Freitag, 20. Dezember 2013

Er schuf sie als Mann und Frau- Delkeskamp-Hayes, Cornelia


Orthodoxe Anmerkungen zur säkularen Kultur der Gleichberechtigung.
Menschen werden geboren als Mann oder Frau. Zwar treten in seltenen Ausnahmefällen mehr oder minder ausgeprägte Abweichungen vom Normbereich auf. Dennoch‚ läßt sich heute mit den Mitteln der Genanalyse „Männlichkeit“ durch das Vorliegen, „Weiblichkeit“ durch das Fehlen eines Y-Chromosoms eindeutig definieren.
Aber auch ohne die Ergebnisse moderner Forschung, und ungeachtet vereinzelter Zuordnungsschwierigkeiten, galt die biologische Zweigeschlechtlichkeit des Menschen lange als unproblematisch. Bis ins zwanzigste Jahrhundert hinein war sie entscheidend für sein emotionales, soziales und religiöses Selbstverständnis. Private und öffentliche Rollenverteilungen, psychologische Deutungen und moralische wie auch rechtliche Normen gründeten in der Einsicht, daß das Geschlecht eines Menschen sein Dasein in der Welt grundlegend prägt.
Diese Selbstverständlichkeit ist heute geschwunden. Die entwickelten Gesellschaften des Westens streben die rechtliche, soziale, politische, wirtschaftliche, professionelle und familiäre Gleichstellung an. Darüber hinaus fordert man eine psychische und biologische Angleichung beider Geschlechter aneinander. Moderne Menschen begrüßen die Gleichstellung als Erfolg: Die Emanzipation der Frau aus gesetzlich verankerter und kulturell etablierter Vorherrschaft des Mannes wird als befreiender Fortschritt gewertet. Politische Maßnahmen zur immer weiteren Durchsetzung dieser Gleichberechtigung auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens gelten als moralisch gefordert. Im deutschen Grundgesetz findet sich diese Durchsetzung sogar als Staatsziel formuliert. Viele möchten diese Entwicklung aber überdies in Richtung auf ein so genanntesgender mainstreaming , also die Angleichung der Geschlechter aneinander, vorantreiben. Die Unterschiede in der sozialen und psychologischen Wahrnehmung und Selbstwahrnehmung von Mann und Frau sollen durch erzieherische Maßnahmen und gesellschaftliche Anreize allmählich abgeschliffen werden. Das Geschlecht eines Menschen stellt dann nicht mehr in erster Linie eine natürliche Gegebenheit dar sondern wird gleichsam plastisch: Als kulturelle Konstrukte werden Geschlechtsunterschiede je nach persönlicher Vorliebe oder gesellschaftlicher Zielsetzung veränderbar.
Auf die Ursachen dieser Entwicklung kann hier nicht eingegangen werden. In mancher Hinsicht stehen hinter dem Bemühen um eine Aufweichung der Geschlechtsunterschiede und der damit verfolgten „größeren Chancen-Gleichheit“ durchaus respektable Anliegen. Es geht den Befürwortern um „Fairness“, um die Vermeidung von „Ungerechtigkeit“ und „Unterdrückung“.

Auch Christen sind ja zu (einer sehr spezifisch ausgerichteten) „Gerechtigkeit“ aufgerufen: Sie sollen einander nicht übervorteilen, sollen gegen (recht verstandene) Ungerechtigkeit Stellung nehmen und (recht verstanden) Unterdrückten helfen. Im Unterschied zum christlichen Gerechtigkeitsdiskurs setzt jedoch die gesellschaftlich und politisch durchgesetzte Geschlechter-„Gerechtigkeit“ unserer Zeit (wie alles rein weltliche Streben) ein nicht-religiöses, ausschließlich auf das irdische Dasein bezogenes Menschenbild voraus. Diesem Menschenbild gilt als höchster Wert entweder die individuelle Selbstverwirklichung oder eine „wohlgeordnete“ Gemeinschaft, die beide nur im zeitlichen Sinne (und von jeder Ewigkeit unberührt) vorgestellt werden. Zu solchen Werthaltungen gerät das von Christen geforderte Sterben und Auferstehen in Christus zuweilen in Widerspruch.
Nun sind natürlich Christen immer und überall zum Gehorsam gegenüber der jeweils herrschenden Staatsgewalt verpflichtet (Röm 13), — zumindest solange dies nicht auf Kosten ihres Gottesgehorsams geht. Auch orthodoxe Christen fügen sich darum den gesetzlichen Normen zur Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau. Diese Normen können allerdings in ihren gesellschaftlichen Auswirkungen (besonders im Blick auf eine Relativierung der Geschlechtsunterschiede) das christliche Leben (in seiner privaten oder auch öffentlichen Dimension) behindern. Wo dies geschieht, haben Christen (als Glieder des demokratischen „Souveräns“) das Recht, hiergegen öffentlich zu protestieren. Zugleich sind alle Christen verpflichtet, sich zumindest in ihrer eigenen Lebensorientierung von jenem rein säkularen (d.h. rein diesseitigen) Menschenbild zu distanzieren, das dem geltenden Recht zugrunde liegt. Würden sie dieses Menschenbild (mitsamt der darin enthaltenen Relativierung der Unterschiede zwischen Mann und Frau) auch innerlich bejahen, so würden sie (um mit dem Heiligen Justin von Celije zu sprechen) das Gott-menschliche Menschenbild ihres Glaubens verraten. Christen stellen ihr Verständnis irdischer Gerechtigkeit in den größeren Zusammenhang der Gerechtigkeit Gottes. Sie bekennen sich zu dieser göttlichen Gerechtigkeit. Der vorliegende Aufsatz möchte dazu anregen, diesen Unterschied der Perspektive, zwischen einer rein weltlichen und einer auf das Reich Gottes bezogenen Gerechtigkeit, auch im Blick auf die heute verfolgte „Geschlechtergerechtigkeit“ zur Geltung zu bringen.
Doch vorab ein Wort der Vorsicht. Auch für Christen sind die je konkreten Wege der göttlichen Gerechtigkeit ein Geheimnis. Immerhin wissen sie so viel, daß es dabei um das in Liebe und Mitleid gewährte Angebot einer sie selbst vergöttlichenden Gnade geht. Christen wissen sich eingeladen, dieser Gnade mit Hilfe der an sie ergangenen göttlichen Weisungen im Gehorsam entgegenzukommen. Auf diese Weisungen hin orientieren sie ihr Leben nicht in erster Linie moralisch (d.h. mit „horizontalem“ Blick auf Mitmenschen mit Mitgeschöpfe), sondern („vertikal“ auf Gott gerichtet) zum Ziel der Heiligkeit hin.
Diese göttlichen Weisungen sind den Gläubigen zugänglich in der Tradition der Kirche. Was davon für jeden Einzelnen in jeder Situation seines Lebens hilfreich ist, erschließt sich natürlich am besten im Gespräch mit jenen geistlichen Vätern, die selbst Geist-Träger sind. Nur sie haben ja sowohl zur Tradition als auch zur Seele ihrer „Kinder“ authentischen Zugang. Hier findet der Gläubige die für seine je eigenen Probleme geeignete Medizin. Zugleich aber stellt die Tradition auch einen allgemeinen theologischen Rahmen bereit. Dieser erschließt sich aus den heiligen Schriften des Alten und Neuen Testaments, den apostolischen Lehren, den Gebeten, liturgischen Lebensformen und Gewohnheiten der Kirche, den Kanones, den Schriften der großen Kirchenlehrer und all jener, die bekräftigen, was die Kirche zu allen Zeiten und an allen Orten gelehrt hat. Auch in den dieser Lehre folgenden Heilswegen der von der Kirche verehrten Heiligen finden sich Zugänge zur Tradition. Innerhalb dieses Rahmens suchen darum Christen, schon hier, in der gefallenen Welt ihres irdischen Lebens, auf dem durch Christus neu eröffneten Weg ihrem göttlichen Ziel nachzustreben. Abgesehen vom unbedingten Verbot des Götzendienstes, der Blasphemie, der Ermordung Unschuldiger und der Unkeuschheit (also von Handlungen, die den Menschen allzu sehr von Gott trennen), begründet die christliche Lebensweise kein starres Regelsystem, kein Korsett. Vielmehr stellt diese Lebensweise geistliche Hilfsmittel bereit, die jedem Christen auf seinem Heilsweg Orientierung gewähren.
Auch im Blick auf die Beziehung zwischen den Geschlechtern ist darum nicht für jeden Menschen jedes dieser Hilfsmittel immer zugänglich oder gar förderlich. Nicht für jede Frau, die noch keinen Ehepartner gefunden und auch noch keine Berufung zum monastischen Leben empfangen hat, ist das Wort des Heiligen Paulus von der Rettung der Frau durch das Gebären von Kindern hilfreich (1 Tim 2,15). Für eine alleinstehende Mutter, die zwischen Berufstätigkeit und Kinderbetreuung kaum Platz findet für die Suche nach einem Ehepartner, mag die Lehre von der Zugeordnetheit der Frau auf den Mann höchstens im Blick auf die richtige Erziehung ihrer Kinder hilfreich sein. Nicht jede Mutter, die sich mit Erziehungsproblemen herumschlägt, gewinnt Nutzen aus Paulus‘ Zusatz, daß die Rettung der Frau das Verbleiben ihrer Kinder im Glauben voraussetzt. Nicht alle Eltern sind in der Lage, in Zeiten der Arbeitslosigkeit oder Krankheit nach dem göttlichen Gebot des „seid fruchtbar und mehret euch“ (Gen 1,28) immer noch weitere Geburten zu verkraften.
Trotz all solcher Schwierigkeiten hat es Sinn, die allgemeine Orientierung, die die Tradition der Kirche uns im Blick auf das Verhältnis zwischen Mann und Frau geschenkt hat, immer wieder zu bedenken. Das Problem, das sich mit dem einleitend skizzierten Verständnis der Geschlechter (d.h. mit der Infragestellung der Geschlechter-Rollen) für Christen stellt, ist ja einigermaßen neu. Bis auf die hilfreichen Weisungen im Sozial-Konzept des Russischen Patriarchats (2004, Kap. X) hat die Kirche hierzu noch wenig Stellung genommen. Darum muß eine angemessen traditionstreue Darstellung aus den Quellen heraus erarbeitet werden. Zu diesem Bemühen möchte der vorliegende Aufsatz einige Anregungen bieten.
