Im
Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes!
Liebe
Brüder und Schwestern!
Das
heilige Evangelium des heutigen Tages macht uns zu Teilhabern der Flucht des
heligen Josephs mit dem Knaben und Seiner Mutter nach Ägypten. Es ist gar nicht
lange her, daß wir hörten, wie Joseph von Zweifeln umgetrieben wurde und sogar
gedachte, die Allerheiligste Gottesgebärerin heimlich zu entlasssen (Mt. 1,
19), weil er noch nicht jenes Geheimnis verstand, welches in Ihr vollzogen
wurde. Und nun eine solche Wende: der noch kürzlich verwirrte Joseph wird
mittels des Auftrags des Engels zum gehorsamen Instrument des Heiligen Geistes.
Denn der Engel verkündete ihm: stehe auf und nimm das Kindlein und Seine Mutter
und fliehe nach Ägypten (Mt. 2, 13).
Der
Engel führt Joseph zu volllommenem Gehorsam, der Engel gebietet ihm, in eines
der beiden gottlosesten Länder (Babylon und Ägypten) jener Zeit zu fliehen. Und
Joseph, der das Ziel dieser Reise noch nicht kennt, erfüllt den Willen Gottes,
Der nicht nur zu den Söhnen Israels, sondern ebenso zu den verlorenen
ungläubigen Völkern kommen will. Der Engel kann sich bereits auf Josephs
Gehorsam verlassen: er bezeichnet Maria schon nicht mehr als Josephs Frau, wie
er dies noch vor ganz kurzer Zeit tat, sondern wendet sich an ihn: nimm den
Knaben und Seine Mutter. Dadurch bekräftigt er, das der von ihr Geborene nicht
ein Mensch, sondern der Gottmensch ist, nicht die Frucht menschlichen Willens,
sondern der Barmherzigkeit und Liebe Gottes zum Menschengeschlecht. Die
Gottheit braucht nicht zu fliehen, aber der Herr läßt diese Flucht geschehen,
um die menschliche Natur zu behüten. Wir wissen ja, welcher Gefahr sie
ausgesetzt war, denn wir hören etwas später: »In Rama hat man eine Stimme
gehört, viel Jammern und Weinen und Wehklagen« (Mt. 2, 18) über die getöteten
Kinder. Die heiligen Väter erklären Rama als Höhe, erhöhten Platz, wir hören
die Stimme in der Höhe, auf der Erde gibt es kein solches Weinen wie das
Weinen, das in der Höhe ertönt, von uns aber selten erhört wird. Die Tötung der
Kinder ruft in diesem Moment auch bei den erdgeborenen Wehklagen hervor. In
unserer Zeit aber erscheint dies als unwahrscheinlich. In unseren Tagen gibt es
kein Wehklagen auf der Erde, sondern nur Weinen in der Höhe. Warum? Weil der
Mensch verroht ist, im Herzen versteinert, sich von Gott entfernt hat. Vor
diesem Hintergrund stellt sich der heilige Joseph unseren Augen als
Anachronismus dar, als Widerspruch zur gesamten heutigen modernen Welt.
In
dieser Welt erteilt sogar die Regierung, wie wir das in unseren Tagen sehen,
das Rezept zum Mord. Heute werden Kinder bereits auf Staatskosten getötet. In
unserem Land sehen wir erst den Beginn dieser Entwicklung, welche längst schon
Rußland ergriffen hat. Allerdings sehen wir noch nicht, was daraus wird, denn
was da wächst – ja wachsen muß – ist ein Volk von Mördern. Dies wäre nicht so
furchtbar, wenn es sich lediglich um Menschenfresser handelte. Nein, es sind
Mörder ihrer eigenen Kinder – das entsteht um uns herum. Und eben diese
Menschen, die vergangene Generationen richten, sie verurteilen diejenigen, die
in diesem unserem Land vor 1945 lebten, während sie selbst viel Schlimmeres
tun. Warum verfahren sie so mit ihren eigenen Kindern? Weil es keinen Gehorsam
gibt, diese grundlegende Tugend vor Gott, keinen Gehorsam gegenüber Gott und
dem Wort Gottes.
Von
ebensolchen Positionen aus macht man heute unseren Vätern Vorwürfe wegen ihrer
Flucht aus dem bolschewistischen Rußland. Als hätten sie nicht ein Heiligtum
bewahrt, ihre menschlichen Herzen, denn sie waren ja getaufte Christen; als
hätten sie nicht die Wundertätige Ikone in die Freiheit gebracht und zur
Bewahrung für kommende Generationen, so wie Joseph den Göttlichen Knaben aus
Israel führte. Diejenigen, die unseren Vätern Vorwürfe machen, sind
offensichtlich nicht imstande das Evangelium zu lesen.
