Sonntag, 25. Mai 2014

Erzpriester Georgios Metallinos -Die Voraussetzungen der Einheit


Der größte Feind der Einheit der Christen
"... damit sie eins seien, so wie Wir"(Joh 17,11)

Heute, da unsere Kirche das Gedächtnis der Heiligen und Gotttragenden Väter des 1.Ökumenischen Konzils (Nikäa 325) feiert, weil sie dieselbe von der geistigen Krankheit der arianischen Kakodoxie befreiten, erachten wir es als nützlich, uns genereller mit der Bedeutung der Häresie zu befassen, des größten Feindes der Einheit der Christen.

 1. Das charakteristische Merkmal unseres Glaubens ist die Katholizität. Unsere Kirche ist katholisch im Sinn des Heiligen Glaubensbekenntnisses. Dieses Merkmal der Kirche gründet auf den Worten unseres auferstandenen Herrn: "Geht hin, macht alle Völker zu Jüngern, indem ihr sie tauft im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und sie lehrt, alles zu halten, was Ich euch aufgetragen habe" (Mt 28,20). Die Katholizität der Kirche hat zwei Dimensionen. Die vertikale, das heißt die Annahme der Ganzheit der offenbarten göttlichen Wahrheit, der Fülle der göttlichen Offenbarung. Und die horizontale, das heißt die Verbreitung der Ganzheit dieser Wahrheit unter allen Völkern. Der Auftrag der Kirche besteht mithin in erster Linie in der Bewahrung der Reinheit und Genauigkeit des "ein für allemal anvertrauten Glaubens"(Jud 3) und in der Verbreitung desselben in der ganzen Welt.
2. Doch was war die "Welt" zur Zeit, da die Urkirche sich an die Erfüllung dieses hohen Auftrags auf Erden machte? Götzenkult, Gottlosigkeit, Sittenzerfall, Unrecht, Ausbeutung, Sklaverei und alles weitere, was der Apostel Paulus im ersten Kapitel seines Briefs an die Römer aufzählt (Röm 1,18ff). Aus einem solchen Umfeld also stammten die neuen Glieder der Kirche. Kennzeichnend hiefür sind Paulus' Worte an die Epheser: "Ehedem wart ihr Finsternis, nun aber seid ihr Licht im Herrn" (Eph 5,8). Wie ein Licht inmitten der Finsternis leuchtete die Kirche. Alle jene, die dem Ruf Gottes gehorchten und Glieder der Kirche wurden, waren auch gehalten, ihren Glauben anzunehmen, das heißt wirklich und organisch einszuwerden mit ihren anderen Gliedern, ihre Wahrheit zu leben, die Gewohnheiten der Welt zu tauschen gegen eine Lebensführung in Heiligkeit, Liebe und Gerechtigkeit. Die Kirche verlangte mithin von Anfang an eine gänzliche Änderung der Lebensweise. Sie verlangte, dass der Mensch tatsächlich "eine neue Schöpfung" werde.
 Damit dies Wirklichkeit werden konnte, war es für die neuen Gläubigen notwendig, im Geist der Kirche neu geboren zu werden, sodass ihre Einpfropfung in deren Leib vollständig und vollkommen wurde. Und es gab viele, die sich bereit erwiesen, diese Forderung zu erfüllen. Es gab aber auch etliche, die trotz ihres freiwilligen Auszugs aus der Welt und ihrer Aufnahme in die Kirche, nicht gewillt waren, ihre alte Lebensweise zu vergessen. Es widerfuhr ihnen dasselbe wie den Israeliten, die sich, kaum hatten sie begonnen, die Luft der Freiheit zu schnuppern, zurücksehnten nach dem Knoblauch und den Zwiebeln Ägyptens (Num 11,5). Solches vergleicht das Wort Gottes mit der Gewohnheit des Hundes, zurückzukehren zu "seinem Auswurf" oder jener des Schweins, sich nach dem Bad wieder im Schlamm zu wälzen (2 Petr 2,22). 
