Dass die evangelischen Gebote der Weltentsagung und Askese gleicherweise gelten für Mönche und Verheiratete.Ratschläge an beide.
"Kommt zu Mir, ihr alle, die ihr euch müht und beladen seid, und Ich will euch erquicken",
sagt die Göttliche Stimme (Mt 11,28). Ob damit die künftige Erquickung gemeint sei
oder die gegenwärtige, sie ruft und ermuntert uns einerseits, die Last der vielen Besitztümer abzulegen, indem wir sie an die Bedürftigen verteilen, und andrerseits, nachdem wir die Masse der uns aus diesem Besitz erwachsenen Sünden von uns getan haben durch gute Werke und Beichte, das kreuztragende Leben der Mönche auf uns zu nehmen.
2. Wahrlich bewundernswert und selig ist jener, der es vorzieht, auf Christus zu hören, und
sich dem Leben in Niedrigkeit und ohne Ablenkung zuzuwenden. Doch ich bitte euch -keiner tue dies ohne Vorbereitung, noch auch erwarte er für sich ein Leben ohne Mühsal und das Heil ohne Kampf. Er soll sich vielmehr zuerst ertüchtigen, damit sich erweise, ob er imstande ist, Bedrängnisse des Leibes und des Geistes zu ertragen. Denn sonst kann es sein, dass er sich später unerwartet in Prüfungen und Kämpfe verwickelt findet, denen er nicht standzuhalten vermag, und so den Rückzug antritt und unter Schande und Gespött zu dem zurückkehrt, was er verlassen hat.
Und indem er mit verurteilter Seele in die Welt zurückkehrt, wird er vielen zum Anstoß, da er ihnen den Eindruck vermittelt, das Leben in Christus sei eine Unmöglichkeit. Ihr alle aber, die ihr die Evangelien lest, seid euch wohl bewusst, welche Gefahr solches birgt, sagt doch die Göttliche Stimme: "Es wäre besser für ihn, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen würde, als dass er einem dieser Kleinen zum Anstoß wird" (Mt 18,6). Denn er wird sich nicht nur als Fahnenflüchtiger zu verantworten haben, sondern auch als Urheber des Verderbens jener, die seinetwegen zum Kentern gebracht wurden,selbst wenn er versucht, sich mit unsinnigen Gedanken zu überzeugen, dass er Gottes Wohlgefallen gewinnen wird durch gute Werke in der Welt, was für ihn unmöglich ist. Denn wenn er den Anfechtungen des Widersachers nicht zu widerstehen vermochte in der Lebensform, wo durch das Fehlen von Ablenkungen die Gelegenheiten zur Sünde geringer sind, wie vermöchte er irgendein Tugendwerk zu vollbringen in einem Dasein, das vielen Sünden ausgesetzt und vom Widersacher beherrscht ist? Selbst in der Annahme, dass einer sein persönliches Leben berichtigt, wird er dem Vorwurf, Christus verlassen zu haben, nicht entgehen, ebenso wenig wie jene Jünger, die ihm Evangelium erwähnt sind und von denen der göttliche Evangelist sagt: "Viele der Jünger aber zogen sich zurück und gingen nicht mehr mit Jesus, denn sie sagten: 'Hart ist Sein Wort, wer ist imstand, Ihm zu gehorchen' "
(s. Joh 6,66 und 6,60).
3. Deshalb hat der menschenliebende Gott, Der besorgt ist um unser Heil, die Lebensführung der Menschen in zwei Formen geteilt - das eheliche Leben, meine ich, und das Leben in Jungfräulichkeit, damit jener, der den Kampf der Jungfräulichkeit nicht zu ertragen vermag, eine Frau heirate, im Wissen, dass auch von ihm Rechenschaft verlangt werden wird für seine Enthaltsamkeit und Heiligung und für seine Angleichung an die Heiligen, die in der Ehe lebten und Kinder aufzogen.
Zu diesen letzteren gehört im Alten Bund Abraham, der großen Ruhm erwarb dadurch, dass er Gott über alles hielt und bereitwillig seinen einzigen Sohn hinopferte. Auch hielt er die Türen seines Zeltes geöffnet und war bereit, gastfreundlich diejenigen zu empfangen, die der
Gastfreundschaft bedurften. Denn das Wort: "Geh hin und verkaufe, was du hast, und gib es den Armen"(Mt 19,21), war noch nicht ergangen. Größeres noch als das zeigten Hiob und viele andere, wie David und Samuel. Im Neuen Bund gehören Petrus und die anderen Apostel zu ihnen.