Diese Anregungen stehen ihrerseits in einem sehr spezifischen Kontext: Christen sind aufgerufen, in der Welt zu leben, aber nicht „von der Welt“ zu sein (Joh 15,19): „Wenn ihr von der Welt wäret, würde die Welt das Ihrige lieben; weil ihr aber nicht von der Welt seid, sondern ich euch aus der Welt auserwählt habe, darum hasst euch die Welt.“ Christen müssen bei jedem gesellschaftlichen und kulturellen Wandel an ihrer eigenen Berufung festhalten. Das ist besonders dann schwierig, wenn die in ihrer Lebenswelt herrschende Kultur sich zwar „christlich“ (oder doch wenigstens „nach-christlich“) nennt, ihren Glauben aber an säkulare Wertorientierungen, ethische Ideale und rechtliche Normen weitgehend angepaßt hat. Meine Bemerkungen wenden sich ausschließlich an diese Kultur, sofern sie zentral durch den modernen Feminismus geprägt ist. Würde ich zu Menschen sprechen, die in einer patriarchalischen Gesellschaft leben, so müßte die Auswahl dessen, was als relevant und hilfreich zu gelten hat, ganz anders ausfallen. Jede Kultur neigt zu sehr spezifischen Verzerrungen und Übertreibungen. Darum hängt die Entscheidung über das, was gesagt werden muß, vom jeweiligen Adressaten ab.
Was also lehrt uns Mitglieder westlicher liberaler Demokratien die christliche Tradition über die menschliche Zweigeschlechtlichkeit? Betrachten wir zunächst (I.), wie die Verschiedenheit von Mann und Frau durch die Lehre unserer Kirche begründet und gedeutet wird. Anschließend (II.) soll gezeigt werden, was diese Begründung über die zwischen Eheleuten wünschenswerte und geforderte Liebe an Hilfreichem bereitstellt.

I. Die Lehre der Tradition

1. Die beiden Schöpfungsberichte
 Nach dem ersten Schöpfungsbericht (Gen 1,27) schuf Gott die Menschen als „Mann und Weib“. Jesus selbst bekräftigt diese dem auserwählten Volk Israel offenbarte Tatsache auch für Christen: „Er aber antwortete und sprach [zu ihnen]: Habt ihr nicht gelesen, daß der, welcher sie schuf, von Anfang sie Mann und Weib schuf“ (Mt 19,4). Beiden kommt, als gleichermaßen auf Gottes Bild hin Geschaffenen und zur Herrschaft Berufenen, gleiche Würde zu. So spricht der Heilige Johannes Chrysostomos (ca. 349–407) in seinen Predigten zur Genesis über die „Menschenfreundlichkeit Gottes, „daß er ihr (d.h. Eva), noch ehe er sie ins Dasein gesetzt hat, schon einen Anteil an der Herrschaft gibt und sie des Segens würdig macht“ (1919, 108) und betont, daß sie Adam „an Ehre gleich“ sei (op.cit. S. 159). Im zweiten Schöpfungsbericht wird dann die Verschiedenheit der Geschlechter einerseits als Rangordnung, andererseits als Beziehungsordnung beschrieben.
a) Die Rangordnung der Geschlechter
Entscheidend ist hier die Reihenfolgeihrer Schöpfung. Gott formt zuerst Adam, den Mann (Gen 2,7). Er bildet Adam aus Staub und bläst ihm den Lebensatem ein. Die Frau entsteht im Nachhinein, — aus der Rippe des Mannes (Gen 2,21, und somit, wie die Väter erfreut anmerkten, immerhin nah seinem Herzen!). Eva erhält nach diesem Bericht ihre Gottesebenbildlichkeit und den eingeblasenen geistlichen Lebensatem nicht unmittelbar, sondern als aus dem Mann Genommene. So ist sie auch nach diesem Bericht noch gar nicht auf der Welt, als Adam schon die Pflege der Schöpfung und das Verbot des Essens vom Baum der Erkenntnis anvertraut wird (Gen 2,16-7).
b) Die Beziehungsordnung der Geschlechter.
Diese Beziehungsordnung betrifft einerseits den Zweck, der mit der Erschaffung der Frau verfolgt wird, andererseits das für sie vorgesehene Verhältnis
i.   Die Erschaffung der Frau wird damit begründet, daß Gott es „nicht gut“ fand (Gen 2,18), Adam ohne menschliche Gefährtin zu lassen. Ihre Rolle als Helferin verweist Eva Rang-mäßig auf Platz zwei. Wir könnten auch sagen: Während die „gute Qualität“ der Existenz Adams vom Dasein Evas abhängt, hängt bei Eva schon die „Tatsache“ ihrer Existenz von Adam ab, d. h. von ihrem Beitrag zu seiner Lebensqualität. Dieser Rangunterschied in der Zuordnung der Frau auf den Mann läuft, da beide überdies verschiedene Willen haben, auf eine Unterordnung der Frau unter ihren Mann hinaus.
ii) Gemäß Adams Prophezeiung werden Mann und Frau „ein Fleisch sein“ (Gen 2,24). Auch Christus selbst bestätigt diese Vorgabe: „es werden die zwei ein Fleisch sein, so daß sie nicht mehr zwei sind, sondern ein Fleisch“ (Mt 19,5-6). Die rangmäßige Entgegensetzung wird auf der Ebene des „Fleisches“ also gleichsam wieder aufgehoben. Immerhin ist das Fleisch (σαρξ) hier nicht bloß biologisch gemeint sondern umfaßt die inkarnierte Existenz menschlicher Personen in der materiell geschaffenen Welt. Beiden Geschlechtern wird also eine innige Verbindung ihrer gesamten weltlichen Daseinsweise verordnet. Diese betrifft natürlich in erster Linie die körperliche Vereinigung, deren Verordnetheit sogar besonders hervorgehoben wird: Die nach dem Fall erlassenen göttlichen Gebote verurteilen außerhalb der von Gott gesegneten Ehe von Mann und Frau jede sexuelle Betätigung als unangemessen, weil dem von Gott dem Menschen zugedachten Heil zuwiderlaufend. Die Verbindung der Eheleute hat sogar (wie Adam ebenfalls voraussagt) Vorrang vor der Sohnespflicht: der Mann wird Vater und Mutter verlassen, um seiner Frau anzuhangen (Gen 2,24).

2. Das Zeugnis der Kirche
 Der eben skizzierte Schöpfungsbericht legt für das christliche Eheleben eine Orientierung nahe, die deutlich von dem abweicht, was in entwickelten westlichen Gesellschaften heute als normal gilt. Die herrschende Leitkultur fordert eine Gleichstellung der Geschlechter, die sich über den politisch durchgesetzten rechtlichen Bereich hinaus auch auf Familien auswirkt. Hier haben die Frauen-Emanzipation und die neue Norm sexueller Freizügigkeit tiefgreifende Veränderungen hervorgebracht.

Während die Bedeutung geschlechtlicher Unterschiede, ebenso wie die Geltung der christlichen Weisungen zur Sexualität, zumindest theoretisch von orthodoxen Christen nicht in Frage gestellt wird, haben viele von ihnen das „Evangelium“ der Gleichstellung von Mann und Frau unkritisch übernommen. Die von der Kirche niemals geleugnete zentrale Bedeutung der Frau für eine kirchliche Ausrichtung des Familienlebens wird dabei häufig als Rechtfertigung einer grundsätzlicheren „Gleichberechtigung“ beansprucht. Die Ersetzung des hergebrachten Familienbildes (mit dem Ehemann und Vater als Haupt der Familie) durch ein demokratisches Miteinander von Gleichen gilt als Freiheitsfördernd. Die durch Quotenregelungen durchgesetzte Chancengleichheit in Ausbildung und Beschäftigung, und die so vorangetriebene Integration der Ehefrau und Mutter in den Wirtschaftskreislauf werden begrüßt, ohne daß dabei die „Kosten“ (Verlust einer geistlichen Prägung des häuslichen Alltags) irgendwie in den Blick geraten.
Mit solchen rein an einer weltlichen Moral orientierten Meinungen entfernen sich Christen von der Lehre der Kirche: Nach dieser Lehre soll die Ehe zwar wie ein das Paradies vorwegnehmendes eigenes Königreich gelebt werden, wird dabei aber unvermeidlich den Partnern auch ein gegenseitig geübtes Martyrium abverlangen. Nicht so, als sollten Eheleute einander das Leben schwermachen. Vielmehr sollen sie in den unvermeidlichen Leiden, die gefallene Menschen auch als Liebende einander zufügen, eine Hilfe für ihr geistliches Wachstum finden. Sie sollen hierzu (nicht mit Paartherapeuten, Sozialpädagogen und Familienrichtern) sondern mit ihrem (idealerweise gemeinsamen) geistlichen Vater zusammenarbeiten. Es ist dieses Ideal der Familie als einer kleinen Kirche, das das hergebrachte Familienbild als wesentlichen Bestandteil der Tradition ausweist.
Stattdessen sehen viele orthodoxe Christen, ganz wie alle anderen modernen Menschen, dieses Familienbild als ein Relikt vergangener Zeiten. Auch in der akademisch-theologischen Literatur werden die Unterschiede zwischen den Geschlechtern nur noch im Hinblick auf Gleichwertigkeit und gegenseitige Komplementarität bedacht. Die Beziehungen zwischen Mann und Frau erscheinen somit wie Beziehungen innerhalb der Gemeinde, wo unterschiedliche Charismen gerade keine Rangordnung begründen (1 Kor 12,12-30). Bei der Frage, wie ernste, durch keinerlei Diskussionen mehr auflösbare Konflikte des täglichen Lebens in der Ehe zu bewältigen seien, wird kein Unterschied in der Autorität beider Partner gemacht. Wo aber beide gleiche Kompetenz für entgegengesetzte Auswege beanspruchen, fehlt die Instanz, die im Ernstfall die Stabilität einer Ehe sichern könnte.
Hier also ist Klärung nötig. Die im Schöpfungsbericht angelegte Orientierung soll darum noch einmal auf ihre Geltung für die Tradition der Kirche hin überprüft werden.
Zunächst aber stellt sich ein sprachliches Problem. Der Begriff einer „Rangordnung“ ist als theologischer Begriff nicht gebräuchlich. Seine Verwendung zielt auf die griechische „ταξις“, die eine ontologische Ordnung (d. h. eine Ordnung der Seinsweisen) bezeichnet. Der Begriff der Hierarchie zeigt zwar eine Über- und Unterordnung an und wäre insofern hilfreich. Er wird aber oft für eine Priesterherrschaft verwendet, die eher den lateinischen Organisationsformen entspricht als der orthodoxen Tradition. Der Begriff der Monarchie hebt zwar das Prinzip des einen Ursprungs der Herrschaft hervor, wird aber normalerweise rein politisch verstanden. Auch „Autorität“ (z.B. für das griechische „εξουσια“ oder „αυθεντειν“) wird umgangssprachlich häufig mit Machtausübung oder Herrschaft (im negativen Sinn) verknüpft. Der Begriff „Haupt“ trifft die Sache sicher am besten, läßt sich aber sprachlich nicht leicht verwenden. Was also mit der „Rangordnung“ zwischen Mann und Frau in der Ehe in diesem Aufsatz gemeint ist, muß aus dem Gesamtzusammenhang erschlossen werden.
Die wichtigsten Argumente gegen die theologische Relevanz der im Schöpfungsbericht angelegten Rangordnung zwischen den Geschlechtern (und damit gegen ihre Bedeutung für den menschlichen Heilsweg) berufen sich einerseits (a) auf die Evangelien, andererseits auf eine Relativierung zentraler Aussagen der Apostel Paulus und Petrus (b).


a) Christi Verhalten gegenüber Frauen
 Häufig wird behauptet, Christus selbst habe gegen Konventionen der in Seiner Zeit herrschenden patriarchalischen Gesellschaft verstoßen. Er habe mit Frauen ganz selbstverständlich, auf Augenhöhe, geschwisterlich, oder „wie mit Gleichen“ verkehrt. Daran ist richtig, daß Jesus in Seinem ganzen Lehren und Verhalten Frauen als den Männern gleichwertige Personen wahrnahm. Dennoch darf man die Sache mit dem „Konventionsbruch“ nicht übertreiben. Pharisäer und Schriftgelehrte hatten jedes erdenkliche Interesse daran, Jesus auf einer Verletzung des mosaischen Gesetzes zu ertappen. Dennoch hat niemand Jesus einen Vorwurf daraus gemacht, daß Frauen Ihn auf Seinen Wanderungen gemeinsam mit den Jüngern begleiteten und Ihn aus ihrem Vermögen unterstützten (Lk 8,2-3). Sein vertrauter Umgang mit den Frauen (und Sein ganz selbstverständlicher Rückgriff auf spezifisch weibliche Lebenserfahrungen in den Gleichnissen) erregten in der patriarchalischen Gesellschaft Seiner Zeit keinerlei Anstoß. Auch Sein pharisäischer Gastgeber protestierte nicht dagegen, daß Jesus sich bei Tisch von einer Frau die Füße mit Tränen benetzen, mit ihren Haaren trocknen und küssen ließ. Die Sittenwächter vor Ort monierten nur, daß Jesus eine stadtbekannte Sünderin um sich duldete (Lk 7,39).
Jesu Umgang mit Frauen blieb also in den Grenzen des damals Akzeptierten. Zwar stellte Er die Heuchelei der jüdischen Rechtsgelehrten bloß (Joh 8,7), indem Er die Steinigung einer Ehebrecherin von der Unschuld der Vollstrecker abhängig machte. Insofern hat Jesus in der Tat eine moralische, und im Hinblick auf moralische Vergehen dann auch rechtliche Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern eingefordert. Das widersprach allerdings den Konventionen seiner Umwelt, da es das männliche Gewohnheitsrecht der Vielweiberei abschaffte: „Ich sage euch aber, daß, wer irgend sein Weib entlassen wird, nicht wegen Hurerei, und eine andere heiraten wird, Ehebruch begeht; und wer eine Entlassene heiratet, begeht Ehebruch.“ (Mt 19,9). Jesus tat dies aber nicht als gesellschaftlicher Reformer, sondern zum Zeichen einer heilsgeschichtlich neuen Zeit, die mit Seinem Kommen angebrochen ist. Was unter den Bedingungen einer bis dahin rettungslos gefallenen Menschheit als Zugeständnis an männliche Unenthaltsamkeit hingehen mochte (Mk 10,5), ist nun, mit dem Paradies in greifbarer Nähe, nicht mehr hinnehmbar.
Jesus hat somit den göttlichen Schöpfungsplan der ausschließlichen Einheit eines Mannes mit seiner Frau nur wieder in seine alten Rechte eingesetzt. Er hat die dem Mann gegenüber gleiche Gottesebenbildlichkeit und göttliche Berufung der Frau neu bekräftigt, nachdem diese Berufung sogar in Gottes auserwähltem Volk durch dessen Verharren in der Sünde in Vergessenheit geraten war. So lobte Er die zu Seinen Füßen sitzende Magdalena, da sie (ganz ungeachtet der von ihrer Schwester Martha wahrgenommenen „Helferinnen-Funktion“) „das beste Teil“ erwählte (Lk 10,42); Er gestand also den Frauen geistliche Belehrung (und Berufung) zu.


Dennoch handelt Seine Verschärfung des Scheidungsrechts (Mt 5,32) wie gewohnt nur von Männern, die Scheidungsbriefe ausstellen. Und wenn Er von Seinen ganz persönlichen Nachfolgern unbedingte Ausschließlichkeit der Liebe verlangte, so sagte Er nur das Opfer von Eltern, Frau, und Kindern voraus (Lk  18,29). Von geopferten Ehemännern ist keine Rede. Zwar lassen manche Zeugnisse Ihn als Auferstandenen zuerst den Myrontragenden Frauen erscheinen (Mt 28,9). Aber Jesus brachte keine der Ihm dienenden Frauen mit in die Synagoge. Er berief sie weder als Jüngerinnen noch als Apostel, und auch die Macht „zu binden und zu lösen“ hat Er ihnen nicht verliehen.
Gewiß hat Jesus betont, daß „in der Auferstehung“ die Zweigeschlechtlichkeit nicht mehr sexuell gelebt werden wird (Mt 22,30). Er hat damit bekräftigt, daß im Blick auf die Tatsache des menschlichen Lebensziels der Vergöttlichung kein Unterschied zwischen Mann und Frau besteht. Mit dieser Gleichheit ist aber nicht gesagt, daß die weltliche Arbeit an der Verwirklichung dieses Lebensziels die in der Schöpfung der Welt angelegte Rangunterscheidung aufhebt.
 Nach alledem scheint die These, Jesus habe über die geistliche Vernachlässigung und Abwertung der Frau hinaus auch gegen ihre sozialen Unterordnung unter den Mann Stellung bezogen, wenig überzeugend.
 b) Das Verhältnis der beiden führenden Apostel zu den Frauen
 Häufig wird behauptet, die Äußerungen des Heiligen Paulus zur Beziehung zwischen den Geschlechtern und zur Ehe verrieten gewisse persönliche oder doch zeitbedingte Vorurteile gegen Frauen. Untersuchen wir also, wie die Kirche mit seinen Lehren umging!
1.) Die Eindeutigkeit, mit der Paulus allen, die dazu fähig sind, sexuelle Enthaltsamkeit empfahl (1 Kor 7,1;7-8), hat keine unmittelbare dogmatische Bedeutung erlangt. Vielmehr hat die Kirche in ihrer Bejahung der Ehe stets auf das erste Wunderwerk Christi hingewiesen: Durch die Verwandlung von Wasser in Wein bei der Hochzeit zu Kana (Joh 2,1-12) hat Jesus die Ehe überhaupt gesegnet.
Andererseits hat die Kirche anerkannt, daß Paulus (1 Kor 7,32-5) durchaus mit Recht die Notwendigkeit hervorhebt, sich auf das eine, wahre Ziel der Vergöttlichung zu konzentrieren. Der Apostel selbst verurteilt jede prinzipielle Abwertung der Ehe (1 Tim 4,2-3). Nur im Blick auf jenes Ziel warnt er vor der Ablenkung, die eine mit familiären Verpflichtungen einhergehende Verstrickung in irdische Geschäfte mit sich bringt. Darum hat die Kirche auch die von Paulus herausgestellte Bedeutung der Jungfräulichkeit für den Weg der Heiligung anerkannt und die Entwicklung des Mönchtums bejaht.
2.) Was nun die Beziehung der Geschlechter zueinander anlangt, so ist die Kirche Paulus ohne Abstriche gefolgt. Der Apostel beschreibt die gegenseitige Angewiesenheit von Mann und Frau aufeinander sehr differenziert, setzt aber die Unterordnung der Frau unter den Mann) ganz selbstverständlich voraus: „Ihr Weiber, [seid unterwürfig] euren eigenen Männern, als dem Herrn“ (Eph 5,22). Hierbei folgt er zunächst dem zweiten Schöpfungsbericht: Die Frau, als die nachträglich Geschaffene, leitet ihre Gottesebenbildlichkeit, Einladung zur Vergöttlichung und Herrschaft über die Schöpfung von Adam her: „Ich erlaube aber einem Weibe nicht, zu lehren, noch über den Mann zu herrschen, sondern still zu sein, denn Adam wurde zuerst gebildet, danach Eva“ (1 Tim 2,12-3). Ebenso erinnert Paulus daran, daß Eva um Adams willen, als seine Helferin geschaffen wurde (1 Kor 11,9). Darum ist auch der Mann „Bild und Herrlichkeit Gottes, aber die Frau die Herrlichkeit des Mannes“ (1 Kor 11,7). Entsprechend hat die Kirche nicht nur im abschließenden Priestergebet ihrer Ordnung der Verlobung die Zuordnung der Frau auf den Mann betont: „Du machtest sie als Mann und Frau, und durch Dich wurde die Frau dem Mann als Helferin zugeordnet und für die Fortführung des Menschengeschlechts“. Auch jene Unterordnung wird in der Ordnung der Heiligen Krönung in den dabei eingesetzten Lesungen (u. a. Eph 5,20-33) stets bekräftigt: Es heißt dort zudem im zweiten Priestergebet: „und gib, daß diese Deine Dienerin ihrem Mann in allen Dingen untertan sein möge, und daß dieser Dein Diener das Haupt seiner Frau sein möge, damit sie nach Deinem Willen leben.“ Jeder Versuch, diese Lehre als für heutige Christen nicht mehr gültig abzutun, verletzt das Grundprinzip wonach die lex orandi der Kirche zugleich die lex credendi darstellt.
Andererseits (wiederum) hat Paulus (und die Kirche ist ihm auch hierin gefolgt) Christi Lehre von der geistlichen Gleichwertigkeit der Geschlechter ausdrücklicher rituell präzisiert: Er beschreibt den Unterschied der Geschlechter als durch die Taufe „vernichtet“ (Gal 3,28), sofern als Getaufte alle in Christus „eins“ geworden sind: Für alle gelten die Gesetze, alle sind in gleicher Weise in die Wahl zwischen Erlösung und Verdammnis gestellt. Dennoch zeigt der Text-Zusammenhang, in dem zugleich von Juden und Griechen, Sklaven und Freien die Rede ist, daß selbst diese „Einheit der Taufe“ nicht jede rangmäßige Verschiedenheit aufhebt.
Bei alledem war Paulus im persönlichen Umgang mit Frauen keineswegs „kleinkariert“: Unter den drei Grußformeln, mit denen er sich auf Prisca und ihren Mann Aquila bezieht, nennt er die Frau zweimal zuerst (Röm 16,3;2 Tim 4,19) und hebt dadurch ihre herausragende Rolle für die Kirche hervor.
3.) Die bei aller geistlichen Gleichwertigkeit festgehaltene Unterordnung der Frau unter ihren Mann begründet Paulus im Rückgriff auf Evas herausragende Rolle (als zuerst Betrogene) beim Sündenfall noch einmal tiefer :  und Adam wurde nicht betrogen, das Weib aber wurde betrogen und fiel in Übertretung“ (1 Tim 2,14). Diese Rolle begründet auch sein Schweigegebot für Frauen in der Kirche: „ [Eure] Weiber sollen schweigen in den Versammlungen, denn es ist ihnen nicht erlaubt zu reden, sondern unterwürfig zu sein, wie auch das Gesetz sagt“ (1 Kor 14,34). Dieses Gebot hat die Kirche zwar nicht davon abgehalten, einen gesonderten Witwen-Stand, Prophetinnen, apostelgleiche heilige Frauen oder geistliche Mütter anzuerkennen. Es hat aber dafür gesorgt, Frauen von der geistlichen Weihe auszuschließen.
