Mittwoch, 5. Februar 2014

Über die unbegreiflichen Wege Gottes (von Altvater Paisios von Athos)


 „Ein Asket, der die Ungerechtigkeit sah, die es in der Welt gab, betete zu Gott und bat, ihm den Grund zu offenbaren, warum die gerechten   und   frommen  Menschen   in   der  Trübsal leben   und ungerecht   gequält   werden,   während   die   Ungerechten   und Sünder   reich werden und  in Ruhe  leben.  Während der  Asket betete,  dass Gott  ihm dies Geheimnis offenbare,  hörte er eine Stimme, die zu ihm sagte:
  „Verlange nicht nach den Dingen, die dein Denken und deine Erkenntniskraft   übersteigen! Du   sollst   auch   nicht   die verborgenen Dinge erforschen, denn die Urteile Gottes sind wie ein Abgrund. Aber weil du um Belehrung batest, sollst du nun zur Welt herabsteigen: Setze dich an einem Ort hin und achte auf   das,   was   du  sehen wirst,  damit du durch diese kleine Prüfung einen kleinen Teil  der Urteile Gottes begreifst! Dann wirst du erkennen, dass die Verwaltung Gottes  für alle Dinge unerforschlich und undurchdringlich ist.“

 Der  Starez  (mönchische   Altvater)  stieg,  nachdem  er  dies  gehört hatte, mit großer Aufmerksamkeit zur Welt herab und kam zu einer Wiese, die von einem viel begangenen Weg geteilt wurde. In der Nähe waren auch eine Quelle und alter Baum mit einer Baumhöhle, in der sich der Starez gut versteckte. 
Nach kurzer Zeit kam ein Reicher auf seinem Pferd an.  Er machte einen kurzen Halt an der Quelle, um Wasser zu trinken und  um  sich  auszuruhen. Nachdem er seinen Durst   gelöscht hatte, holte er aus seiner Hosentasche einen Beutel mit hundert Goldstücken heraus und zählte sie. Als er mit dem Zählen fertig war, beabsichtigte er, sie wieder an ihrem Ort zu tun. Doch, ohne dass er es merkte, fiel ihm der Beutel in das Gras herunter. 
Er aß, ruhte sich aus, schlief und bestieg danach das Pferd und ritt   fort,   ohne   etwas   von den  Goldstücken   zu  merken.  Nach kurzer Zeit kam ein anderer Vorübergehender, ging zur Quelle, fand dort den Beutel mit den Goldstücken, nahm ihn an sich und verschwand rennend durch die Felder. 
 Nach   kurzer   Zeit   erschien   ein   anderer   Vorübergehender. Erschöpft, wie er war, hielt auch er an der Quelle, trank etwas Wasser,  nahm etwas  Brot  aus einem Tuch heraus und setzte sich, um zu essen. Während dieser Arme aß, erschien der reiche Reiter  wieder.   Er  war   sehr   aufgebracht,   und  mit  wütendem Gesicht bedrängte er ihn. Wütend forderte er ihn auf, ihm seine  Goldstücke  wiederzugeben. Der Arme, der nichts von den Goldstücken wusste, bestätigte  mit  Schwüren,   dass   er   nichts dergleichen gesehen habe.  Jener  aber fing an, wütend wie er war, ihn zu verprügeln und zu schlagen, bis er ihn getötet hatte. Er suchte alle Kleider des Armen durch, fand jedoch nichts und ging betrübt hinweg. 
 Der Starez sah alle diese Dinge von seiner Baumhöhle aus und wunderte   sich.   Er  war   sehr   betrübt   und  weinte  wegen   dem ungerechten Mord,  den er gesehen hatte,  und betend sagte er zum Herrn: „Herr, was bedeutet dieser dein Wille? Ich bitte dich: lass mich erkennen, warum deine Güte eine solche Ungerechtigkeit duldet. Ein anderer verlor die Goldstücke, ein anderer fand sie und ein anderer wurde ungerechterweise ermordet!“  
   Während der Starez Tränen überströmt betete, kam ein Engel des Herrn herab und sprach zu ihm:„Sei   nicht   betrübt,   Starez,   und   es  möge   dir   auch   nicht missfallen, so dass du denkst, alle diese Dinge seien angeblich ohne   den   Willen   Gottes   geschehen.   Von   den   Dingen,   die geschehen,   geschehen   einige   durch   Duldung,   einige   zur Zurechtweisung und einige zum Aufbau. Höre deshalb:
 Jener,   der   die   Goldstücke   verlor,   war   der   Nachbar   des (Mannes),   der   sie   fand.   Der   letztere   hatte   ein   Feld,   das einhundert Goldstücke wert war. Weil der Reiche habgierig war, nötigte er ihn, es ihm für fünfzig Goldstücke zu geben. Weil der Arme   nicht   wusste,   was   er   tun   sollte,   bat   er   Gott,   ihm Vergeltung zu verschaffen. Deshalb wirkte Gott aufbauend und gab ihm das Doppelte.     
 Jener Arme wiederum, der Ermüdete, welcher nichts fand und unschuldig   ermordet wurde,   hatte   früher   einmal   einen  Mord begangen. Er tat jedoch aufrichtig Buße, und sein ganzes übriges Leben lang waren seine Werke christlich und Gott wohlgefällig. Unablässig bat er Gott, ihm den Mord, den er begangen hatte, zu vergeben, und gewöhnlich sprach er:„Mein Gott, gib mir den gleichen Tod, den auch ich gegeben habe!“     
Unser Herr hatte ihm natürlich in der ersten Minute, in der er seine  Buße äußerte,   vergeben.  Er  war   aber   bewegt   über   die Ehrbarkeit seines   Kindes,   welches   sich   nicht   nur   um   die Einhaltung  seiner  Gebote kümmerte,  sondern auch  seine alte Schuld   bezahlen   wollte;   so   tat   er   ihm   den   Gefallen   (und) erlaubte,   dass   es  mit   einem gewaltsamen   Tod   starb,  wie   es verlangt hatte, und nahm es zu sich, indem es ihm sogar einen strahlenden Siegeskranz für diese seine Ehrbarkeit schenkte! 
Schließlich   wäre   der   andere,   der   Habgierige,   der   seine Goldstücke   verloren   hatte   und   den   Mord   ausgeführt   hatte, wegen   seiner   Habgier   und   Geldliebe   verdammt   worden. 
Deswegen ließ ihn Gott in die Sünde des Mordes geraten, damit seine Seele leide und er zur Buße geführt würde. Dies wurde für ihn zum Grund,  die Welt zu verlassen und Mönch zu werden. 
Nun, bei welchem dieser Ereignisse sahst du Gott als ungerecht oder hart(herzig) oder gefühllos? Darum sollst du in Zukunft die Urteile Gottes nicht mehr intensiv untersuchen, denn er fällt sie gerecht,   seinem   Wissen   entsprechend,   während   du   sie   für ungerecht hältst!  Wisse auch,  dass  viele andere Dinge  in der Welt mit dem Wissen Gottes geschehen, aus Gründen, die  die  Menschen nicht  kennen!  Darum  ist   es   richtig,  dass   jeder  spricht:
      „Gerecht   bist   du,   o  Herr,   und   deine  Urteile   sind   gerade“  (Psalm 118, 137).       
         

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