Samstag, 12. April 2014

DIE KARWOCHE -ZERSTÖRUNG DES TEMPELS - PATRIARCH KIRILL

NACHBILDUNG DES TEMPELS

Am ersten Tag wies der Herr auf einen Denarius (römische Silbermünze) und sprach von der Notwendigkeit, dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist, Gott aber zu geben, was Gottes ist.

Am zweiten Tag wandte Sich der Erlöser an die Führer des jüdischen Volkes -die Pharisäer und die Schriftgelehrten - und verurteilte harsch deren Heuchelei. Jesu Worte waren von einer derartigen Kraft und einem solchen Zorn erfüllt, dass dies eine Erschütterung in der damaligen Gesellschaft hervorrief. Die Pharisäer, die ja die Führer ihres Volkes waren, verglich Christus mit «übertünchten Gräbern, die von außen hübsch aussehen, aber innen voller Totengebeine und Unrat sind» (Mt 23, 27).
Bei Seiner Anklage, die Er gegen die herrschende Oberschicht schleuderte, verurteilte der Herr die Heuchelei als die verabscheuungswürdigste Eigenschaft. Denn Heuchelei bedeutet ein sündhaftes Auseinanderklaffen zwischen Worten und Taten; für die Obrigkeiten stellt es eindeutig einen am Volk geübten Betrug dar. Heuchelei birgt die verderblichsten Folgen sowohl für das öffentlich-gesellschaftliche als auch für das private Leben der Menschen. Eben deswegen empörte Sich Jesus derart gegen diese für die Machthaber so typische Untugend bzw. in diesem Fall gegen die Laster der Schriftgelehrten und der Pharisäer.

Am Dienstag ereignete sich eine weitere wichtige Begebenheit: «... Als Jesus den Tempel verlassen hatte, wandten sich Seine Jünger an Ihn und wiesen Ihn auf die gewaltigen Bauten des Tempels hin. Er sagte zu ihnen: Seht ihr das alles? Amen, das sage Ich euch: Kein Stein wird hier auf dem ändern bleiben; alles wird niedergerissen werden» (Mt 24, l - 2).
Man kann sich vorstellen, welche Verwunderung und welches Entsetzen diese Worte bei den Jüngern hervorriefen. Eine in Wohlergehen selbstgefällig dahinlebende Metropole, der Tempel als ein überwältigender Monumentalbau und das wichtigste Heiligtum des Volkes Israel - da verkündet der Meister plötzlich etwas Unfassbares und Furchtbares: nämlich, die Zerstörung und Verwüstung all dessen, was sie heute in voller Blüte und Unerschütterlichkeit stehen sehen.

Aber es sollten keine vierzig Jahre vergehen, als die Weissagung des Erlösers wörtlich in Erfüllung ging. Unter Kaiser Titus brachen römische Legionen in Jerusalem ein und zerstörten es bis auf die Grundmauern. Später, um das Jahr 130, unter Kaiser Hadrian, hörte Jerusalem auf, zu existieren und wurde als eine römische Stadt unter dem Namen Aelia Capitolina wieder neu aufgebaut. Diese erstaunliche Erfüllung der prophetischen Worte Jesu muss unweigerlich unser Vertrauen auch in alles andere stärken, was Er in bezug auf die kommenden Zeiten weissagt.Unmittelbar nach der Ankündigung der Zerstörung Jerusalems spricht der Erlöser vom Ende der Welt: «Als Er auf dem Ölberg saß, wandten sich die Jünger, die mit Ihm allein waren, an Ihn und fragten: Sag uns, wann wird das geschehen, und was ist das Zeichen für Deine Ankunft und das Ende der Welt? Jesus antwortete: Gebt acht, dass euch niemand irreführt! Denn viele werden unter Meinem Namen auftreten und sagen: Ich bin der Messias! Und sie werden viele irreführen. Ihr werdet von Kriegen hören, und die Nachrichten über Kriege werden euch beunruhigen. Gebt acht, lasst euch nicht erschrecken! Das muss geschehen. Es ist aber noch nicht das Ende. Denn ein Volk wird sich gegen das andere erheben und ein Reich gegen das andere, und an vielen Orten wird es Hungersnöte und Erdbeben geben. Doch das alles ist erst der Anfang der Wehen. Dann wird man euch in große Not bringen und euch töten, und ihr werdet von allen Völkern um Meines Namens willen gehasst werden. Dann werden viele zu Fall kommen und einander hassen und verraten. Viele falsche Propheten werden auftreten, und sie werden viele irreführen. Und weil die Missachtung von Gottes Gesetz überhand nimmt, wird die Liebe bei vielen erkalten. Wer jedoch bis zum Ende standhaft bleibt, der wird gerettet» (Mt 24, 3 - 13). 

