der Schächer in Abrahams Schoß

So berichtet der heilige Evangelist Lukas über die Bekehrung und Begnadigung des Schächers durch Christus, der neben Ihm am Kreuz auf Golgatha gehängt wurde. 
Womit hat sich der Schächer eine solche Gnade erworben? Wie bewirkte er eine so schnelle und entschiedene Antwort des Herrn? In der Hölle befanden sich noch alle alttestamentlichen Gerechten, einschließlich des Heiligen Johannes des Vorläufers. In die Hölle zu gehen bereitete sich der Herr selbst vor, natürlich nicht , um dort zu leiden, sondern um die dort Gefangenen herauszuführen. 
Noch keinem hatte der Herr bisher verkündet, ihn in das Himmelreich zu führen, selbst den Aposteln verkündete Er nur, daß Er sie in Seine Wohnungen aufnehmen werde, wenn sie bereitet sind. Weshalb erlangte der Schächer vor allen anderen die Gnade? Warum öffneten sich ihm so rasch die Tore des Paradieses? Versetzen wir uns in den Seelenzustand des Schächers und in die ihn umgebende Lage. Sein ganzes Leben verbrachte er mit Raub und Verbrechen. Aber anscheinend starb in ihm nicht das Gewissen und in der Tiefe seiner Seele blieb etwas Gutes. Die Überlieferung sagt sogar, daß er eben jener Räuber war, dem zur Zeit der Flucht Christi nach Ägypten das wunderschöne Kind leid tat, so daß er nicht zuließ, daß Es seine Genossen töteten, die zusammen mit ihm die nach Ägypten fliehende Familie überfallen hatten. Erinnerte er sich nun vielleicht, als er das Antlitz des Allerhöchsten neben sich am Kreuz betrachtete? Aber sei es so gewesen oder auch nicht, auf alle Fälle weckte der Anblick Christi des Schächers Gewissen. Er hing jetzt neben einem Gerechten “dem Schönsten und Besten aller Menschensöhne”, welcher zu diesem Zeitpunkt “ohne Ansehen und kleiner als alle Menschensöhne” war, Der weder Gestalt noch Ansehen hatte” (Jesaja). Auf Ihn schauend kam der Schächer im wahrsten Sinne des Wortes wie aus einem Tiefschlaf wieder zur Besinnung. Er erkannte deutlich den Unterschied zwischen Ihm und sich selbst . Dieser ist zweifellos ein Gerechter, der sogar Seinen Folterern verzeiht und für sie zu Gott betet, Welchen Er als Seinen Vater bezeichnet. Und er, ein mehrfacher Mörder, der das Blut vieler Menschen vergossen hat, die ihm nichts Böses getan hatten. Indem er auf Den am Kreuz Hängenden blickte, erkannte er tatsächlich im Spiegel seinen sittlichen Fall. Alles Bessere, das sich in ihm verbarg, erwachte und suchte einen Ausweg. Er erkannte seine Sünden und verstand, daß ihn nur seine eigene Schuld zu seinem traurigen Ende geführt hatte und er niemand anderen sonst beschuldigen konnte. Deshalb wich die haßerfüllte Haltung gegen die Vollstrecker der Strafe, von der der Schächer auf der anderen Seite von Christus durchdrungen war (Matth. 27,44), zu Gunsten der Empfindung von Demut und Zerknirschung. Er empfand Furcht vor dem ihm nahenden Gericht Gottes. Ekelhaft und schrecklich wurden für ihn seine Sünden. In der Seele war er bereits kein Schächer mehr. In ihm erwachten Menschenliebe und Barmherzigkeit. Mit dem Schrecken über das Los seiner Seele verband sich die Abwendung von der gleichzeitigen Beschimpfung des unschuldig Leidenden. Zweifellos hatte er schon früher von dem großen Lehrer und Wundertäter aus Nazareth gehört. Der aus Judäa und Galiläa Stammende war das Thema vieler Gespräche und Unterhaltungen im ganzen Land. Früher ging das, was er über Ihn hörte an seiner Aufmerksamkeit vorüber. Nun, da er sich plötzlich mit Ihm zusammen in der gleichen Situation befand, begann er Seine sittliche Größe zu erkennen. 