 3. Wer waren jene Christen? Die einen waren Judaisierende. Sie suchten das Christentum dem Buchstaben des mosaischen Gesetzes zu unterwerfen und seine weltweite Sendung gleichzusetzen mit dem jüdischen Nationalismus. Andere waren Hellenisierende. Sie versuchten, das Christentum zu vermischen mit der PseudoPhilosophie dieser Welt und es durch Anpassung an den Götzenkult in den Rahmen einer Religion zu zwängen. Noch andere schließlich waren Römer. Diese, pragmatischer gesinnt und handfesteren Interessen ergeben, sahen den neuen Glauben als ein Mittel zur Festigung ihrer eigenen weltweiten Vorherrschaft und irdischen Macht. 
 Jede dieser Tendenzen nahm von der Lehre des Christentums an, was ihr von Nutzen und von Vorteil war. Das Schwergewicht aber legte jede auf ihre eigenen Grundsätze, ihre eigenen Zielsetzungen, und, was schlimmer ist, jede erzeugte damit eine neue Lehre, die sie als kirchlich - christlich präsentierte. Sie ließen es jedoch nicht dabei bewenden. Vielmehr unternahmen sie es, die Lehre der Kirche selbst auf ihre eigene Weise zu interpretieren. Eine Gruppe mit solchen Tendenzen mochte zwar glauben, sie lebe im Leib der Kirche, doch in Wirklichkeit verkündete sie ihren eigenen Glauben und nicht mehr jenen der Kirche. Dies ist genau das, was in der theologischen Sprache der Kirche als HÄRESIE bezeichnet wird. Es bedeutet mithin, dass jemand seine eigenen Ansichten und Überzeugungen als Lehre der Kirche präsentiert und seine eigene Interpretation der göttlichen Offenbarung als kirchliche Interpretation und Lehre.
 4. Die Häresie richtet in der Kirche größeres Unheil an als die Sünde. Der Sünder stürzt als Einzelperson, und es ist durchaus möglich, dass er wieder zu sich kommt, indem er Gebrauch macht von den erlösenden Mitteln der Kirche. Doch der Häretiker fällt endgültig ab vom Leib der Kirche. Denn er glaubt nicht an die Kirche als Arche der göttlichen Offenbarung. Er glaubt nur an sich selbst und nimmt die Stellung eines Richters über den anvertrauten Glauben ein. Anders gesagt, er macht sich selbst zum Gott, anerkennt er doch keine andere, höhere Autorität als seine eigene Person. Jede Häresie ist ein Auswuchs derselben Krankheit des menschlichen Egoismus. Alle Häresien sind von derselben Natur. Doch damit wird die Kirche entzweit und die Einheit zerstört. Vielleicht ist es nicht übertrieben, als erste Häretiker der Geschichte die Ersterschaffenen zu betrachten, denn sie als erste stellten ihren eigenen Willen über den Willen Gottes, und als erste auch wurden sie aus der göttlichen Gemeinschaft verbannt. 
Die Häresie ist eine Blasphemie gegen den Heiligen Geist, und es ist nicht verwunderlich, dass die meisten Häretiker nebst ihren anderen Irrlehren auchPneumatomachen sind, 
