Die
Heimat der heiligen Theodora, deren Name übersetzt „Gottesgeschenk“
bedeutet, war die Insel Ägina. Ihr Vater war ein Kleriker von großer
Tugend. Sein Name war Antonios. Ihre Mutter trug den Namen
Chrysanthi. Auch sie war eine gläubige orthodoxe Christin und voll
guten Willens. Sie lebte nur noch wenige Jahre nach der Geburt ihres
letzten von drei Kindern, ihrer geliebten Tochter Theodora. Dann
entschlief sie friedlich, und Antonios wurde Mönch, denn das war
schon längst sein heimlicher Wunsch gewesen.
Theodora
blieb Halbwaise und allein. Deswegen wurde sie von ihrer Taufpatin
großgezogen, die ebenfalls sehr gottesgläubig war und sie nach den
Geboten des Herrn mit großer Sorgfalt erzog. Sie sprach zu ihr oft
mit Worten, die der Seele von Nutzen sind und führte sie in die
Heiligen Schriften und das Beten ein. Die Schönheit, Weisheit und
Tugend der jungen Tochter war bemerkenswert. Bereits im Alter von
sieben Jahren besaß sie Selbstdisziplin, Gehorsam und
Bescheidenheit, aber auch Wissen um die göttlichen Dinge, dass
eigentlich nur den besonnenen Erwachsenen eigen war. Viele Familien
hielten bei ihrer Familie um ihre Hand an, wie es damals üblich war.
Die Mädchen wurden meist in jungen Jahren versprochen und die Eltern
des zukünftigen Brautpaares unterschrieben ein Abkommen, welches die
Ehe und die Höhe und Art der Mitgift regelte. So geschah es auch mit
Theodora. Ihr Vater, der um ihre Zukunft besorgt war, versprach sie
dem edelsten und verheißungsvollsten Burschen der Insel.
Flucht
nach Thessaloniki
Zu
dieser Zeit suchten die Insel oftmals türkische Seeräuber heim, die
viele Bewohner während ihrer Streifzüge gefangen nahmen oder
ermordeten. Unter ihren Opfern war auch einer der Brüder der
heiligen, der als Diakon diente. Sie hatte noch eine ältere
Schwester, die bereits in sehr frühen Jahren zur Nonne wurde, und
deren Name Agapi war. Aus Angst vor den Seeräubern, die ihnen
bereits großen Schaden zugefügt hatten, entschied der Verlobte von
Theodora, dass sie Ägina verlassen mussten. Sie zogen nach
Thessaloniki. Antonios zog sich indes an einen einsamen Ort zurück,
wo er asketisch lebte und gottgefällig sein Ende entgegennahm.
Eheschließung
und Kindersegen
In
Thessaloniki hausten sie an einem friedvollen und sicheren Ort, der
ihnen sehr gefiel, wie Geschwister. Als Theodora das heiratsfähige
Alter erreichte, schlossen sie den heiligen Bund der Ehe miteinander.
Bald darauf erhielten sie den Kindersegen, indem Theodora erst eine
Tochter, später noch zwei weitere Kinder auf die Welt brachte. Doch
die zwei letzten verstarben als sie noch sehr klein waren. Dieser Tod
ihrer Kinder tauchte den Ehegatten in tiefe Trauer. Doch Theodora
tröstete ihn und riet ihm, nicht übermäßig betrübt zu sein,
sondern stattdessen ein Seelen nützliches Werk zu vollbringen. Sie
sprach zu ihm: „Ich bitte dich hiermit darum, mein geliebter
Gemahl, dass du mir einen Gefallen tust. Du weißt, dass die
Gläubigen seit Menschengedenken Gott dem Herrn Opfer darbringen, um
Seinen Beistand zu erhalten. Lass uns unsere Tochter Gott widmen, so
dass sie für uns beten kann, und Gott uns dieses guten Vorsatzes
wegen noch weitere Kinder und das Himmlische Königreich schenkt“.
Ihr Ehemann war einverstanden mit diesem guten Gedanken und sagte zu
ihr: „Das ist ein guter Gedanke, lass es uns so tun, wie Gott dich
erleuchtet hat“.
