Samstag, 15. Februar 2014

Vorbemerkung zur Großen Fastenzeit und zur Vorfastenzeit, die wir durchlaufen


Die Große Fastenzeit umfasst die Vierzig Tage, zwei Feste - den Lazarussamstag und den Palmsonntag - und die Karwoche. Insgesamt dauert sie 48 Tage. Sie heißt Große Fastenzeit, nicht nur wegen ihrer Länge (sie ist länger als alle anderen Fastenzeiten), sondern auch wegen der großen Bedeutung dieser Fastenzeit im religiösen Leben des Christen.
Außer den sieben Wochen der Fastenzeit selbst sind durch das Typikon noch drei Vor-bereitungswochenauf die Fastenzeit vorgeschrieben. Diese Vorfastenzeit beginnt mit dem Sonntag des Zöllners und Pharisäers. Vom Beginn der dritten Woche der Vor-fastenzeit bis zum Ende der Fastenzeit wird kein Fleisch gegessen; Fleisch gibt es erst wieder auf dem Festtagstisch zu Ostern. Diese dritte Woche der Vorfastenzeit heißt auch Käse- oder Butterwoche (maslenica), weil die Hauptspeisen in dieser Woche Milchprodukte, Fisch, Eier und Käse sind, deren Genuss in der anschließenden Großen Fastenzeit dann ebenfalls verboten ist.
Drei Wochen vor der Großen Fastenzeit, ab dem Sonntag, an dem bei der Liturgie das Evangelium vom Zöllner und Pharisäer gelesen wird, beginnt man im Gottesdienst das Τriodion (ein Buch für Gottesdienstliche Texte dieser Zeit) zu verwenden. Eben dieses Buch bestimmt die Besonderheiten des Gottesdienstes in der Großen Fastenzeit.
Am Vorabend des Sonntags, der den Namen “Sonntag des Zöllners und Pharisäers“ trägt, wird während der Nachtwache ein besonderes Bußgebet gesungen: “Öffne mir die Tore der Reue...“ Damit beginnt die Vorfastenzeit. Dieser Gesang wird an allen Samstagen in der Nachtwache wiederholt, bis zum fünften Samstag der Fastenzeit einschließlich. Während der Woche des Zöllners und Pharisäers gibt es kein Fasten am Mittwoch und Freitag, um es nicht dem Pharisäer gleichzutun, der sich seiner Frömmigkeit rühmte.

Mit dem “Sonntag des verlorenen Sohnes“ beginnt die zweite Woche der Vorfastenzeit. Bei der Liturgie wird das Evangelium vom Gleichnis des verlorenen Sohnes gelesen. 
Am Vorabend erklingt ein zweiter Bußgesang: 
An den Flüssen von Babylon saßen wir und weinten, Sions gedenkend …Wie könnten wir dem Herrn ein Lied singen in einem fremden Land?
Sollte ich dich vergessen, o Jerusalem, soll meine Rechte verdorren! Meine Zunge klebe an meinem Gaumen,wenn ich nicht Jerusalem über alle meine Freuden stelle… 
Das ist der Psalm des Exils. Die Juden sangen ihn während der babylonischen Gefangenschaft, im Andenken an ihr heilige Stadt Jerusalem. Er wurde seit jeher das Lied desjenigen, der sich seines Verbanntseins in der Gottesferne bewusst und hierdurch zu einem neuen Menschen wurde: zu jemandem, den nichts von dieser gefallenen Welt zufrieden stellen kann, da er seiner Natur und Berufung nach ein Pilger des Allerhöchsten ist. Dieser Psalm wird noch zweimal, an den beiden letzten Sonntagen vor der Fastenzeit gesungen. Und somit offenbart sich die Fastenzeit als Pilgerfahrt und Bereuen, als Umkehr. 

Mit dem “Sonntag des Jüngsten Gerichts“ beginnt die dritte Woche der Vorfastenzeit. Am Sonntag wird in der Liturgie das Evangelium vom Jüngsten Gericht gelesen. Dieser Sonntag heißt auch “Sonntag des Fleischverzichtes“, denn es ist der letzte Tag, an dem Fleisch gegessen wird. Vom darauf folgenden Montag bis Ostern darf man kein Fleisch mehr essen.

Am Samstag davor wird aller Verstorbenen gedacht. Die auf diesen Sonntag folgende Woche heißt “Butterwoche“.

Am “Sonntag der Vertreibung des Adam“auch “Sonntag des Verzeihens“ oder “Sonntag des Käseverzichtes“ genannt, wird aus dem Evangelium die Stelle über die Verzeihung der Sünden und über das Fasten gelesen. Die Vertreibung Adams aus dem Paradies wird in vielen gottesdienstlichen Texten in Erinnerung gerufen. Am Abend versammeln sich alle in der Kirche zum Ritus des Verzeihens. Diese Vesper wird bereits als Fastengottesdienst gehalten, das liturgische Gewand ist schwarz, es werden Kniefälle gemacht und Bußlieder gesungen. Am Ende des Gottesdienstes wird über das Verzeihen der Sünden und Kränkungen und über das Fasten gepredigt und ein Segensgebet für die Große Fastenzeit gelesen. Die Geistlichen, vom Vorsteher beginnend, bitten die Gläubigen und einander um Verzeihung. Danach gehen alle der Reihe nach zu den Priestern, verbeugen sich, bitten um Verzeihung und verzeihen ihrerseits alle Sünden und Kränkungen. Dabei küssen sie das Kreuz und das Evangeliar, als Zeichen der Ehrlichkeit ihrer Worte. Genauso bitten auch die Gläubigen einander um Verzeihung. Dieses gegenseitige Verzeihen der Kränkungen ist eine unumgängliche Bedingung für die Reinigung des Herzens und ein erfolgreiches Fasten.

(aus: Orthodoxes Glaubensbuch, Andrej Lorgus, Michail Dudko, Verlag „Der Christliche Osten“, Würzbug 2001)

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