Auch der Heilige Petrus bestätigt die Unterordnung der ebenso wie der Mann zum Heil berufenen (1 Petr 3,7) Frau: „Gleicherweise ihr Weiber, seid euren eigenen Männern unterwürfig, […] Denn also schmückten sich auch einst die heiligen Weiber, die ihre Hoffnung auf Gott setzten, indem sie ihren eigenen Männern unterwürfig waren: wie Sara dem Abraham gehorchte und ihn Herr nannte, deren Kinder ihr geworden seid“ (1 Petr 3,1;5,6). Wie er haben auch später die herausragenden Lehrer der Kirche, wie etwa der Heilige Basilius der Große (330–379) und der Heilige Johannes Chrysostomos, diese Unterordnung als eine in der Schöpfungsordnung angelegte und durch den Sündenfall verschärfte Selbstverständlichkeit betrachtet. So argumentiert der Heilige Johannes zunächst in Bezug auf die erstere: „weil es im Blick auf die Herrschaft war, daß die Gottesebenbildlichkeit empfangen wurde, nicht im Blick auf die Natur, darum herrscht der Mann über alles, die Frau aber ist ihm untergeordnet“ ( Predigten zu Genesis 8,10:), oder auch: „Die Frau besitzt eine Autorität zweiter Ordnung; laß sie darum nicht nach Gleichheit streben, denn sie steht unter dem Haupt“. Was den Sündenfall angeht, so deutet er sogar schon den ersten Schritt, den Eva auf die Übertretung des göttlichen Gebots hin unternimmt, als Versagen gegenüber genau dieser Anordnung. In seinen Genesis-Homilien (1913, S. 178) führt er aus, daß Eva die ihr zugedachte Rolle verletzte, als sie, ohne dies mit Adam „abzuklären“ (wie wir heute sagen würden), eigenmächtig sich mit einem zum Herrschaftsbereich beider gehörenden Wesen auf ein theologisches Gespräch einließ. Entsprechend wird Adam ein Versagen in seiner Führungsverantwortung vorgeworfen. Er versäumte es ja nicht nur, ihr Angebot des „mal Kostens“ zurückzuweisen (geschweige denn ihre eigene Übertretung zu ahnden). Adam versagte noch entscheidender, als er sich auf Gottes Nachfrage vor seiner Verantwortung drückte. Hierdurch verlor er, wie Ephraim der Syrer (ca. 306–373) lehrt (1990, S. 214 f.) die Chance, durch rechtzeitige Reue Gottes väterliche Verzeihung zu erlangen.
 II. Die eheliche Liebe

 Wenn es selbst orthodoxen Christen von heute manchmal schwer fällt, die Lehre von der Rangordnung der Eheleute ernstzunehmen, so liegt dies an unserer Verhaftetheit am Zeitgeist. Wir neigen heute (oder genauer, seit dem 19. Jahrhundert) dazu, die Verbindung von Mann und Frau in erster Linie nicht vom „ein Fleisch Sein“ her, oder als Grundlage einer „Kirche im Kleinen“, zu sehen. Nachdem der (früh-neuzeitliche) Blick auf die Ehe als Wirtschaftsgemeinschaft und das Vertragsverständnis der Aufklärung in den Hintergrund getreten sind, wird vielmehr Wert auf („gefühlte“) Liebe gelegt. Es ist diese emotionale Liebe, für deren dauerhafte Bewahrung Ebenbürtigkeit, Gleichrangigkeit, mithin gleichberechtigte Partnerschaft als unverzichtbar gilt.
Daran ist nicht alles falsch. Die Vereinigung von Mann und Frau in der Ehe sollte, das hat niemand je bezweifelt, eine Vereinigung in Liebe sein. Das Hohelied Salomos ist ein Zeugnis für das Verständnis, das die Kirche dem Zauber erotischer Anziehung entgegenbringt. Aber wenn Liebe mit Erotik verwechselt wird, überfordert das Ideal der romantischen Gefühlsliebe das menschlich Leistbare. An dieser Überforderung zerbrechen viele Ehen. Wenn andererseits das Ideal der Gleichheit undifferenziert vertreten und mit dem der Gleichberechtigung verknüpft wird, geraten die unter gefallenen Menschen unvermeidlichen Meinungsunterschiede leicht zur Rechthaberei. Wo aber persönliche Konflikte als einander widerstreitende Rechtsansprüche wahrgenommen werden, liegt der Rekurs auf psychotherapeutische, sozialpädagogische, bürokratische und letztlich sogar Familiengerichtliche Instanzen nahe. Damit werden Familien an Autoritäten ausgeliefert, die für die Heiligkeit der Ehe kein Verständnis haben.
Die Tradition der Kirche wirft auf die Gestaltung der ehelichen Liebe ein ganz anderes Licht. An den Weisungen des Apostels der Nationen fällt zunächst auf, daß nur der Mann darauf verpflichtet wird, die Frau zu lieben, die Frau hingegen soll ihm gehorchen: „Ihr Weiber, [seid unterwürfig] euren eigenen Männern, als dem Herrn. Denn der Mann ist das Haupt des Weibes […] Ihr Männer, liebet eure Weiber“ (Eph 5,22-5). Der Heilige Petrus verpflichtet seinerseits nur den Mann, auf seine Frau, als auf das schwächere Gefäß, Rücksicht zu nehmen: „Ihr Männer […] wohnet bei ihnen nach Erkenntnis, als bei einem schwächeren Gefäße, dem weiblichen, ihnen Ehre gebend, als die auch Miterben der Gnade des Lebens sind“ (1 Petr 3,7).
Ein heutiger Leser, der (Zeitgeist-gemäß) die Geschichte vergangener Jahrhunderter als eine Geschichte der „Unterdrückung von Frauen durch Männer“ interpretiert, mag diesen letzteren Appell an männliches Zartgefühl zunächst begrüßen. In der Tat sind ja Frauen zumindest an Muskelkraft den Männern gewöhnlich unterlegen und überdies mit dem Austragen und der Versorgung der Kinder zusätzlich belastet. Es ist also zu begrüßen, wenn der Mann von seiner Frau nicht dieselbe schwere Arbeit und dieselbe Ausdauer erwarten soll wie von sich selbst. Andererseits wurde nun allerdings jene „Schwäche der Frau“ über Jahrhunderte hinweg in den westlichen Christentümern als Rechtfertigung für eine (die zarte Rücksichtnahme gründlich vergiftende) Abwertung und Herabsetzung von Frauen benutzt, ja sogar für die pauschale Leugnung ihrer geistig-sittlichen Fähigkeiten. Die Kirche ist demgegenüber in ihrer Hochschätzung apostelgleicher Missionarinnen und mannhafter Märtyrerinnen und Monialinnen von solch geschlechtsbedingter Herabsetzung unberührt geblieben. Was also mögen sich die obersten Apostel gedacht haben, als sie den Männern einseitig Liebe und Rücksicht auf den „schwächeren Partner“ geboten?
Eine Antwort auf diese Frage soll nun im Rahmen eines hypothetischen Gedankenmodells versucht werden. Dabei gilt es, der Komplexität dessen, was die theologischen Quellen über das Verhältnis von Mann und Frau zusammentragen, so weit wie möglich Rechnung zu tragen. Dieser Versuch einer für heutige Leser nachvollziehbaren Zusammenschau beansprucht keine im strengen Sinne theologische Geltung. Wer die folgenden Überlegungen für sein praktisches sich Zurechtfinden als Mann oder Frau hilfreich findet, mag ihnen insoweit eine gewisse Plausibilität zugestehen. Er mag ihnen Formulierungen entnehmen, mit denen er Glaubensbrüdern, Ehepartnern, Nicht-Christen oder Heterodoxen in seiner sozialen (und feministisch geprägten) Umwelt Rede und Antwort stehen kann. Drei Gedankenschritte sind hierzu nötig: Erstens mag die ungleiche Behandlung Ungleicher auf deren wiederhergestellte Gleichheit hinzielen. Zweitens läßt sich diese Gleichheit im Blick auf die von allen Christen verlangte Nächstenliebe hin präzisieren. Drittens muß diese Gleichheit, im Blick auf die als Vorbild nahegelegte Liebe Christi für Seine Kirche doch wieder aufgehoben werden.
 1. Der balancierende Ansatz
 Die unterschiedlichen Weisungen, die Paulus Männern und Frauen für ihr Eheleben mitgibt, lassen sich zunächst als Reaktionen auf die Unterschiede ihrer Erschaffung hin deuten.
Der Mann wurde zunächst ganz für sich und auf Gottes Ebenbild hin geschaffen. In Beziehung setzen konnte er sich darüber hinaus nur als Herrscher zu der ihm unterstellten Welt. Von dieser primären Anlage her mag er sich, nach Verlust seiner paradiesischen Geborgenheit, in erster Linie der Versuchung zur Selbstherrlichkeit, zum Eigensinn, zur selbstbezogenen Unabhängigkeit ausgesetzt finden. Die auf ein personales Gegenüber hin angelegte eheliche Beziehungspflege mag ihm von daher zuweilen mühsam erscheinen. Eine Verpflichtung zur liebenden Bezugnahme auf eine (überdies manchmal schwer „beherrschbare“) Partnerin wird mithin als eine Therapie begreifbar, die seine spezifische Schwäche kompensieren soll.

Die Frau andererseits, auf Adam hin geschaffen, bedarf einer solchen Verpflichtung nicht. Eva ist schon von ihrer göttlichen Anlage her Beziehungs-fähig. Ihre primäre Versuchung mag sich hingegen, nach Verlust ihrer paradiesischen Geborgenheit, gerade aus ihrer Helferrolle ergeben. Im „Helfen“ verbindet sich ja in eigenartig zweideutiger Weise Dienstbarkeit mit Überlegenheit. Der Helfende „weiß es besser“, kann bevormunden, geradezu entmündigen. Das Risiko hilfsbereiter Besserwisserei wurde schon im Paradies erkennbar: Als Gewitztere und (am falschen Ort) Unternehmungslustigere setzte Eva einen vermeintlichen Erkenntnisfortschritt durch, der die gute Schöpfung in den Abgrund des Todes riß. Die ihr auferlegte Askese der Unterordnung mag ihrem gutgemeint hilfreichen Vorwitz die nötige Grenze setzen: Zumindest können Frauen an Paulus’ Erinnerung lernen, ihre stets besten Absichten mit ihrem Mann vorher abzusprechen.
In derart balancierendem Sinne läßt sich vielleicht auch des Heiligen Petrus‘ Aufforderung zur Rücksicht auf das „schwächere Gefäß“ verstehen. Ganz unabhängig von biologischen Gegebenheiten liegt ja eine „Schwäche“ der Frau darin, daß sie nicht für sich, sondern für den Mann ins Leben trat. Sie definiert sich wesensmäßig nicht durch sich selbst, sondern ist auf Anerkennung durch den Partner angewiesen. Zur Helferin berufen, kann sie gelingendes Dasein nicht auf eigene Faust sichern; sie hängt von der Akzeptanz ihrer Zuwendung durch den Mann ab. Versteht man des Mannes in-Pflicht-Nahme im Blick auf diese „Schwäche“, dann geht es nicht mehr um psychische oder intellektuelle Herabsetzung. Vielmehr geht es um die Aufforderung zur Einstimmung in die göttliche Schöpfungsordnung, die dem Mann, auch wenn ihn das zwischendurch mal nervt, eine Frau zur Seite stellt.
 2. Der Ansatz der Nächstenliebe
 Soweit die im Vorangehenden angedachte ausgleichende Bedeutung der paulinischen Ehelehre überzeugen mag, verschwindet zumindest die zunächst so überraschende Einseitigkeit der ehelichen Liebe. Wenn Frauen sozusagen sowieso immer schon lieben, dann leuchtet ein, daß man das nur den Männern noch einmal auferlegen muß, um die erwartete gleichgewichtige Gegenseitigkeit zu sichern.
Die für eine solche Gegenseitigkeit bei Menschen von heute gewöhnlich vorausgesetzte Ranggleichheit ließe sich zudem anhand des zweiten der beiden großen und wichtigsten Liebesgebote genauer geistlich verankern. Wir sollen unseren Nächsten lieben „wie uns selbst“ (Lev 19,18). Die eschatologische Bedeutung dieses Gebots an gefallene Menschen liegt auf der Hand. Vom Tod bedroht, erlebt sich der gefallene Mensch als auf sich selbst zurückgeworfen, isoliert. Sein ganzes Streben geht darum auf selbstsüchtige Lebenssicherung. Seine Rückkehr in die Nähe Gottes, nachdem Christus die Macht des Todes gebrochen hat, soll durch die Überwindung dieser Selbstbezogenheit gefördert werden. Dabei soll der Vorrang des Eigeninteresses vor dem Interesse der anderen schwinden. Dieselbe alle Lebensgefahren abwehrende Daseinsvorsorge, oder dieselbe alle Unannehmlichkeiten abwehrende Anstrengung, die man für die eigene Existenzsicherung und für das eigene Wohlsein aufbringt, soll man auch für die Existenzsicherung und das Wohlsein aller anderen aufbringen.
Eine so tiefgreifende Umorientierung ist nicht leicht zu bewältigen. Es mag sich derart unparteiische Fürsorge leichter in der Ehe einüben, wo der Partner uns schon natürlicherweise nahesteht. Erst in einem zweiten Schritt wird man lernen, diese Fürsorge auf (eigene Kinder, später gar) die Menschheit im Allgemeinen auszudehnen. So wird begreiflich wie Paulus für die geforderte unparteiische Nächstenliebe des Mannes zur Frau: „ein jeder von euch liebe sein Weib also wie sich selbst“ (Eph 5,33) das Bild der Fürsorge für den eigenen Leib verwenden kann: So wie man (unter Bedingungen der Gefallenheit) für seinen eigenen Leib sorgt, so soll der christliche Ehemann für seine Frau sorgen, die ja „ein Fleisch“ mit ihm ist (Eph 5,28-9).
Dieses Bild des „einen Fleisches“ der Eheleute läßt sich überdies analog auf das Bild des „einen Leibes“ hin deuten, den die Kirche als Ganze unter Christus darstellt. In gewisser Hinsicht bilden ja Mann und Frau als „ein Fleisch“ auch einen Organismus, jenem ähnlich, den die Kirche bildet. Allerdings wird im Leib Christi jede Rangordnung ausdrücklich verneint. Vielmehr ergänzen die Organe dieses Leibes einander, und die weniger ehrbaren werden durch besondere Ehre sozusagen „gehoben“ (1 Kor 12,23-4). Solange die Beziehung der Eheleute vom Bild des Leibes Christi in der Kirche her gedeutet wird, bleibt mithin die von Paulus ebenfalls behauptete Rangordnung zwischen Mann und Frau außer Betracht. Aber Paulus geht noch einen Schritt weiter.
 3. Der analoge Ansatz
 Die Liebe zwischen Eheleuten soll sich nicht in unparteiischer Daseinsfürsorge erschöpfen. Vielmehr soll der Mann die Frau überdies ebenso lieben, wie Christus die Kirche liebt: indem er sein Leben für Sie hingibt: „Denn der Mann ist das Haupt des Weibes, wie auch der Christus das Haupt der Versammlung ist; er ist des Leibes Heiland. […] Ihr Männer, liebet eure Weiber, gleichwie auch der Christus die Versammlung geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat“ (Eph 5,23,5). Hier ist, über alle Gleichberücksichtigung des Geliebten hinaus, vom Liebenden eine vollkommene Selbsthingabe an die Geliebte verlangt. Die Einseitigkeit des Liebesgebots für den (Ranghöheren) Mann (und nicht für die Frau) entspricht der einseitig in Vorlage gehenden Liebe des Gottmenschen für Seine Kirche. Andererseits soll die Frau sich dem Mann ebenso unterordnen wie die Kirche sich als Leib ihrem Haupt in Christus unterordnet: „Aber gleichwie die Versammlung dem Christus unterworfen ist, also auch die Weiber ihren Männern in allem.“ (Eph 5,24). Zu Recht sagt Paulus, daß dies ein großes Geheimnis ist. Die Liebe des Ehemannes wird auf ein göttliches Vorbild festgelegt.
Eine solche Festlegung leuchtet zunächst einmal insofern ein, als Sich uns Gott, besonders durch Johannes, Selbst als ‚„Liebe“ offenbart hat: „Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott in ihm.“ (1 Joh 4,16). Wie anders also könnte ein Mensch wahrhaft (und nicht nur unter den Bedingungen seiner gefallenen Bedürftigkeit, und somit bloß „emotional gefühlt“) lieben, als indem er dem göttlichen Vorbild folgt? Wie aber läßt sich dieses Vorbild näher bestimmen, und wie können Menschen sich daran ausrichten? Diese Fragen sollen nun für die verschiedenen Ebenen, auf denen uns die göttliche Liebe begegnet, bedacht werden.

  a) Die monarchische Struktur der inner-Trinitarischen Liebe
 Christen erkennen Gott nicht als ein einsames „höchstes Wesen“, sondern als eine göttliche Natur in drei Personen. Nun stellt die Heilige Dreiheit das höchste Mysterium unseres Glaubens dar. Jede Aussage, die wir über Sie wagen ist, als menschliche Aussage, unangemessen. Aber Gott hat Sich uns Selbst auf viele Weise offenbart. Das Geschenk dieser Offenbarung dürfen wir nicht im (Schein-) frommen Verweis auf Gottes Unzugänglichkeit für den Menschen einfach zurückweisen. Er Selbst hat uns ja nicht nur ermutigt, über Ihn in angemessener Gottesfurcht zu schweigen. Er ermutigt uns darüber hinaus, in Weisen, die uns Seine Gnade schenkt, Ihn anzureden. Wir bekennen Ihn darum als den Vater, Der den Sohn vor aller Zeit gezeugt hat, und von Dem der Geist in alle Ewigkeit ausgeht. Dieses Glaubensbekenntnis nimmt auf, was uns nach dem Zeugnis der Evangelien anläßlich der Taufe Christi über die Heilige Dreiheit offenbart wurde. (Mt 3,16-7)
Dabei wird zunächst einmal deutlich (1 Joh 4,16), dass Gottes Wesen als Liebe personal ist. Seine Liebe verströmt sich zwischen den drei Personen der Gottheit. Als solche ist sie wesentlich eine sich selbst verschenkende Liebe, nicht nur ein (gleichsam symmetrisches) Geben und Nehmen.
Der Vater nimmt (als Ursprung, Urbild, Zeugender, Sendender)eine Sonderstellung ein, die der Heilige Basilius von Caesarea in seiner Schrift Über den Heiligen Geist als „monarchisch“ beschreibt:  „Wenn wir,Gott aus Gott‘ verehren, bekennen wir sowohl die Eigentümlichkeit der Personen, als auch halten wir an der Monarchie fest“ (XVIII:38a, 1967, S. 73).  Eine ähnliche Deutung wird  zum Beispiel auch (der herrschenden Interpretation zufolge)  in der berühmten Ikone Andrej Rubeljews von den drei Engeln bei Abraham anschaulich: Die in der Mitte und rechts sitzenden Engel (bildlich für Sohn und Geist) neigen Ihre Häupter dem links sitzenden Engel (bildlich dem Vater) zu, Der sich wiederum Ihnen zuneigt. Diesem Bildschema entspricht daß vom Vater die Zeugung des Sohnes ausgeht, und daß ebenso vom Vater auch der Geist ausgeht, Der bei der Taufe über dem Sohn schwebte um „des Wortes Untrüglichkeit“ zu bezeugen. Die Liebe in der Heiligen Dreiheit vollzieht sich also, wie wir (im geboten metaphorischen Sinn) formulieren können,  im Rahmen einer ‚Monarchie‘.
Andererseits hat der Heilige Basilius (1993, Kap. 38, S. 187) eine weitere Eigentümlichkeit dieser Rangmäßig differenzierten Liebe deutlich gemacht: „Der Vater, der durch Seinen alleinigen Willen erschafft, konnte des Sohnes hierzu nicht bedürfen, aber trotzdem verwirklicht Er Seinen Willen durch den Sohn; noch auch konnte der Sohn, der nach dem Bild des Vaters wirkt, einer weiteren Mitwirkung bedürfen, aber auch der Sohn will die Vollkommenheit durch den Geist verwirklichen. „Denn durch das Wort Gottes wurden die Himmel gemacht, und all seine Heerscharen durch den Atem [den Geist] Seines Mundes“. Das Wort ist demnach nicht ein bloß bedeutungtragender Druck auf die Luft, ausgeführt durch das Organ des Sprechens, noch auch ist der Geist Seines Mundes ein Hauch der von einem Atemorgan ausgeht; sonder das Wort ist Er Der „bei Gott war von Anfang an“ und „Gott war“, und der Geist des Mundes Gottes ist „der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht“ (XVI, S. 38). Der Vater als der Rangerste könnte zwar Selbst schaffen, aber Er will Sein Schöpfungswerk durch den Sohn, das Wort, vollbringen. Somit verzichtet (wie wir übersetzen können) der Vater (sozusagen) darauf, Seinen Vorrang gegen Sohn (ebenso wie gegen den Geist) „auszuspielen“. Er erweist Seine Liebe als eine sich entäußernde Herablassung: Er tut nichts, ohne es durch den Sohn (oder den Geist) zu tun. Nicht nur geschah der Akt Seiner Schöpfung durch den Sohn, als durch das göttliche Wort. Auch schwebte der Geist von vorneherein über den Wassern und hauchte allem vom Vater zum Leben Erweckten Seinen (heiligenden, wie Basilius betont) Lebensatem ein. In der göttlichen Dreiheit hebt somit die sich zu Sohn und Geist herablassende Liebe des Vaters ihren monarchischen Vorrang immer wieder auf.