Mit diesen Worten des Herrn werden uns einige Anzeichen des Endes der Geschichte und der 
furchterregenden und herrlichen Wiederkunft Jesu Christi mitgeteilt. Zuerst werden falsche Propheten und falsche «Messiasse/Christusse» auftreten, die unter dem Deckmantel religiöser Lehren Lügen verbreiten und die Menschen vom Weg der Wahrheit abbringen werden, wobei sie deren Seelen in die Fangnetze des Verderbens ein-zufangen trachten. Das Auftreten solch falscher Lehrmeister wird vom Niedergang des sittlichen Zustands der menschlichen Gesellschaft in den Letzten Tagen zeugen. 
Denn wenn die Gesellschaft in bezug auf die Wahrheit gleichgültig wird, dann ist sie bereit, als 
etwas vollkommen Gleichwertiges auch das zu akzeptieren, was für sie schädlich und feindselig ist. Dabei wird solch eine Gesellschaft in ihrer sittlichen Verarmung es für ihre Pflicht erachten, sich für jede noch so destruktive Doktrin, für jede Lehre einzusetzen, selbst wenn diese offenkundig falsch und gefährlich ist.

Dagegen weist eine in sittlich-moralischer Hinsicht gesunde Gesellschaft die Lüge von sich, sie verwirft sie und weigert sich, diese zu akzeptieren. Kann denn jemand, der ständig lügt, jemand, der seinen Mitmenschen Scheußliches antut bzw. der auf eine andere Art und Weise ins Dasein seiner Umgebung nur Unstimmigkeiten hineinbringt, kann solch ein Mensch in einer sittlich gesunden Umgebung wirklich seinen Platz finden? Es wird mit ihm zu  Konflikten kommen, und zwar vor allem deswegen, weil ein in moralischer Hinsicht gesundes Milieu etwas, was sittlich gräßlich, mit Mängeln behaftet, unrein ist, von sich auszusondern sucht, d.h. es als «abstoßend» begreift. Ebenso verhält es sich innerhalb der Gesellschaft. Ist sie gesund, dann vermag sie sich von dem lasterhaft-Kranken zu distanzieren, ist sie aber in moralischer Hinsicht bereits erkrankt bzw. verroht, dann nimmt sie auch offensichtliche Lügen und Betrug in sich auf und kann sich mit ihnen identifizieren.
Anschließend kommt es zu einer Vermehrung der «Kriege und der Nachrichten über Kriege», «ein Volk wird sich gegen das andere erheben und ein Reich gegen das andere». Ein Krieg bezweckt immer die Vernichtung, die Zerstörung, den Tod, das Nichtsein. Der Krieg stellt eine Maximierung des Bösen und des Leides dar. Höchstwahrscheinlich täten sich Jesu Zeitgenossen schwer, sich einen Krieg vorzustellen, bei dem es nicht mehr Armeen, sondern ganze Völker sind, die gegeneinander kämpfen. Wir aber, die wir im 21. Jahrhundert leben, kennen die Schrecken der vergangenen beiden Weltkriege nur zu gut. Und einem modernen Menschen fällt es leider nicht mehr schwer, sich die Möglichkeit vorzustellen, dass mit Massenvernichtungswaffen die ganze Zivilisation auf dieser Erde ausgelöscht werden kann.
Ebenso werden auch Hungersnöte und Epidemien zunehmen. Unter welchen Bedingungen wird eine Epidemie zu einer Pandemie, sprich: zu einer globalen Katastrophe, die die Existenz der Menschheit bedroht? Die Antwort liegt auf der Hand: Vor allem bei umweltpolitischer Instabilität, bei fortschreitender Umweltverschmutzung, bei einem weiteren hemmungslosen Raubbau an den natürlichen Resourcen sowie bei einer Schwächung der physischen Gesundheit des Menschen. Jesu Christi Zuhörer konnten nicht ahnen, welche Ausmaße Hunger und Seuchen in der Welt erreichen können. Wir aber, die wir als Zeitgenossen das 20. Jahrhundert hinter uns haben, belehrt durch die eigene traurige Erfahrung, können uns in aller Deutlichkeit vorstellen, wie groß die Leiden der Menschheit sein können, die durch Umweltkatastrophen verursacht werden. All diese Unglücksfälle hängen nicht vom Willen des Einzelnen ab, doch eine Naturkatastrophe kann - je nach dem sittlichem Zustand des Menschen - eher eintreten oder aber in weitere Ferne gerückt werden.

