Donnerstag, 20. Februar 2014

Lehrreicher Brief des hl Makarius an seine Söhne über das geistliche Leben und seine Phasen


Wenn der Mensch anfängt, sich selbst, den Grund seiner Erschaffung und seinen Schöpfer-Gott- zu erkennen, dann wird er vor allem anfangen, Reue zu empfinden über das, was er in der Zeit seiner Nachlässigkeit begangen hat. So gewährt ihm dann der gütige Gott Betrübnis wegen seiner Sünden und danach schenkt er ihm in seiner Güte noch Pein des Leibes „bei Fasten und Nachtwachen“, Beharrlichkeit im Gebete und Verachtung der Welt (Anm: mit Welt ist im geistlichen Sinne das Leben in Sünde und Nichtigkeit gemeint) und verleiht ihm die Gnade, daß er die ihm zugefügten Unbilden gerne erträgt, alle leibliche Erquickung haßt und das Klagen mehr liebt als das Lachen. 
Darauf wird er ihm ein Verlangen nach Tränen, Wehklagen, Demut und Verdemütigung des Herzens geben und ihm die Gnade schenken, daß er „den Balken in seinem eigenen Auge gewahre und sich nicht bemühe, den Splitter aus einem anderen herauszuziehen“, daß er immerdar spreche: „Denn ich erkenne meine Missetat und meine Sünde schwebt mir allezeit vor Augen“, daß er den Tag seines Hingangs und sein Erscheinen vor dem Angesichte Gottes im Sinne behalte, daß er zugleich die Gerichte und Strafen sich in seinem Geiste ausmale, ebenso auch die verdienten Ehren, welche die Heiligen empfangen sollen. Sieht er nun, daß ihm dies willkommen ist, so prüft er ihn, ob er den Vergnügungen abschwört, den ankämpfenden „Fürsten dieser Welt“, die ihn früher fesselten, widersteht, wie auch den verschiedenen Speisegenüssen, die das Herz verweichlichen, daß er beinahe wieder infolge der Ermattung des Leibes und der Länge der Zeit besiegt werden könnte, indem seine Gedanken ihm vorhalten: „Wie lange wirst du diese Mühe ertragen können? Kostet es doch gewaltige Anstrengung, daß einer gewürdigt wird, Gott zu seinem Bewohner zu haben, zumal du, der du soviel gesündigt hast. Und wie können dir so viele Sünden von Gott nachgelassen werden?“ 
Kommt er aber zur Erkenntnis, daß sein Herz feststeht in der Furcht Gottes und daß er nicht von seinem Platze weicht, sondern tapfer widersteht und kämpft, dann werden jene kommen, die unter dem Vorwand der Gerechtigkeit sagen: „Du hast zwar gesündigt, allein du hast Buße getan, du bist schon heilig“. Sie erinnern ihn an die Sünden von Menschen, die nicht Buße getan haben, und streuen ihm eitle Ruhmsucht ins Herz. Aber nicht allein das, sie bringen es auch zustande, daß gewisse Leute ihn heimtückisch loben und ihn zu Werken herausfordern, die er nicht zu leisten vermag. Sie bringen ihm den Gedanken bei, nicht zu essen und zu trinken, die Nächte zu durchwachen und vieles andere, das zu sagen zu weitführen würde. Sie reden ihm ein, es sei für ihn eine Leichtigkeit, dieses zu vollbringen, um ihn so dazu anzureizen, während doch die Schrift warnt und sagt: „Weiche nicht ab zur Rechten noch zur Linken“, sondern wandle den geraden Weg. Der gütige Gott aber sieht, wie sein Herz in nichts dergleichen Ruhe findet. Auf solche Versuchungen deutet David hin und spricht: „Du hast mein Herz geprüft und des Nachts heimgesucht; du hast mich im Feuer erprobt und kein Unrecht ward an mir erfunden“. Es ist zu beachten, warum er sagt „des Nachts“ und nicht „des Tags“. Die Umgarnungen des Feindes sind nämlich die Nacht, wie der selige Paulus gesagt hat, daß wir nicht „Kinder der Finsternis, sondern des Lichtes“ sind; denn der Sohn Gottes ist der Tag, der Teufel aber gleicht der Nacht. 
Hat jedoch die Seele alle diese Kriege überstanden, dann fangen sie an, ihr entgegengesetzte Gedanken beizubringen, ein Verlangen nach Unzucht und die verruchte Hurerei. Durch all das wird die Seele geschwächt und das Herz härmt sich ab, so daß es die Bewahrung der Keuschheit für ein Ding der Unmöglichkeit hält. Dazu malen ihr jene, wie gesagt, die Länge der Zeit, die gewaltigen Anstrengungen, welche die Tugenden erfordern, sowie die Größe und Unerträglichkeit ihrer Last vor, sie halten ihr die Schwäche des Körpers und die Gebrechlichkeit der Natur entgegen. Wenn sie aber bei diesen Anstürmen nicht ermattet, dann sendet der gütige und barmherzige Gott ihr seine Kraft, befestigt ihr Herz und gibt ihr Freude, Erquickung und Macht, so daß sie tapferer als ihre Feinde erfunden wird und deren Kampf wider sie nicht zum Siege führt. Denn denen, die ihn fürchten, verleiht er Kraft, wie auch der heilige Paulus sagt: „Kämpfet und ihr werdet Kraft empfangen“. Ja, dies ist die Kraft, von der der selige Petrus spricht und die er „ein unvergängliches, unverwelkliches Erbe“ nennt, „das im Hammel aufbehalten ist für euch, die ihr durch die Kraft Gottes bewahrt werdet mittels des Glaubens“. Sieht dann der gütige und gnädige Gott, daß das Herz eines solchen Menschen stärker geworden ist als seine Feinde, so entzieht er ihm allmählich seine Kraft, die ihm Hilfe leistete, und gestattet den Feinden, ihn mit mannigfachen Fleischesgelüsten, mit eitler Ruhmsucht, Hoffart und allem andern, was ins Verderben stürzt, zu bekämpfen, so daß er fast einem Schiffe gleicht, das ohne Steuerruder bald da, bald dort auf Klippen stößt
Wenn aber hierin sein Herz ermattet und ihm so zu den einzelnen Angriffen des Feindes die Kraft ausgeht, dann sendet ihm Gott, der die Menschen liebt und Sorge trägt für sein Geschöpf, seine heilige Kraft und stärkt ihn; er stellt sein Herz, seine Seele, seinen Leib und sein ganzes Inneres unter das Joch des „Beistands“; Er sagt ja selbst: „Nehmet mein Joch auf euch und lernet von mir; denn ich bin sanft und demütig von Herzen“. Und so wird endlich der gütige Gott anfangen, die Augen seines Herzens zu öffnen, damit er einsieht, daß er (Gott) es ist, der ihn stärkt. Dann erst wird der Mensch allmählich wahrhaft zur Erkenntnis kommen, daß er „in aller Demut“ und „Danksagung“ Gott die Ehre geben müsse, wie David sagt: „Ein Opfer bei Gott ist ein zerknirschter Geist“. Denn aus diesem mühevollen Kampfe erwächst Demut, Zerknirschung und Sanftmut. Ist er nun in all diesem erprobt, dann wird der Heilige Geist anfangen, ihm das Verborgene zu offenbaren, das nämlich, was nach Recht und Verdienst den Heiligen gebührt und denen, „die auf sein Erbarmen hoffen“. Dann erwägt der Mensch bei sich jenes apostolische Wort: „Die Leiden dieser Zeit sind nicht zu vergleichen mit der zukünftigen Herrlichkeit, die an uns wird offenbar werden“, und jenes Wort Davids: „Denn was habe ich im Himmel und was begehre ich auf Erden außer Dir?“. Das heißt: Herr, wie Großes hast Du mir im Himmel bereitet und was suche ich im sterblichen Leben außer Dir? Und so werden ihm allmählich auch die Qualen geoffenbart, welche die Sünder werden leiden müssen, und viele andere Dinge, die ein heiliger Mann erkennt, auch wenn ich schweige. 
Nach all dem aber wird „der Beistand“ anfangen, einen Bund zu schließen mit seinem reinen Herzen, seiner starken Seele, seinem heiligen Leibe und seinem demutsvollen Geiste und er wird es dahin bringen, daß er über alle Kreatur sich erhebt, daß „sein Mund nicht die Werke der Menschen bespricht“, daß er „mit seinen Augen gerade vor sich hinschaut“, daß er „seinem Munde eine Wache setzt“ und mit seinen Schritten geraden Weges geht, daß seine Hände d. h. seine Werke gerecht sind, sein Gebet beharrlich ist, daß er zugleich auch den Leib kasteit und häufig wacht. Und dies ordnet er („der Beistand“) in ihm mit Maß und Unterscheidung, nicht in Unruhe, sondern in Ruhe.

 Wenn aber sein Geist die Tätigkeit des Heiligen Geistes verachtet, dann weicht die Kraft, die ihm verliehen ward, und so entstehen in seinem Herzen Kämpfe und Wirren und es verwirren ihn jeden Augenblick die Affekte des Leibes infolge des Ansturmes des Feindes. Ist aber sein Herz bekehrt und hält es an den Geboten des Heiligen Geistes fest, so waltet über ihm der Schutz des Herrn. Und dann wird der Mensch erkennen, daß es „sein Heil ist, unablässig Gott anzuhängen, und daß er sein Leben ist. Denn David sagt: „Ich rufe zu Dir und Du gewährst mir Heil“. Und wiederum: „Denn bei Dir ist der Quell des Lebens“. Darum ist mein Rat: Besitzt der Mensch nicht große Demut, die ja der Gipfelpunkt aller Tugenden ist, „setzt er seinem Munde nicht eine Wache“ und seinem Herzen Gottesfurcht, zeigt er nicht, daß er darin die andern überragt, so soll er sich nicht den Vorzug geben, gleich als hätte er etwas Gutes vollbracht; er soll die ihm zugefügten Unbilden gerne ertragen, er soll dem, „der ihn schlägt, auch noch die andere Wange darbieten“, er soll sich mit Ungestüm auf jedes gute Werk stürzen und es ausbeuten, er soll seine Seele in der Hand tragen, gleich als würde er täglich sterben, er soll alles für eitel halten, was man runter dieser Sonne schau und er soll sprechen: „Ich wünsche aufgelöst zu werden und mit Christus zu sein“, und: „Christus ist mein Leben und Sterben mein Gewinn“. Sonst wird er die Gebote des Heiligen Geistes nicht halten können.

Quelle:BKV

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