Bekämpfer des Heiligen Geistes, von den Makedonianern der Frühzeit bis hin zu unseren zeitgenössischen Chiliasten, den (Pseudo-)Zeugen Jehovas. 
 So zerreißt die Häresie den Leib der Kirche. Sie zerstört ihre Einheit. Sie verzerrt die göttliche Offenbarung und zerbröckelt sie. Sie vermischt die Wahrheit mit der Verblendung. Deshalb ist Häresie weit schlimmer als eine andere Religion. Denn sie kommt nicht von außen, und deshalb wird sie nicht bemerkt. Sie ist wie ein verborgenes Geschwür im Leib der Kirche. Sie zirkuliert als Wahrheit, in kirchlichem Gewand und mit kirchlicher Färbung, und so gelingt es ihr mit Leichtigkeit, zu täuschen. Sie ist die schlimmste Waffe des Satans gegen die Kirche, schlimmer noch als die Verfolgungen. 
Denn sie tötet nicht sterbliche Leiber, sondern unsterbliche Seelen. Eben darum, weil die Häretiker hinterlistig als Glieder der Kirche auftreten, gelingt es ihnen, mit ihrer Scheinheiligkeit die Einfachen und im Glauben Ungefestigten zu täuschen. So geschieht es auch in unserem Land mit den verschiedenen Häretikern, die mit der Heiligen Schrift in der Hand ihre Hinterlist verhüllen. Nebst ihrer Verblendung in Glaubensfragen verhüllen sie damit aber auch rein utilitaristisch-politische Zielsetzungen, die sie im Dienst der Zentren verfolgen, von denen sie abhängen. Unter dem Vorwand scheinbar philanthropischer Tätigkeiten, der Fassade einer angeblich strikten Lebensweise und mit Hilfe einer geschickten und gut vorbereitetenPropaganda verführen sie die Leute und steuern sie methodisch ihrem finsteren Ziel zu, welches nichts anderes ist, als sie zum Verlassen der Kirche zu bringen und das Werk Christi zu zerstören. 
 Meine Brüder!
 Selbst ein kurzer Blick auf die Kirchengeschichte genügt, um festzustellen, was die Häresie im Leben der Kirche bedeutet. Weil die Häresie ein Produkt des Teufels ist, sucht ihr "geistiger Vater" sie als sein Kind auch mit aller Sorgfalt zu behüten. Es ist mit Recht gesagt worden, dass der größte Sieg des Satans darin besteht, uns von seiner Inexistenz zu überzeugen. Desgleichen besteht der größte Erfolg der Häresie darin, einerseits die Gebildeten und unmittelbar Verantwortlichen davon zu überzeugen, dass die Beschäftigung mit der Häresie und ihre Widerlegung eine niedrige Sache sei, über die man nicht einmal ein Wort verlieren sollte, andrerseits das einfache Volk davon, dass man in den verschiedenen häretischen Gruppen die Wahrheit und das echte christliche Leben finden könne.
 Wir jedoch, die wir der Überlieferung der Heiligen Väter unserer Kirche treu bleiben wollen, betrachten es als klare Konsequenz unseres Glaubens und als unsere heilige Pflicht: a) alle Häresien aufzudecken, b) zum Bewußtsein zu bringen, dass alle Häresien finsteren Interessen dienen und auf die Zerstörung des Glaubens zielen, und c) uns selbst und unsere Brüder zu bewahren vor diesem verderblichen Gift des Teufels.

