Samstag, 10. Mai 2014

DIE OSTERZEIT- Die Sonntage des Gelähmten und des Blinden



“Hab nur Mut, steh auf, er ruft dich. (Mk. 10, 49)
Der zweite und der dritte Ostersonntag lenken unsere Aufmerksamkeit auf die Wirklichkeit der Auferstehung Christi. Die Gottesdienste dieser Sonntage wollen unsere Überzeugung von Christi Sterben und Auferstehung vertiefen. Auch wenn an den nächsten drei Sonntagen die Auferstehung des Herrn ein zentrales Thema bleibt, gedenken wir dabei auch einiger wichtiger Ereignisse aus dem Leben des menschgewordenen Gottessohnes. Diese Ereignisse heben die göttliche Kraft Jesu Christi hervor und zeigen uns, dass er der verheißene Messias ist. Am vierten Ostersonntag, dem Sonntag des Gelähmten, wird der von Christus durch das Wort erfolgten wunderbaren Heilung eines achtunddreißig Jahre lang gelähmten Mannes gedacht (Joh 5,1-16). Am fünften Ostersonntag, dem der Samariterin, erinnern wir uns an das Zusammentreffen Jesu mit der Samariterin beim Jakobsbrunnen, wo Jesus sich als der verheißene Messias offenbarte (Joh 4,1-42). Schließlich gedenken wir am darauf folgenden Ostersonntag, dem des Blinden, des Heilungswunders, das Christus an einem Blindgeborenen wirkte(Joh9, 1-41).
Das feierliche Gedächtnis dieser drei Ereignisse wird in der Osterzeit begangen, weil sie sich erstens in der Zeit zwischen dem jüdischen Pascha und Pfingsten ereigneten und zweitens, weil sich durch sie Christus als der verheißene Messias, der Gottessohn, offenbarte. Die Themen des vierten und des sechsten Sonntages gleichen sich dadurch, dass uns an den beiden Sonntagen die vom Herrn vollbrachten Wunderheilungen vorgestellt werden. Aus diesem Grund werden wir sie zusammen behandeln und dann unsere Aufmerksamkeit auf den Sonntag der Samariterin lenken, dessen Thema davon verschieden ist. (…)

Die Linderung des Menschenleidens durch Christus, den Gottessohn
Der Hauptgrund der Menschwerdung des Gottessohnes war unsere Erlösung, die Öffnung des Himmelreiches für uns. Christus ist aber in die Welt gekommen, nicht nur um uns zu helfen, nach einigem irdischen Leiden ein künftig glückliches Leben zu gewinnen, sondern er linderte und lindert immer noch in diesem Leben das Leiden des Menschen. Er will sogar dem Menschen das Leiden ersparen. Im Licht des Evangeliums und gemäß der Lehre der Kirche ist das Leiden ein von Gott erlaubtes Faktum aus nur von ihm gewussten Gründen, manchmal eine Folge der Sünden des Menschen, aber es ist etwas vom Menschen und auch von der Kirche Unerwünschtes. Dagegen beten wir in den Gottesdiensten für “die Gesundheit und die Erlösung“ aller. Wir akzeptieren das Leiden im Falle, dass es uns trifft, aber wir wünschen die Gesundheit, was im Ganzen auch dem Willen des Schöpfers entspricht, der am Anfang alles 
“sehr gut“ erschaffen hat. Das Leiden und die Krankheit traten in die Welt nur als Folge der Sünde, welche die ganze Schöpfung schwächt. Christus kam in die Welt, um den Menschen in seine Würde wiedereinzusetzen, um die Schöpfung zu erneuern, so dass wir verpflichtet sind, die Genesung, die Erneuerung, die Vollkommenheit des Menschen und der ganzen Schöpfung zu wünschen.
In den Gottesdiensten dieser zwei Sonntage wird dieser Gedanke besonders unterstrichen. Am Sonntag des Gelähmten wird uns gesagt, dass Christus kam “um die Kranken zu heilen.“ Den Gelähmten hat er durch sein Wort aufgerichtet. Das Leid der Blutflüssigen hat er geheilt. Der Tochter der Kananäerin hat er sich erbarmt und die Bitte des Hauptmanns nicht verachtet.“ Das Exapostilarion dieses Sonntags stellt uns Christus besonders als den Heilenden vor:
“Es trat der menschenfreundliche und allerbarmende Herr zum Teiche am Schaftor, um die Krankheiten zu heilen. Und er fand einen Mann, der sehr viele Jahre daniederlag, und ihm rief er zu: Nimm dein Lager und beschreite die geraden Pfade. 

Am Sonntag des Blindgeborenen sehen wir Christus, der “des Weges ging“ und nicht eine Heilung beabsichtigte. Als er aber einem leidenden Menschen begegnete, blieb er stehen, um ihn zu heilen, um das Werk dessen, der ihn gesandt hatte, zu vollenden, weil ein Sendungsgrund Christi in die Welt eben die Heilung der Leidenden war. Die Lehre der drei Feste berücksichtigend beten auch wir um unsere seelische und leibliche Genesung:
“Meine Seele, die wie einst der Gelähmte seit langer Zeit an schlimmen Krankheiten leidet, Übergütiger, mach sie gesund, dass ich deine Pfade beschreite, 
die du den dich Liebenden zeigtest.““Meine Seele, o Herr, die in mannigfaltigen Sünden und unseligen Werken schwer gelähmt ist; wecke sie durch deine göttliche Hilfe auf wie du einst den Gelähmten aufgerichtet hast, damit ich gerettet laut rufe: Erbarmer Christus, 
Ehre sei deiner Macht. „
“An den Augen meiner Seele geblendet, komme ich, Christus, wie der Blindgeborene zu dir, und in Reue schreie ich zu dir: Du bist der im Dunkel Wandelnden hell strahlendes Licht.“
“Meine geistigen Augen, die infolge finsterer Sünde blind geworden sind, Herr, erhelle sie, indem du, Erbarmer, ihnen die Demut einschenkst und mit den Tränen der Reue mich rein wäschst.“
Unsere seelische und leibliche Gesundheit, um die wir beten, stehen in enger Verbindung miteinander. Seele und Leib, die ganze Schöpfung soll danach streben, “sehr gut“ zu sein.

(aus: Die Orthodoxe Spiritualität der Osterzeit; Kommentar zum Pentekostarion. Vater Serafim Pâtrunjel [Weihbischof Sofian], Verlag „Der Christliche Osten“ Würzburg, 1998.)

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