Dienstag, 31. Dezember 2013

Zeit und Vergänglichkeit - Photis Kontoglou


Die furchterregendste und unergründlichste Kraft auf Erden ist die Zeit, der Kairos. Niemand weiß so recht was diese Kraft ist und wer sie zu erklären versuchte, tat vergebliche Müh.
Das Mysterium der Zeit blieb unbegreiflich, wenn uns die zeit auch noch so natürlich erscheint. Wir können nicht verstehen, was die Zeit selbst ist; wir spüren sie nur durch ihre Wirkungen, durch die Zeichen, die sie auf der Schöpfung hinterlässt. Der mysteriöse Hauch, der alles verändert. Nichts verbleibt statisch, auch was statisch und ewig zu sein scheint.
Eine ununterbrochene Bewegung dreht alles im Kreise, Tag und Nacht, und diese unfassbare und geheime Bewegung kann keine Kraft aufhalten. An diese Zeit, wie wir sie nennen, haben wir uns gewöhnt, wir sind vertraut mit ihr; andererseits würde uns Furcht ergreifen, wenn wir imstande wären, wirklich zu erfassen, was sie ist und was sie tut.
Wie wir bereits sagten, ist sie bei Tag und bei Nacht tätig, seit Jahrhunderten von Jahrhunderten, ununterbrochen, stumm, geheim, aber sie verändert alles mit einer verborgenen Kraft, unfassbar, unsichtbar, unbeugsam, so sehr, dass jemand meinen könnte, dass es sie überhaupt nicht gibt, sie, die zu den wenigen irdischen Dingen gehört, die wirklich existieren und von der unsere Vernunft niemals begreifen könnte, dass es sie irgendwann nicht mehr geben wird, dass sie sich auflösen wird, dass sie fehlen wird. Wie auch, wo dieses „irgendwann“ die Zeit selbst ist? Wie kann sich jemand vorstellen, dass irgendwann das „irgendwann“ selbst aufhören wird zu existieren?
Wenn die Zeit fehlen wird, dann wird alles nicht mehr existieren. Sie ist es, die alles gebärt, sie löst wiederum alles wieder auf, zersetzt es, lässt es verschwinden. Deswegen sagten die alten Griechen in der Mythologie, dass Kronos (d.h. die Zeit), seine Kinder gegessen hat. Geburt, Älterwerden, Vergänglichkeit und Tod gehören zu ihren (gem. ist die Zeit) steten Werken. Während sie um uns herum ist, über uns, in uns, spüren wir sie nicht wirklich, unsere unfassbare Herrin, die Freundin aber auch Feindin ist, weil sie uns alles Gute bringt, das uns erfreut, aber auch alles Böse, das uns verbittert.