Ungeachtet dieser Herablassung wird jedoch von denen, die das Wort (Christus) empfangen haben und in der Wahrheit des Heiligen Geistes sprechen, Gott-Vater weiterhin sowohl als „Schöpfer“ als auch als „heilig“bekannt. Indem die Gläubigen dieses Bekenntnis als vom Sohn und Geist Belehrte ablegen, können sie weiterhin schließen, daß sich die Liebe von Sohn und Geist zum Vater komplementär zu der Ihnen geschenkten Liebe erweist: Was immer der Vater durch Sie vollbringt, bringen Sie Ihm wiederum als das Seine dar, anstatt es als ‚Ihr Eigenes‘ zu behaupten. So bezeugt es auch (wenn auch unter der Bedingung Seiner Inkarniertheit!) der Sohn (Joh 5,19-36):  Der Sohn kann nichts von sich selbst tun, außer was er den Vater tun sieht; denn was irgend er tut, das tut auch der Sohn gleicherweise. Denn der Vater hat den Sohn lieb und zeigt ihm alles, was er selbst tut; und er wird ihm größere Werke als diese zeigen, auf daß ihr euch verwundert […] Wer den Sohn nicht ehrt, ehrt den Vater nicht, der ihn gesandt hat. […] Ich kann nichts von mir selbst tun; so wie ich höre, richte ich, und mein Gericht ist gerecht, denn ich suche nicht meinen Willen, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat.“ Nimmt man diese Einstellung als repräsentativ auch für den Heiligen Geist, so gehört die immer neu von oben nach unten zunichte gemachte und von unten nach oben dennoch wiederum anerkannte und bekräftigte Sonderstellung des Vaters zu den Weisen, in denen sich die Hierarchie der drei göttlichen Personen für uns als durch Liebe verbunden darstellt.
Die hier angestellten Überlegungen zur Liebe in der Heiligen Dreiheit erheben nicht den Anspruch, es sei mit ihnen etwas Sachhaltiges über den dreieinigen Gott gesagt. Vielmehr ging es darum, dem allgemeinen Vorurteil, wahre Liebe sei nur unter „Gleichrangingen“ möglich, im Blick auf das, was der Heilige Basilius die Monarchie der drei göttlichen Personen genannt hat, zu begegnen. Hierzu sollte die sublime Ahnung einer monarchisch gegliederten Liebe beschworen werden, die nicht in Dominanz und Unterwürfigkeit, sondern in differenziert gelebter gegenseitiger Hingabe und Entsagung zum Ausdruck kommt.
 b) Die monarchische Struktur der Liebe des göttlichen Schöpfers zum Menschen
 Als geschaffen, und damit endlich, wandelbar und begrenzt, ist der Mensch (anders als Sohn und Geist) vom unendlichen, ewigen, unbegrenzten Schöpfer durch einen ontologischen (das Sein selbst betreffenden) Abstand getrennt. Dennoch hat Gott auch ihn auf Unvergänglichkeit hin geschaffen: „Denn Gott hat den Tod nicht gemacht und hat keine Freude am Untergang der Lebendigen. Zum Dasein hat er alles geschaffen und heilbringend sind die Geschöpfe der Welt. Kein Gift des Verderbens ist in ihnen. Das Reich des Todes hat keine Macht auf der Erde.“ (Weish 1,13-4). Er schuf den Menschen aufgrund jener wahrhaft göttlichen, d. h. selbstlos schenkenden Liebe, die auf Vereinigung drängt. Gott wünscht die Vergöttlichung des Menschen.Hierzu bedarf es, da wahre Liebe nicht vergewaltigt, der freien Zustimmung des Geliebten. In der ihm gewährten Entscheidungsfreiheit ist darum der Mensch Person, und somit selbst schon (wenn auch nur geschöpflich) auf das Ebenbild Gottes hin angelegt. Für seine das Ziel der Vergöttlichung bejahende Zustimmung reicht nun allerdings ein einmaliges „Kopfnicken“ nicht aus; vielmehr verlangt der gesamte Prozess dieser durch Gottes Energien bewirkten Anverwandlung eine auf Dauer durchgehaltenen Mitarbeit des Menschen. Die menschliche Freiheit ist darum zum nie endenden Wachstum in der Liebe berufen, zur ewigen Annäherung der „Ähnlichkeit“ des Menschen an das göttliche Urbild (Gen 1,26). Obwohl der Schöpfer vom Geschöpf (ontologisch gesehen) in Ewigkeit getrennt bleibt, reicht Seine Liebe über diesen Abgrund hinweg. Sie sucht durch ihre heiligende Gegenwart den Menschen nach dem Maß seiner Empfänglichkeit in die göttliche Liebe hineinzuziehen.
Legt man die oben entwickelte Vorstellung einer innertrinitarischen Liebe zugrunde, so zeigt sich auch hier in analoger Weise die Liebe des Ranghöheren zum Rangniederen (wenn auch jetzt unter gleichsam erschwerten Bedingungen) als Herablassung. Diese Liebe verwirklicht sich im Bestreben, den (sehr viel radikaleren) Rangunterschied zwischen Gott und Mensch so weit, wie dies angesichts beider Wesensdifferenz (als Schöpfer und Geschöpf) möglich ist, aufzuheben. Gott hat den Menschen in die unendliche Distanz der Geschöpflichkeit Sich Selbst gegenübergesetzt und unterstellt, um ihn dann doch wieder an Sich und zu Sich heraufzuziehen.
Angesiedelt außerhalb der göttlichen Natur, und darum nicht von sich aus auf Liebe hin angelegt, muß der Mensch allererst dazu gelangen, in rechter Weise zurückzulieben. Seine Gegenliebe läßt sich in (entfernt) analoger Weise dem Vorbild der göttlichen Liebe innerhalb der Heiligen Dreiheit nachzeichnen. Hierbei gilt es nun aber für den aus untergeordneter Position Zurückliebenden, seiner Geschaffenheit (und somit Wesensdifferenz zum Geliebten) Rechnung zu tragen. Hierzu muß er den ihm geschenkten freien Willen dem göttlichen Willen seines Schöpfers unterordnen. Erst sein frei gewährter Gehorsam macht ihn für das Geschenk jener wahrhaft göttlichen Liebe bereit, die ihn zum Zurücklieben allererst befähigt. Allein durch diesen Gehorsam kann er, wie man auch sagen könnte, die geforderte Mitwirkung an der durch Gnade in ihm vorangetriebenen Vergöttlichung leisten.
c)  Die monarchische Struktur der Liebe ihres menschlichen Herrn zu der ihm anvertrauten Schöpfung
 Für die Ausübung dieses Gehorsams bezeichnet die geschaffene Welt das Übungsfeld. In Seiner liebenden Herablassung bestellt Gott den Menschen zu Seinem Sachwalter über Seine Schöpfung. Er liefert Seine gute Welt ohne alle Einschränkung der Freiheit des Menschen aus. In einer der innertrinitarischen Herablassung entfernt analogen Weise ist Gott bereit, die Fürsorge für Seine göttliche Schöpfung dem menschlichen Geschöpf anzuvertrauen. Adams angemessen zurück-liebende geschöpfliche Antwort hätte nun darin bestehen sollen, seine gottähnliche Herrschaft im Geist der Dankbarkeit wahrzunehmen. Dazu sollte er sich selbst und das ihm Geschenkte durch seine kultivierende Arbeit (Gen 2,15) Gott darbringen, und somit alles heiligen. Er mußte dazu nur auf allen dem Schöpfer sich entgegensetzenden Eigenwillen verzichten. Das Verbot, vom Baum der Erkenntnis von „gut und böse“ zu essen, ermächtigt Adam dazu, sich im Gehorsam zu Gott jedes eigenmächtigen Zugriffs auf ein „Gut“ zu enthalten, das ihn zu Gottes Heilsplan in Widerspruch setzen würde. Nur im Rahmen dieser Enthaltung hätte er sich in fürsorglicher Zuwendung zur Schöpfung mit dem heiligenden Willen des Schöpfers vereinigen können.
 d) Die monarchische Struktur der Liebe zwischen Mann und Frau
 Zu Adams geschöpflichem Bewährungsfeld gehört neben der Tier- und Pflanzenwelt auch die Gefährtin. Sie begegnet ihm zunächst als letztes Lebewesen, nach der Reihe der Tiere (Gen 2,18-23). Gerade so, wie Gott Adam die Tiere zuführte (ιγαγεν), um zu sehen, wie jener sie benennen würde, führt Er Adam (ιγαγεν) auch die Frau zu. Wie den Tieren gibt Adam auch ihr den Namen. Wie Ephraim der Syrer in seinem Kommentar zu Genesis feststellt: „Genau wie jedes Tier von Adam an diesem Tag seinen Gattungsnamen erhielt, nannte Adam die Rippe die zur Frau gebildet worden war nicht mit ihrem Eigennamen „Eva“, sondern „Frau“, den Namen für alle ihrer Art“ (II, 13 (3)). In diese Namensgebung geht aber sogleich auch Adams Erkenntnis ein, daß Eva (als „Männin“)„Fleisch von seinem Fleisch“ ist, also gleicher Natur mit ihm selbst.
Zunächst ist damit dem Adam für die Frau, ebenso wie für alle anderen Geschöpfe, die Fürsorge auferlegt, die sich aus seiner ontologischen Vorrangstellung ergibt. Daneben aber erhält er als Schüler der göttlichen Liebe hier Gelegenheit, nach dem inner-trinitarischen Vorbild eine Person gleicher Natur (wenn auch auf der Ebene der Geschöpflichkeit) zu lieben. Seine Fürsorge wird dabei kompliziert durch die Tatsache, daß Eva als Person und Ebenbild Gottes ihrerseits freien Willen besitzt, den Adam bei seiner Fürsorge mit einbeziehen und bei der ihm aufgegebenen Liebeseinübung in Verfolgung des trinitarischen Vorbilds zur Gegenliebe einladen muß.
Für Eva stellt sich die Situation schon im Paradies etwas anders dar. Wie Adam ist auch sie auf Vergöttlichung hin angelegt. So erhält auch sie Gelegenheit, im Gehorsam zur göttlichen Schöpfungsordnung sich für ihre Einbeziehung in die göttliche Liebe empfänglich zu machen. Anders als Adam aber bedeutet dieser Gehorsam Gott gegenüber für Eva, daß sie, als Helferin für Adam geschaffen, sich überdies Adam unterordnet. Ihr Gehorsam gegenüber dem Mann ist also die Weise, in der sie ihren Gehorsam gegenüber Gott ausübt.
Betrachten wir die Komplexität dieses Verhältnisses noch einmal aus einer anderen Perspektive!
