Als orthodoxe Christen beginnen wir die Feier der Geburt Christi am 25. Dezember mit einer Vorbereitungszeit. Vierzig Tage vor dem Fest treten wir in die Zeit des Weihnachtsfastens ein: um Seeleund Leib zu reinigen, damit sie angemessen in die große geistige Wirklichkeit des Kommens Christi ein-treten und an ihr teilhaben können. Diese Fastenzeit ist nicht so intensiv liturgisch, wie es für die Große Fastenzeit typisch ist. Das Weihnachtsfasten ist mehr „asketi-scher“ als „liturgischer“ Natur. Trotzdem spiegelt sich die weihnachtliche Fasten-zeit im Leben der Kirche in einer Reihe liturgischer Zeichen, die das kommende Fest ankündigen.
Während der 40 Tage der Vorbereitung wird das Themader kommenden Geburt allmählich in die Gottesdienste und liturgischen Feiern eingeführt. Wenn auch der Beginn der Fastenzeit am 15. November liturgisch nicht durch einen Hym-nus gekennzeichnet wird, so hören wir doch fünf Tage später, am Vorabend des Festes des Einzugs Mariae in den Tempel, die erste Ankündigung aus den neun Hirmoi des Weihnachtskanons: „Christus ist geboren, verherrlicht Ihn!“ Bei diesen Worten verändert sich etwas in unserem Leben, in der Luft, die wir atmen, in der ganzen Stimmung des Lebens der Kirche. Es ist, als ob wir ganz weit weg das erste Licht der größtmöglichen Freude wahrnehmen würden – die Ankunft Christi in Seiner Welt! So kündigt die Kirche das Kommen Christi an, die Fleischwerdung Gottes, Seinen Eintritt in die Welt zu ihrer Erlösung. Dann, an den beiden Sonntagen vor Weihnachten gedenkt die Kirche der Vorväter und Väter: der Propheten undHeiligendes Alten Testaments, die dieses Kommen vorbereiteten, die die Geschichte selbst zur Erwartung machten, zum Warten auf die Erlösung und auf die Versöhnung der Menschheit mit Gott. Schließlich beginnt die Kirche am 20. Dezember die Vorfeier zur Geburt, deren liturgische Struktur ähnlich ist der Großen Woche vor Ostern – denn die Geburt des Sohnes Gottes als Kind ist der Anfang Seines Erlösungsdienstes, der Ihn zu unserem Heil zum höchsten Opfer am Kreuz führen wird.
Heiliger Abend
Die Gottesdienste am 24. Dezember, dem Vorabend von Weihnachten:
1. Stunden (Horen)
2. Vesper,
3. Göttliche Liturgie des Hl. Basilios.
Am Ende der Vorfeier und damit des Advents, fassen die Stunden die ganze Thematik des Festes zusammen und machen sie zu einer letzten feierlichen Ankün-digung. In den besonderen Psalmen, Hymnen und Schriftlesungen, die für jede Stunde bestimmt sind, wird die Freude und die Macht des Kommens Christi kundgetan. Es ist eine letzte Meditation über die kosmische Bedeutung der Geburt, über die entscheidende und drastische Änderung in der ganzen Schöpfung. Die Vesper, die meist auf die Stunden folgt, eröffnet die eigentliche Feier des Festes – denn wir wissen ja, dass der liturgische Tag am Abend davor beginnt. Die
Atmosphäre des Festes wird durch die fünf Stichera zum Psalm 140 „Herr, ich rufe zu Dir ...“ vorgegeben. Sie sind ein Ausbruch der Freude über das Geschenk der Inkarnation Christi, die nunmehr erfüllt ist!
Kommt, lasst uns jubeln im Herrn, auslegen das heutige Geheimnis.
Die Scheidewand ist niedergerissen, das Flammenschwert wendet sich ab, die Cherubim weichen vom Baum des Lebens, und ich habe teil an des Paradieses Köstlichkeit, von der mich der Ungehorsam früher vertrieben.
Denn des Vaters gleiches Bild, die Prägung Seiner Ewigkeit, nimmt Knechtsgestalt an, tritt hervor aus der Mutter, die vom Manne nichts weiß, und erleidet doch keine Veränderung. Denn Er blieb,was er war:
der wahre Gott – und nahm an, was Er nicht war: Mensch geworden aus Menschenliebe. Ihm rufen wir zu:
Aus der Jungfrau geborener Gott, erbarme Dich unser.
Acht Schriftlesungen zeigen, dass Christus die Erfüllung aller Prophezeiungen ist, dass Sein Königreich das Reich „auf ewig“ ist, dass die menschliche Geschichte darin ihren Sinn findet und das gesamte Weltall seinen Mittelpunkt. Die Liturgie des Hl. Basileios, nach der Vesper, war in der Vergangenheit die Taufliturgie, bei der die Katechumenen getauft,gesalbt und in die Kirche – den Leib Christi – aufgenommen wurden. Die doppelte Freude des Festes für die Neugetauften und die anderen Mitglieder der Kirche spiegelt sich im Prokeimenon des Tages:
Der Herr sagte zu mir: Du bist Mein Sohn, heute habe ich Dich gezeugt.
Ford're von mir, und ich gebe dir die Völker zum Erbe,
die Enden der Erde zum Eigentum.
Am Ende der Liturgie nimmt dann der Zelebrant eine brennende Kerze, geht in die Mitte der Kirche und singt, umringt vonder ganzen Gemeinde, das Troparion und das Kontakion des Festes:
Deine Geburt, o Christus, unser Gott, ließ erstrahlen der Welt das Licht der Erkenntnis; in ihr wurden, die die Sterne verehren, von einem Stern belehrt, Dich zu verehr’n, die Sonne der Gerechtigkeit und Dich zu erkennen als den Aufgang der Sonne.
Herr, Ehre Dir!
Vigil und Liturgie
Da die Vesper des Festes bereits gefeiert wurde, beginnt die Vigil mit der Großen Komplet und der freudigen Verkündigung aus Jesaia „Gott ist mit uns!“ Die Ordnung der Morgenfeier (des Orthros) ist die eines großen Festes. Nun wird, zum ersten mal der ganze Kanon „Christ ist geboren ...“ gesungen, einer der schönsten Kanones des orthodoxen Gottesdienstes, während die Gläubigen die Ikone von der Geburt Christi verehren. Die Lobpsalmen (Ainoi)folgen und fassen die Freude und die Thematik des ganzen Festes zusammen:
Freut euch, ihr Gerechten, ihr Himmel jauchzet!
Neigt euch, ihr Berge, Christus ist geboren;
die Jungfrau thront den Cherubim gleich,
tragend in ihrem Schoße das fleischgewordene Wort.
Die Hirten bestaunen den Neugeborenen.
Die Magier bringen dem Herrn ihre Gaben dar.
Die Engel singen, rufend: Unvergleichlicher Herr, Ehre sei dir!
Die Liturgie des Tages beschließt die Feier der Geburt Christi mit ihren Festantiphonen, die verkünden:
Das Szepter Deiner Macht wird der Herr ausgehen lassen aus Zion, herrsche inmitten Deiner Feinde! Bei Dir ist die Herrschaft am Tage Deiner Kraft im Glanze der Heiligen.
Die Nachfeier
Am 2. Tag des Festes wird die Synaxis der Gottesmutter gefeiert. Die Kirche verbindet die Hymnen der Geburt mit denen, die die Gottesmutter preisen und deutet damit auf Maria als die Eine, durch die die Fleischwerdung Christi möglich wurde. Sein Mensch-Sein – greifbar und historisch –ist das Mensch-Sein, das Er von Maria empfing. Sein Leib ist zuallererst ihr Leib; Sein Leben ist ihr Leben. Dieses Fest der Versammlung zu Ehren der Theotokos (Gottesmutter), ist wahrschein-lich das älteste Marienfest der christlichen Tradition, der Anfang ihrer Verehrung durch die Kirche.
Sechs Tage Nachfeier bringen die Weihnachtszeit am 31. Dezember zum Abschluss. In allen Gottesdiensten dieser Tage wiederholt die Kirche die Hymnen und Lieder, die die Inkarnation Christi verherrlichen und erinnern uns daran, dass die Quelle und das Fundament unserer Erlösung nur in Dem gefunden werden kann, Der als Gott vor aller Zeit in die Welt kam und um unsertwillen „als kleines Kind geboren“ wurde.
Vr. Alexander Schmemann in: The Services of Christmas: The Nativity of Our Lord Jesus
Christ, New York 1981; Übers.a.d.Engl.: G. Wolf
Beitragsquelle: http://www.schmemann.org/byhim/servicesofchristmas.htm
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen