Donnerstag, 6. Februar 2014

Die christliche Liebe


                    

Die größte der Tugenden ist die Liebe. Uns wird gesagt, Gott sei die Liebe, und wenn wir sagen, dass wir Gott lieben und nicht unseren Mitmenschen lieben, dann seien wir Lügner (1 Johannes 4:20). Aber was meinen Christen bzw was sollten sie meinen, wenn sie von Liebe sprechen?

Es gibt vier verschiedene griechische Wörter für Liebe: agape (Bruderliebe), eros (sexuelle Liebe), philia (Freundschaft) und storge (Mitgefühl). Das Wort, das fürgewöhnlich für die christliche Liebe verwendet wird - die Liebe zu Gott und die Liebe zum Mitmenschen - ist agape. Die drei anderen Wörter können jedoch auch auf die christliche Liebe angewandt werden.

Philia
Es gibt eine interessante Passage im Evangelium (Johannes 21:15-17), als Jesus Petrus drei mal fragt: “Liebst du mich?” und Petrus antwortet “Du weißt, dass ich Dich liebe.” Im griechischen Originaltext, fragt Christus die ersten zwei mal “Agapas me?” Das dritte mal fragt Er “Phileis me?”, wie wenn er fragen würde “Liebst du mich wirklich?”, “Liebst du mich wie einen Freund?” Philia impliziert eine engere, persönlichere Liebe als agape, und unsere Liebe für Gott sollte eine nahe und persönliche Beziehung sein.

Storge
Mitgefühl ist eine Art der Liebe, die jeder Christ besitzen sollte. Die Liebe, die der gute Samarit dem ausgeraubtem Opfer zeigte, war Mitgefühl (Lukas 10:25-37). Die Liebe, die dem Verlorenem Sohn gezeigt wurde, war Mitgefühl (Lukas 15:11-32). Mitgefühl ist was unsere Herzen dazu bewegt zu vergeben und barmherzig zu sein, jenen zu helfen, die in Not sind. Gott gebietet uns, unsere Feinde zu lieben. Die Liebe für unsere Feinde ist nicht philia oder eros. Agape und Storge sind die Arten Liebe, die wir unseren Feinden zeigen sollen. Von uns wird nicht erwartet, unsere Feinde zu mögen, uns ihrer Anwesenheit zu erfreuen oder ihnen zu vertrauen. Aber wir sollen Mitgefühl zeigen und vergeben, barmherzig sein, sie auch als Kinder Gottes sehen und daher auch als Brüder. Es ist das Mitgefühl, das Nächstenliebe und Güte aufrichtig macht. Wenn wir anderen mit Widerwillen oder Bitterkeit helfen, dann sind wir nicht wirklich mitfühlen.

Eros
Eros wird fürgewöhnlich als sexuelle oder intime Liebe aufgefasst. Es ist jedoch interessant , dass manche Kirchenväter dieses Wort benutzen, um den höchsten Grad der Liebe für Gott zu beschreiben. Das liegt daran, dass Eros die leidenschaftlichste Art der Liebe ist - er grenzt an Bessesenheit. Jeder, der verliebt war kann erzählen, dass er nicht essen oder schlafen konnte, weil er verliebt war, dass das Objekt ihrer Liebe das erste ist, an was sie beim Aufwachen denken und das letzte, wenn sie zu Bett gehen - und weitere solcher Dinge. So sollte unsere Liebe zu Gott sein.
Der Heilige Johannes vom Sinai (dem der vierte Fastensonntag gewidmet ist), bekannter unter dem Namen Johannes von der Leiter (Klimakos) wegen seines berühmten Werkes “Himmelsleiter”, sagt dass dies der Grund sei, warum viele jener Heiligen, die einst von dieser Leidenschaft des Eros bzw seinem sündigen Gegenpart, der Lust, besessen waren, zu denen Heiligen wurden, die Gott am leidenschaftlichsten liebten.
Ein großes Beispiel für solch einen Heiligen ist Maria von Ägypten (der der fünfte Fastensonntag gewidmet ist), eine wohlhabende Prostituierte, die zu einer der größten Asketinnen der Kirche wurde. Gemäß einigen Geschichten aus ihrem Leben, prostituierte sie sich nicht des Geldes wegen, da sie ja schon sehr wohlhabend war, sondern weil sie es genoss. Als sie das Christentum umarmte, gab sie alles auf und lebte ein Leben rigoroser Askese und Reue in der Wüste.
Solche Heilige gaben nicht so sehr ihre Leidenschaft auf, sondern leiteten sie vielmehr auf Gott um, und ersetzten somit das Objekt ihrer Begierde mit der Sehnsucht nach Gott. Das ist eine große Angelegenheit. Bereuen wird oft als etwas negatives aufgefasst, im Sinne von man gibt etwas auf. Aber tatsächlich ist Reue etwas positives - sie findet das richtige und angemessene Objekt für unsere Leidenschaften. Unsere Leidenschaften sind sogar notwendig; sie sind ein Geschenk. Ohne sie laufen wir Gefahr lauwarm zu sein, desinteressiert, etwas über das Christus in der Offenbarung sagt: “weil ihr lauwarm seid, weder kalt noch heiß, speie Ich euch aus Meinem Mund aus” (Off 3:16). Die Heiligen hatten eine brennende Liebe zu Gott. Sie waren die “leidenschaftlichsten” Menschen der Kirche, aber sie leiteten ihre Leidenschaften richtig, gaben ihnen ihren richtigen Sinn, und - mit einer Einzigartikeit an Herz und Verstand - übertrugen sie sie auf das eine Objekt ihrer Sehnsucht - Gott.

Agape
Im Sinne unserer Liebe für jemand anders, sind alle vier Arten von Liebe gut. Aber unsere Liebe zu unseren Mitmenschen wurzelt in unserer Liebe zu Gott. Für die Christenheit ist die Liebe zum Menschen nicht Humanitarianismus, der im Menschen das höchste Gut und Lebensziel sieht. Unsere Liebe zueinander kann oft gestört und sündig werden. Philia, eros und storge, die in sich gut sind, können pervertiert und übertrieben werden. Deshalb ist agape das Wort, das am häufigsten für die christliche Liebe verwendet wird. Agape ist die reinste Form der Liebe. Es ist die Liebe zu allen Menschen. Liebe für eine Person, die die Liebe zu anderen ausschließt, ist keine christliche Liebe.
Die Liebe zu Freunden (philia) kann uns beispielsweise zu Begünstigung und Parteilichkeit führen, und jene, die nicht unserem Freundeskreis angehören, unfair zu behandeln.
Eros, sexuelle Liebe, kann sogar schlimmer sein, weil sie die leidenschaftlchste Art der Liebe ist und kann sogar andere schaden. Er kann uns dazu bringen, der Person, die wir lieben, um jeden Preis gefällig zu sein. Seine niedrigste und gestörteste Form ist zügellose Lust, wenn sexuelle Befriedigung der ultimative Zweck wird.
Storge, Mitgefühl, muss auch gesteuert werden. Übertriebenes Mitleid für jemanden kann uns dazu bringen, die Bedürfnisse anderer zu übersehen. Sie kann uns sogar dazu führen, andere zu verwöhnen, zu verziehen, was insbesondere gewöhnlich in Eltern-Kind-Beziehungen auftritt.
Philia, storge und eros müssen daher durch agape geleitet werden, durch göttliche Liebe. Es ist nicht so, dass die anderen Formen der Liebe schlecht sind und nicht existieren sollten, aber die Objekte unserer Freundschaft, des Mitgefühls und des sexuellen Verlangens dürfen nicht zum Selbstzweck verkommen. Liebe zu Gott, göttliche Liebe, ist das, was allen anderen Formen der Liebe echten Sinn verleiht; in ihr finden sie ihren angemessenen Platz und Anteil.

Somit ist der geistige Kampf der Fastenzeit und des christlichen Lebens nicht eine Angelegenheit des Vermeidens von Leidenschaften, sondern sie zu beherrschen. Diese Herrschaft verlangt Disziplin. Diese Disziplin, diese Herrschaft über die Leidenschaften ist in der orthodoxen Spiritualität als “Leidenschaftslosigkeit” (apatheia) bekannt und wird als ein hoher Rang an Tugend angesehen. Nicht im Sinne von Gefühllosigkeit. Der Hl. Isaak der Syrer sagt: “Apatheia bedeutet nicht, dass man die Leidenschaften nicht mehr fühlt, sondern sie nicht mehr akzeptiert.” Apatheia ist die Harmonie zwischen Körper und Seele. Es ist die Erreichung der Ganzheit oder Reinheit.


Aus dem Buch von Vassilios Papavassiliou "Meditations for Great Lent - Refections on Tridodion", übers. von Nassos


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