Montag, 2. Dezember 2013

Märtyrerpriester Sergij Mečev. Predigt zur Christgeburt

Heute ruft uns die Heilige Kirche dazu auf, zum neugeborenen Herrn in die Höhle zu kommen, um uns in Demut und Reue vor Ihm zu verneigen. Heute haben wir den Gesang der Engel vernommen: «Ehre sei Gott in den Höhen und auf Erden Friede» (Lk. 2, 14).
  Und für viele von uns, gerade für jene, die sich in demütiger Sanftmut durch die kirchlichen Gottesdienste auf dieses Fest vorbereitet haben, sind dies nicht leere Worte, sondern sie zeigen vielmehr einen engelgleichen Zustand des Friedens und der Güte an. Gerade so war es auch in jener Nacht, als der Gottmensch auf Erden geboren wurde. Doch sind wir noch glücklicher als jene, die wir für die glücklichen Zeugen der Geburt Christi halten. Wir verneigen uns nicht nur in der Kirche vor Christus, wir verspüren nicht nur Frieden in unseren Seelen, sondern wir wissen auch, dass Christus nicht allein Frieden auf die Erde gebracht hat, sondern auch das Schwert: «Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Denn ich bin gekommen, um den Sohn mit seinem Vater zu entzweien und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter» (Mt. 10, 34-35). Was also hat Er gebracht - Frieden oder Schwert, Einheit oder Entzweiung?