Sie
brachten ihre Tochter, die damals sechs Jahre alt war, zu einem
Kloster, welches dem heiligen Lukas gewidmet war. Die Äbtissin des
Klosters hieß Ekaterini. Sie war die Schwester des Bekenners und
heiligen Erzbischofs Antonios von Thessaloniki1
und stammte ebenfalls wie sie aus Ägina. Die Äbtissin nahm
sich dem Mädchen mit Liebe an und bete eifrig für sie. Später
wurde sie zur Nonne geschoren und erhielt den Namen Theopisti,
der übersetzt „Gottesglauben oder Gottestreue“ bedeutet. Die
Eltern priesen den Herrn und dankten Ihm dafür, dass ihre Tochter
die Ehre zuteil geworden war, sich unter den seligen Nonnen zählen
zu dürfen.
Verlassen
der Welt
Doch
sie bekamen keine weiteren Kinder, denn der Ehemann entschlief bald.
Theodora blieb aus göttlicher Vorsehung in jungen Jahren Witwe und
frei von allen irdischen Bindungen, um nunmehr selbst dem Weg der
vollkommenen Hingabe zu beschreiten, wie sie es sich seit ihrer
Jugend begehrt hatte.
Nachdem
sie das Totengedenken nach drei und neun Tagen in der Kirche
vollzogen hatte, wie es die Paradosis zur Hilfe für die verstorbenen
Seelen vorgibt, verließ sie alles Weltliche, den Reichtum und die
Vergnügungen. Sie war damals fünfundzwanzig Jahre alt. Alle ihre
Habseligkeiten und das vermögen verteilte sie an die Notleidenden
und behielt nur hundert Goldmünzen, um diese später für einen
anderen Zweck zu verwenden. Für die Leibe Gottes verachtete sie
nunmehr alles Irdische. Sie ging in ein Kloster, in dem eine ihrer
Anverwandten namens Anna als Äbtissin diente. Doch die
ehrwürdige Anna hegte zweifel wegen ihres jungen, noch
heiratsfähigen Alters. Da fiel ihr Theodora zu Füßen und flehte:
„Habe erbarmen mit mir, meine Herrin, nehme auch mich auf, mich
Unwürdige und Unsittliche“. Die weise Äbtissin, die in der
Vergangenheit viel Leid erfahren hatte und von den Ikonoklasten
übelst verfolgt worden war, gab ihr zur Antwort: „Ich nehme dich
als meine Anverwandte im Kloster auf, doch du wirst nicht sofort zur
Nonne geschert werden, damit dich nicht der niederträchtige Teufel
in Versuchung führt, wenn die Trauer um dein Verwitwen geschwächt
wird und du erkennst, dass du noch sehr jung bist“. Dann sprach
Theodora, die sie wie dürstendes Reh in ihre Augen sah, zu ihr: „Ich
bitte dich im Namen Christi, meines geliebten Bräutigams, dass du
dich meiner annimmst und mich heute noch zur Nonne scherst, denn
sonst wirst du furchtbare Erklärungen ablegen müssen am Tage des
Jüngsten Gerichts“.
Anna
erkannte das große Begehren und die innige Liebe der jungen Frau für
Jesus Christus und konnte ihr deswegen kein Hindernis mehr sein.
Nachdem sie sie über die Pflichten und Aufgaben des Lebenswandels
der Nonnen aufgeklärt hatte, ermunterte sie sie zu hohen geistlichen
Wettkämpfen mit den Worten: „Siehe, mein Kind, und überlege dir
gut, Wem du dich anschließt, so dass du dich später nicht wieder
dem Vergänglichen der Welt zuwendest, und nicht die fleischlichen
Gelüste oder andere trügerischen Dinge deinem Gott vorziehst, weil
du andernfalls deine Seele einen schweren Sünde übergeben würdest.
Wen du jedoch die Reinheit des S'chima hütest, wirst du in deiner
Seele Freude erfahren, weil dich großer Lohn im Paradies erwartet“.
Dies und noch vieles mehr sprach sie fürsorglich zu ihr und legte
daraufhin die Schere auf das heilige Evangelium, das der Priester
aufnahm und ihr das Haar abschnitt. Sie behielt jedoch den Namen
Theodora.
