Die
heilige Myropē1
wurde Mitte des 3. Jahrhunderts in der Stadt Ephesos, in Kleinasien,
geboren. Da ihr Vater früh verstarb, wurde sie allein von ihrer
christlichen Mutter großgezogen. Als sie älter wurde, hauste und
wirkte sie nahe der ehrbaren Grabstätte der heiligen Ermionē2..
Die
heilige Ermionē
ist eine der vier prophezeienden Töchter des Diakons und
Evangelisten Philippos. Diese heilige Jungfrau war sehr gebildet und
führte ein seliges Leben. Sie übte die Kunst der Medizin aus und
heilte viele Menschen durch ihre Kenntnisse, aber auch durch ihre
heiligen Gebete, denn sie besaß die Gabe des Heilens. Als sie mit
ihrer ebenfalls heiligen Schwester Eutychis
nach Ephessos reiste, um Apostel Johannes3
zu begegnen, setzte sie sich dort nieder und gründete das erste
organisierte Fremden- und Krankenhaus und führte viele Menschen zur
Wahrheit. Später erlitt sie das Martyrium und wurde in dieser
ruhmreichen Stadt beigesetzt. Aus ihrer ehrbaren Grabstätte
triefte immerfort
auf wundersame Weise wohlriechende Myrrhe, und die selige Myropē
widmete sie sich der Aufgabe, aus großer Liebe für die heilige
Märtyrin, an diesem Ort zu verweilen. Sie fing den kostbaren Saft in
Gefäßen auf und verteilte ihn an die Gläubigen. Sie kümmerte sich
um die angemessene Pflege der Pilgerstätte und bat um heilige
Fürbitten der Märtyrin. Weil sie die Myrrhe verteilte gab man ihr
auch den Namen Myropē.
Sie verbrachte ihre Tage gottselig in Enthaltsamkeit und in
immerwährendem Gebet.
Im
Jahre 250 n. Chr. herrschte der schändliche Dekius, der die Christen
grausamst verfolgte. Die Mutter Myropēs
bangte um das Leben ihrer geliebten Tochter, weil Dekius dafür
bekannt war, dass er jeden, der den Göttern keine Opfer darbrachte,
erbarmungslos martern und töten ließ. Letztendlich überzeugte sie
Myropē davon, mit ihr
gemeinsam nach Chios zu fliehen, auf der sie Landgüter und Domizile
besaßen, die sie von ihren Vorfahren geerbt hatten, denn sie
stammten ursprünglich von dieser Insel. Myropē
verließ schweren Herzens die geliebte Pilgerstätte der Ermionē,
der sie so lange gedient hatte, und folgte ihrer Mutter. Dort
lebten sie anfangs in Frieden, führten ein geistliches Leben und
beteten innig dafür, dass die gnadenlose und ungerechte Verfolgung
der Christen endlich ein Ende fände. Darüber hinaus kümmerten sie
sich hingebungsvoll um die Bedürftigen und Kranken.
Eines
Tages kam jedoch ein Herrscher namens Numerius mit seinem Schiff nach
Chios. Zu seiner Besatzung gehörte auch der junge Offizier
Isidoros4,
der ein vortrefflicher und gottestreuer Jüngling war. Doch Numerius
entdeckte während ihres Aufenthaltes auf der Insel, dass der von ihm
bis zu diesem Zeitpunkt geachtete Isidoros ein Christ war, so dass er
zunächst versuchte, ihn mit allen rednerischen Mitteln von seinem
Glauben abzubringen. Doch Isidoros blieb standhaft und musste
deswegen mannhaft zahlreiche Marter erdulden. Am Ende wurde er
enthauptet und erhielt vom Herrn den kostbaren Märtyrerkranz.5
Seine ehrwürdigen Reliquien ließ der Herrscher in eine Schlucht
werfen, um sie den wilden Tieren und Raubvögeln auszuliefern.
Außerdem stellte er Wächter auf, um sicherzustellen, dass die
Reliquien von den Christen nicht entwenden würden. Denn die
Götzenverehrer wussten um die Tatsache, dass die Christen die
heiligen Reliquien der Märtyrer aufbewahrten und verehrten.