Die wahre Einheit
"... bis wir alle hingelangen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes"(Eph 4,13)
Das Thema der Einheit der Christen berührt die feineren Saiten jedes christlichen Herzens, denn es betrifft das Zentrum des Lebens der Kirche und ihrer Sendung. Dies bestätigt mit aller Deutlichkeit jenes erhabene Gebet, Vermächtnis unseres Christus in Seinem hohepriesterlichen Gebet: "... damit sie alle eins seien" (Joh 17,21), das zum täglichen Gebet der Kirche geworden ist: "und um die Vereinigung aller laßt uns ...bitten". Noch spürbarer wird es bei der Betrachtung des Dramas der gespaltenen christlichen Welt und der vielnamigen unionistischen Bemühungen. Wenn wir uns außerdem einige schismatische - wahrlich traumatische - Zustände innerhalb der Orthodoxie selbst vor Augen führen sowie die so häufigen Uneinigkeiten und Streitigkeiten unter uns, dann kommt uns die Wichtigkeit der 
Einheit zum Bewußtsein. 

Grundlegende Voraussetzungen
Die Einheit der Kirche hat zunächst einmal bestimmte unerläßliche Voraussetzungen, die wir unterstreichen müssen, damit wir das Wort des Apostels über das Wesen unserer Einheit besser begreifen. 
Die Einheit der Kirche ist Einheit "in Christus". Einheit in dem einen und einzigen Leib Christi (s. 1 Kor 12,12ff). Sie ist nicht die Frucht einer bloßen ideologischen Identifizierung und Übereinstimmung der Glieder der Kirche, noch auch das Ergebnis einer nahtlosen organisatorischen Verbindung. Denn sonst wäre die Kirche nicht der Leib Christi, der belebt ist vom Heiligen Geist, sondern irgendein Verein, eine Gesellschaft, eine Organisation, von der Art, wie die Welt sie kennt. Die Einheit der Kirche ist "Einheit im Heiligen Geist", sie wird aufgebaut und erhalten durch die lebensspendende Gnade des Heiligen Geistes. 
 Ferner ist die Grundlage dieser Einheit nicht ein gemeinsames Streben der Glieder zur Erfüllung gemeinsamer Interessen und Zielsetzungen - und wären sie auch geistiger Art , sondern einzig und allein die in der Person Christi offenbarte Wahrheit, in die jeder 
Gläubige zur Gänze einzugehen gerufen ist, damit er auch mit allen seinen anderen Brüdern vereint sein kann im einen und einzigen Leib des Herrn (s. 1 Kor 10,17). "Ein einziger Herr, ein einziger Glaube, eine einzige Taufe, ein einziger Gott und Vater aller" (Eph 4,5-6) - dies sind die Grundlagen der Einheit der Kirche. Wo diese Voraussetzungen fehlen, kann es keine kirchliche Einheit geben. Im Gegenteil, dort zeigen sich Häresie, das heißt Trennung, und Schisma. Die Häresie wirft jene vom Apostel Paulus im Heiligen Geist definierten Grundlagen der Einheit um. 
 Der Häretiker nimmt den einen und einzigen Herr nicht an, denn er zerstückelt die  Wahrheit des Herrn, womit er sie verdirbt. Er verwirft den einen und einzigen Glauben, nimmt er doch einen Glauben an, der nicht rettet. Er verleugnet den einen und einzigen Gott, nimmt er doch einen "Gott" an, der ein anderer ist als der Wahre, Der uns die Wahrheit anvertraut hat und nicht die häretische Irrlehre. Deshalb hat der Häretiker auch keinen Anteil an der Taufe des Leibes Christi, denn in der Verblendung einer jeden Häresie kann es keine echte Taufe geben, sondern nur eine Pseudo-Taufe.

Mittel der Einheit
 Zuallererst gewährt uns Christus Seine ungeschaffene Gnade, die uns belebt und uns in der Einheit mit Ihm bewahrt. Diese Gnade und Heiligung schöpfen wir innerhalb der Kirche ohne Unterlaß, durch die heiligen Mysterien und vor allem durch die Herabkunft des Heiligen Geistes in uns, um Wohnung zu nehmen in uns, was auch das Hauptziel unseres geistigen Lebens ist. Die Gnade Christi wird gemäß dem gerechten Maß Christi gewährt, das heißt entsprechend dem Grad unserer inneren Läuterung, aber auch entsprechend dem Werk eines jeden innerhalb Seines Leibes. Denn die Gnade Christi äußert sich in Seinem Leib als Charismen, als charismatisches Wirken im Aufbau und Leben der Kirche. Deshalb hat der Herr uns Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer gegeben.
 Der Apostel Paulus spricht vom Aufbau der Kirche und erwähnt, wie zum Beispiel im Ersten Brief an die Korinther (1 Kor 12,28ff), die Gnadengaben des Heiligen Geistes, die im Leben der Kirche als Diakonien zum Ausdruck kommen. Von den Aposteln, die Christus Selbst erwählte (s. Joh 15,16), bis zu den heutigen Trägern der Gnadengaben des Heiligen Geistes, die in der Kirche - von Gott erwählt aus allen Gläubigen, die Glieder des Leibes sind, und dies ist die authentische Praxis der Kirche (s. Apg 6,1ff), - eine bestimmte Diakonie versehen (Hirten), haben wir eine ununterbrochene Diakonie, dank welcher Heilige heranreifen können, d.h. damit die Glieder des Leibes fortschreiten können in Heiligkeit, sodass die Kirche geistig "wächst". Die Gnade und die Diakonien-Gnadengaben haben einen bestimmten Zweck, und dieser ist nichts anderes als die echte und wahre Einheit. 