  Wir singen heute freudig «Ehre sei Gott in den Höhen», und jenseits dieser Mauern geht die Welt wiederum gegen Christus an, wie es von den ersten Anfängen an war, seit den ersten Tagen in Christi Erdenleben. Die Welt hat wiederum die Zähne gefletscht und will die Sache Christi vernichten. Und wir stehen hier an diesem freudigen und für uns gleichzeitig sehr ernsten Augenblick. Wo werden wir sein in dieser Entzweiung; wir, die gekommen sind, um in Freude den neugeborenen Erretter zu empfangen? Und wie kommt es zu dieser Entzweiung, welche Gründe hat sie?
Die heilige Kirche gibt uns im heutigen Gottesdienst den Schlüssel zum Verständnis dieser Frage. Der Gottesdienst ist jetzt freudig, wir lobpreisen den Herrn. Doch wie haben wir soeben noch gebetet? Es hat der Bußcharakter überwogen: Wir haben das große Apodipnon gehalten, unsere Sünden bereut und alttestamentliche Psalmen gelesen.
Gerade haben wir die Litia vollzogen, also ein eindringliches Gebet «für jede christliche Seele in Trübsal und Not, die nach Gottes Barmherzigkeit und Hilfe verlangt...» Und wiederum werden wir im Hexapsalm für unsere Sünden beten. Wie kann es sein, dass nach den Worten «Ehre sei Gott in den Höhen» in den Psalmen erneut das reuevolle Wehklagen der Seele ertönt, die in der Entzweiung lebt? Der Grund dafür besteht darin, dass wir zuinnerst fühlen, dass wir anders leben sollten als wir eben leben.
  So sehr wir uns auch mühen würden in der Wissenschaft oder in der Kunst - wir könnten kein ewiges Leben, kein Leben in Gott, keine Vergöttlichung erreichen. «Ich will aber nicht der sein, der ich bin», - könnte jeder beliebige große Gelehrte und Poet sagen. Das Streben zum himmlischen Leben und die Buße - das eben ist die Entzweiung. Und umsonst denken jene, die gegen Christus angehen, dass man gegen Ihn angehen könne, indem man sich mit Büchern und Broschüren, Bildern und Karikaturen ausrüstet. Nein, die Kirche Gottes ist in unserem Inneren. An dieser inneren Front findet der Kampf des Fürsten dieser Welt mit Christus statt. Doch«wehe jenem Menschen, durch den die Verführung kommt» (Mt. 18, 7). Für uns sind jetzt folgende Worte des Erlösers besonders wertvoll: «Und ihr werdet von allen gehasst werden um meines Namens willen» (Lk. 21, 17). In unserer Zeit wird jeder Priester und jeder, der an Christus glaubt, zur Zielscheibe jeglichen Spottes und allen Schmutzes. Das ist kein Zufall. Das war schon immer so, doch das Ziel sind nicht eigentlich wir, sondern Christus selbst. Man sagt uns, dass der Erretter niemals gekommen sei und dass Weihnachten die Umgestaltung eines heidnischen Festes sei. Doch dabei wird vergessen, dass der Mensch schon immer nicht nur an das tägliche Brot dachte, sondern daran, dass «eines nur notwendig ist» (Lk. 10, 42). 
Die menschliche Seele ist ausgestattet mit dem inneren Gesetz des Gewissens, das in sie hineingelegt ist. Sie hat schon immer nach einer Veränderung ihrer gesamten Natur begehrt, auf die Herabkunft Gottes auf Erden gewartet, ist vor Sehnsucht vergangen - und plötzlich tauchte bald hier, bald da die Lehre von der Geburt Gottes auf, und je nach dem Zustand der jeweiligen Seele und ihres Gewissens formulierte sie diese oder jene Lehre. Die Alten kannten nicht alle die von Gott inspirierte Schrift, doch sie gingen daran, ihre Lehren nach dem Gesetz ihres Gewissens zu formulieren. Viele meinten, dass Gott nicht auf dieselbe Art und Weise wie alle Menschen, sondern vielmehr aus einer Jungfrau geboren würde. Die Lehre von der Ursünde ist allen Völkern bekannt und ist nicht gegenseitig übernommen worden, sondern befindet sich im Inneren eines jeden von uns: Jeder gelangt in den besten Minuten seines Lebens zur Einsicht seiner Makelhaftigkeit, zur Erkenntnis dessen, dass er neu geschaffen werden sollte, dass er gern neue Schöpfung sein wollte. Das beweist, dass wir ein Gewissen haben, welches bestätigt, dass wir keine Gebieter über die Welt und den Erdkreis sein können.
Für viele können die gegenwärtigen Ereignisse verführerisch sein. Für den Apostel Petrus erwiesen sich die Worte der Magd als verführerisch, für andere sogar viele Handlungen unseres Herrn Jesus Christus. Als wir gekommen sind, um uns vor unserem Gebieter zu verneigen, der in der Krippe liegt, sind wir gemeinsam mit den Engeln, den Hirten und den Weisen gekommen. Wir müssen verstehen, wo wir in dieser Entzweiung sind, wer wir sind. Und wenn wir Christus nachfolgen wollen, dann dürfen wir nicht zögern, es ist an der Zeit. Wenn Christus wieder geboren wird, wenn wir Ihn von neuem im inneren Kämmerlein unserer Seele sehen, dann müssen wir das, was uns die Kirche gibt, sorgfältig bewahren, dann müssen wir kämpfen. Diesen Kampf gibt es - bald stärker, bald schwächer - seit den ersten Anfängen der Kirche. Wir haben das Glück, in einer Zeit zu leben, wo dieser Widerstand bislang ungekannte Ausmaße erreicht hat, und uns ruft der Erretter zu: «Euer Herz lasse sich nicht verwirren» (Jo. 14, 1).
Wir müssen uns daran erinnern, dass der Kampf in unserem Inneren stattfindet. Nicht weil wir glauben, dass uns das Evangelium gegeben ist, sondern unser Gewissen und unsere Gedanken, die sich gegenseitig bald beschuldigen, bald rechtfertigen, zeugen davon, dass wir ohne Gott nicht leben können, dass wir ohne Ihn unser Leben nicht erneuern können. Wenn wir uns also aufmerksam unserer Seele zuwenden, wenn wir Christus nachfolgen, dann sollen wir in unserer Seele das Reich Gottes bewahren, das wir hier in der Kirche erhalten haben. Habt Acht auf eure Seelen, habt Acht auf das Reich Gottes, das in eurem Inneren ist! Dazu ruft uns die Heilige Kirche auf.

  Der Herr hat uns den Frieden gebracht, aber auch die Entzweiung: Frieden für jene, die verbunden sind mit der himmlischen Welt; Entzweiung aber für jene, die gegen den Herrn angehen. Nur durch die Ordnung unserer Seele, nur durch die Einsicht in unsere Sündhaftigkeit können wir für das Reich Gottes kämpfen. Andernfalls wird uns keiner helfen. Wir sehen, dass Christus in uns ist, dass er ewig in der Seele eines jeden von uns geboren wird. Von diesem Tag an verdunkelt also nicht weiter das Antlitz des Gottesknaben in eurer Seele! Mag es auch vorkommen, dass wir Ihn bald wieder verdunkeln, doch dann denkt daran, dass nun die Zeit der Entzweiung ist, und wenn wir unsere Seele nicht reinigen, dann erweisen wir uns als Seine Gegner. Amen.

(Moskovskie Eparchial'nye Vedomosti[Moskauer Eparchial-Nach-richten] № 11-12/2002)

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