Erst am personalen Gegenüber kann Adam, als der Rangerste unter den Menschen, dem Vorbild der göttlichen Liebe im vollen Sinne folgen. So wird begreiflich, wie Paulus den Mann im selben Sinne als das „Haupt“ der Frau betrachten kann, in dem er (unter anderem) Gott als das Haupt Christi betrachtet (1 Kor 11,3). Nach dem Vorbild dieser letzteren Liebe (zwischen Gott-Vater und Gott-Sohn) kann Adam, gleichsam ebenso „in Herablassung“ zur Gefährtin, seinen Vorrang aussetzen. Wie schon der erste Schöpfungsbericht zunächst nur ganz allgemein nahelegt, daß Mann und Frau gemeinsam herrschen sollen (Gen 1,28), so gehorcht Adam dem göttlichen Plan, indem er die im zweiten Schöpfungsbericht genauer ihm zunächst allein zugesprochene Herrschaft mit Eva teilt. Würde er es versäumen, sich bei der Liebe zu seiner Frau an der göttlichen Herablassung zu orientieren, entzöge er sich dem Angebot der göttlichen Anverwandlung. Er würde Verrat begehen an seiner Berufung zur Ähnlichkeit mit dem Urbild, die (nach dem zweiten Schöpfungsbericht) als unmittelbar nur ihm direkt gewährte seinen Vorrang begründet hatte. Wo ein Mann seinen Vorrang also nicht dazu benützt, ihn durch Beteiligung seiner Frau an seiner Herrschaftsausübung über die Welt immer neu außer Kraft zu setzen, hat er sich dieses Vorrangs als unwürdig erwiesen.
Andererseits kann Eva diese Herablassung des ihr vorgesetzten Mannes wahrhaft liebend nur dadurch beantworten, daß sie in allem ihr von Adam Anvertrauten die Einheit mit Seinem Willen sucht. (Gelegentlich muß sie dazu ihr wirkliches oder vermeintliches Besserwissen im Geist einer Liebe, die „nicht das ihre sucht, 1 Kor 13,5, dem Mann zuschreiben.) Die eheliche Liebe bildet so (wenn auch im Modus der Geschöpflichkeit) die in der trinitarischen Liebe vorgegebene unentwegte Bewegung nach, durch die einerseits der Ranghöhere den Rangunterschied zu überwinden, andererseits der Rangniedrigere diesen Unterschied zu bewahren sucht. In diesem Sinne gelten für Mann und Frau, ungeachtet beider gleicher Berufung, doch zugleich grund-verschiedene Wege zur Vergöttlichung.
Diese Verschiedenheit stimmt nun auch therapeutisch mit beider je verschiedenen Geschaffenheit zusammen. Indem der Mann als Haupt der Familie seinen Vorrang immer wieder hintanstellt, findet er sich gegen die Versuchung zur Herrschsucht geschützt. Seine Herrschaft wird zum Dienst. Indem die Frau sich dem Mann um ihrer Einstimmung in die göttliche Schöpfungsordnung willen unterordnet, findet sie sich gegen die Versuchung zum Stolz geschützt, und damit auch gegen alles Leiden an ihrer eigenen Zweitrangigkeit. Unter Bedingungen der Gefallenheit schneidet somit die Nachrangigkeit der Frau nicht weniger schmerzlich in ihren (in der Gefallenheit von Gott getrennten) Eigenwillen ein als der auf Herablassung verpflichtete Vorrang des Mannes seine (in der Gefallenheit von Gott getrennte) Herrschsucht einengt. In dem Maße, in dem sich Eheleute noch über den Dienstcharakter seiner Herrschaft oder über ihre Unterordnung beklagen, zeigt sich das Ausmaß ihrer Befangenheit im „fleischlichen“ (d. h. nur weltlichen) Eigensinn solcher Gefallenheit.
Die Krone, mit der Eheleute von der Kirche gekrönt werden, verspricht als Königskrone das ihnen wieder eröffnete Paradies. Sie können dieses aber nur erlangen, wenn sie auch die Krone ihres Martyriums annehmen. Jene wahrhaft göttliche Liebe, die Ehe und Familie zum Paradies macht, läßt sich nur auf dem Weg der für jeden der Partner eigentümlich gestalteten Kreuzigung des Eigenwillens gewinnen.
Ungeachtet des durch die göttliche Schöpfung gesetzten Rangunterschieds der Eheleute besteht im Blick auf das geistliche Wachstum zwischen ihnen doch Gleichrangigkeit. Beide sind berufen, in ihrer je unterschiedlichen Gehorsamsstruktur in die göttliche Liebe hineinzuwachsen. Diese göttliche, und von Menschen angestrebte Liebe wird in ihrer Herablassungs- und Unterordnungsdualität als kenotisch (sich selbst entäußernd) erkennbar. Von daher wird begreiflich, wie sinnvoll es ist, wenn auch das vom Mann nach dem Vorbild Christi verlangte Opfer seiner selbst wiederum herablassendend dargebracht wird, indem er nämlich bei der Gestaltung seines Opfers die Frau beteiligt und auf sie hört. Ebenso wie jeder Versuch hilfreicher Zuwendung, so steht ja auch jedes Bemühen um liebende Selbsthingabe unter gefallenen Menschen in Gefahr, durch frommen Selbstbetrug am Empfänger vorbeizuzielen. Unter dem Anschein opferbereiter Zuwendung wird dann doch wieder nur das liebe Selbst bedient. Die eheliche Liebe wird so zur Schule eines nicht nur allgemein fromm, sondern überdies in gegenseitiger Rücksichtnahme einfühlend geübten Gottesgehorsams. Wenn Christus das zweite Liebesgebot aus dem Alten Testament ausdrücklich auf das Hingeben des eigenen Lebens für seine Freunde hin modifiziert (Joh 15,13), so erscheint nun auch in diesem tieferen Sinn die Ehe als ein besonders geeignetes Übungsfeld für die somit vertiefter verstandene allgemeinere Nächstenliebe.
Fassen wir das Ergebnis unseres Gedankenexperiments zusammen! Unsere Angewohnheit, die eheliche Liebe nach dem Muster emotionaler Anziehung unter gefallenen Menschen zu verstehen, bedarf der Korrektur. Anstatt das Liebes-Modell der Gefallenheit als Norm zu setzen, sollten wir mit einer theologisch begründeten Gehorsamsstruktur beginnen. Der vollständige Text der oben zitierten Stelle 1 Kor 11,3 lautet: „Ich will aber, daß ihr wisset, daß der Christus das Haupt eines jeden Mannes ist, des Weibes Haupt aber der Mann, des Christus Haupt aber Gott.“ Wenn somit der Mann im selben Sinne als Haupt der Frau eingesetzt wird, in dem Christus das Haupt des Mannes ist und Gott das Haupt Christi, dann mag unser Versuch, die Liebe zwischen Mann und Frau in analog „monarchischer“ Weise zur Liebe innerhalb der Heiligen Dreiheit und zur Liebe zwischen Gott und seinen menschlichen Geschöpfen zu verstehen, einleuchten. Das Bemühen um praktische Umsetzung dieser (im menschlichen Bereich) Gehorsamsstruktur kann uns (ungeachtet aller Kämpfe, die dies für Stolz-infizierte Sünder bedeutet) empfänglich machen für das Gnadengeschenk der göttlichen Liebe. Nun sind wir aber auf diese wahrhafte, göttliche Liebe auch bei jenem Bemühen selbst schon angewiesen. Letzten Endes kann darum die Beziehung zwischen Mann und Frau nur im Rahmen einer höchst persönlich gepflegten Gottesbeziehung gelingen, die sich am Vorbild Christi orientiert: „Nehmet auf euch mein Joch und lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen“ (Mt 11,29).
 Abschließende Überlegungen
 Die für moderne Menschen zur Selbstverständlichkeit gewordene Annahme, wahrhafte Liebe sei nur unter Gleichen, Gleichgestellten und Gleichberechtigten möglich, ist falsch. Sicherlich gibt es Unterschiede der Macht, des Geldes, der Klugheit und der Bildung, die das eheliche Zusammensein belasten können. Doch ist inzwischen deutlich geworden, daß das Streben nach Gleichheit nicht die einzige Alternative darstellt: Die von der Tradition der Kirche gelehrten Rangunterschiede zwischen Mann und Frau bieten einen Raum, in dem sich der monarchischen Struktur der göttlichen Liebe nacheifern läßt. Es gilt nun, die Bedeutung dieser Folgerung einerseits im Hinblick auf die Bedingungen der gefallenen Welt im Allgemeinen, andererseits im Hinblick auf die besondere Situation gegenwärtiger Gesellschaften in groben Strichen zu präzisieren.
Entscheidend für unsere Situation als gefallene Menschen, und damit auch für die Beziehungen zwischen Mann und Frau, ist die durch Christus erlangte Befreiung. Sie erlöst uns vom Fluch, den die Abkehr der ersten Menschen von Gottes Leben-erhaltenden Energien als Vertreibung aus dem Paradies mit sich brachte. Die mit dieser Abkehr einhergehende Verdunkelung des göttlichen Ebenbilds hatte ja dem schöpfungsgegründeten Vorrang des Mannes, dem die Frau zu Fürsorge und personaler Einbeziehung anvertraut war, unbegrenzte Unterwerfung hinzugefügt (Gen 3,16). Diese Unterwerfung fand sich noch dadurch verschärft, daß überdies das eigene „Verlangen“ der Frau sie an ihren Unterdrücker band. (Sie konnte sich also nicht einfach als Amazone selbständig machen.). Mit der Aufhebung dieses Fluchs verliert der Vorrang des Mannes den Charakter ausgeübter Gewalt, der Nachrang der Frau den eines Verlusts an Freiheit. Beide Partner werden erneut als Personen auf den primären Gehorsam gegenüber den göttlichen Geboten verpflichtet, und somit in die wahre Freiheit geführt. Insofern ist in diesem Gottesgehorsam (der, wohlgemerkt, durch Gottes Schöpfungsordnung den Rangunterschied beider zur verpflichtenden Norm macht) dieser selbe Rangunterschied tatsächlich gewissermaßen in einem höheren Miteinander der gegenseitigen Ergänzung aufgehoben.
Diese Gebote bilden darum auch die Grenze dessen, was ein Mann aus Rücksicht auf die schwächere Frau, und was eine Frau aus Gehorsam ihrem Manne gegenüber tun darf.Für beide Partner gilt darum in gleicher Weise: Weder seine dem Gottesgehorsam geschuldete Herablassung und Rücksichtnahme, noch ihre dem Gottesgehorsam geschuldete Unterordnung können als Deckmantel bloß menschlicher Schwäche dienen. In beiden Fällen fördert dieser Gehorsam vielmehr jene Stärke, die sich am Bemühen um Überwindung der eigenen Gefallenheit bildet.
Im Hinblick auf diesen primären Gottesgehorsam sind Mann und Frau bis zu einem gewissen Grade überdies unabhängig voneinander. Selbst dort wo, unter Bedingungen ihrer gefallenen Natur, es der eine Partner an der angemessenen Treue zum göttlichen Vorbild fehlen läßt, kann der andere durch seinen Gott geschenkten Gehorsam sein eigenes Wachstum in die Vergöttlichung hinein befördern (Johannes Chrysostomos, 1936, S. 423). Ein jeder kann überdies, wie Paulus weiterhin zugesteht (1 Kor 7,14), durch seine eigene Gehorsamstreue den Partner (da er ja, wie wir ergänzen können, mit jenem „ein Fleisch“ ist) heiligen.