Die echte und wahre Einheit
 Sie bedeutet erstens, dass alle die Wahrheit Christi, Seiner Offenbarung, auf dieselbe Art annehmen. Es bedeutet die absolute Bejahung der Person Christi, des gesamten Spektrums der Wahrheit, die Er uns mit Seinem Kommen in die Welt offenbart hat. Und zweitens bedeutet sie die Anerkennung Christi, innerlich und äußerlich, in unserem Herzen und in unserem Leben, als der inkarnierte Gott, Der Mensch wurde zu unserem Heil, und infolgedessen unsere Übergabe an Ihn, damit Er unser Leben heilige und vergöttliche. Dies geschieht bei unseren Heiligen, die, nachdem sie Christus zur Gänze angenommen haben, den rechten Glauben und das rechte Bekenntnis bewahren, und indem sie Christus auf dieselbe Art anerkennen, zu Seiner vollkommenen Erkenntnis gelangen, welche Teilhabe am ungeschaffenen Licht Seiner Göttlichkeit ist. Ohne diese beiden Elemente, kann es keine christliche Einheit geben. Wenn der Glaube fehlt oder mangelhaft, das heißt häretisch ist, enden wir in einem individualistischen Pseudo-Christentum, das unfähig ist, Einheit zu schaffen, so wie der Apostel Paulus sie versteht. 
Wenn die Erkenntnis Christi als Sohn Gottes fehlt, verfehlen wir das Wesen Christi und leugnen Seine Ausschließlichkeit als Erlöser der Welt. Dann verstehen wir unsere christliche Identität als ergänzendes Element unseres Lebens und nicht als unser Leben selbst. An dieser zweifachen Krankheit leidet generell das ganze "Christentum" unserer Epoche....
 Die Einheit der Kirche kann nicht irgendeine andere sein als jene, die uns der Apostel Paulus darlegt. So haben alle Heiligen unserer Kirche, gestern wie heute, die Einheit verstanden, so wird sie verkündet von der Orthodoxie unserer Heiligen Väter. Einheit mit "Vielfalten" und "Pluralismen" in bezug auf die Essenz des Glaubens aber ist der Kirche unbekannt. Wenn mithin der eine und einzige Heilige Geist in uns wohnt, wenn wir anders gesagt durch die innere Läuterung zur Erleuchtung durch den Heiligen Geist gelangt sind, dann erst werden wir auch zur echten und wahren Einheit der Kirche gelangen. 