Die Güte, das Allverzeihen und das Gebet Christi machten den Schächer betroffen. Er erkannte mit dem Herzen, daß neben ihm kein gewöhnlicher Mensch war. Sich in solcher Weise an Gott zu wenden, wie an Seinen Vater, konnte in der Stunde des Todes nur Derjenige, welcher sich wahrhaftig als der Sohn Gottes wußte. Unerschüttert in Seiner Lehre von der Liebe und dem Allverzeihen alle gemeinen, menschlichen Verleumdungen und Bosheiten von denjenigen ertragen, denen er Gutes getan hatte, konnte nur Derjenige, welcher in enger Verbindung mit der Quelle der Liebe oder Dieselbe Selbst war. Der Schächer erinnerte sich an alles, was er an Ungewöhnlichem über den nun mit ihm Gekreuzigten gehört hatte, und das warme Gefühl von Glauben wurde in seinem Herzen geboren. Ja, ohne Zweifel war dieser der Sohn Gottes, Der von der Welt nicht angenommen in den Himmel zurückkehrte, der Sohn Gottes, Der den Menschen verzeihen konnte! In ihm erwachte die Hoffnung, daß er der Verurteilung durch das Gericht nach dem Tode entgehen werde. Wenn Jesus Seinen Vater für Seine Kreuziger bittet, wird Er auch den mit Ihm Gekreuzigten nicht verstoßen. An Ihn muß man sich wenden, damit Er, der jetzt mit ihm dasselbe Los des bitteren Leidens teilt, ihn auch in Seine Seligkeit aufnimmt. 
In der Tat trifft die Hinwendung zu Jesus mit Worten der Liebe und der Anteilnahme auf die Spötter der Menge im Umkreis, die Ihn verteufeln und beschimpfen. Ihn als Gerechten und Sohn Gottes anzunehmen bedeutet, die Aufmerksamkeit und den Zorn der Ältesten von Judäa auf sich zu lenken. 
Obwohl sie ihm nicht mehr körperliche Qualen aufbürden können als er schon erduldet, wie schwer ist es doch, um sich herum nur Bosheit zu fühlen, wie schwer wird für ihn das Leiden, wenn eine lärmende feiernde Menge auch auf ihn zu spotten beginnt! Aber was bedeutet für ihn nun noch der Zorn der Welt, was die spottenden Leute? So schwer es für den verstoßenen Menschen an der Schwelle des Todes ist, wieviel schwerer ist es für den verstoßenen Gott? Er geht zum Gericht Gottes, und hat nur nötig, Gott zu fürchten. Im letzten Augenblick des Lebens muß man alles tun, was noch möglich ist, um die Seligkeit Gottes zu erwerben! Einfach mit seinen Worten wollte er das Leiden Christi ein wenig erleichtern, damit auf diese Weise wenigstens einer der Spötter in sich geht und aufhört, Ihn schlecht zu machen (zu schmähen*). Christus verkündete, daß für einen in Seinem Namen gereichten Becher Wassers vergolten wird, Er läßt für das Mitleid des Schächers auch diesen nicht ohne Belohnung. Die Schmähungen, die über Christus niedergehen, schmähen zusammen mit Ihm auch ihn! Dies verbindet ihn noch stärker mit Christus! Mit Christus teilt er das Schicksal und Christus vergißt ihn nicht in Seiner Herrlichkeit!
Und da begann er mitten unter dem lauten Lärm der Spötter, Schmäher und Beschimpfer seinen Mitgenossen, der an der linken Seite Christi hing, zu ermahnen, die Lästerung einzustellen. “Fürchtest du etwa Gott nicht, der du in ein und demselben Gericht bist? Und wir nämlich zu Recht: Würdig unseren Werken empfangen wir. Dieser aber hat nicht ein einziges Böses getan. “ Und darauf hörte man von seinen Lippen die demütige Stimme: “Gedenke meiner, Herr, wenn Du in Dein Reich kommst.” Dies war die Stimme des ehemaligen Schächers und jetzt neuen Menschen in Christo, der in dem Augenblick von Christus überzeugt war, als die früheren Jünger Ihn verließen. “Der Schächer lobte Gott, ich aber habe mich abgewendet” (Ton 5), wehklagte später mit Gram der hl. Apostel Petrus. Zu diesem Zeitpunkt zweifelten auch alle anderen Apostel am Herrn. Sogar der hl. Johannes der Theologe, der nicht aufhörte, seinem Lehrer zu folgen und am Kreuz auf Golgatha stand, hatte, obwohl er fortfuhr an seinen geliebten Jesus zu glauben, dort keinen vollkommenen Glauben in die Göttlichkeit seines Lehrers mehr. Erst nach der Auferstehung, als er in das leere Grab hineinging, in welchem die Tücher und das Schweißtuch für den Kopf lagen, die den toten Körper Christi umhüllt hatten, “sah er und glaubte”, daß Christus wahrhaftig auferstanden ist und der Sohn Gottes ist. Die Apostel wurden in ihrem Glauben an Jesus, den Messias, erschüttert, weil sie in Ihm einen irdischen König erwarteteten und ein Königreich, in welchem sie “rechts und links” vom Herrn sitzen konnten. 

