Die
Väter sind die wirklichen Theologen unserer Kirche. Der Westen hat
uns gelehrt, die Väter als Philosophen und große Denker zu
betrachten. Das ist auf die anomale Entwicklung des patristischen
Denkens im Bereich der Scholastik zurückzuführen. Sowohl in der
alten Kirche wie auch im orthodoxen Osten wurden die Väter niemals
als Philosophen und Denker angesehen, noch betrachteten sie sich
selbst als solche. Ihre Theologie ist nicht die Frucht eines
philosophischen (metaphysischen) Suchens und philosophischer und
pietistischer Gedanken über die Bibel (Bibelkritik). Außerdem ist
die Bibel nichts Transzendentes und Metaphysisches, eine Art
göttliches Buch, das fertig vom Himmel gefallen ist, wie die
Mohammedaner z.B. den Koran verstehen. Noch ist die Bibel objektiv
das "Wort Gottes" selbst, das dem Menschen angeboten wird,
damit er es geistig annimmt und mit seinen frommen Gedanken über es
gerettet wird.
Deshalb kennt der Osten auch keinerlei Art von
"Meditation" oder Spekulation als theologisches Mittel. Die
Bibel (AT und NT) enthält das Wort der Vergöttlichten (Propheten
und Apostel) über das göttliche Wort, den Ausdruck der mystischen
Erfahrung der Heiligen des Alten und Neuen Testaments, die Gott
geschaut haben. Die Offenbarung Gottes ist in keinem Buch von selbst
formuliert worden, sondern wurde und wird geschenkt nach der
Reinigung des Menschen, im Zustand der Erleuchtung und besonders der
Verherrlichung oder Vergöttlichung (Gottesschau). Ganz im Gegenteil
dazu gelangte die Metaphysik zur Aufstellung unabänderlicher
Kriterien und zur Götzenverehrung. Die Theologie der Väter beruht
auf der Gotteserfahrung und stützt sich auf die Schau Gottes. Die
Erfahrung der Heiligen ist die einzige sichere Brücke zwischen
Geschaffenem und Ungeschaffenem. Daher unterscheiden sich die Väter
grundsätzlich von den Philosophen aller Jahrhunderte. Die
Offenbarung der Wahrheit empfangen die Heiligen von Gott selbst durch
die Einwohnung des Heiligen Geistes in ihnen (Erleuchtung) und durch
ihre Erfahrung der Gottesschau (Verherrlichung, Vergöttlichung). Im
Gegensatz dazu kämpfen die Philosophen allein, um die Wahrheit zu
entdecken. Die Väter haben diese fertig vor sich, entweder aufgrund
ihrer eigenen Erfahrung oder von den Erfahrungen der früheren Väter
her.
Die Philosophen haben als Hauptmerkmal das Streben nach der
Originalität in ihren Theorien. Den Vätern dagegen ist die
Originalität völlig gleichgültig, so sehr das Werk der großen
Väter auch für die Welt und die Gläubigen eine Erweiterung der
Lehre der Kirche bezüglich eines theologischen Problems darstellt,
besonders, wenn das Heil der Gläubigen bedroht wird, wie es
gewöhnlich beim Auftreten von Häresien geschieht. Die Väter haben
ihre Aufmerksamkeit theologisch andauernd auf die Vergangenheit
gerichtet. Sie wollen nicht beeindrucken mit neuen Entdeckungen -
deshalb auch könnten sie unter den heutigen Gegebenheiten in der
Universitätstheologie nie einen Doktortitel beanspruchen! - sondern
die apostolische Tradition fortsetzen, "die ewigen Grenzen nicht
verrückend, die die Väter vor ihnen gesetzt haben". Sehr
charakteristisch ist in diesem Zusammenhang der Fall des hl.
Gregorios Palamas (1296-1359). Er war tief in der apostolischen und
patristischen Tradition verankert. Grundsätzlich bewegte er sich im
Rahmen des Lehre der Kappadokier, Athanasios des Großen, Dionysios
des Areopagiten und Maximus des Bekenners. Seine Geg-ner aber,
östliche wie westliche, die den auf der Erfahrung beruhenden Kontakt
mit der kirchlichen Tradition verloren hatten, verdächtigten ihn
umstürzlerischer Neuerungen. Denn er bot die alte Väterlehre in
einer neuen Verbindung dar, als "schöpferische Erweiterung"
der Tradition und nicht als blinde Wiederholung. Außerdem ist der
echte patristische Geist keine formelle Wiederholung, sondern die
dynamische Einverleibung der Tradition und deren erneuter Ausdruck.
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