Die Tragik der Häretiker
"Von einem häretischen Menschen ziehe dich zurück"(Tit 3,10)
Der Begriff "Häretiker" ist von den Exegeten des Neuen Testaments und besonders jenen der jüngsten Zeit auf vielerlei Arten ausgelegt worden. Es gibt jedoch auch die spezifische Bedeutung, die dieser Begriff in der Sprache der Heiligen Väter angenommen hat, in der Sprache der Orthodoxie. Für unsere Heiligen Väter bedeutet "Häretiker": Verdreher des Glaubens, der offenbarten Wahrheit, der von Gott her gegebenen Art und Weise, wie wir gerettet werden. Häresie ihrerseits ist die verfälschte Auffassung von der Person des Erlösers 
Christus, eine Auffassung, die den Menschen nicht zum Heil, zur Vergöttlichung zu führen, noch auch die Welt vom Bösen zu erlösen vermag....
Die Heiligen Väter, echte Theologen
 Damit wir die Tragik verstehen können, in der die Häretiker leben und sich bewegen, müssen wir jene Größe betrachten, die ihnen diametral entgegengesetzt ist, nämlich die Heiligen Väter, in ihrem hauptsächlichsten Werk, der Theologie. Gewiß, hier wird der in den gesellschaftstheoretischen Denkmustern unserer Zeit Befangene protestieren, weil er nicht begreifen kann, dass das ganze Werk der Väter, in jeder Epoche, Theologie ist. Denn mit Gott vereint setzen sich die Väter auseinander mit den Problemen nicht nur des Glaubens, sondern des Lebens insgesamt. Gott, die Wahrheit, bringen sie ein sowohl bei der Lösung dogmatischer Krisen als auch bei der Betreuung ihrer geistigen Kinder, die sie zum Leben in Christus führen, welches Kommunion ist im Heiligen Geist. Die Heiligen Väter theologisieren stets mit der Erleuchtung des Heiligen Geistes. Zuerst werden sie, durch ihre Askese und ihren geistigen Kampf, zu Gefäßen und Tempeln des Heiligen Geistes. Sie werden gewürdigt, vom Heiligen Geist, von Gott bewegte Münder des göttlichen Logos und Hände des Heiligen Geistes zu werden. Ihre Theologie ist Ausdruck ihrer mystischen Erfahrungen. Sie drücken aus, was der Heilige Geist ihnen in ihrem Inneren offenbart, und verbreiten um sich Sein Licht. Sie sagen das, was sie in ihrem erleuchteten und gotttragenden Herzen schauen. Sie sind mithin nicht Denker und Philosophen, wie die Welt sie kennt, Intellektuelle, wie wir sagen. Unser Denken kann niemals Theologie werden. Es bleibt Philosophie, Metaphysik, menschliches Suchen.
 Die Theologie der Heiligen Väter ist das Ergebnis der Gegenwart des Heiligen Geistes in ihnen. Dies bekennt einer von den wenigen, die von der Kirche zu Recht den Beinamen des Theologen erhalten haben, der heilige Gregor der Theologe: "Nicht jedem steht zu, über Gott zu philosophieren. Nicht jedem steht solches zu. Es ist nicht eine so billige und geringe Sache... Es steht nicht allen zu, sondern nur denen, die sich bewährt haben und die fortgeschritten sind zur Gottesschau, nachdem sie zuvor sowohl die Seele als auch den Körper von den Leidenschaften gereinigt haben oder sie zumindest jetzt reinigen."
 Die Heiligen Väter haben jedes Recht zu sagen: "Es hat dem Heiligen Geist und uns gefallen" (Apg 15,28), ohne die geringste Gefahr, deshalb der Überhebung angeklagt zu werden. Auf ebenso natürliche und ungekünstelte Art verkündeten die Hesychasten des Heiligen Bergs im Tomos von 1341: "Dies haben uns die Heiligen Schriften gelehrt, dies haben wir von unseren Heiligen Vätern empfangen, dies haben wir durch unsere kleine Erfahrung erkannt..." Ihre Demut zeigt sich an dem Wort "kleine". 
Sie waren nämlich genötigt, auch ihre eigene Erfahrung der Gottesschau zu erwähnen. 

