Der christliche Glaube im Allgemeinen
FRAGE: Was ist der christliche Glaube?
ANTWORT: Der christliche Glaube ist das Wissen des Christen über die wichtigsten Mysterien des Daseins und des Lebens. Dieses Wissen können die Menschen nur dadurch erlangen, daß sie an Gott glauben, niemals vermögen sie es durch ihre eigenen Bemühungen zu gewinnen.
F. Was sind diese wichtigsten Mysterien des Daseins und des Lebens, über die allein der Christ das rechte Wissen besitzt?
A. Es sind dies:
Das Mysterium der unsichtbaren Wirklichkeiten: Gottes, der Engel und der menschlichen Seele; Das Mysterium der Schöpfung der Welt und des Weltendes; Das Mysterium der unablässigen Vorsehung Gottes, wodurch Er die Menschen und die Menschheit durch Seine Weisheit und Macht zum festgesetzten Ziel führt; Das Mysterium der Sünde des Menschen und seines Sturzes und jenes seiner Rettung durch den Inkarnierten Gott; Das Mysterium des Himmelreichs als Ziel des irdischen Menschenlebens und jenes des rechten Weges zu diesem Ziel, d.h. des rechten Verhaltens des Menschen gegenüber sich selbst, gegenüber seinem Nächsten und gegenüber Gott.
Das Mysterium der Auferstehung der Toten, des Letzten Gerichts und des ewigen Lebens.
F. Aber haben nicht manche andere religiöse Lehrer, Denker und Philosophen versucht, diese Mysterien zu erhellen?
A. Es haben tatsächlich viele versucht, doch nur versucht, mit all ihren beschränkten menschlichen Fähigkeiten, indem sie intensiv nachdachten und die Welt und die menschliche Natur erforschten. Doch all ihre Mühen führten zu diversen Theorien und Vermutungen, die einander widersprechen.
F. Worin besteht die Überlegenheit des christlichen Wissens gegenüber deren Wissen?
A. In der Autorität Christi als Augenzeuge. Er bestätigt: „Ich bezeuge, was Ich gesehen habe“ (Jh 8,38), und wiederum: „Keiner ist in den Himmel hinaufgestiegen außer dem, der vom Himmel herabgestiegen ist: der Menschensohn.“ (Jh 3,13) Zu den religiösen Lehrern Seiner Zeit sprach Er: „Ihr seid von unten, Ich bin von oben; ihr seid von dieser Welt, Ich bin nicht von dieser Welt.“ (Jh 8,23) Zu einem der Lehrer Israels sagte Er: „Amen, amen, Ich sage dir: Wir reden, was wir wissen, und bezeugen, was wir gesehen haben.“ (Jh 3,11) Und wiederum: „Ich bin das Brot des Lebens, das vom Himmel herabgekommen ist.“ (Jh 6,41) Und viele solche Dinge sprach Er mit der Autorität des Augenzeugen über alle Mysterien des Himmels und der Erde; und die Menschen gerieten über seine Lehren so sehr in Erstaunen, dass sie sagten: „Noch niemals hat ein Mensch gesprochen wie dieser.“ (Jh 7,46)
F. Natürlich glauben wir im Alltag einem Augenzeugen mehr als einem Theoretiker oder Philosophen. Doch es gab religiöse Lehrer, die ihre Lehre einem Engel zuschrieben. Engel sind ja ebenfalls Augenzeugen großer Mysterien. Was soll man davon halten?
A. Es ist wahr, dass Gott zuweilen Engel zu bestimmten Menschen gesandt hat, um diese zu lehren oder zu leiten. Häufiger aber geschah es, dass Menschen falsche Visionen hatten, d.h. böse Geister, gekleidet in das Licht echter Engel. Im Fall Christi ist es jedoch völlig anders. Er wurde niemals von Engeln gelehrt oder geleitet, sondern im Gegenteil: Er befahl den Scharen der Engel, und Er trieb bei den Menschen die bösen Geister aus. Die Engel dienten Ihm, und die Dämonen fürchteten Ihn.
F. Sollten wir daher denken, dass die christliche Religion über allen anderen Religionen der Welt steht, ist das richtig?
A. Der christliche Glaube sollte nicht mit anderen Religionen verglichen werden, und streng genommen, sollte man ihn überhaupt nicht als „Religion“ bezeichnen (wie man von den Religionen der Völker spricht), denn er ist keine Religion unter anderen Religionen, sondern er ist der Glaube an Christus, und er ist Christi Offenbarung. Er ist Gottes persönliche, einzigartige und abschließende Offenbarung an den Menschen, um diesen zu erleuchten und zu retten. Eine andere Offenbarung Gottes wird es nicht geben, und man darf bis zum Ende der Welt keinen anderen Messias als Jesus Christus erwarten.
F. Was ist dann von der modernen Tendenz in manchen Kreisen zu halten, den christlichen Glauben mit den anderen Religionen auf eine Stufe zu stellen?
A. Das ist eine falsche Tendenz und ein gefährliches Experiment. Denn „Gott lässt keinen Spott mit Sich treiben“ (Gal 6,7); ebensowenig ist das Blut des Sohnes Gottes mit der Tinte der Schriftgelehrten gleichzusetzen. Denn obwohl wir als die Mitglieder unserer alten Kirche des Ostens zur unbedingten Nächstenliebe gegenüber allen Menschen verpflichtet sind, ist es uns doch streng verboten, die Wahrheit, die uns von Gott offenbart wurde und die wir geerbt haben, durch von Menschen gemachten Religionen oder Philosophien zu verleugnen.
F. Wodurch sollen wir solche relativierenden Tendenzen bekämpfen?
A. An erster Stelle durch eine tiefgreifende Kenntnis unseres eigenen orthodoxen Glaubens, indem wir ihn im täglichen Leben praktizieren und daran festhalten, wie Wissenschaftler an jener Tatsache, die sie herausgefunden haben, dass die Erde rund ist, gegen jene festhalten, die denken, sie sei flach. Zweitens, durch von Edelsinn und Weisheit geleitete Bemühungen – niemals durch Gewalt –, jene Menschen, die an niedrigere und niedrigste Glaubensrichtungen gebunden sind, zu den Höhen unseres vollkommenen Glaubens zu heben, statt das, was vollkommen ist, herunterzuziehen und es mit dem Unvollkommenen zu vermischen, um eine Übereinkunft zu erzielen.
F. Doch warum bezeichnen wir unseren Glauben als den lebendigen Glauben?
A. Weil unser Glaube und unser Leben untrennbar miteinander verbunden sind wie Ursache und Wirkung. Jesus sagte: „Wer an den Sohn (Gottes) glaubt, hat das ewige Leben; wer aber dem Sohn nicht gehorcht, wird das Leben nicht sehen, sondern Gottes Zorn bleibt auf ihm.“ Und es heißt auch: „Der Gerechte wird durch den Glauben leben.“ (Heb 10,38)
Übersetzung: Johannes A. Wolf
Quelle: Der Glaube der Orthodoxen Christen, Hl. Nikolaj Velimirovic.
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