Von jedem Menschen nämlich werden die Früchte seiner Liebe zu Gott und zum Nächsten
gefordert werden, und für die Nichteinhaltung dieser und der anderen Gebote wird er die
gebührende Strafe empfangen, wie der Herr im Evangelium erklärt: "Wer Vater und Mutter mehr liebt als Mich, ist Meiner nicht würdig" (Mt 10,37) und: "Wer seinen Vater und seine Mutter, seine Frau und Kinder, ja selbst sein eigenes Leben nicht hasst,kann nicht Mein Jünger sein" (Lk 14,26).
4. Siehst du mithin, dass die Evangelien auch für die Verheirateten gelten? Es ist offenkundig, dass der Gehorsam gegenüber dem Evangelium von uns allen gefordert ist, ob wir nun Mönche seien oder verheiratet. Für den in den Ehestand Tretenden sei genug, dass ihm Vergebung gewährt wird für seinen Mangel an Enthaltsamkeit, für sein Verlangen nach der Frau und die Vereinigung mit ihr. Doch die übrigen evangelischen Gebote sind gleicherweise bindend für alle und beinhalten Gefahr für den, der sie übertritt.
Als Christus die Gebote Seines Vaters verkündete, sprach Er zu solchen, die in der Welt lebten, und als die Jünger Ihn einmal im Vertraulichen befragten, antwortete Er ihnen: "Was Ich euch sage, sage Ich allen" (Mk 13,37).
Deshalb lehn dich nicht zurück, du, der du das Zusammensein mit einer Frau vorgezogen hast, als hättest du das Recht, dich mit der Welt zu verstricken. Denn nachdem du das Leben inmitten der Fallen und der Herrschaft der von Gott abgefallenen Mächte gewählt hast, bedarfst du entsprechend größerer Bemühung und Wachsamkeit, um das Heil zu erlangen. Tag und Nacht nämlich werden alle deine Sinne gereizt zur Begierde nach den Genüssen der Sünden, die du ständig vor Augen hast. Wisse deshalb, dass du dem Kampf mit dem Apostaten nicht entrinnen kannst und den Sieg über ihn nicht erringen wirst ohne viele Anstrengungen zur Einhaltung der Lehren des Evangeliums.
Wie könntest du dich dem Kampf mit dem Apostaten entziehen, da du doch mitten drin stehst?Dieses Schlachtfeld erstreckt sich über die ganze Erde, die unter dem Himmel ist und die er, wie uns das Buch Hiob lehrt, durchschweift und durchwandert(Hiob 1,7) wie ein tollwütiger Hund, auf der Suche, wen er verschlinge (s. 1 Petr 5,8). Willst du den Kampf mit dem Widersacher meiden, dann geh hinüber in eine andere Welt, wo jener nicht ist. Dort kannst du diesen Kampf ruhig ablehnen und die Einhaltung der evangelischen Gebote ohne Gefahr beiseite schieben. Ist das aber nicht möglich, dann beeile dich, das Kämpfen gegen ihn zu erlernen, indem du dich in der Kampftechnik instruieren lässt durch die Heiligen Schriften, damit du nicht der Unwissenheit wegen von ihm besiegt und dem ewigen Feuer übergeben wirst.
Dies also, in Kürze, an die Adresse jener, die im Ehestand leben und in Unkenntnis der Gefahr, in der sie sich befinden, die Einhaltung der Gebote Christi vernachlässigen.
5. Du aber, der du die himmlischen Wohnstätten liebst und dich nach der Lebensführung der Engel sehnst und Mitstreiter der heiligen Jünger Christi zu werden begehrst, stärke dich zum Erdulden der Bedrängnisse und tritt mutig hin zur Versammlung der Mönche. Sei mannhaft am Anfang deiner Lösung von der Welt, damit du dich nicht hinabziehen läßt vom Hangen an deinen leiblichen Verwandten. Mach dich stark, indem du das Sterbliche eintauschst gegen das Unsterbliche. Und wenn du dich daran machst, dich dessen zu entledigen, was du besitzt, bleib unbeugsam und sei gewiss, dass du all das in den Himmel hinauf schickst und was du jetzt im Schoss der Armen verbirgst, bei Gott um Vieles vermehrt wiederfinden wirst.
Betrübe dich nicht, von Freunden und Bekannten getrennt zu sein, denn nun bist du verbunden mit Christus, Der Sich für dich kreuzigen ließ, und welchen größeren Erweis der Freundschaft könnten wir uns denken als das (s. Joh 15,13)?
