Donnerstag, 15. Mai 2014

Hl. Johannes Chrysostomos -Über die Vorsehung und die Unbegreiflichkeit Gottes


Warum wir uns in den Prüfungen gedulden sollen
Die Gerechten früherer Zeiten suchten nicht zu ergründen, wie und wann die Verheißungen sich erfüllen würden. Selbst wenn sie sahen, dass nach menschlichem Ermessen alles zum Verzweifeln war, ließen sie sich nicht aus der Fassung bringen und beunruhigten sich nicht. Sie ertrugen vielmehr alles mit Tapferkeit, denn als machtvollen Erweis ihrer Hoffnung auf die künftigen Güter hatten sie die Kraft Dessen, Der sie verheißen hat, und deshalb konnte die gegenteilige Entwicklung der Dinge sie nicht in Verzweiflung stürzen. 
Sie wußten mit aller Klarheit, dass Er, Der reich ist an Mitteln und Wegen und an Weisheit, selbst verfahrene Dinge wieder in Ordnung bringen kann, in eine bessere sogar, als sie vorher hatten, und das Verheißene mit großer Leichtigkeit zur Vollstreckung zu bringen vermag. 
Auch du mithin, Geliebter, wenn das Betrübliche in diesem gegenwärtigen Dasein  seine Lösung findet, verherrliche Gott. Wendet es sich aber zum Schlimmeren, dann danke Gott auch in diesem Fall und stoße dich nicht daran, im klaren Wissen darum, dass Gottes Vorsehung grenzenlos und unergründlich ist und dass alles den gebührenden Ausgang finden wird, sei es im gegenwärtigen Dasein, sei es im Kommenden. 
Wird aber einer kleinmütig, wenn er vom künftigen Äon reden hört, weil er alles schon hienieden vollstreckt sehen möchte, dann sagen wir ihm, dass das wahre Leben und die sicheren, unwandelbaren Dinge uns drüben erwarten. Denn die gegenwärtigen Dinge sind der Weg, jene aber die Heimat. Die gegenwärtigen sind wie Frühlingsblumen [die verwelken], jene aber wie unerschütterliche Felsen. Dort sind die Kränze und Belohnungen ohne Ende, dort die Siegespreise und Auszeichnungen, dort auch die unerträglichen Bestrafungen und Qualen jener, die solche Untaten verübt haben.

