Montag, 30. Dezember 2013

Erzbischof Mark - Sonntag nach der Geburt des Herrn

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes!
Liebe Brüder und Schwestern!
Das heilige Evangelium des heutigen Tages macht uns zu Teilhabern der Flucht des heligen Josephs mit dem Knaben und Seiner Mutter nach Ägypten. Es ist gar nicht lange her, daß wir hörten, wie Joseph von Zweifeln umgetrieben wurde und sogar gedachte, die Allerheiligste Gottesgebärerin heimlich zu entlasssen (Mt. 1, 19), weil er noch nicht jenes Geheimnis verstand, welches in Ihr vollzogen wurde. Und nun eine solche Wende: der noch kürzlich verwirrte Joseph wird mittels des Auftrags des Engels zum gehorsamen Instrument des Heiligen Geistes. Denn der Engel verkündete ihm: stehe auf und nimm das Kindlein und Seine Mutter und fliehe nach Ägypten (Mt. 2, 13). 
Der Engel führt Joseph zu volllommenem Gehorsam, der Engel gebietet ihm, in eines der beiden gottlosesten Länder (Babylon und Ägypten) jener Zeit zu fliehen. Und Joseph, der das Ziel dieser Reise noch nicht kennt, erfüllt den Willen Gottes, Der nicht nur zu den Söhnen Israels, sondern ebenso zu den verlorenen ungläubigen Völkern kommen will. Der Engel kann sich bereits auf Josephs Gehorsam verlassen: er bezeichnet Maria schon nicht mehr als Josephs Frau, wie er dies noch vor ganz kurzer Zeit tat, sondern wendet sich an ihn: nimm den Knaben und Seine Mutter. Dadurch bekräftigt er, das der von ihr Geborene nicht ein Mensch, sondern der Gottmensch ist, nicht die Frucht menschlichen Willens, sondern der Barmherzigkeit und Liebe Gottes zum Menschengeschlecht. Die Gottheit braucht nicht zu fliehen, aber der Herr läßt diese Flucht geschehen, um die menschliche Natur zu behüten. Wir wissen ja, welcher Gefahr sie ausgesetzt war, denn wir hören etwas später: »In Rama hat man eine Stimme gehört, viel Jammern und Weinen und Wehklagen« (Mt. 2, 18) über die getöteten Kinder. Die heiligen Väter erklären Rama als Höhe, erhöhten Platz, wir hören die Stimme in der Höhe, auf der Erde gibt es kein solches Weinen wie das Weinen, das in der Höhe ertönt, von uns aber selten erhört wird. Die Tötung der Kinder ruft in diesem Moment auch bei den erdgeborenen Wehklagen hervor. In unserer Zeit aber erscheint dies als unwahrscheinlich. In unseren Tagen gibt es kein Wehklagen auf der Erde, sondern nur Weinen in der Höhe. Warum? Weil der Mensch verroht ist, im Herzen versteinert, sich von Gott entfernt hat. Vor diesem Hintergrund stellt sich der heilige Joseph unseren Augen als Anachronismus dar, als Widerspruch zur gesamten heutigen modernen Welt.
In dieser Welt erteilt sogar die Regierung, wie wir das in unseren Tagen sehen, das Rezept zum Mord. Heute werden Kinder bereits auf Staatskosten getötet. In unserem Land sehen wir erst den Beginn dieser Entwicklung, welche längst schon Rußland ergriffen hat. Allerdings sehen wir noch nicht, was daraus wird, denn was da wächst – ja wachsen muß – ist ein Volk von Mördern. Dies wäre nicht so furchtbar, wenn es sich lediglich um Menschenfresser handelte. Nein, es sind Mörder ihrer eigenen Kinder – das entsteht um uns herum. Und eben diese Menschen, die vergangene Generationen richten, sie verurteilen diejenigen, die in diesem unserem Land vor 1945 lebten, während sie selbst viel Schlimmeres tun. Warum verfahren sie so mit ihren eigenen Kindern? Weil es keinen Gehorsam gibt, diese grundlegende Tugend vor Gott, keinen Gehorsam gegenüber Gott und dem Wort Gottes.
Von ebensolchen Positionen aus macht man heute unseren Vätern Vorwürfe wegen ihrer Flucht aus dem bolschewistischen Rußland. Als hätten sie nicht ein Heiligtum bewahrt, ihre menschlichen Herzen, denn sie waren ja getaufte Christen; als hätten sie nicht die Wundertätige Ikone in die Freiheit gebracht und zur Bewahrung für kommende Generationen, so wie Joseph den Göttlichen Knaben aus Israel führte. Diejenigen, die unseren Vätern Vorwürfe machen, sind offensichtlich nicht imstande das Evangelium zu lesen. 
