Dienstag, 15. April 2014

Zum Mittwoch der Karwoche - Anthony (Bloom), Metropolitan of Sourozh

                                    

Wir nähern uns nun bereits den Leiden unseres Herrn. Aus allem, was wir gehört haben, wird eines sehr klar: Unser Herr kann uns alles verzeihen, Er kann uns immer wieder ganz rein machen, uns ganz heil werden lassen. Es gibt nur zwei Dinge, die sich zwischen uns und Ihm stehen und zu einer wahren Barriere werden können. Das eine ist, wenn wir uns innerlich von Ihm lossagen, wenn wir uns von Ihm abwenden, wenn wir den Glauben an Seine Liebe verlieren, wenn wir aufhören, auf Ihn zu hoffen, aus Angst, dass für uns Gottes Liebe nicht reichen wird.

Petrus hat Christus verleugnet. Judas hat Ihn verraten. Beide hätte das gleiche Schicksal treffen können. Entweder hätten beide den Weg zum Heil zurückfinden oder aber beide zu Grunde gehen können. Petrus allerdings bewahrte wie ein Wunder in seiner Seele die Überzeugung, dass der Herr, Der alle unsere Herzen kennt, weiss, dass er trotz seiner Verleugnung, trotz seiner Angst, trotz seines feigen Eids Ihn von ganzem Herzen liebt. Ja, mit einer Liebe, die ihm jetzt mit Scham und Schmerz die Seele zermürbt, die aber trotzdem Liebe ist.
Judas hat Christus verraten. Als er sah, was er angerichtet hatte, verlor er jegliche Hoffnung. Es schien ihm, dass Gott Ihm schon nicht mehr verzeihen könne, dass ihm Christus ebenso den Rücken zukehren wird, wie er sich selbst von Seinem Heiland abgewandt hatte. Und so ging er fort ... Sehr oft scheint es uns, dass er fortgegangen und nun auf Ewigkeit verdammt ist. Das jedoch erschüttert unser Herz irgendwie nicht wirklich. Kann er denn in der Tat auf ewig verdammt sein? Zu Petrus kamen die anderen Apostel. Sie nahmen ihn auf, obwohl er sich nicht zu Christus bekannt hatte. Judas war unter ihnen immer ein Fremder geblieben und unverständlich. Er war nicht sehr beliebt. Zu ihm ging nach seinem Verrat niemand. Wäre die schreckliche Tat Judas nach der Auferstehung Christi, nach dem die Apostel die Gaben des Heiligen Geistes empfangen haben, passiert,  dann, so meine ich, hätten sie ihn in seiner furchtbaren Einsamkeit, ohne Gott und ohne einen Menschen, nicht zugrunde gehen lassen. Christus aber lässt niemanden allein. Wie grausam es auch sein mag, was Judas getan hat, wie furchtbar es auch ist, dass Judas Verrat Gott, Der in die Welt gekommen war, ans Kreuz gebracht hat. Sollte aber nicht unserer Seele doch irgendwo in ihrer Tiefe hoffen, dass die alles übersteigende Weisheit Gottes, Seine grenzenlose Liebe, die weder das Kreuz noch Blut fürchtet, Judas nicht allein lassen wird?
Möge das letzte und entgültige Wort über ihn noch nicht gesprochen sein. Lasst uns nicht über ihn Gericht halten! Über niemanden! Vor vielen, vielen Jahren beendete einmal der sehr warmherzige, russische Theologe Wladimir Nikolaevitsch Losskij, als er über das Heil und die Verdammnis sprach, seinen Vortrag sehr hoffnungsvoll. Er sprach allerdings weder über Judas, weder über Petrus, noch über einen von uns. Er sprach über den Satan und über die Engel, die ihm dienen. Er meinte, dass wir uns bewußt sein sollten, dass auf der Erde im Kampf um das Heil oder die Verdammnis des Menschen Christus und der Satan unerbittliche Feinde sind, dass aber auf einer anderen Ebene auch der Satan und alle dunklen und gefallenen Geister Geschöpfe Gottes sind und dass Gott seine Schöpfung niemals vergisst.