Auch
Myropē hörte von dem
Martyrium des heiligen Isidoros. Ihre Seele war erfüllt von
göttlichem Eifer und reiner Liebe im Herrn zum Heiligen. Sie nahm
all ihren Mut zusammen und, gleich der myrrhetragenden Frauen, zog
sie eines Nacht im Schutz der Dunkelheit mit einigen ihrer
Bediensteten los. Sie schlichen sich hinunter in die Schlucht,
während die Wächter mit Gottes Hilfe allesamt eingeschlafen waren,
und fanden auch die heiligen Reliquien, die sie voll Ehrfurcht
davontrugen. Danach kümmerten sie sich um den Heiligen den
Totengebräuchen entsprechend, salbten die Gebeine mit Myrrhe, und
setzten sie in einem christlichen Grab bei. Als jedoch Numerius von
der Entwendung der Reliquien erfuhr, ließ er sofort die Wächter in
Ketten legen und auf diese Weise die ganze Stadt durchsuchen, mit der
Androhung, dass sie entweder bis zu einer bestimmten Frist die
Gebeine ausfindig machten, oder aber ebenfalls zum Tode verurteilt
werden würden. Doch die gütige Myropē
beobachtete, wie diese Soldaten, in schwere Ketten gelegt, fieberhaft
die Stadt durchkämmten, und empfand großes Mitleid in ihrem Herzen
mit ihnen. Ihre Seele schmerzte und sie sprach zu sich: „Wenn
diesen Soldaten meiner Handlungen wegen solch Schlimmes widerfährt,
wird meine Seele unbedingt dieser Sünde wegen verunreinigt werden.
Wehe mir der Elenden, wenn ich vor den gerechten Richterstuhl Gottes
trete!“
Nach
diesen Überlegungen ging sie heldenmütig zu den Wächtern und
bekannte: „Meine Freunde, die
Reliquien, die ihr vermisst, habe ich entwendet, während ihr
schlieft.“ Man nahm sie natürlich
auf der Stelle gefangen, führte sie dem Herrscher vor und
berichteten ihm erleichtert: „Diese
Frau hat den Offizier gestohlen, der des üblen Todes gestorben ist“.
Numerius wandte sich an die Heilige: „Entsprechen
diese Worte der Wahrheit?“ Die
Heilige erwiderte: „Ja, es ist die
Wahrheit“. „Und
wie hast du es gewagt“, sagte
Numerius, „dieses zu tun, du
verfluchtes Weibsbild?“. Sie
erwiderte bloß: „Weil ich für deine
Gottlosigkeit Verachtung und Abscheu empfinde“.
Diese
Worte erzürnten nicht wenig den hochmütigen Herrscher. Sofort gab
er den Befehl, die Heilige erbarmungslos mit Gerten zu schlagen.
Danach wurde sie an ihren langen Zöpfen durch die Straßen der Stadt
geschleift, und sie wurde so dermaßen schrecklich geschlagen, dass
die Jungfrau mehr tot als lebendig war, als man sie daraufhin in den
Kerker warf. Gegen Mitternacht, während sich die Heilige in einem
glückseligen Gebetszustand befand, erschien ein sehr helles Licht,
welches das ganze Gefängnis erhellte, und eine Schar von Engeln sang
mit unsagbar lieblicher Stimme die Hymne: Heiliger
Gott, Heiliger Starker, Heiliger Unsterblicher!
Neben den Engeln stand der heilige Isidoros, der zu Myropē
sprach: „Friede sei mit dir, denn dein
Flehen hat den Thron Gottes erreicht. Zu dieser Stunde wirst du mit
uns kommen, um den Siegeskranz zu erhalten, der dir vorbereitet
wurde“. Dann übergab die heilige
Myropē
ihre Seele dem Herrn.
Ein
unbeschreiblicher Wohlgeruch erfüllte die Kerkerräume, so dass
selbst die Wächter verwundert waren und fast erstarrten vor
Ehrfurcht und Bangen. Diese Geschehnisse berichtete einer der
Wächter, der dies alles mit seinen eigenen Augen gesehen und mit
seinen eigenen Ohren gehört hatte und alles bezeugen konnte. Nach
diesem Erlebnis entsagte er dem Heidentum und glaubte an Jesus
Christus, als Herrn und Gott, und empfing die heilige Taufe. Später
erlitt dieser Wächter ebenfalls den Märtyrertod, als er seinen
Glauben ohne Zögern vor dem Herrscher bekannte. Die Reliquien der
heiligen Märtyrin Myropē
setzten die Christen der Stadt unter Tränen neben dem Grabe des
Märtyrers Isidoros bei. Später wurde eine Kirche über die
Reliquien beider Heiligen erbaut, von der bis heute Überreste
erhalten sind. Zu ihren Ehren gibt es zahlreiche größere und
kleinere Kirchen, vor allem auf Chios.
Das
Gedenken der heiligen Märtyrin Myropē
wird jährlich am 02/15 Dezember gefeiert, mögen die Fürbitten
ihrer myrrhetragenden Seele uns stets begleiten.
1gr.
Μυρώπη
2gr.
Ερμιόνη,
deutsche Form meist Hermione oder
auch Hermina, wird am
4/17 September gefeiert
3gr.
Ιωάννης, ausgesprochen
„Ioannis“
4der
heilige Isidoros oder lt.
Isidorus, Gedenktag
14/27 Mai, der Schutzheilige der Bäcker
5
Einer Überlieferung zufolge „weinten“ die Bäume am
Hirnrichtungsort des Heiligen, so dass aus diesen Tränen der
berühmte Mastic entstand, für den die Insel bis heute bekannt ist.
Übersetzung: Alexia Ghika-Kyriazi
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