Sie gibt uns die Geburt, das süße Wort des Lebens, die Freude der Jugend, die Kraft der Männlichkeit, sie schenkt uns Kinder, Enkel, Glorreiche Werke, die uns hinters Licht führen, jede Art von Befriedigung und Entspannung. Und wieder ist es dieselbe, die uns Sorgen beschert, Trübsal, Schmerzen, Krankheit, die unbeschreibliche Veränderung und Zersetzung unseres Körpers und unserer Werke, um die wir uns bemüht haben, und am Ende gibt sie uns das Gift zu trinken, aus demselben Glas, aus dem sie uns auch den süßen Wein der Freude gab; sie gibt uns den Tod, uns und unseren Angehörigen.
Oh! Wer wird nur diesen Dieb fangen können, der Tag und Nacht, Sommer wie Winter, wenn wir schlafen und wenn wir wach sind, unermüdlich, ohne auch nur einen Augenschlag lang aufzuhören, überall umhergeht, in uns, im Lichte und im Finstern, in jeden Ort eintritt, im Himmel, wo die Sterne kreisen, und auch unter der Erdoberfläche, auf jedem Landstreifen und in jedem Meer, in jedem Loch, in alles Lebendigem und Seelenlosem, in jeder Felsenfuge, in jedem Herzen, und alles lässt sie altern, sie zermürbt es wie ein Mühlstein, macht es zu Staub; andererseits macht sie jede Art von Schöpfung, jedes Wesen, jeden Körper, alles was in dieser Welt existiert!
Wie auch alles andere, so sind wir auch wie Spielzeuge in den Händen dieses unbezwingbaren Giganten, der zugleich unser Wohltäter und unser Tyrann ist. Und wir empfangen den Kelch, den er uns mit der einen Hand spendet, mit dem süßen Wein, während der Kelch, den er in der anderen Hand hält, bitteres Gift enthält.
Wehe uns! Diesen unbarmherzigen Mühlstein, der alles auf Erden zermürbt, feiern wir jedes Neujahr, und wir danken ihm für alles, dass er uns vorher tat, und für alles, dass er uns später tun wird, und für das viele Böse, das wir von ihm erwarten können, neben den wenigen guten Dingen, die er uns bringen und hastig wieder nehmen wird.
Wir ähneln den unglückseligen Verurteilten, die sich bei ihrem Henker einschmeicheln, wie die Gladiatoren in Rom, die Cäsar grüßten, indem sie riefen: „Ave Cäsar, die zukünftig Sterbenden grüßen dich“! So begrüßen wir auch das neue Jahr, das uns näher bringen wird an den Mund der Zeit, der uns verschlingen wird. Wir Unglückseligen tanzen und singen, wie die Schnecken bei Aisopos, während sie gebraten wurden.

Diese materielle Welt ist das Königreich der Zeit, welches durch sie unaufhörlich zum blühen und zum verwelken gebracht wird. Die Vergänglichkeit ist das harte Gesetz, dass diese Tyrannin ihm auferlegt hat. An dieser Kette, die nicht zu brechen ist, hält sie den Menschen fest, wie einen ohnmächtigen Sklaven unter ihren Füßen.

Nur eine Hoffnung gibt es für ihn, um der Vergänglichkeit zu entfliehen: Christus, der Erlöser, der die Vergänglichkeit entthronte. Der auf den Tod trat und zu ihm sagte: und jeder, der da lebt und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben. Ich bin das lebendige Brot, vom Himmel herabgekommen. Wenn jemand von diesem Brot isst, wird er in Ewigkeit leben.“!

Apostel Paulus, der Schlüsselhalter der geheimen Welt, sagt: Die Schöpfung ist nämlich der Vergänglichkeit unterworfen, unfreiwillig, in der Hoffnung, dass auch sie selbst, die Schöpfung, befreit werde von der Knechtschaft der Vergänglichkeit zur Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung mitseufzt und schreit wie die Frau die in dem Wehen liegt, bis jetzt; und nicht nur sie, sondern auch wir selbst, die wir den Heiligen Geist in uns tragen, auch wir erwarten seufzend die Sohnesstellung, die Erlösung unsres Leibes.“ Und an anderer Stelle steht: Wenn aber der Geist dessen, der Jesus von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird derselbe, der Christus von den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen durch den Heiligen Geist, der in euch wohnt.“
Ja, so ist es. Allein Christus, Der der Logos des Vaters ist und von Ihm jede Macht erhalten hat, wird seinen Lieben die Unvergänglichkeit geben, indem Er Zeit und Raum der Materie abschaffen wird, von der vergänglichen Welt. Der heilige Petrus sagt über diesen Wechsel:Es wird aber der Tag des Herrn kommen wie ein Dieb; da werden die Himmel mit Krachen vergehen, die Elemente aber vor Hitze sich auflösen und die Erde und die Werke darauf verbrennen.“
Und in der Offenbarung sind folgende Worte vermerkt, die die neue Welt der Wiedergeburt beschreiben: Und es wird keine Nacht mehr sein, und sie bedürfen nicht des Lichtes eines Leuchters, noch des Sonnenscheines; denn Gott der Herr wird sie erleuchten, und sie werden herrschen von Ewigkeit zu Ewigkeit.“



übersetzt aus: Mikro eortastiko, Verlag Akritas, 2006

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