Die
Belehrungen der Äbtissin Anna, Leben in Askese
Die
Äbtissin bestärkte sie anfangs täglich im Glauben und mahnte sie
zu äußerster Wachsamkeit, weil Theodora sehr schön war und sie
Angst davor hatte, dass der Teufel sie in Versuchungen führte und
mit Hinterlist in seine Fallen tappen lassen würde. Doch Theodora
entwickelte sich prächtig, folgte dem strengen Fastenprogramm ohne
Mühe. Manchmal blieb sie eine ganze Woche ohne Nahrung, selbst ohne
Wasser. Die Äbtissin liebte sie sehr wegen ihrer vorbildlichen Demut
und den Eifer, den sie in der Erfüllung ihrer Aufgaben aufzeigte.
Mit großer Genauigkeit legte sie vor ihrem geistlichen Vater die
heilige Beichte ab, und ließ nicht den kleinsten falschen Gedanken
ungebeichtet.
Wenn
der Dämon sie mit unreinen Gedanken bekriegte, zerstreute sie diese
mit dem Gebet und der Beichte. Vor ihren geistlichen Augen hatte sie
immer die Strafe der ewigen Hölle. Sie demütigte sich inerlich und
äußerlich, nannte sich selbst vor der ganzen Schwesternschaft
unnütze Dienerin, verrichtete ohne Klage auch die niedrigsten
Arbeiten des Klosters. Sie bereitete den Brotteig vor, beförderte
Wasser, Holz und Nahrungsmittel auf ihren zarten Schultern, nicht nur
innerhalb der Klostermauern, aber auch auf dem Markt, wenn es
notwendig war. Die abfälligen Bemerkungen und Blicke der Menschen
störten sie nicht, sondern halfen ihr vielmehr, sich noch mehr zu
demütigen und die Leiter der Tugend noch schneller hinaufzusteigen.
Wenn sie auf dem Markt auf jemanden traf, den sie von früher und der
sie an ihre Herkunft und ihren edlen Stand erinnerte, dann tat sie
so, als wenn sie taub und stumm war. Auf diese Weise ächtete sie den
menschlichen Ruhm und tötete das Verlangen des Fleisches.
Außerdem
gehörte die Pflege des Kirchenraumes zu ihren Aufgaben. Um diese
kümmerte sie sich zu jeder freien Stunde, Tag wie Nacht. Und alle
Gebote des Herrn bewahrte sie mit großer Sorgfalt, wie der
fruchtbare Baum, der dem gerechten David gemäß neben die
Wasserquellen gepflanzt worden war.
Die
Schwäche für ihre Tochter
Der
neidvolle Teufel sah den Fortschritt ihrer Seele und stellte ihr
jeden Tag zahlreiche Fallen, um ihre Bereitwilligkeit zu schmälern.
Weil er sie jedoch auf diese Art nicht beeinflussen konnte,
ermunterte er sie ständig mit Gedanken dazu, sich um ihre Tochter
Theopisti zu kümmern. Denn auch Theopisti war nach der Entschlafung
der Äbtissin Ekaterini zum Kloster gekommen, in dem ihre Mutter
lebte. Theodora nahm sie zu sich in ihre Zelle und sorgte sich auch
als Mutter um sie. Und obwohl Theodora niemals komfortabel leben
wollte, sondern sich jeder Mühe hingab, fing sie an, wegen ihrer
Tochter betrübt zu sein. Dies war ein Werk des Menschenfeindes. Zu
der Äbtissin sagte sie eines Tages: „Ich kann es nicht ertragen,
meine Herrin, wenn ich sehe, dass meine Tochter sich mit alten,
zerschlissenen Gewändern bedeckt und nur sehr wenig Nahrung zu sich
nimmt. Schicke sie bitte in ein anderes Kloster, damit ich sie nicht
weiterhin sehen muss und bei ihrem Anblick solch Schmerzen empfinde,
denn ich bin ihre Mutter und ich liebe sie als mein Kind, wie es nur
natürlich ist“.
