Sonntag, 2. Februar 2014

Der atheistische Westen im Lichte der Orthodoxie - eine russisch-orthodoxe Betrachtungsweise


Das im Jahr 1993 gegründete Weltkonzil des Russischen Volkes besteht aus säkularen Zivilorganisationen unter geistiger Anleitung der Russischen Orthodoxen Kirche. (...)

Bei dem vom 4. bis zum 6. April 2006 in der Christus-Erlöser-Kathedrale in Moskau abgehaltenen X. Weltkonzil des Russischen Volkes beschloss es eine Erklärung zur Würde und den Rechten des Menschen. Dieses orthodoxe Manifest wies das moderne westliche System  der humanistischen Werte offen zurück und appellierte an die russische Gesellschaft, das Konzept der Menschenrechte wieder im Licht des Evangeliums zu sehen. Die Entscheidung dazu die orthodoxe Sichtweise zu dieser Frage voranzubringen, war von dem Konzil im Jahr zuvor getroffen worden. Dies war angeregt worden durch die Sicht der Kirche, dass die westlichen säkularen Menschenrechte den geistigen und moralischen Werten des orthodoxen Glaubens überhaupt nicht entsprechen.

Daher fragte (der damalige) Patriarch Alexis II.: “Bis zu welchem Grad erlaubt die westliche Sichtweise zu den Menschenrechten einem orthodoxen Volk gemäß des Glaubens zu leben, den es bekennt?” Er erklärte die orthodoxe Sicht, wonach das westliche Konzept der Menschenrechte zu einem “Wiederaufleben des Neuheidentums” geführt hat. Die Teilnehmer des Konzils  verurteilten die “entstellte Sicht zu den Menschenrechten”, die im zeitgenössischen Westen vorherrschend geworden ist. Nachdem er alle traditionellen geistigen und moralischen Werte von sich gewiesen hat, führt der selbstsüchtige Individualismus der westlichen Sichtweise eindeutig zum einem Zusammenbruch von Gesellschaft und Ehe, zu sexueller Verdorbenheit und ökologischen Katastrophen.

Das Konzil lehnte besonders die Idee der “moralischen Autonomie” ab. Diese westlich-individualistische Idee, die aus dem Protestantismus hervorging und seit den 1960er Jahren vom römischen Katholizismus weitestgehend übernommen wurde, ist dem orthodoxen Glauben fremd. Sie postuliert, dass die individuelle moralische Autonomie nur von der Autonomie anderer Individuen beschränkt ist und dass es keine darüber stehende Autorität gibt, die zwischen Gut und Böse unterscheiden kann. Diese relativistische und im Grunde selbstsüchtige Lebenssicht kann von der Orthodoxen Kirche nicht akzeptiert werden.
Die Kirche glaubt, dass die Steigerung der Autonomie und der Rechte eines Individuums ins Absolute, ohne dem Gegengewicht moralischer Verantwortung, unvermeidlich zum Suizid der Zivilisation führt, wie das nun überall in der westlichen Welt geschieht.

So wie der zeitgenössische orthodoxe Heilige, St. Justin von Celije, vor ein paar Jahrzehnten schrieb: “Dunkle Nacht ist über Europa gefallen. Seine Abgötter stürzen in sich zusammen und der Tag ist nicht mehr weit, an dem nicht ein einziger Stein der europäischen Kultur mehr auf dem anderen sein wird, aus denen Städte erbaut und mit denen diejenigen Seelen zerstört wurden, die geschaffene Dinge angebetet und den Schöpfer von sich gewiesen hatten.”
St. Justin von Celije
St. Justin von Celije
Somit wies das Konzil die Idee zurück, dass individuelle Rechte über den Rechten der Gemeinschaft stehen. Mit der Vielfalt in der Einheit in der Lehre von heiligsten Dreifaltigkeit als Vorbild, erklärte das Konzil, dass es eines Ausgleichs zwischen den Interessen der Gesellschaft und denen des Individuums bedarf.