Wir sehen heute auch ein anderes Bild. Ich habe gerade betont, dass uns nur unser eigenes Lossagen von Gott trennen kann, unsere Flucht vor Ihm, der Fakt, dass wir an Seine Liebe und Seine Treue nicht glauben. Doch es gibt auch etwas anderes, was uns von Gott fernhalten kann. Davon haben wir in den vergangenen Tagen ständig gehört. Das sind Lüge und Falschheit. Ich meine hier den Selbstbetrug der Menschen, die sich nicht wirklich selbst im Spiegel betrachten wollen, die nicht sehen wollen, wie sie wirklich sind, die sich selbst betrügen wollen und somit Gott und alle anderen. Das sind Menschen, die in einer Traumwelt leben, fern von der Realität, um sich eine zeitlang in Ruhe und Sicherheit wähnen können. Auch das kann uns von Gott fernhalten ...

Ein Asket wurde einmal gefragt, wie es ihm gelingt, mit einer solchen Freude und Hoffnung in der Seele zu leben, wenn er sich doch selbst für einen Sünder hält? Er antwortete: Wenn ich einmal vor Gott stehen werde, wird Er mich fragen, ob ich Ihn mit all meinem Herzen, mit all meinen Gedanken, all meinem Willen und mit all meinem Leben lieben konnte.  Und ich muss Ihm dann antworten: Nein Herr. Und Er wird dann weiterfragen: Hast du dich um all das bemüht, was dich zum Heil führen kann, hast du Mein Wort gelesen, hast du auf den Rat der Heiligen gehört? Auch hier muss ich Ihm dann antworten: Nein Herr. Dann fragt Er mich weiter: Hast du wenigstens versucht, ein wenig so zu leben, wie es dir, einem Menschen, würdig ist? Und ich muss Ihm wieder mit Nein antworten. Dann schaut der Herr voller Mitleid auf mein trauriges Gesicht, schaut in mein zerknirschtes Herz und wird zu mir sagen: In einem jedoch hast du recht getan: Du bist ehrlich geblieben bis zum Ende. Komm und kehre ein in meinen Frieden!
Heute morgen habe ich von der Sünderin, die zu Christus gekommen war, gelesen. Sie kam ohne Buße empfunden und ohne ihr Leben auf den rechten Weg gebracht zu haben. Sie kam, weil sie einfach nur angetan war von der wunderbaren und göttlichen Schönheit des Heilands. Wir haben gesehen, wie sie ihm vor die Füße gefallen ist, wie sie über sich selbst geweint hat, weil sie verstanden hatte, wie sehr sie sich selbst verunstaltet hatte durch ihre Sünden. Sie weinte gleichfalls über Ihn, Der als ein solch wunderbarer Mensch in eine so furchtbare Welt gekommen war. Sie büßte nicht, sie bat nicht um Vergebung, sie versprach nichts. Christus jedoch, Der in ihr all ihr Feingefühl und ihre Ehrfurcht für das Heilige erblickt hatte und verstanden hatte, wie sehr sie zu lieben vermag, zu lieben unter Tränen, zu lieben bis das Herz zerbrechen will, erklärte ihr, das ihre Sünden vergeben sind, weil sie so zu lieben vermochte. Als Christus auch Petrus vergab, tat Er dies, weil auch dieser  liebte und das vielleicht mehr als manch andere, die immer genau nach dem Gesetz und den Regeln leben, die nie die Nähe des Heilandes verlassen. Petrus vermochte vielleicht eben deshalb viel mehr zu lieben, weil ihm so viel vergeben worden war. ...

Ich sage es noch einmal. Es gelingt uns jetzt nicht mehr, wirklich Buße zu tun, und wirklich unser Leben zu ändern, bevor wir heute Abend und auch morgen und an den kommenden Tagen dem Herrn in Seinen Leiden begegnen werden. Doch lasst uns Ihm so vor die Füße fallen, wie es die Sünderin getan hat, und lasst uns so, wie es Maria Magdalena tat, der Heiligkeit des Herrn begegnen, mit all unseren Sünden und mit all unserer Seele, mit all unserer Kraft und all unserer Schwäche. Lasst uns an Sein Mitleid glauben, an Seine Liebe, an Seinen Glauben an uns und lasst uns mit einer Hoffnung, die niemand zerstören kann, Ihm entgegen sehen. Mit einer Hoffnung, die weiss, dass Gott immer treu zu Seiner klaren Verheissung steht: Er ist nicht gekommen, um die Welt zu richten, sondern um sie zum Heil zu führen. Lasst uns, die wir Sünder sind, zu Ihm gehen, zu Ihm, zu unserem Heil und Er wird sich unserer erbarmen und uns das Heil schenken. Amen   

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