Der Schächer verstand, daß das Reich des Erniedrigten und einem schändlichen Tod ausgelieferten Jesus aus Nazareth “nicht von dieser Welt” ist. Und gerade dieses Reich suchte jetzt der Schächer, vor dem sich die Tore des irdischen Lebens schlossen, während sich die Tore der Ewigkeit öffneten. Die Dinge des irdischen Lebens waren für ihn abgeschlossen. Er dachte jetzt an das ewige Leben. Und an der Schwelle zur Ewigkeit wurde ihm die Nutzlosigkeit irdischen Ruhms und irdischer Herrschaft klar. Er erkannte, daß wahre Größe in der Gerechtigkeit liegt, und im gerechten, unschuldig gequälten Jesus erkannte er den König der Wahrheit. Er erbat von Ihm nicht Ruhm im irdischen Reich, sondern die Errettung seiner Seele. Der Glaube des Schächers, der aus der Niederwerfung vor der sittlichen Größe Christi geboren wurde, erwies sich stärker als der Glaube der Apostel. Obwohl sie begeistert waren von der erhabenen Lehre Christi, glaubten sie noch mehr wegen der von Ihm ausgehenden Wunder und Zeichen an Ihn. Jetzt vollzog sich keine wunderbare Befreiung Christi von Seinen Feinden, - und der Glaube der Apostel wurde erschüttert. Aber das Offenbarwerden der Geduld, des Allverzeihens und des Glaubens durch Christus in Seiner ununterbrochenen Verbundenheit mit dem Vater im Himmel drückte so klar die Gerechtigkeit Jesu aus, Seine sittliche Größe, daß, wenn man deretwegen an Christus glaubte, gerade der nicht erschüttert werden konnte, der die seelische und sittliche Auferstehung suchte. Aber gerade danach dürstete der Schächer, der sich seines tiefen Falles bewußt war. Er bat Christus nicht darum “rechts oder links von Ihm” in Seinem Reich zu sein, sondern im Bewußtsein seiner Unwürdigkeit bat er Ihn mit Demut nur “seiner in Seinem Reich zu gedenken”, wenn Er ihm auch den letzten Platz gäbe. Er bekannte öffentlich den gekreuzigten Christus als Herrn und erbat von Ihm Erbarmen. 
Der demütige Glaube an Christus machte ihn zu einem Bekenner. Seinem Schicksal nach war er sogar ein Märtyrer, denn er fürchtete sich nicht, den von allen Verstoßenen “König der Juden”, als seinen Herrn zu bezeichnen, auf Welchen sich der Haß des zahllosen Volkes konzentriert hatte, das sich in diesen Tagen von allen Enden der Welt zum Passafest in Jerusalem versammelt hatte und zusammen mit seinen Ältesten und Priestern Christus beschimpfte. Er wäre sicher nicht davor zurückgeschreckt, auch für Christus zu leiden. 
Die so große Buße des Schächers gebar Demut und zusammen mit ihr erschien ein im Folgenden sich als so fest erweisender Glaube, welchen zu diesem Zeitpunkt auch die engsten Jünger nicht besaßen. Der überzeugt glaubende Schächer eröffnete jenen schmalen Pfad, zu dem damals keiner der Apostel fähig war. “Jeder der Mich vor den Menschen bekennt, den werde Ich auch vor Meinem Vater in den Himmeln bekennen.”, sagte der Herr Jesus Christus (Mt 10,32).

Der Schächer bekannte Christus, er bekannte Ihn vor dem vielzähligen Volk, das Ihn verspottete, als keiner es wagte, dies zu tun und sogar die noch an Ihn glaubenden Jünger und Frauen nur mit bitteren Tränen Zeugnis von ihrer Liebe zu Ihm gaben. Der Schächer tat das, was einstmals die drei Jünglinge in Babylon getan hatten, als sie sich weigerten, vor dem goldenen Götzenbild niederzufallen, welches Nebukadnezar auf dem Felde Deire aufgestellt hatte, vor dem sich “alle Völker, Stämme und Sprachen” (Dan 3,7) niederwarfen. Der Schächer glaubte fest an den Herrn, den Wachenden “und bekannte den sich hingebenden Gott”, vor allen erkannte er Ihn und erfuhr die Kraft der Auferstehung und die Teilnahme an Seinen Leiden und erlitt körperlich Seinen Tod mit (Phil 3,10). Vor allen anderen verstand er, worin das “Reich, das nicht von dieser Welt ist” besteht, und er erkannte “was Wahrheit” ist (Joh 18,36-38). Er verstand als erster, was das Reich Gottes ist, deshalb kam er als erster hinein. Er erkannte als erster “Jesus Christus und Seine Kreuzigung” (1. Kor 2,2), als erster bekannte er Christus den Gekreuzigten, den Juden ein Ärgernis, den Griechen eine Torheit, den Berufenen selbst aber, Juden wie Griechen, Christus als Gottes Kraft und Weisheit (1. Kor. 1,23-24). Deshalb erfährt er auch als erster an sich die Kraft und die Weisheit Gottes, die Kraft der mitleidenden und auferstehenden Liebe Christi, als erster “vernahm er die kraftvolle Stimme des Kreuzes, duch die das Paradies sich öffnet.” (4. Lied des Auferstehungskanons). 
Die rückhaltlose Reue über seine Sünden und Verbrechen, tiefe Demut, fester Glaube in die freiwillige Überlieferung des Herrn in den Tod durch das Kreuz und sein Bekenntnis zu einem Zeitpunkt, als die ganze Welt gegen ihn war, - dies ist der Stoff, woraus der Kranz geflochten wurde, den das Haupt des ehemaligen Schächers krönte wie einen Bekenner und wie einen Asketen. Dies ist es, woraus der Schlüssel geschnitten wurde, der ihm die Türen zum Paradies öffnete! 
Viele sündigen und hoffen auf die Buße vor dem Tod und zeigen auf das Beispiel des guten Schächers. Aber ist einer fähig zu einer ihm gleichen Askese? “Der Herr erbarmte sich des Schächers in der letzten Stunde, damit niemand verzweifelt. Aber nur einem erbarmte er sich, damit niemand übermäßig auf Seine Barmherzigkeit hofft.” (Sel. Augustinus). 
“Ein solches war sein Ende! Was für eines wird unseres sein - wir wissen nicht, welchen Todes wir sterben werden, wir wissen nicht, ob er unvorhergesehen kommt oder mit irgendeiner Vorankündigung?” (Hl. Theodor Studites, “Eine Unterweisung aus Anlaß des unvorhergesehenen Todes eines Bruders”). Können wir denn dann in einem Augenblick sittlich wieder auferstehen und seelisch aufgerichtet werden, wie der “Gefährte Christi”, “die kleine Stimme, die aushaucht und großen Glauben findet”? Gefällt uns nicht in Wahrheit viel mehr ein plötzlicher Tod, so daß wir in Bezug auf die Hoffnung auf die Buße vor dem Tod als Lügner dastehen?” (Rede des Hl. Kyrill von Alexandria, “Über das lezte Gericht”, die im großen Stundenbuch abgedruckt ist). Deshalb: “Sünder, schiebe die Buße für die Sünden nicht auf, so daß sie mit dir in das andere Leben übergehen und dich überladen mit übermäßiger Last.” (Sel. Augustinus, “Iliotropoin”; Hl. Johannes von Tobolsk, Buch 4, Kap. 5). 

Das Beispiel vom guten Schächer soll uns aufmuntern, die Buße nicht zu verschieben, sondern “sich mit Christus kreuzigen zu lassen” (Gal. 2,19) und von Herzen Buße zu tun, damit auch wir an uns “die Gnade des Mitleidens” erfahren (Gebet Simeons des Neuen Thologen). 
“Das Fleisch gekreuzigt samt den Leidenschaften und Wollüsten “ (Gal 5,25), werden wir hungrig nach der schnelleren, völligen inneren Erneuerung, indem wir uns ganz und gar dem Willen Gottes übergeben und Christus um Gnade und um Trost bitten. “Die Buße des Schächers gib auch uns, einzig Menschenliebender, dienend glaube ich, Christus unser Gott, Dir singend: Gedenke auch unser in Deinem Reich” (Selige Auferstehung 4. Ton). 


Der gute Schächer wurde in einer Stunde des Paradieses gewürdigt, Herr, erleuchte auch mich durch das hölzerne Kreuz und errette mich.
Amen.

http://www.orthodoxie-in-deutschland.de/

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