Und wenn du mit Gottes Hilfe in diesem ersten Faustkampf den Sieg errungen hast über deinen Widersacher, wirf dich nicht weg wie ein ehrloses Gefäß, denn schon hast du dir durch deine Lösung von irdischen Besitztümern Ehre errungen bei Christus. Mit großer Sorgfalt und Umsicht bemühe dich nun, einen zuverlässigen Führer zu finden für deinen weiteren Weg, der es recht versteht, die Wanderer zu lenken, die unterwegs sind zu Gott, der geschmückt ist mit Tugenden, von dem seine eigenen Werke bezeugen, dass er die Gottesliebe besitzt, der die Göttlichen Schriften kennt, einen Mann ohne Ablenkung, frei von Geldgier und irdischem Sorgen, ruhig, von Gott geliebt, die Armen liebend, frei von Zorn, ohne Groll, stark im Erbauen jener, die zu ihm kommen, ohne Ruhmsucht, ohne Hochmut, unzugänglich für Schmeicheleien, unerschütterlich, der Gott über alles stellt.
Und wenn du einen solchen Mann gefunden hast, übergib dich ihm, indem du deinen eigenen Willen zur Gänze ablegst und von dir wirfst, damit du als reines Gefäß erfunden werden möchtest, das die in dich gelegten guten Gaben unverderbt bewahrt, zu deinem Lob und deinem Ruhm.
Denn wenn du etwas zurückbehältst von den Leidenschaften, die bisher in dir waren, werden die in dich gelegten guten Gaben zu Essig, und du wirst hinausgeworfen wie ein untaugliches Gefäß.
6. Nun zum zweiten Kampf gegen den Widersacher unseres Heils. Die Lehren guter Lehrer
bringen Gutes, und ebenso bringen jene übler Lehrer Übles. Wenn nämlich unser böser Gegner nicht vermag, uns zum Verbleib in der Wirrsal und Verderbnis dieser Welt anzuhalten, beeilt er sich, uns abzuhalten von der genauen Einhaltung des mönchischen Lebensordnung oder davon, uns einem Mann zu übergeben, der uns alle unsere Sünden vor Augen bringt und sie berichtigt. Er drängt uns im Gegenteil, uns einem zu übergeben, der ruhmsüchtig ist und unter dem Vorwand des Entgegenkommens gegenüber seinen Gefährten die eigenen Laster rechtfertigt, womit er uns insgeheim abermals tausendfältigen Leidenschaften preisgibt und zurückführt in die Gefangenschaft der Sünden.
Übergibst du dich aber einem tugendreichen Mann, wirst du Erbe all des Guten werden, das
in ihm ist, und du wirst allseits gesegnet sein von Gott und den Menschen. Doch wenn du, um den Körper zu schonen, einen Lehrer suchst, der deinen Leidenschaften entgegenkommt, oder besser gesagt, der mit dir zusammen stürzt, dann hast du die Mühsal der Lösung von der Welt umsonst erduldet, denn damit übergibst du dich einem Leben in Leidenschaften und bist, da du dir einen Blinden zum Führer erwählt hast, auf dem Weg zur Grube. "Denn wenn ein Blinder einen Blinden führt, werden beide in die Grube fallen" (Mt 15,14).
"Es ist genug für den Jünger, dass er wird wie sein Meister" (Mt 10,25). Dies ist die Stimme
Gottes, und sie wird nicht widerlegt werden. Das Gesetz des guten Kampfes ist es, das dich leiten soll in deinem Leben, sonst wirst du nicht bekränzt werden, wie der Apostel sagt: "Auch wenn einer teilnimmt am Wettkampf, wird er doch nicht bekränzt, wenn er nicht den Regeln gemäßgekämpft hat" (2 Tim 2,5).
7. Wenn du also mit Gottes Gnade einen solchen Lehrer guter Werke findest -und jeder, der
sucht, wird finden (Mt 7,7) -, dann achte gut auf dich selbst, damit du nichts tust gegen sein Urteil.
Denn was immer unter Umgehung seiner Zustimmung getan wird, ist Diebstahl und Tempelraub, der zum Tod führt und nicht von Nutzen ist, selbst wenn es dir gut scheint. Denn wenn es gut ist, warum dann tust du es im Verborgenen und nicht offen? Befrage deinen Gedanken, der sich schlau bemüht, dich von der Rechten her zu berauben. Durch den vorgeblich guten Ungehorsam macht er dich bereit zu den Taten der Linken. Versuche nicht, die Gesänge der Schlangenbeschwörer zu korrigieren, bist du doch unerfahren im Singen. Daher besteht die Gefahr, dass du die Schlangen reizt und sie dich umschlingen und,
da du dich nicht wehren kannst, erbarmungslos verschlingen. Poche nicht auf edle Abstammung dem Fleische nach, suche nicht Ehre deswegen, denn "der fleischliche Mensch fasst nicht, was des Heiligen Geistes ist" (1 Kor 2,14).
Aus: hl Basilius: Erste asketische Rede, Prodromos Verlag
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