Die Häretiker, "Therapeuten", die selbst der Therapie bedürfen
 Häresie ist nicht einfach ein logischer Fehler, noch auch sind die Häretiker einfach solche, die sich geirrt haben bei der Suche nach der Wahrheit. In ihrem Fall geschieht etwas tieferes und substantielleres. Dem Buchstaben nach kennen sie zwar die Heilige Schrift, oftmals sogar in erstaunlichem Grad. Doch es fehlt ihnen etwas Wesentliches, und dieser Mangel unterscheidet sie grundlegend von den Heiligen Vätern. Es fehlt ihnen die Erfahrung des Heiligen Geistes der Väter. Die innere Erleuchtung durch den Heiligen Geist. Denn sie sind nicht durch die Therapie der Kirche gegangen. 
Es kann sein, dass sie in ihrem sittlichen Lebenswandel (äußerlich) ohne Tadel sind. Doch sie haben den Heiligen Geist nicht in sich. Deshalb sehen sie nicht, was die Väter im Heiligen Geist sehen. Es kann sein, dass sie intellektuell in erstaunlichem Maß entwickelt sind. Und es ist tatsächlich so, dass alle großen Häretiker beeindruckten durch ihr vielseitiges Wissen und ihre "Weisheit"! Selbst heute.... Doch ihr Herz ist nicht rein, noch auch sind sie zu Tempeln des Heiligen Geistes geworden. Häresie setzt eine schlechte oder inexistente Therapie voraus. Deshalb ist die Theologie für die Häretiker eine intellektuell-wissenschaftliche Angelegenheit, ein Spiel der Vernunft und des Denkens. Die Erfahrung der Vergöttlichung, deren die Väter gewürdigt werden, ist das, was ihnen fehlt. Deshalb ist der Häretiker außerstand, am kritischen Punkt die Wahrheit von der Irrung zu unterscheiden. Denn er sieht die Wahrheit nicht in sich selbst, sein Herz kennt sie nicht. Er verfügt nicht über das Fahrzeug des "inneren Gebets", und deshalb vermag er nicht zur "Verherrlichung" zu gelangen, die die Offenbarung der "ganzen Wahrheit" durch den Heiligen Geist ist (Joh 16,13). 
 Genau hier zeigt sich denn auch die Tragik aller Häretiker und vor allem der Häresiarchen. Während sie selbst unerleuchtet sind, suchen sie zu erleuchten. Während sie selbst ungeheilt sind, suchen sie zu heilen. Während sie selbst ohne Gott sind, suchen sie zu theologisieren. Wir könnten die Häretiker vergleichen mit Quacksalbern und Scharlatanen, die betrügen. Doch es handelt sich um etwas noch schlimmeres: sie sind Ärzte, die eine mörderische Therapie verabreichen, durch welche die Menschen auf ewig getötet werden. Sie sind Giftmischer, die vergiftete, verfälschte Arzneien in Umlauf 
setzen, die eine Gefahr sind für die öffentliche Gesundheit, nicht die körperliche, sondern die geistige und ewige.

Ein Unterschied der Sachen
 Indem wir der Sichtweise der Heiligen Väter bezüglich der Häresie folgen, können wir uns bewußt werden, welch verderblichen Einfluß dieselbe ausübt in der heiligen Sache unserer Rettung. In der Abgestumpftheit unserer geistigen Sinnesorgane siedeln wir den Unterschied zwischen Orthodoxie und Häresien allzu oft auf der Ebene von Ausdrucksweisen und formalen Varianten an. Dies führt zur Minimalisierung des Unterschieds und erzeugt den Eindruck, dass die Uneinigkeit bedeutungslose Dinge betreffe, die sich mit etwas gutem Willen leicht regeln ließen. Dies geschieht, weil wir, die wir uns für Orthodoxe halten, die Heterodoxen gewöhnlich mit uns selbst vergleichen. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn wir mehr Gemeinsames als Trennendes feststellen!  Betrachten wir jedoch die Häresien vom Standpunkt der heiligväterlichen Wirklichkeit und vergleichen die Häresien unserer Epoche mit unseren Heiligen Vätern, werden wir feststellen, dass es sich um einen Unterschied von Sachen handelt, und nicht um einen Unterschied von Worten. Es handelt sich um einen Unterschied zuallererst der therapeutischen Methode. Die Spiritualität der Orthodoxie bringt Heilige Väter hervor, während die "Spiritualität" der Häresien Verderben sät. Deshalb werden die Heiligen Väter immerdar die "reingoldenen Münder des göttlichen Logos" bleiben, die nicht nur 
die Häretiker und Heterodoxen, sondern auch uns, die wir bloß dem Namen nach orthodox sind, zur echten Therapie in Christus rufen, die zur Verherrlichung und zur wahren Theologie führt.

prodromos-verlag

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