Die Entfernung des paradiesischen Menschen von Gott geschah durch den menschlichen Eigenwillen. Dieser diente dem Stolz, mit dem der Mensch sein „Gutes“ unabhängig vom liebenden Gehorsam Gott gegenüber zu ergreifen suchte. Die Rückkehr des gefallenen Menschen zu Gott ist durch Christus‘ Sieg über den Tod erneut möglich geworden; Er hat als (einzig sündloser) Mensch jenen Gehorsam selbst vorgelebt, durch den wir Sünder uns erneut für die verwandelnde Gnade Gottes empfänglich machen können. Gerade auch im Blick auf das von Gott gewollte Verhältnis der Geschlechter ist dieser Gehorsam für gefallene Menschen eine göttliche Therapie. Indem die Frau den Gehorsam gegenüber Gott im Gehorsam gegenüber dem Mann ausübt, wird sie ihrer göttlichen Bestimmung als Adam zugeordnete Helferin gerecht. Ihr wird somit eine zweifache Askese (ein zweifaches Brechen des Eigenwillens) geschenkt. Zwar bringt auch den Mann seine Fürsorgepflicht in Abhängigkeit von den vielfachen Gegebenheiten seiner Umwelt. Hier muß auch er seinen Eigenwillen einschränkende Rücksichten nehmen. Aber diese stehen nicht in so unmittelbar persönlicher Weise seiner persönlichen Selbstbezogenheit entgegen, wie das für die „lebenslang“ tägliche Askese der Frau in ihrer Unterordnung unter den Mann geschieht. In dieser tieferen Brechung des gefallenen Eigenwillens wird die Frau ermutigt, jenem vollkommenen Gehorsam nachzueifern, der die Gottesgebärerin, als einziges menschliches Wesen, im Rang über die Seraphim und Cherubim erhöhte.
Die Einbettung der Beziehungen zwischen Mann und Frau in den größeren Kontext des Gottesgehorsam sichert eine Außeninstanz (den Willen Gottes), die diese Beziehungen nach zwei Dimensionen hin zu deuten erlaubt. So läßt sich (nach der einen Dimension) Einheit und Gleichwertigkeit im Wesen von Mann und Frau mit (nach der zweiten Dimension) einer Rangordnung ihrer Beziehung zueinander verknüpfen. Demgegenüber steht dem säkularen Verständnis nur eine Dimension zur Verfügung. Legt es sich auf Hierarchie fest, so tritt entweder der Mann oder die Frau an die erste Stelle. Mangels übergeordneter Außeninstanz fehlt es dann an Maßgaben zur Verhinderung von Mißbrauch: Vormacht ist hier stets als „absolut“ riskiert. Legt sich das säkulare Verständnis hingegen auf die Gleichstellung beider Geschlechter fest, so fehlt mit der Außeninstanz Gottes auch der Maßstab für die Deutung ihrer Wesensdifferenz. Diese bleibt dem Belieben der Beteiligten anheimgestellt. Das bedeutet, daß nicht nur bei strittigen Handlungsoptionen, sondern bereits bei der Bestimmung dessen, wie jeder sich selbst und den anderen bereichern solle, ein Maßstab zur Konfliktbewältigung fehlt. Damit ist die Stabilität solcher Beziehungen doppelt ungesichert. Zugleich ist nicht mehr einsehbar zu machen, warum eine willkürlich festgesetzte gegenseitige Komplementarität nicht auch unter gleichgeschlechtlichen Partnern lebbar wäre. Als Alternative zum geschlechtlichen Despotismus bleibt somit nur der geschlechtliche Nihilismus: die Vermännlichung der Frau, die Verweiblichung des Mannes.
Was nun andererseits das Leben verheirateter Christen in unserer gegenwärtigen Gesellschaft angeht, so ergeben sich weitere Schwierigkeiten. Da ist zum einen die strukturelle Begünstigung der Ideologie der Gleichberechtigung: Wie läßt sich denn die Helferrolle der Frau gegenüber dem Mann noch gestalten, wenn beide berufstätig sind? Wenn überdies Kinder und ältere Verwandte versorgt werden müssen? Gewöhnlich laufen solche „Gestaltungen“ darauf hinaus, daß die Frau neben ihrer Berufstätigkeit auch noch den „Haushalt schmeißt“ und der damit verknüpften Überforderung kräftemäßig (körperlich, psychisch und geistlich) nicht gewachsen ist. Wie gehen Christen mit der (angesichts dieser Schwierigkeit nachvollziehbaren) Forderung unserer säkularen Leitkultur um, daß Männer sich anteilig an der anfallenden Haus- und Erziehungsarbeit beteiligen sollen? Wie können sie vermeiden, bei als identisch erklärten Kompetenzbereichen über „gerechte Anteile“ zu streiten? Weiterhin: wie läßt sich eine Unterordnung der Frau leben, wenn sie beruflich erfolgreicher ist als ihr Mann, oder wenn ihre Berufstätigkeit den womöglich arbeitslosen Mann unterstützt? Wenn sie Karriere macht, der Mann als Hausmann dient?
Solche Fragen stehen zudem im Horizont noch viel größerer Schwierigkeiten: Wie sollen denn Frauen in einem System, das die Kindererziehung an staatliche Institutionen delegiert, ihre Rettung „durch das Gebären von Kindern“ befördern, wenn diese hierzu überdies (und das noch im Umfeld einer säkularisierten Gesellschaft!) „im Glauben bleiben“ müßten? Wie sollen Frauen jene häusliche „Kirche im Kleinen“ aufrecht halten (Johannes Chrysostomos, 1995b, S. 148), wenn die meiste Zeit niemand zu Hause ist, oder wenn die viel beschworene „quality time“ mit den Kindern auf Fahrdienste und die Organisation äußerer Abläufe draufgeht? Und wie können Frauen überhaupt noch ihrer göttlichen Berufung in einer Gesellschaft nachgehen, in der Männer nicht mehr bereit sind, Verantwortung für eine Familie (und in dieser die Führung beim häuslichen Gebet) zu übernehmen?
Da ist zum anderen die in unserer wissenschaftsgläubigen Gesellschaft verbreitete Neigung, akademische Bildung überzubewerten. Mit der betonten Förderung der Bildung und Ausbildung von Mädchen und jungen Frauen studieren gegenwärtig (zum Beispiel) an den amerikanischen Eliteuniversitäten mehr Frauen als Männer. Viele Frauen werden in Zukunft, besonders in den Geisteswissenschaften, deutlich höher qualifiziert (und deutlich redegewandter) sein als ihre Männer, — wenn sie überhaupt Partner finden, die eine gebildetere Frau neben sich ertragen. Wenn Paulus lehrt, dass Frauen ihre theologischen Fragen an ihre Männer richten sollen, dann wird für wissenschaftsgläubige Menschen unvorstellbar, wie die in akademischer Theologie weniger versierten Männer ihre theologische Lehrrolle noch sollten wahrnehmen können.
Nun war es noch zu keiner Zeit und in keiner Gesellschaft leicht, ein christliches Leben zu führen. Nicht nur Krankheit, Unfälle und andere Schicksalsschläge haben das traditionale Modell ehelicher Beziehungen vielfach belastet. Auch die je unterschiedlichen persönlichen Stärken und Schwächen der Ehepartner stehen nicht immer von vorneherein mit der traditionellen Ordnung der Geschlechter in Einklang. In der gefallenen Welt stellen nicht nur äußere Umstände, sondern auch psychische Anlagen, liebgewordene Lebenspläne, gefühlte und wahre Berufungen und Charismen dem traditionellen Familienbild Hindernisse in den Weg. Ebenso wie in anderen Bereichen christlicher Lebensgestaltung (etwa bei der Askese, der Barmherzigkeit, oder der Reue), so setzt die menschliche Schwäche gegenüber solchen äußeren und inneren Hindernissen auch die Beziehungen zwischen Mann und Frau schweren Prüfungen aus.
Der Unterschied zur heutigen Situation liegt jedoch darin, daß die umgebende Leitkultur das traditionale Modell der christlichen Ehe grundsätzlich außer Kraft setzt, — ja, es als Menschen-unwürdig ablehnt. Es geht nicht mehr nur um die Bereitschaft, finanzielle Opfer zu bringen, damit die Frau sich zu Hause um die „Kirche im Kleinen“ kümmern kann. Und es geht nicht mehr nur um die Bereitschaft, „Theologie“ aus ihrer Bindung an akademisches Wissen herauszulösen und ihre traditionelle Einbettung in ein asketisches Leben wieder zu beleben, damit auch der akademisch ungebildete Mann durch gelebtes Vorbild seiner geistlichen Autorität gerecht werden kann. Vielmehr ist von Christen heute noch eine zusätzliche Wachsamkeit gefordert: Gegenüber dem fehlgeleiteten Ideal individueller Selbstverwirklichung und gesellschaftlicher Prosperität in der bloß irdischen Welt gilt es, im Gehorsam zur göttlichen Schöpfungsordnung an der monarchischen und zugleich kenotischen Struktur der göttlichen Liebe festzuhalten.
Nach alledem sei zum Abschluß noch ein grundsätzlicher Zweifel bedacht. Ist es eigentlich legitim, die kirchliche Lehre, wonach es dem Mann ohne Frau „nicht gut“ geht, und wonach die Frau „für den Mann“ geschaffen wurde, heute noch öffentlich zu behandeln? Muß diese Lehre nicht all jene traurig machen, die ihre Sehnsucht spüren, aber den Partner für eine wahrhaft christliche Familie nicht finden und auch den Schritt in das Mönchtum nicht wagen?
Ich meine, dasselbe Problem stellt sich bei allen Facetten des christlichen Lebens. Wenn wir die Viten der Heiligen lesen, fallen wohl jedem von uns die leichtsinnig verschwendeten Jahre schwer aufs Herz. Wir machen unseren Eltern wie auch uns selbst bittere Vorwürfe darüber, daß wir in der Askese und Hingabe an Gott heute so ärmlich dastehen. Wir lesen von heiligen Eltern, die heilige Kinder erzogen haben, und wir bedauern, daß uns solche Eltern nicht geschenkt wurden. Viele von uns bereuen, daß sie selbst nicht zu heiligen Eltern wurden. Aber bei alledem wissen wir: Das ärmliche Dastehen ist die Signatur unseres Lebens im Angesicht Gottes. Da geht es glücklich Verheirateten und glücklichen Eltern nicht anders als unglücklich nicht Verheirateten, unglücklich Verheirateten, Geschiedenen oder Kinderlosen.
Christus ist gekommen, um Sünder zu retten, aber diese Rettung bedarf der Reue. Man kann nur bereuen, wo man um sein Zurückbleiben weiß. Darum müssen wir uns unsere Berufung vor Augen stellen: die einen, damit sie in heilsamer Weise bereuen, die anderen, damit sie ihrem Mühen eine heilsame Richtung geben, und alle, damit sie, entgegen dem herrschenden Zeitgeist an der Wahrheit festhalten können.

Ganzer Text mit Fußnoten unter http://de.bogoslov.ru/text/3220478.html

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