“Es gibt Werte die nicht weniger wichtig sind, als die Menschenrechte”, bekräftigte das Konzil, “dies sind Glaube, Moral, Heiligkeit und Patriotismus.” Der moderne Westen konditioniert im Gegensatz dazu jedes Individuum dazu, sein Leben in der Blase des Egoismus der Konsumgesellschaft zu verbringen. Die orthodoxe Erklärung verurteilte auch die Heuchelei des Westens in “der Politik von Doppelstandards im Bereich der Menschenrechte, und ebenso die Versuche die Menschenrechte zum Voranbringen politischer, ideologischer, militärischer und wirtschaftlicher Interessen zu verwenden und bestimmte Regierungsformen oder Gesellschaftssysteme aufzuzwingen”. Mit dieser letzten wurde sicher auf den jüngsten katastrophalen Krieg des Westens im Irak verwiesen, der auf der arroganten interventionistischen Ideologie von Bush und Blair gegründet war.
Wie durch ein Wunder beginnt Russland nach 75 Jahren Kommunismus und fünfzehn Jahren ziellosen Treibens wieder seinen Weg zu finden. Endlich ist von der freien Stimme der Orthodoxie in Russland das zu vernehmen, was wir als gläubige Russisch-Orthodoxe immer hochgehalten haben. In dieser Weise spricht Moskau für die Gesamtheit der orthodoxen Welt, der es in ihrer Zersplitterung außerhalb Russlands an Kraft mangelt, um die orthodoxe Weltsicht zu vertreten. Russland fasst unser Verständnis in Worte, dass die christlich-orthodoxe Zivilisation einzigartig ist, weil sie auf einem unverwechselbaren Wertekanon aufbaut und sich entlang eines Weges entwickelt, der sich von dem Weg des Westens nach dem Schisma und dem nach der jüdisch-christlichen Phase unterscheidet.
Darüber hinaus, wiederum wie durch ein Wunder, wenn man es vor dem Hintergrund der jüngeren russischen Geschichte betrachtet, beginnen diese orthodoxen Sichtweisen die derzeitige russische Regierung zu beeinflussen. Es zeigt, dass Russland in der Lage ist, seine eigenen Interessen und die unserer Verbündeten zu verteidigen. Diese orthodoxen Sichtweisen spiegeln sich bspw. im zeitgenössischen russischen Konzept der “Souveränen Demokratie” wieder. Diese Vorstellung fordert den vom Westen auferlegten Globalismus heraus und bekräftigt den Wunsch und die Fähigkeit der orthodoxen Völker unser eigenes Lebensgeschick und unsere eigenen Lebensregeln unabhängig zu bestimmen, in unseren eigenen Gesellschaft.
Es ist der Beweis, dass man die Stimme der Orthodoxie nun wieder auf der Weltbühne hören wird. In den Jahren nach dem Zusammenbruch des Kommunismus plapperten die russischen Führer in ihrem ideologischen Vakuum lediglich die Klischees der westlichen humanistischen Propaganda nach. Von dort kam dieses Strotzen mit Slogans wie “das gemeinsame europäische Haus” oder “gemeinsame menschliche Werte” unter Gorbatschow. Um die post-kommunistische und westlich-humanistische Leere zu füllen, wendet sich die russische Obrigkeit den traditionellen Sichtweisen der Orthodoxen Kirche zu, und kehrt zur russischen Einzigartigkeit zurück(...). Die Welt entdeckt wieder, dass der orthodoxe Gott nicht der Gott der westlichen humanistischen Philosophen ist, sondern der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Die russische Führung wendet sich der orthodoxen Kirche zu und Russland kehrt zu seinen Wurzeln zurück — den orthodoxen Wurzeln.

Übersetzung des Textes
aus dem Jahr 2006
von Fr. Andrew

http://antifo.wordpress.com/

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