Die
selige Anna erkannte aus ihrer Erfahrung heraus, dass es sich um eine
Falle des Bösen handelte und sprach zu ihr: „Unser Gebieter gab
uns das Gebot, uns nicht um die Kleidung und die Nahrung zu sorgen,
nach denen die Heiden verlangen, sondern für Ihn arbeiten und Ihn
lieben mit ganzer Seele und ganzem Herzen. Wir sollen das Gewand der
Tugend tragen, für das wir uns nicht zu schämen brauchen, Seine
göttlichen Gebote einhalten und uns nicht unnötig um unsere Körper
kümmern. Aus diesem Grunde haben wir das S'chima der Nonnen
angelegt. Wenn du dir gewünscht hattest, dass deine Tochter wohl
isst und noch besser trinkt, dass sie weiche Kleidung trägt, dann
hättest du sie besser jemandem zur Frau gegeben. Du bist dem trug
des Dämons erlegen, meine Schwester. Erhöhe deinen Geist von dem
Irdischen und erkenne, dass deine Rüstung eine Rüstung der Trauer
ist. Dafür tragen wir Schwarzes und Zerschlissenes, für unseren
Christus dem Herrn, dem es gebührt, um Seiner Willen Trauer und
Zerknirschung zu erfahren, wie wir es versprochen haben, vor dem
heiligen Altar, in Anwesenheit der heiligen Engel. Wenn wir dem nicht
gerecht werden, werden wir als Übertreter verurteilt werden und in
das ewige Feuer eingehen. Wenn wir aber die Mühen erdulden, diese
kurze Zeit unseres irdischen Lebens, werden wir das ewige Königreich
Gottes erben und in unsagbarer Glücksseligkeit unseren Gebieter
Christus und die Heiligen im Paradies begegnen. Gehe nun, und habe
Frieden, behindere nicht deine Tochter Theopisti und lasse sie das
Gute für ihr Seelenheil tun, wenn du sie wahrhaftig liebst.“
Weil
Theodora der Versuchung sehr erlegen war, befolgte sie die weisen
Worte ihrer geistlichen Mutter nicht sofort, sondern sorgte sich
weiterhin um das leibliche Wohl ihrer Tochter, anstatt sie in ihrem
geistlichen Kampf zu bestärken und als Schwester im Herrn anzusehen.
Dann beschloss Anna, härter durchzugreifen, um ihre Seelen zu
retten. Sie gab ihnen die Regel auf, im Namen des Vaters, des Sohnes
und des Heiligen Geistes, von dieser Stunde an kein Wort mehr
miteinander zu wechseln. Als Mutter und Tochter diese unerwartete und
schwerwiegende Bestrafung vernahmen, erschraken sie. Doch sie
verbeugten sich vor der Äbtissin und taten wie sie es verfügt
hatte, weil sie beide die Gabe des Gehorsams besaßen. Von dieser
Stunde an – welch eine Heldenleistung – sprachen sie tatsächlich
nicht mehr miteinander, nicht ein einziges Wort, fünfzehn ganze
Jahre lang! Und das vollbrachten sie, obwohl sie weiterhin in
derselben Zelle lebten, denselben Tisch und oft auch den selben
Arbeitsplatz, z.B. in der Küche, teilen mussten.
Nach
diesen fünfzehn Jahren, de ihrer Seele großen Nutzen beschert
hatten, erkrankte die selige Theodora schwer. Da baten die Schwestern
die Äbtissin Anna darum, dass sie diese Regel aufheben sollte, weil
sie ihren Tod befürchteten. Anna belehrte Mutter und Tochter ein
letztes Mal und riet ihnen, keinerlei verwandtschaftliche Liebe mehr
zueinander zu haben, sondern allein diese leidenschaftslose Liebe
zueinander zu empfinden, die sie auch mit den übrigen Schwester
verband. Dann vergab sie ihnen und ließ sie fortan wieder
miteinander reden. Doch dies alles hatte sie nicht aus übermäßiger
Strenge getan, sondern nur aus Sorge um ihr Seelenheil.
Theodora
besiegte in all diesen Jahren im Koinovion die Gefallsucht und den
dämonischen Hochmut und auch alle übrigen Leidenschaften, mithilfe
des Heiligen Geistes, Welcher sie leitete und beschützte. Sie war,
den Worten des heiligen Paulus gemäß, für die Welt gestorben, weil
sie allein für Christus lebte.