Was also redest du von denen, die Anstoß nehmen? Über jene, die jetzt noch heller strahlen, sagst du nichts, sondern bringst jene vor, die die Maske der Frömmigkeit trugen und nun überführt worden sind. Siehst du nicht, dass das Gold geläutert und das Blei zum Vorschein 
gebracht worden ist, dass die Spreu vom Weizen, die Wölfe von den Schafen und die Heuchler von den  wahrhaftig in Frömmigkeit Lebenden geschieden wurden? Deshalb  -wenn du die Anstöße der einen siehst, erkenne auch die Bewährung der anderen.Einige sind zwar gestolpert, doch weitaus zahlreichere blieben aufrecht und sammelten für sich größeren Lohn, indem sie sich weder von der Macht der Feinde, noch von der Schwierigkeit der Zeiten vom rechten Weg abbringen ließen. Was aber jene angeht, die Anstoß nehmen, so sollen sie über sich selbst nachdenken. Denn die Drei Jünglinge, die man hinweggeführt hatte von den Priestern, vom Heiligtum, vom Opferaltar und allen Pflichten des Gesetzes und sie mitten in ein Land von Barbaren verpflanzte, fuhren fort, das Gesetz mit aller Genauigkeit einzuhalten. 
Desgleichen Daniel und viele andere. Und obwohl sie in die  Gefangenschaft entführt wurden, erlitten sie keinen Schaden, wogegen andere, die zuhause blieben und sich aller Güter der Heimat erfreuten, zu Fall kamen und verurteilt wurden. 
Wieso läßt Gott das Böse zu in dieser Welt?enn du zu ergründen suchst,  weswegen erlaubt wurde, dass diese Dinge geschahen, und du nicht Raum läßt für die unaussprechlichen Gründe von Gottes heilsamen Fügungen, sondern immerdar versuchst, neugierig in den Dingen herumzustochern, wirst du auf diesem Weg noch viel anderes antreffen, das dich ratlos macht. Zum Beispiel: warum erlaubt Gott, dass es die Häresien gibt? den Teufel? die Dämonen? die bösen Menschen, die so viele zu Fall bringen? Allem voran aber: Warum muß der Antichrist kommen, und das mit solcher Macht, dass, wie Christus gesagt hat,  wenn möglich sogar die Auserwählten verführt werden (s. Mt 24,24)?
Doch es ist nicht recht, solchem nachzuforschen. Vielmehr sollen wir alles der unbe-greiflichen Weisheit Gottes überlassen. Der Mutige, der fest in Gott verankert ist, nimmt keinerlei Schaden, selbst wenn Tausende von Wellen heranbrausen, selbst wenn Tausende von Stürmen hereinbrechen, und nicht nur erleidet er keinen Schaden, sondern er nimmt zu an Stärke. Doch der Schwache, Schlaffe und Verzagte stürzt oftmals selbst dann, wenn nichts ihn bedrängt. Willst du mithin einen Grund erfahren, dann vernimm den, der für uns erkennbar ist, denn für Gott, Der auf mancherlei verschiedene Arten alles fügt, was uns betrifft, gibt es noch viele andere Gründe. 
Jenen Grund also, den wir erkennen, ist Folgender.Wir sagen, dass jene Ärgernisse zugelassen werden, damit die Tapferen nicht des Lohns entbehren. Dies hat Gott Selbst bekanntgemacht, als Er mit Hiob sprach und sagte:  Glaubst du denn, dass Ich an dir so gehandelt habe aus einem anderen Grund als dem, dich als Gerechten zu erzeigen? (Hiob 40,8 LXX). 
Und Paulus sagt:  Es muß ja Häresien geben, damit die Bewährten offenbar werden unter euch (1 Kor 11,19). Wenn du nun jenes  Es muß ja Häresien geben hörst, denk nicht etwa, dass er das als Befehl sage oder zur Regel mache. Bewahre! Sondern er kündet an, was unvermeidlich geschehen muß, und zeigt damit den Wachsamen im voraus an, welchen Gewinn sie daraus ziehen werden. Dann nämlich wird die Tugend derjenigen von euch, die sich nicht umgarnen lassen, noch deutlicher aufstrahlen. Überdies gibt es noch einen anderen Grund, weshalb die Bösen zugelassen werden -damit sie nicht durch sofortige Hinwegraffung ausgeschlossen werden vom Nutzen, der ihnen erwächst, wenn sie sich bekehren. Auf diese Weise wurde auch Paulus gerettet, desgleichen der Schächer, die Dirne, der Zöllner und viele andere mehr. Wären diese vor ihrer Umkehr hinweggerafft worden, hätte keiner von ihnen die Rettung erlangt. 
Was aber den Antichrist betrifft, so hat Paulus noch einen weiteren Grund genannt. Welcher ist das? Um den Juden hierdurch jede Entschuldigung zu nehmen. Denn welche Vergebung können jene erwarten, die, nachdem sie Christus nicht angenommen haben, in Zukunft an jenen anderen glauben werden? Deshalb sagt er: Damit alle jene verurteilt seien, die der Wahrheit, das heißt Christus,nicht glaubten, sondern Wohlgefallen fanden am Unrecht, das heißt am Antichrist (2 Thess 2,12). Sie hatten ja gesagt, dass sie deshalb nicht an ihn  glaubten, weil Er Sich Selbst Gott nenne. Deshalb steinigen wir Dich, weil Du, ein Mensch, Dich zum Gott machst (Joh 10,33), und dies, obwohl sie oftmals gehört hatten, wie Er Sich auf den himmlischen Vater berief und sagte, dass Er dem Willen des Vaters gemäß gekommen sei, und obwohl Er dies durch Vieles auch bewies. Was werden sie sagen, wenn sie den Antichrist annehmen, der von sich selbst erklären wird, er sei Gott, ohne sich irgendwie auf den himmlischen Vater zu berufen und indem er das Gegenteil tut  von dem, was Christus tat? Dies ist es, was Christus ihnen vorwarf und voraussagte mit den Worten:  Ich bin gekommen im Namen Meines Vaters, und ihr nehmt Mich nicht an. Wenn dann ein anderer kommt in seinem eigenen Namen, den werdet ihr annehmen (Joh 5,43). Deshalb also läßt Gott die Ärgernisse zu. 
Da du von denen redest, die Anstoß nahmen, will ich dir jene zeigen, die durch widrige Ereignisse noch größeren Glanz erlangten. Denn wiederum sage ich dir: es ist nicht recht, dass jene, die imstand wären, durch Wachsamkeit und Achtsamkeit Myriaden von Kränzen zu erringen, sich durch die Unachtsamkeit und Trägheit anderer abbringen lassen hiervon und daher keinen Lohn empfangen. Dadurch, dass sie dem Kampf ausweichen, setzen sie sich der Anklage aus. Doch jene, die hierbei Schaden nehmen, dürfen ihren Sturz niemand anderem zuschreiben als sich selbst. Deshalb verdienen sie den Tadel jener, die nicht nur keinen Anstoß nahmen, sondern durch diese Ereignisse zusätzlichen Glanz und Kraft erlangten.

Quelle: www.prodromos-verlag.de

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