„Ein Asket, der die Ungerechtigkeit sah, die es in der Welt gab, betete zu Gott und bat, ihm den Grund zu offenbaren, warum die gerechten und frommen Menschen in der Trübsal leben und ungerecht gequält werden, während die Ungerechten und Sünder reich werden und in Ruhe leben. Während der Asket betete, dass Gott ihm dies Geheimnis offenbare, hörte er eine Stimme, die zu ihm sagte:
„Verlange nicht nach den Dingen, die dein Denken und deine Erkenntniskraft übersteigen! Du sollst auch nicht die verborgenen Dinge erforschen, denn die Urteile Gottes sind wie ein Abgrund. Aber weil du um Belehrung batest, sollst du nun zur Welt herabsteigen: Setze dich an einem Ort hin und achte auf das, was du sehen wirst, damit du durch diese kleine Prüfung einen kleinen Teil der Urteile Gottes begreifst! Dann wirst du erkennen, dass die Verwaltung Gottes für alle Dinge unerforschlich und undurchdringlich ist.“
Der Starez (mönchische Altvater) stieg, nachdem er dies gehört hatte, mit großer Aufmerksamkeit zur Welt herab und kam zu einer Wiese, die von einem viel begangenen Weg geteilt wurde. In der Nähe waren auch eine Quelle und alter Baum mit einer Baumhöhle, in der sich der Starez gut versteckte.
Nach kurzer Zeit kam ein Reicher auf seinem Pferd an. Er machte einen kurzen Halt an der Quelle, um Wasser zu trinken und um sich auszuruhen. Nachdem er seinen Durst gelöscht hatte, holte er aus seiner Hosentasche einen Beutel mit hundert Goldstücken heraus und zählte sie. Als er mit dem Zählen fertig war, beabsichtigte er, sie wieder an ihrem Ort zu tun. Doch, ohne dass er es merkte, fiel ihm der Beutel in das Gras herunter.
Er aß, ruhte sich aus, schlief und bestieg danach das Pferd und ritt fort, ohne etwas von den Goldstücken zu merken. Nach kurzer Zeit kam ein anderer Vorübergehender, ging zur Quelle, fand dort den Beutel mit den Goldstücken, nahm ihn an sich und verschwand rennend durch die Felder.
Nach kurzer Zeit erschien ein anderer Vorübergehender. Erschöpft, wie er war, hielt auch er an der Quelle, trank etwas Wasser, nahm etwas Brot aus einem Tuch heraus und setzte sich, um zu essen. Während dieser Arme aß, erschien der reiche Reiter wieder. Er war sehr aufgebracht, und mit wütendem Gesicht bedrängte er ihn. Wütend forderte er ihn auf, ihm seine Goldstücke wiederzugeben. Der Arme, der nichts von den Goldstücken wusste, bestätigte mit Schwüren, dass er nichts dergleichen gesehen habe. Jener aber fing an, wütend wie er war, ihn zu verprügeln und zu schlagen, bis er ihn getötet hatte. Er suchte alle Kleider des Armen durch, fand jedoch nichts und ging betrübt hinweg.
Der Starez sah alle diese Dinge von seiner Baumhöhle aus und wunderte sich. Er war sehr betrübt und weinte wegen dem ungerechten Mord, den er gesehen hatte, und betend sagte er zum Herrn: „Herr, was bedeutet dieser dein Wille? Ich bitte dich: lass mich erkennen, warum deine Güte eine solche Ungerechtigkeit duldet. Ein anderer verlor die Goldstücke, ein anderer fand sie und ein anderer wurde ungerechterweise ermordet!“
Während der Starez Tränen überströmt betete, kam ein Engel des Herrn herab und sprach zu ihm:„Sei nicht betrübt, Starez, und es möge dir auch nicht missfallen, so dass du denkst, alle diese Dinge seien angeblich ohne den Willen Gottes geschehen. Von den Dingen, die geschehen, geschehen einige durch Duldung, einige zur Zurechtweisung und einige zum Aufbau. Höre deshalb:
Jener, der die Goldstücke verlor, war der Nachbar des (Mannes), der sie fand. Der letztere hatte ein Feld, das einhundert Goldstücke wert war. Weil der Reiche habgierig war, nötigte er ihn, es ihm für fünfzig Goldstücke zu geben. Weil der Arme nicht wusste, was er tun sollte, bat er Gott, ihm Vergeltung zu verschaffen. Deshalb wirkte Gott aufbauend und gab ihm das Doppelte.
Jener Arme wiederum, der Ermüdete, welcher nichts fand und unschuldig ermordet wurde, hatte früher einmal einen Mord begangen. Er tat jedoch aufrichtig Buße, und sein ganzes übriges Leben lang waren seine Werke christlich und Gott wohlgefällig. Unablässig bat er Gott, ihm den Mord, den er begangen hatte, zu vergeben, und gewöhnlich sprach er:„Mein Gott, gib mir den gleichen Tod, den auch ich gegeben habe!“
Unser Herr hatte ihm natürlich in der ersten Minute, in der er seine Buße äußerte, vergeben. Er war aber bewegt über die Ehrbarkeit seines Kindes, welches sich nicht nur um die Einhaltung seiner Gebote kümmerte, sondern auch seine alte Schuld bezahlen wollte; so tat er ihm den Gefallen (und) erlaubte, dass es mit einem gewaltsamen Tod starb, wie es verlangt hatte, und nahm es zu sich, indem es ihm sogar einen strahlenden Siegeskranz für diese seine Ehrbarkeit schenkte!
Schließlich wäre der andere, der Habgierige, der seine Goldstücke verloren hatte und den Mord ausgeführt hatte, wegen seiner Habgier und Geldliebe verdammt worden.
Deswegen ließ ihn Gott in die Sünde des Mordes geraten, damit seine Seele leide und er zur Buße geführt würde. Dies wurde für ihn zum Grund, die Welt zu verlassen und Mönch zu werden.
Nun, bei welchem dieser Ereignisse sahst du Gott als ungerecht oder hart(herzig) oder gefühllos? Darum sollst du in Zukunft die Urteile Gottes nicht mehr intensiv untersuchen, denn er fällt sie gerecht, seinem Wissen entsprechend, während du sie für ungerecht hältst! Wisse auch, dass viele andere Dinge in der Welt mit dem Wissen Gottes geschehen, aus Gründen, die die Menschen nicht kennen! Darum ist es richtig, dass jeder spricht:
„Gerecht bist du, o Herr, und deine Urteile sind gerade“ (Psalm 118, 137).
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