Die
Wettkämpfe der Heiligen
Einmal
war der Winter bitterlich kalt, so kalt war es, dass auch das Wasser
gefror. Die Äbtissin gab ihren Segen dazu, dass die Schwestern jede
in ihrer eigenen Zelle das Essen zu sich nahm, weil der Speisesaal
nicht zureichend beheizt wurde. Eines Tages ergoss sich ein voller
Krug auf die Stelle, auf der Theodora ihre Strohmatte und das
Tierfell legte, die sie für ihren Schlaf benutzte. Damit die
Feuchtigkeit ihrem Körper keinen Schaden zufügen konnte, verlegte
Theodora ihren Schlafplatz, wie es nur natürlich war. Aber die
Äbtissin hatte die Anordnung gegeben, dass keine der Schwestern
etwas ohne ihren Segen tun sollte, wie es in den Klöstern üblich
ist. Und weil sie von dem Vorfall in der Zelle der Heiligen erfuhr
und um ihre große Tugend wusste, wollte Anna durch sie alle
Schwestern belehren und ihr zu einem Siegeskranz verhelfen. Sie rief
nach Theodora und sprach zu ihr: „Weil du, um deinen Körper zu
schonen, deine Seele Schaden zugefügt hast, gebe ich dir die
Anweisung, dass du heute die ganze Nacht draußen auf dem Hof
verbringst, damit sich der Herr deiner erbarmt.“
Die
untadelige Braut Christi zögerte überhaupt nicht, sondern verbeugte
sich vor ihrer Äbtissin und begab sich auf den Hof. Dort war es
nicht nur bitterkalt, es regnete auch noch in Strömen, und weil das
Wasser bereits hoch stand und nicht abfließen konnte, hatte sie
keinen Platz zum liegen oder zum sitzen. Sie stand aufrecht im Regen
und in der Kälte und erhob ihre Seele im Gebet zu Gott hinauf.
Geduldig und heldenmütig ertrug sie diese Qual, auch später in der
Nacht, als zusätzlich auch Hagel fiel. Gegen Mitternacht hörte der
Regen und der Hagel auf, doch es wehte ein eiskalter Wind und ihre
Kleidung war von Wasser durchtränkt. Auch das ertrug sie sanftmütig.
Als
sich die Schwestern zum Morgengebet in der Kirche versammelten,
belehrte sie die Äbtissin Anna und lobte Theodora, die sie mit den
heiligen vierzig Märtyrinnen verglich. Dann rief sie auch Theodora
in die Kirche. Sie war von Schnee bedeckt, und strahlte einen
wundersamen Glanz aus. Sie verbeugte sich demütig vor ihrer
geistlichen Mutter, ohne ein Wort der Klage und bat um Vergebung. Als
sie die Schwestern fragten, wie es ihr in der Nacht ergangen war,
sagte sie: „Ich habe mit reinem Glauben meine Bestrafung
akzeptiert. Deswegen spürte weder den Regen, noch war ich betrübt.
Vielmehr freute ich mich und fühlte mich wie unter einem wohltuenden
Bad.“ In dieser Nacht hatte indes die leibliche Schwester der
Äbtissin, die ebenfalls im Kloster als Nonne lebte und große
Tugenden besaß, etwas sonderbares beobachtet. Sie hatte einen Kranz
gesehen, dessen Schönheit und Glanz sie nicht zu beschreiben
vermochte, der vom Himmel hinabkam. Dazu hörte sie eine Stimme, die
sprach: „Dieser Kranz gehört Theodora“. Doch Anna behielt dieses
Wunder für sich, um die heilige Theodora vor dem Hochmut zu
beschützen.
Ihre
Weigerung Äbtissin zu sein
Als
der glückselige Ioannis, der damals Archimandrit war, von diesem
Vorfall erfuhr befand er uns für richtiger, sie in ein anderes
Kloster zu bringen und sie dort als Äbtissin einzusetzen. Doch die
Demütigte wollte ihre Einwilligung zu solch einem ehrwürdigen
Dienst nicht geben. Als dennoch Männer des Archimandriten ins
Kloster kamen, um sie abzuholen, lief sie weinend zur seligen Anna.
Zu den Männern sprach sie: „Lasst mich in Frieden, der Liebe
Christi wegen. Denn es ist mir unmöglich, die Versprechungen, die
ich einst so zahlreich meinem Gebieter Christus entgegengebracht
habe, nun zu verachten, das Kloster, indem ich zur Nonne geschert
worden bin, zu verlassen, und mich dem Schutz anderer Seelen
anzunehmen. Ich bin immer noch beschmutzt von dem Morast der Welt,
nicht einmal meine eigene Seele bin ich imstande zu retten. Gehet nun
fort und sagt dem Archimandriten, dass ich niemals meine Meinung
ändern werde, auch wenn er mich tausend Qualen aussetzt. Ich werde
hier verbleiben und den Schwestern dienen, bis zu meinem letzten
Atemzug“. Als dem Archimandriten all dies berichtet wurde, lobpries
er den Herrn, dass er seiner Magd soviel Demut geschenkt hatte.
Theopisti
wird zur Äbtissin ernannt
Als
Theodora das 56e Lebensjahr erreicht hatte, wählten der Erzbischof
Theodoros und die Archimandriten Ilarion und Dorotheos, im
Einvernehmen mit der seligen Anna, die nunmehr als Altersschwäche
weder gut hören noch gut sehen konnte, die Tochter der Heiligen,
Theopisti, zur neuen Äbtissin des Klosters. Obwohl Theopisti ihre
Tochter war, wurde sie nun zu ihrer geistlichen Mutter.
Theodora
bemühte sich jetzt noch mehr darum, der Äbtissin vollkommenen
Gehorsam entgegenzubringen, denn sie war gottliebend. Eines Tages
fiel die selige Anna sehr unglücklich und verletze sich schwer. Sie
brach sich den Oberschenkel und musste ganze vier Jahre im Bett
verbringen. Leider wurde auch ihr Verstand zunehmend getrübt.
Theodora diente ihr in dieser Zeit aufopferungsvoll und auch als sie
wieder gehen konnte, kümmerte sie sich noch weitere drei Jahre um
ihre Kost, das Waschen ihrer Kleidung und allen anderen Nöten, die
ein älterer Mensch aufweist, wenn er sich nicht mehr selbst
versorgen kann. Oft geschah es, dass die arme Anna Theodora
beschimpfte und schlug, weil sie nicht wusste, was sie tat.
Anna
entschlief, als sie volle 120 Jahre alt war, während Theodora zu
jener Zeit bereits 68 Jahre alt war. Die selige Theodora lebte trotz
ihres fortgeschrittenen Alters immer noch ein engelsgleiches Leben
und übte sich besonders im Gehorsam und der gottseligen Tugend der
Demut.
Das
selige Ende der Heiligen
Es
war im Monat August, als die heilige Theodora erkrankte und bereits
fünf Tage im Bett verbracht hatte. Sie wusste, dass der nächste Tag
ihr letzter sein würde. Sie ängstigte sich überhaupt nicht vor der
Trennung ihrer Seele von ihrem Körper, wie es fast alle tun würden
in solch einer Stunde. Denn ihre Liebe für ihren himmlischen
Bräutigam war aufrichtig und herzlich. Sie war guten Mutes, weil sie
Ihm endlich begegnen würde. Als die Sonne aufging, bat sie darum,
die Heiligen Gaben zu empfangen. Dann kreuzte sie die Hände auf
ihrer Brust, legte sich auf den Rücken, schloss ihre Augen und ihren
Mund. Dann übergab die Selige ihre Seele, nachdem sie gottgefällig
den guten Kampf der Askese bestritten hatte, und den Weg des
Gehorsams mit demütigem Herzen vollendet hatte.
Es
versammelten sich Nonnen und Mönche aus allen Klöstern der
Umgebung. Während der Bestattung offenbarte sich den Anwesenden ein
besonderes Wunder. Obwohl das Gesicht der Heiligen vorher voller
Falten war, ihrem fortgeschrittenen Alter entsprechend, und seine
natürliche Schönheit verloren hatte, war es nun plötzlich ganz
ohne Falten, schön und jugendlich. Außerdem ging von ihm ein
Leuchten aus, wie von einem Engel, und ein Lächeln war auf die
Lippen gezeichnet, während ein himmlischer Wohlgeruch aus dem Körper
verströmte, der die Luft erfüllte. Die selige Theodora wurde auf
dem Klosterfriedhof nebst den anderen entschlafenen Schwestern
beigelegt.
Die
ersten Wunderzeichen
Die
Anwesenden liefen, dem üblichen Brauch folgend, am offenen Sarg der
heiligen Theodora vorbei und gaben ihr auf ihre seligen Hände den
letzten Kuss des Abschieds. Unter ihnen war auch ein Diakon von der
Kirche des heiligen Dimitrios namens Dimitrios, der Theodora seit
vielen Jahren kannte. Dieser litt an einer quälenden und bösen
Krankheit, die seit langem seinen ganzen Körper befallen hatte. Er
konnte nicht essen, weil sein Magen furchtbar schmerzte, und gerade
hatte er neun Monate im Bett verbringen müssen. Als er hörte, dass
die glückselige Theodora entschlafen war, begab er sich mit sehr
großer Mühe zum Kloster, um bei ihrer Bestattung zugegen zu sein
und für ihre Seele zu beten. Als er mit Glauben ihre Hand küsste,
wurde er mit einem Mal gesund. Er konnte jetzt mühelos laufen und
kehrte glückstrahlend nach Hause zurück.
Ein
anderer junger Mann, namens Ioannis, litt an starkem Fieber und
Schüttelfrost, die regelmäßig jeden vierten Tag schlimmer wurden.
Zwei Jahre plagte ihn dieses Leiden, so dass er vor Schwäche nur
noch aus Haut und Knochen war. Auch er wurde durch die Gnade der
Heiligen vollkommen geheilt.
Fünfzig
Jahre Nonne und die Öllampe der Heiligen
Als
man die Heilige beisetzte, war es zwölf Uhr Mittags, am 29 August
und seit der Erschaffung der Erde 6400 Jahre, das heißt, dass es das
Jahr 894 nach Christi Geburt war, in den tagen Alexanders und Leons,
den Orthodoxen Königen. Als die selige Theodora verwitwete und zur
Nonne geschert wurde war sie 25 Jahre alt, verbrachte 55 Jahre im
Kloster und hatte das 80e Lebensjahr erreicht, als sie in die
Ewigkeit überging.
Ihre
Tochter Theopisti, die ihre Mutter über alles liebte, bat sieben
Priester darum, gemäß der Tradition vierzig Tage nach ihrer
Entschlafung täglich einen Gottesdienst für die ewige Ruhe der
Seele zu zelebrieren. Außerdem platzierte sie eine Öllampe über
ihrem Grab, an der der allmächtige Gott ein Zeichen offenbarte, das
den menschlichen Verstand überstieg. Es war nämlich so, dass die
Öllampe am neunten Tag nach ihrer Beisetzung aus nur noch wenig Öl
hatte, weil die Nonnen das Gefäß reinigen wollten und das Öl
deswegen nicht nachgegossen hatten, damit es vollkommen ausginge. Am
nächsten Tage sahen sie jedoch, dass noch mehr Licht als am
vorherigen Tage von der Öllampe ausging, obwohl kein Öl mehr im
Gefäß war. Sie ließen die Lampe brennen und beobachteten, wie
lange dieses Wunder sich fortsetzen würde. Am nächsten Tage füllte
sich das Gefäß mit Öl, so dass es auch an den Seiten hinunterlief,
und aussah, als wenn es brodelte. Dann berichteten sie endlich auch
der Äbtissin Theopisti von diesem Wunder, die sofort in die Kirche
eilte und Gott für Seine Geschenke dankte und lobpries.
Das
Kloster befand sich in Thessaloniki. Bald wurde der Ruf der seligen
Theodora und ihrer Wunderzeichen überall bekannt. Unzählige
Menschen kamen nunmehr an ihr Grab, verehrten sie und baten sie um
ihre Fürbitten. Sie salbten und bekreuzigten sich mit dem heiligen
Öl, das aus der Öllampe lief, zur Heilung der seelischen und
körperlichen Leiden der Gläubigen. Diese Liebe dem Nächsten
gegenüber bewies die selige Theodora auch mit ihrer Liebe ihren
Schwestern gegenüber. Als eine von ihnen erkrankte, bat sie um den
Segen der Äbtissin, dass sie den Gebetskanon der Kranken übernehmen
konnte. Sie liebte es die Hungernden zu nähren, die Nackten zu
bekleiden und alle Fremden gemäß der Vollkommenheit der Tugend zu
empfangen. Ihres barmherzigen Herzens wegen schenkte ihr der Herr die
Gabe der Wundertätigkeit.
Weitere
Wunder der heiligen Theodora
Ein
Mann namens Theodoros war Vogeljäger. Während er eine Tages um die
Mittagszeit die Fallen aufstellte, erschien ihm urplötzlich ein
Mann, der die Gestalt eines Arabers hatte. Er sah sehr groß und
furchterregend aus. Theodoros versuchte zu fliehen, doch der Araber,
der in Wirklichkeit ein Dämon war, holte ihn ein und warf ihn mit
Wucht zu Boden. Dann schlug er auf ihn ein und ließ ihn dort liegen.
Doch der junge Mann war ab dieser Stunde besessen und so entsetzlich
war sein Zustand, dass er sich nur mit großer Mühe aufraffen und
nach Hause schleppen konnte. Dort erzählte er seiner Mutter von dem
Vorfall. Diese vergoss bittere Tränen und brach sofort mit ihrem
Sohn auf, um das Grab der heiligen Theodora zu besuchen. Doch dort
verlor er den Verstand, sprang und schrie in der Kirche und tat noch
viel mehr Unsinniges. Seine Mutter blieb einige Tage im Kloster und
betete zu der Seligen, dass sie sich ihrem Sohn erbarmen mochte.
Eines Nachts erschien die Heilige dem jungen Mann und sagte zu ihm:
„Stehe auf, Theodoros, dir fehlt gar nichts mehr“. Tatsächlich
war er von dem bösen Dämon befreit.
Ein
anderer junger Mann, mit Namen Georgios, war seit langem von einem
bösen Dämon besessen. Er besuchte das Grab der Seligen, ebenfalls
mit seiner Mutter zusammen, um sie um ihre Fürbitten zu bitten.
Außerdem fasteten sie und aßen weder Fleisch, noch Öl. Die Mutter
bekreuzigte ihren Sohn mit dem heiligen Öl und wandte sich immer an
die heilige Theodora, insbesondere wenn der Dämon den Mann zu Boden
warf und und mit furchtbar schüttelte. Eines Nachts ging sie zu Bett
und sah im Traum die Selige, die als Nonne gekleidet die Kirche
durchschritt und in ihren Händen ein Gefäß voll Öl hielt. Ihr zur
Seite standen viele junge Männer, die mit schneeweißen Gewändern
gekleidet waren. Bei ihnen war auch ein Priester, der die Menschen in
der Kirche beweihräucherte, die sich dort befanden, um Heilung zu
erfahren. Die heilige Theodora folgte dem Priester und besprenkelte
die Kranken mit Öl. Als sie Georgios erreichten, berührte die
heilige mit ihrem Finger dreimal seinen Mund und aus diesem kam ein
Sekret heraus. Dann sprach sie zu ihm: „Stehe auf, du bist
geheilt“. An diesem Tage verließ der Dämon Georgios und er war in
der Tat geheilt.
Auch
dies ist eines der Wunder der seligen Theodora: Es war einmal ein
Maler, der die Heiligenoch nie erblickt hatte, dessen Name Ioannis
war. Auch das Kloster hatte er noch nie besucht. Dieser sah im Traum,
dass er sich an ihren Grab einfand, außerdem sah er die Öllampe,
aus der das Öl auf wundersame Weise floss. Am Morgen darauf traf er
auf einen Bekannten, der auf dem Weg zum Kloster war, um dort die
Ikone eines Heiligen, des Erstmärtyrers Stephan, zu malen. Doch als
sie das Kloster erreichten, erkannte der erstaunte Maler den Ort
wieder, weil er ihn im Traum gesehen hatte. Am nächsten und
übernächsten Tage sah er im Traum die Heilige selbst. Er war sich
gewiss, dass es der Wille Gottes war, dass er ihre Ikone malte.
Ehrfürchtig und mit ihren Fürbitten stellte er die Ikone fertig und
übergab sie den Schwestern. Nach kurzer Zeit begann auch aus dieser
Ikone wohlriechendes Salböl zu fließen! Unzählige Wunder geschahen
durch das heilige Öl und Salböl der Heiligen, die an dieser Stelle
unmöglich aufgeführt werden können! Gelähmte konnten wieder
gehen, Blinde fanden ihre Sehkraft wieder, Häretiker ließen von den
Irrlehren ab und fanden zur Orthodoxie Leprakranke wurden geheilt.
Dies alles und noch viel mehr vermochte und vermag die Gnade der
Reliquien der heiligen Theodora zu vollbringen, zum Ehre des Vaters,
des Sohnes und des Heiligen Geistes, des einen Gottes.
Die
Heilige wird jedes Jahr am 5. april, sowie am 29 August gefeiert. Mögen
uns ihre Fürbitten auf unserem Lebensweg begleiten.
1wird ebenfalls am 05/18 April jeden Jahres gefeiert
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