Der
moderne Mensch ist gleichsam ständig auf der Flucht. Anstatt jedoch um der
Rettung des Kindes und gar des Gotteskindes nach Ägypten zu fliehen, flieht der
moderne Mensch vor sich selbst. Er mag weder um seine göttliche Herkunft, noch
um sein Ziel, noch um seine göttliche Verwandtschaft wissen. Er flieht nicht
vor seiner sündigen Natur, sondern vor seiner Gott-ebenbildlichen Seele. Der
zeitgenössische Mensch fürchtet diese Gott-ebenbildliche Seele, denn sie könnte
ihn ja ein auf Gott ausgerichtetes Leben lehren, ihn in der Abwehr der Sünde
unterweisen und in der Ablehnung alles Unreinen, Unwahren, Unchristlichen. Auf
diese Weise ist sich der zeitgenössische Mensch, liebe Brüder und Schwestern,
selbst fremd. Er ist seiner Natur fremd und tötet mit Leichtigkeit seine Kinder
– nicht nur die leiblichen, sondern ebenso auch die geistlichen: die guten
Absichten, göttlichen Gedanken, diese Kinder mordet er in sich, nur um in
vermeintlicher Ruhe zu leben.
Solche
Ruhe wünschte weder Joseph, noch die ihm anvertraute Gottesmutter. Sie waren
sich dessen bewußt, daß sie den erhabensten Schatz bewahren, der in dieser Welt
erschien. Aber auch wir müssen uns jeden Tag unseres Lebens eben so verhalten.
Kinder Christi, wenn wir solche sein wollen, müssen bereit sein, selbst in das
jedem Sohn Israels verhaßte und gefürchtete Ägypten, das Land der
Gefangenschaft, zu fliehen. In diesem Land kann man bei äußerer Gefangenschaft
(und wie viele von uns kennen derartige Situationen aus der Erfahrung des
Lebens in der äußeren Sklaverei unseres Jahrhunderts) die innere Gefangenschaft
der Sünde von sich abschütteln und befreit in das Gelobte Land zurückkehren –
in den Zustand des Gebets, den natürlichen Zustand der Tugend. Erinnern wir uns
nur der Weisen aus dem Morgenlande, die den Herrscher jenes Landes, Herodes,
trafen und von ihm fortgingen, um den neuen König zu verehren, von dem sie noch
weniger wußten als Herodes. Sie kamen mit der Göttlichen Weisheit in Berührung,
wurden von ihr erleuchtet und kehrten deshalb auf anderem Wege zurück – nicht
auf dem früheren, sündigen und tödlichen, sondern auf einem neuen lebensfrohen
und lebenspendenden Weg.
Für
jeden von uns, liebe Brüder und Schwestern, ist der Auszug in das geistliche
Ägypten, die Flucht vor der unmittelbaren Berührung mit der Sünde, – nur der
erste Schritt. Wir müssen auch in das Land Judäa, das Gelobte Land, Gottes Land
in dem Moment zurückkehren, wie geschrieben steht, da die, die dem Kind nach
dem Leben trachteten, gestorben sind (Mt. 2, 20). Sie trachten nicht nur nach
der Seele, denn der Mensch besteht nicht nur aus Leib oder nur aus Seele,
sondern ist ein aus beiden zusammengesetztes Wesen. So können auch wir, liebe
Brüder und Schwestern, erst nach dem Sieg über die Sünde zur wahren Einheit in
Christus gelangen, denn er macht den Menschen Gottes vollkommen, sowohl der Seele
nach als auch dem Leibe nach, bringt ihn zur Gemeinschaft mit Sich, mit dem
Gottmenschen.
Der
heilige Joseph zieht fort nach Ägypten und kehrt in das Gelobte Land zurück,
diese Rückkehr aber geschieht mit dem Gottmenschen. Und nicht von ungefähr begibt
Sich der Gottmensch in menschliche Arme, damit diese Ihn vor unmenschlichen
Angriffen beschützen. Der heilige Joseph weist auf diese Weise darauf hin, daß
wir in jedem Fall und in jeder Situation für den Herrn verantwortlich sind, für
Seine Anwesenheit in unserem Leben, Sein Verweilen in unserer Gesellschaft, in
unserem geistlichen und leiblichen Organismus. Amen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen