Freitag, 7. Februar 2014

Unser Vater Theofil Paraianu und die Beziehung zum lebendigen Gott

Vt Theofil war von Geburt an blind
 Vor Kurzem schrieb mir ein junger Mann: „... das schwerwiegendste Problem in unserer Kirche ist die Tatsache, dass irgendetwas uns daran hindert, authentisch zu sein. Und eben deswegen überzeugt die Predigt nicht, weil jenseits des Grußes <Grüß Gott!>, der gemeinsamen Mahlzeiten der Gemeinden, die die Partys ersetzt haben, der byzantinischen Musik, die den Rock ersetzt hat, der Wände, an denen nicht mehr Posters, sondern Ikonen hängen, etc., jenseits all dieser Tatbestände, viele von uns unberührt  bleiben; der Gruß <Christus ist in unserer Mitte> gelangt nicht in unser Bewusstsein. Ich kann nicht genau sagen, was es ist. Eine Blockade? Ein Mangel an Reife? Ein Steckenbleiben  in der Phase der <ersten Schritte>? Ein Mangel an Sehnsucht nach Gott?“
Obwohl bereits neulich erwähnt, würde ich sagen, dass dieses Problem schon so alt ist wie das Christentum, wie die Menschheit selbst, und es beruht auf einer Schwachheit des Menschen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, sowie auf einer orientierungslosen, manchmal pharisäerhaften Aufmerksamkeit für die Details. So schreibt man infolge der Leidenschaften, von denen man bestimmt wird, den Details ein übertriebenes Gewicht zu, und man hält die Methoden fälschlicherweise für das Ziel, die Details für das Ganze, das Sekundäre für das Wesentliche, den Egoismus für wahre Liebe, die Kommunikation für die Verbundenheit, die Formen für den Inhalt, das Behaupten des eigenen Willens für einen Dienst Gottes, die religiöse Ideologie für den Glauben. Erinnern wir uns nur daran, wie  im Himmel Adam den Apfel der Fürsorge für die Schöpfung vorzog, wie Esau sein Recht eines Erstgeborenen seinem Bruder Jakob für eine Schale Erbsen verkauft hat, wie die Jünger unseres Erretters, während Er über das unmittelbar bevorstehende Ereignis seiner erlösenden Opfergabe sprach – Ausdruck einer vollkommenen Selbstlosigkeit im liebenden Dienst – daran  dachten, wer unter ihnen der Größte sei.
Vater Ioanichie Balan bat Anfang der 90er Jahre Vater Theofil, ihm Material über die Wiederbelebung des Mönchstums zu geben. Er antwortete, etwas enttäuscht von der Lage des zeitgenössischen Mönchstums, dass er über nichts zu schreiben habe. Denn die Wirklichkeit zeige, nicht nur im Kloster Sambata, sondern auch in anderen Klöstern, dass das, was eine monastische Gemeinde sein sollte - also eine Gemeinschaft von Brüdern oder Schwestern in Christus - zu oft nur bloß ein Zusammenleben von Junggesellen bleibe: Die Mönche oder  Nonnen  versuchten in den Klöstern, lediglich ihre eigenen Ansichten über den Glauben und das Leben zu äußern, eventuell sogar ein  möglichst individualistisches und bequemes Leben  zu führen, in dem kleinere oder größere Mängel und Leidenschaften sich gut verstecken und pflegen lassen; und all das unter dem Vorwand, Gott zu dienen.
Im Hinblick  auf den priesterlichen Dienst bedauerte Vater Teofil, dass viele Kleriker keine Gottesmenschen seien, die in einer engen Beziehung zu Gott leben, sondern  einfache kirchliche Beamte. Er wollte diesbezüglich an ein Wort erinnern, das Vater Arsenie Boca an die Theologiestudenten richtete: „Passt auf, damit ihr nicht Priester werdet bevor ihr Christen seid!“.
Was das Leben der Laien anbelangt, stellte Vater Teofil traurig fest, dass diese oft aus eigennützigen Gründen zur Kirche gehen oder beten, dass sie religiöse Praktiken ausführen, ohne sie verstehen zu wollen,  nur weil sie von Gott etwas verlangen, oder Gott bitten wollen, sie für ihre Sünden nicht zu bestrafen. Sie verhalten sich Gott gegenüber, wie Vater Teofil sagte „wie gegenüber einem Spender – von dem man etwas zu verlangen hat -, oder einem Terroristen – den man fürchtet“. Der Vater bedauerte ein Verhältnis zu  Gott aus einfacher Gewohnheit oder wegen Aberglaubens. Ich erinnere mich, wie er bei einer Beerdigung in der Gegend von Fagaras beobachtet hat, dass dem Verstorbenen eine Münze in die Hand gelegt wurde, damit dieser, nach lokalem Brauch, bei den himmlischen Zollämtern zahlen könne. Sehr traurig darüber, dass die Priester diese Gewohnheit nicht korrigierten, hat der Vater den Gemeindepriester darauf aufmerksam gemacht. Die Antwort lautete, dass dies ein alter Brauch sei, den die Menschen nicht gerne aufgeben möchten. Dazu hat Vater Teofil folgendes gesagt: „ Wenn wir (als Priester) nicht einmal die Kraft haben, solche Bräuche zu entwurzeln, dann haben wir überhaupt keine Kraft“  und „Unsere Christen halten von ihrem Glauben genau so viel, wie der Tote von der Münze“.
Was ist mit uns los? In unserem Wunsch, oft in gutem Glauben, Gott zu dienen, werden wir zu förmlich. Wir möchten das, was der eine oder  andere Heilige getan oder gedacht hat, kopieren, und wir vergessen dabei zuzuhören, was Gott uns im Hinblick auf unsere konkrete Lage zu sagen hat. Wir schaffen es nicht, die vielen Beispiele aus der Tradition der Kirche in unserem Leben neu zu denken und anzuwenden, und sie nicht nur äußerlich, formal zu kopieren. Anstatt  uns Gott und unseren Mitmenschen durch die Formen, die gut und vonnöten sind, anzunähern, grenzen wir uns somit  immer mehr in unsere eigene Welt ab; statt selbstlos zu werden, pflegen wir unsere Selbstsucht; statt zu versuchen, Gottes Wille zu erfüllen, tun wir das, was wir entscheiden, dass es Gottes Wille sei; statt unsere Verbundenheit  durch den Glauben wachsen zu lassen, indem wir uns unseren Mitmenschen öffnen, richten wir Ideologien vor uns auf,  die unsere Lebenseinstellung einschränken, uns von Gott entfernen und von den anderen Menschen abspalten. Wenn man nicht in einer lebendigen Beziehung zu Gott und zu den Mitmenschen lebt, beschränkt  man sich auf  äußerliche, oft heuchlerische Anpassung an bestimmte Normen religiösen Verhaltens. In  der gleichen  Weise, wie die  Gelehrten und Pharisäer aus der Zeit Jesu, töten wir das Leben ab um der Formen willen, statt die Formen im Dienst des Lebens zu nutzen.
All diese Arten vom fehlerhaftem Bezug zu Gott charakterisierte Vater Teofil durch die Formel: „gesellschaftlich in der Religion leben, statt religiös in der Gesellschaft“, das heißt, die Beziehung zu Gott und den religiösen Ausdruck auf eine einfache, inhaltlose Praktik  zu reduzieren. Mit den Worten seiner Ehrwürden bedeutet dies: „Gottes Werk mit dem Gesicht auf die Menschen gerichtet zu tun“. Wenn man, zum Beispiel, betet, um gesehen zu werden, fastet, um gelobt zu werden,  bestimmte religiöse Rituale ausführt, nur weil die Sitte das vorsieht,  gut predigt, um Lob zu ernten, und vieles mehr. Nun, ausgerechnet dieser Bezug zu Gott im Blick auf sich selbst oder auf den anderen, diese Reduzierung des Religiösen auf das Soziale und des Ziels auf die Mittel ist es, was unser religiöses Verhalten oft nur förmlich macht, rituell, ohne Inhalt, ohne Sinn und daher ohne Leben.
Dieser falschen Weise, das Religiöse zu leben, hat Vater Teofil in seinem eigenen Leben eine lebendige Beziehung zu Gott entgegen gestellt, zu Gott, den er verstand, erlebte und sich vorstellte als „Vater“, als „gütig und menschenliebend“, als „Gott der Barmherzigkeit, der Gnade und der Menschenliebe“, der uns liebt, uns hilft, uns zu sich ruft, uns schützt, uns gegenüber gnadenvoll ist, uns sogar anlächelt und uns einlädt, zurückzulächeln. Es wäre zu wünschen, wenn die Beziehung zu Gott durch Lächeln, als Ausdruck einer delikaten Vertrautheit der Liebesbeziehung zu Ihm, bei den Christen öfter vorhanden wäre. Vater Teofil pflegte  ein Wort von Vater Serafim Popescu zu erwähnen: „Das Christentum ist Belebung, nicht Erstarrung!“
Vater Teofil hat diese Vertrautheit in der Beziehung zu Gott gewonnen, weil er, Mönch geworden, sich nicht begnügte mit der äußerlichen Anpassung an einen gewissen Lebensstil – sei er monastisch und vollkommen –, sondern neben der Einreihung in Formen, großes Gewicht auf die lebendige Beziehung zu Gott  gelegt hat, den er als liebenden und schützenden Vater wahrnahm. Vater Teofil hat immer seine Gedanken und Taten auf  Gottes lebendigem Wort aus den Evangelien abgestimmt. Als man ihn fragte, wie er abends agiere, wenn er müde ist und seinen Gebetskanon nicht mehr erfüllen kann, antwortete er ganz unförmlich, dass nachdem er ein kurzes Gebet gesprochen habe ,  „gehe er schlafen“. Und er ging tatsächlich schlafen. Am nächsten Tag aber stand er sehr früh auf, sodass er zwei, drei Stunden im Gebet, mit Lesen und Meditation verbringen konnte, bevor er zum Kirchengebet ging. Falls er abends an einer Konferenz teilnahm, die sich bis spät in die Nacht mit den anschließenden Diskussionen und Beichten hinzog, sodass er keine Gelegenheit mehr zu beten hatte, war er der Ansicht, dass Gott von ihm den geleisteten Dienst annehmen werde, ohne dass Er von ihm das verlange, was ihm unmöglich zu erfüllen gewesen ist. Er blieb ohne Antwort auf manche Geständnisse von Mönchen, die sagten, dass sie noch ihren Gebetskanon von ein paar Monaten nachzuholen hätten, und konnte nicht glauben, dass Gott so etwas verlangen würde. Er sagte, dass er das Jesusgebet mit Freude spreche, und könne sich nicht vorstellen, dass Gott ihn tadeln würde: „Siehst du, Teofil, du hättest noch tausendmal das Gebet sagen können, das hast du aber nicht gemacht!“. Wenn er sich beim Gebet an ein schönes Gedicht von Mutter Teodosia Zorica Latcu erinnerte, so rezitierte er vor Gott das Gedicht, und sagte dann „Oh Gott, was für ein schönes Gedicht, nicht wahr?“. Auf  Vater Ioanichie Balans Frage, wie er gegen die Müdigkeit kämpfe – und die Worte sind im rumänischen Paterikon enthalten – antwortet Vater Teofil direkt: „Ich gehe schlafen“. Auf die Frage: „Welches Gebet sei am stärksten?“, auf die man gewöhnt ist zu hören, dass es das Mitternachtsgebet sei, antwortete Vater Teofil: „Es ist das Gebet, das dich am nächsten zu Gott bringt“.
Wie würde Vater Teofil zu den Sachverhalten stehen, die unser junger Mann in seinem Brief erwähnt? Wir merken in der Tat sehr oft, dass wir, die wir uns gläubig nennen, überhaupt kein Bewusstsein und keine Empfindung unserer Zugehörigkeit zum Leib Christi haben, oder zur Kirche, in die wir gerufen sind, eine Gemeinschaft der Brüder und Schwestern zu bilden, die in Verbundenheit leben. Was die Mönche betrifft, sagte Vater Teofil, dass diese leider nicht sehr viele soziale Tugenden hätten; deren Brüder oder Schwestern seien ihnen oft gleichgültig. Wenn sich zum Beispiel zwei Mönche gestritten hatten, trennten sie sich sehr leicht, gingen jeder in seine Zelle, die Tür hinter sich zuschlagend und ohne jede Nachsicht für den anderen. Somit kann die rein formale Art, sich auf den Anderen zu beziehen, nicht überschritten werden. Obwohl die Deontologie in der monastischen, klerikalen und auch in der Welt der Laien ein bestimmtes Verhalten oder bestimmte Höflichkeitsregeln vorschreibt, wie der Gruß „Grüß Gott“, sind diese oft inhaltslos.  Sie werden ausgeführt oder erfüllt, ohne dass diejenigen, die sie benutzen, auch denken und empfinden, was sie sagen. In Bezug auf die „gemeinsamen Mahlzeiten der Gemeinden, die die Partys ersetzt haben“, erinnerte Vater Teofil an die Worte eines Vaters aus dem Paterikon, die an einen Menschen gerichtet waren, der als ehemaliger Senator pro Forma Mönch geworden war: „Du hast den Senator verloren und den Mönch nicht gewonnen“. Dies erwähnte Vater Teofil im Hinblick auf die vielen Kandidaten zum Mönchtum,  die die Welt verließen, ins Kloster kamen, das mönchische Gewand anzogen, sich aber nicht von dem monastischen Geist und Gefühl  durchdringen ließen. Wie oft passiert es leider in unserer Diaspora, dass die kirchlichen Patronatsfeste zu gemeinen Volksfesten reduziert werden. Das bedeutet, dass die Menschen das Fest der Kirche einfach missbrauchen. Sie nehmen dessen religiösen, christlichen Charakter nicht wahr, oder dieser interessiert sie  nicht, sondern sie benutzen das Fest als Gelegenheit, Zeit mit den anderen zu verbringen und, nicht selten, laut Spaß zu machen. Kommen wir zu dem Beispiel der byzantinischen Musik. Bis Ende der 80er Jahre wurde im Kloster Sambata de Sus hauptsächlich eine Kirchenmusik gesungen, die charakteristisch für Siebenbürgen ist. Dann kamen manche der Mönche auf die Idee, die byzantinische Musik einzuführen, ein sehr schönes Genre übrigens. Die Weise aber, auf die die Brüder diese Musik einführen wollten, ohne Rücksicht denen gegenüber, die diese Musik nicht kannten oder singen konnten, stellte sich als flagranter Mangel an Liebe und Verständnis für die Mitbrüder heraus, und auch Vater Teofil hatte darunter zu leiden. Es handelt sich erneut um die Vergötterung eines Mittels – sei es von seltenem künstlerischen Finesse und großem geistlichen Wert –, um eine egoistische Selbstdarstellung, der der Blick auf das Ziel fehlt. Das gilt auch für die Ikonen, wenn man in ihnen nur einen bestimmten Stil oder eine Schule der Malerei sieht, ohne dass die Ikone zu einem Fenster zu Gott und zu den Heiligen wird, die sie abbildet. Vater Teofil war der Ansicht, dass alle Dinge, die wir als Gläubige tun so getan werden sollen, dass sie uns zu unserem Herrn Jesus Christus bringen. Nicht zu einer Ikone, umso weniger zu einem Götzen, sondern zu Ihm selbst, lebendig und liebend, so wie die Evangelien und die Gottesdiensttexte Ihn darstellen.
Ich möchte gerne unterstreichen, dass Vater Teofil den Formen der Mönchsregel größte Bedeutung zuschrieb, entsprechend der kirchlichen Praxis, und dass er sie auch in seinem eigenen Leben mit Genauigkeit angewendet hat. Er verlangte auch von den Menschen, die er betreute, dass sie sich dem von ihm erstellten Programm für ein religiöses Leben unterordnen. Aber er wusste, dass diese Formen nur Hilfsmittel  sind, die uns in unserer menschlichen Schwachheit unterstützen, uns zu Hilfe kommen sollen. Durch sie kommen wir an die Erfahrung unserer Vorfahren. Sie sollen nicht ein Ziel in sich selbst sein. Somit füllte Vater Teofil diese Anordnungen durch seine Art zu leben, durch seinen Glauben und machte sie lebendig nicht nur für sich selbst, sondern auch für alle, die in Kontakt mit ihm kamen. Ich erinnere mich, mit wie viel Freude er bestimmte Psalmen rezitierte, die ihm so vertraut geworden waren, als hätte er sie selbst geschrieben; an die Art, wie er uns während der Liturgie den Frieden vermittelte und, zusammen mit einem allumfassenden Lächeln, zu uns „der Friede sei mit euch“ sagte; an die Freude, mit der er uns das Wort Gottes durch die Predigt verkündete; oder an seine freudestrahlende Entschlossenheit, mit der er die Fastenzeiten einhielt, obwohl er auch zu sagen pflegte: „Ich freue mich zu fasten, aber ich freue mich auch darüber, dass nicht alle Tage Fastentage sind!“.
All dies sind die Gründe, dass  Vater Teofil so lebendig in seinem Glauben wahrgenommen wurde. Persönlich muss ich sagen, dass er der Mensch mit dem größten Glauben an Gott ist, den ich je kennengelernt habe, in dem Sinne, in dem der Hl. Maximos der Bekenner den Glauben und das Gebet, wie folgt, definiert: „Unaufhörlich zu beten heißt, den Geist ewig mit Frömmigkeit und mit Sehnsucht bei Gott zu haben, an Ihm mit der ganzen Hoffnung festzuhalten, und Ihm zu vertrauen, in allem was man tut oder einem begegnet“. Diese Sehnsucht und diese Frömmigkeit waren die Quellen der Freude Vater Teofils, dessen Gebet immer mehr und immer intensiver, nach dem Wort des Heiligen Markus des Asketen „eine Freude, die Dank aufbringt“, wurde.
Ich habe die Gewissheit, dass wenn wir es schaffen, unseren Glauben mit Frömmigkeit und Sehnsucht zu leben, und unser Gebet zu einer Freude wird, die Dank erzeugt, werden wir die Kirche so erleben, wie Vater Teofil das Kloster definierte:  als „Vorzimmer des Paradieses“, „Pforte des Himmels“, „Haus Gottes“ und „Ort der Erfüllung“. Diese Freude, die aus unserem Glauben hervorgeht, wird auch für unseren Nächsten eine Einladung zum Ort der Erfüllung sein, unter der Obhut unseres himmlischen Vaters und in der geschwisterlichen Gemeinschaft.
  http://www.cbrom.de/

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