Der moderne Mensch ist gleichsam ständig auf der Flucht. Anstatt jedoch um der Rettung des Kindes und gar des Gotteskindes nach Ägypten zu fliehen, flieht der moderne Mensch vor sich selbst. Er mag weder um seine göttliche Herkunft, noch um sein Ziel, noch um seine göttliche Verwandtschaft wissen. Er flieht nicht vor seiner sündigen Natur, sondern vor seiner Gott-ebenbildlichen Seele. Der zeitgenössische Mensch fürchtet diese Gott-ebenbildliche Seele, denn sie könnte ihn ja ein auf Gott ausgerichtetes Leben lehren, ihn in der Abwehr der Sünde unterweisen und in der Ablehnung alles Unreinen, Unwahren, Unchristlichen. Auf diese Weise ist sich der zeitgenössische Mensch, liebe Brüder und Schwestern, selbst fremd. Er ist seiner Natur fremd und tötet mit Leichtigkeit seine Kinder – nicht nur die leiblichen, sondern ebenso auch die geistlichen: die guten Absichten, göttlichen Gedanken, diese Kinder mordet er in sich, nur um in vermeintlicher Ruhe zu leben. 
Solche Ruhe wünschte weder Joseph, noch die ihm anvertraute Gottesmutter. Sie waren sich dessen bewußt, daß sie den erhabensten Schatz bewahren, der in dieser Welt erschien. Aber auch wir müssen uns jeden Tag unseres Lebens eben so verhalten. Kinder Christi, wenn wir solche sein wollen, müssen bereit sein, selbst in das jedem Sohn Israels verhaßte und gefürchtete Ägypten, das Land der Gefangenschaft, zu fliehen. In diesem Land kann man bei äußerer Gefangenschaft (und wie viele von uns kennen derartige Situationen aus der Erfahrung des Lebens in der äußeren Sklaverei unseres Jahrhunderts) die innere Gefangenschaft der Sünde von sich abschütteln und befreit in das Gelobte Land zurückkehren – in den Zustand des Gebets, den natürlichen Zustand der Tugend. Erinnern wir uns nur der Weisen aus dem Morgenlande, die den Herrscher jenes Landes, Herodes, trafen und von ihm fortgingen, um den neuen König zu verehren, von dem sie noch weniger wußten als Herodes. Sie kamen mit der Göttlichen Weisheit in Berührung, wurden von ihr erleuchtet und kehrten deshalb auf anderem Wege zurück – nicht auf dem früheren, sündigen und tödlichen, sondern auf einem neuen lebensfrohen und lebenspendenden Weg. 
Für jeden von uns, liebe Brüder und Schwestern, ist der Auszug in das geistliche Ägypten, die Flucht vor der unmittelbaren Berührung mit der Sünde, – nur der erste Schritt. Wir müssen auch in das Land Judäa, das Gelobte Land, Gottes Land in dem Moment zurückkehren, wie geschrieben steht, da die, die dem Kind nach dem Leben trachteten, gestorben sind (Mt. 2, 20). Sie trachten nicht nur nach der Seele, denn der Mensch besteht nicht nur aus Leib oder nur aus Seele, sondern ist ein aus beiden zusammengesetztes Wesen. So können auch wir, liebe Brüder und Schwestern, erst nach dem Sieg über die Sünde zur wahren Einheit in Christus gelangen, denn er macht den Menschen Gottes vollkommen, sowohl der Seele nach als auch dem Leibe nach, bringt ihn zur Gemeinschaft mit Sich, mit dem Gottmenschen. 
Der heilige Joseph zieht fort nach Ägypten und kehrt in das Gelobte Land zurück, diese Rückkehr aber geschieht mit dem Gottmenschen. Und nicht von ungefähr begibt Sich der Gottmensch in menschliche Arme, damit diese Ihn vor unmenschlichen Angriffen beschützen. Der heilige Joseph weist auf diese Weise darauf hin, daß wir in jedem Fall und in jeder Situation für den Herrn verantwortlich sind, für Seine Anwesenheit in unserem Leben, Sein Verweilen in unserer Gesellschaft, in unserem geistlichen und leiblichen Organismus. Amen.

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