Denn wenn wir die Umwelt verschmutzen, wenn wir Kriege ausbrechen lassen, wenn wir lügen und uns wie besessen der Sünde hingeben, dann gehen uns die eigenen moralischen Maßstäbe verloren. Der Mensch wird zu einer Bestie, er meint, alles sei ihm erlaubt, und dann ist er fähig, nicht nur sich selber, sondern auch das gesamte Menschengeschlecht ins Verderben zu stürzen. Gerade deswegen spricht der Herr: «Weil die Mißachtung von Gottes Gesetz überhand nimmt, wird die Liebe bei vielen erkalten». 

Das Böse ist veränderlich und dynamisch, es vermag zu wachsen, sich zu entwickelnund sich zu vervollkommnen, aber sein Höhepunkt und oberstes Ziel ist und bleibt die Vernichtung, der Tod, das Nichtsein der Persönlichkeit, der Familie, der Gesellschaft, des Staates, der ganzen menschlichen Zivilisation. Das Böse kann nicht durch das Böse besiegt werden, - weder in der globalen Welt-Dimension gesehen, noch auf eine Einzelperson bezogen. 
Der heilige Wüstenmönch Pimen der Große (4. Jh.) definiert es so: «Das Böse vernichtet das Böse nicht, doch wenn dir jemand Böses antut, dann erweise ihm Gutes, damit mit dem guten Werk das Boshafte vernichtet werde». Die einzige Kraft, die noch fähig ist, sich dem todbringenden Bösen zu widersetzen, ist das Gute und die Liebe. Wenn aber infolge der Übermacht an Gesetzlosigkeit auch sie werden weichen müssen, dann wird es für das böse Prinzip keinerlei Hindernisse mehr geben, und es wird erbarmungslos die menschliche 
Zivilisation ausrotten. Und das wird dann das Ende sein.
Paulus schreibt dazu: «Denn die geheime Macht der Gesetzwidrigkeit ist schon am Werk; nur muss erst der beseitigt werden, der sie bis jetzt noch zurückhält» (2 Thess 2, 7).
Viele suchen diese Stelle zu deuten und fragen, wer oder was denn unter dem «der sie bis jetzt noch zurückhält» zu verstehen sei? Gottes Wort schenkt uns ein klares Verstehen, dass «der, der sie bis jetzt noch zurückhält» - als das Gute zu deuten ist, als das gesunde sittliche Gefühl, als die Liebe, sofern diese Gefühle im Herzen des Menschen überhaupt noch zu finden sind.Folglich sind sämtliche Katastrophen nur Vorboten des Weltendes, die ihre ursprünglichen Ursachen in der Persönlichkeit des Menschen haben. Es hängt von uns selbst ab, ob wir das Weltende näherbringen oder es in eine gewisse Ferne rücken können. Das Moralgefühl, die Güte und die Liebe - dies sind die unbedingten Voraussetzungen für ein Überleben unserer Zivilisation. Das ist es, wovor der Herr in den letzten Tagen Seines Lebens hier auf Erden die Menschheit warnte und was Er lehrte.

PATRIARCH KIRILL


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