Freitag, 13. Dezember 2013

Über die Erschaffung der Welt- hl. Athanasius

Die Gründung der Welt und die Erschaffung aller Dinge haben viele verschieden aufgefaßt, und ein jeder hat nach seinem Kopf eine Erklärung gegeben. Die einen behaupten, alles sei von selbst und durch Zufall entstanden, so die Epikureer 2, die zu ihrem eigenen Verderben 3 die Vorsehung in der Welt wegschwatzen in direktem Widerspruch mit der hellen, augenscheinlichen Wahrheit. Wäre nämlich alles durch sich selbst ohne Vorsehung entstanden, wie sie meinen, dann hätte alles einfach entstehen müssen, sich gleich, nicht verschieden. Wie in einem Körper müßte alles notwendig Sonne oder Mond sein, und bei den Menschen müßte das Ganze Hand oder Auge oder Fuß sein. Nun ist es aber nicht so. Wir sehen vielmehr da Sonne, da Mond, da Erde, und so wieder bei den menschlichen Körpern da Fuß, da Hand, da Haupt.
Solche Ordnung aber zeigt, daß sie nicht von selbst entstanden, weist vielmehr auf eine vorausliegende Ursache für diese Dinge hin, aus der man auf Gott, der alles angeordnet und geschaffen hat, schließen kann. Andere hingegen, zu denen auch der große Grieche Plato zählt 4, behaupten, aus einer bereits vorliegenden, unerschaffenen Materie hätte Gott das Weltall geschaffen. Gott hätte ja nichts machen können, wenn die Materie nicht bereits vorgelegen hätte, so wie auch dem Zimmermann das Holz zur Verfügung stehen muß, um etwas verfertigen zu können. Doch die so reden, merken nicht, daß sie Gott eine Schwäche beilegen. Ist er nämlich nicht auch Urheber der Materie, schafft er vielmehr überhaupt alle bestehenden Dinge aus einer bereits vorhandenen Materie, so erweist er sich schwach, weil außerstande, ohne die Materie auch nur ein Ding zu schaffen, wie es selbstverständlich auch ein Unvermögen des Zimmermanns verrät, wenn er ohne Holz keinen der unentbehrlichen Gegenstände fertigen kann. Nach dieser Annahme hätte also Gott nichts fertigen können, wenn keine Materie vorgelegen hätte. Wie könnte man ihn dann noch Schöpfer undBaumeister nennen, wenn er einem dritten, der Materie, seine schöpferische Machtverdankt? In diesem Falle wird aber nach ihrer Ansicht Gott nur mehr ein Handwerker sein, nicht mehr eigentlich Schöpfer, wenn er ja nur den vorliegendenStoff bearbeitet, nicht aber auch dem Stoff das Dasein gibt. Er kann überhaupt nichtSchöpfer genannt werden, wenn er nicht auch den Stoff schafft, aus dem das Geschaffene geworden ist, Die Häretiker5 träumen sich freilich einen anderenWeltschöpfer als den Vater unseres Herrn Jesu Christi und verraten in ihren Worteneine arge Verblendung. Wenn der Herr zu den Juden sagt: "Habt ihr nicht gelesen, daß Gott im Anfange sie als Mann und Weib schuf und sprach: Deshalb wird der MannVater und Mutter verlassen und seinem Weibe anhangen, und sie werden zwei ineinem Fleische sein?"6, und hernach mit einem Hinweis auf den Schöpfer: "Was Gottverbunden hat, soll der Mensch nicht trennen"7, warum reden sie denn so, als hättedie Schöpfung mit dem Vater nichts zu tun? Und wenn Johannes zusammenfassendsagt: "Alles ist durch ihn geworden, und ohne ihn ward nichts"8, wie könnte es dennneben dem Vater Christi einen anderen Schöpfer geben?

So faseln diese Leute. Die göttliche Lehre aber und der christliche Glaube verurteilen solch törichtes Gerede als Gottlosigkeit. Sie sagen uns, daß die Dinge nicht von selbst entstanden sind, da sie ja unter einer Vorsehung stehen, noch auch aus einem bereits vorhandenen Stoff, weil ja Gott nicht schwach, daß vielmehr Gott durch seinen Logos alle Dinge aus dem reinen Nichts ins Dasein gerufen habe, wie es bei Moses heißt: "Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde"9, und im sehr nützlichen Buch vom Hirten: "Allererst glaube, daß nur einer Gott ist, der alles erschaffen und angeordnet und aus dem Nichts ins Dasein gerufen hat"10. Dasselbe lehrt Paulus mit den Worten: "Im Glauben erkennen wir, daß die Welten durch das Wort Gottes geschaffen worden sind, so daß also nicht das Sichtbare aus der Erscheinungswelt hervorgegangen ist"11. Denn Gott ist gut, oder vielmehr er ist die Quelle der Güte. Den Guten aber kann keinerlei Neid befallen, weshalb er niemand das Dasein vergönnte und alles aus dem Nichts geschaffen hat durch seinen eigenen Logos, unseren Herrn Jesum Christum. Unter den irdischen Kreaturen aber erregte vor allen das Menschengeschlecht sein Mitleid, und weil er sah, daß es nach dem Gesetze seines eigenen Werdens außerstande wäre, immerdar fortzubestehen, gewährte er ihnen einen Vorzug und schuf die Menschen nicht einfach wie die ganze vernunftlose Lebewelt auf der Erde, sondern er machte sie nach seinem Bilde und teilte ihnen von der Kraft seines eigenen Logos mit, damit sie gleichsam einen Schatten vom Logos hätten und so, vernünftig12 geworden, in seligem Zustand verbleiben könnten im Besitze des wahren und wahrhaft heiligen Paradieseslebens. Da er ferner die doppelte Wahlfreiheit der Menschen kannte, so traf er Vorsorge und suchte ihnen durch Gesetz und Ort die ihnen gewährte Gnade zu sichern: Er führte sie in sein Paradies ein und gab ihnen ein Gebot, damit sie, im Falle, daß sie die Gnade bewahrten und gut blieben, zu der Verheißung ihrer himmlischen Unsterblichkeit hin auch im Paradiese ein Leben ohne Kummer, Schmerzen und Sorgen hätten, im Falle, daß sie aber das Gebot überträten und nach ihrer Abkehr von Gott schlecht würden, zur Einsicht kommen sollten, daß sie der natürlichen Verwesung im Tode unterworfen wären und nicht mehr im Paradiese leben, sondern nunmehr aus ihm verbannt und in Tod und Verwesung verbleiben würden. Dies verkündet ganz offen auch die göttliche Schrift, die in der Person Gottes also redet: "Von allen Bäumen des Gartens magst du essen, aber vom Baume der Erkenntnis des Guten und Bösen sollt ihr nicht essen. Am Tage, da ihr davon esset, sollt ihr des Todes sterben"13. "Ihr werdet des Todes sterben", was soll das anderes bedeuten, als nicht nur sterben, sondern auch in der Verwesung des Todes verbleiben?
Auszug aus: Hl. Athanasius "Über die Menschwerdung des Logos und dessen leibliche Erscheinung unter uns"


2Epikur, Stifter einer philosophischen Schule (geb. 842 v. Chr.) ließ die Welt aus Atomen entstanden sein und lehrte, daß die Götter auf ihre
Erschaffung oder Erhaltung oder auf die Geschicke der Menschen keinerlei bestimmenden Einfluß hatten.
3καθ αυτ ν könnte auch bedeuten "im ᾿ ἑ ῶ Widerspruch mit sich selbst."
4Im Timäus hat Plato seine Anschauung über die Weltschöpfung; niedergelegt. (Vgl. Überweg a. a. o. S. 170 ff.)
5Die Gnostiker und Manichäer.
6Matth. 19, 4.
7Matth. 19, 6.
14Weish. 6, 19.
15Ps. 81, 6.7.

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