Dienstag, 3. Dezember 2013

Paradies und Hölle nach der Orthodoxen Überlieferung- Protopresbyter Georgios Metallinos- Teil 1

In den Evangelien (Matth. 25) wird das „Königreich“ und das „ewige Feuer“ erwähnt. In dieser Perikope, die in der Liturgie des Sonntag von Apokreos gelesen wird, ist das „Königreich“ die göttliche Bestimmung des Menschen. Das "Feuer" ist "bereitet" für den Teufel und seine Engel (Dämonen), nicht weil Gott es so wollte, sondern weil sie nicht bereuen. Das "Königreich" ist denen "bereitet", die dem Willen Gottes treu sind. "Königreich" (= ungeschaffene Herrlichkeit) ist das Paradies, das (ewige) "Feuer" ist die Hölle („ewige Strafe“ V.46). Am Anfang der Geschichte lädt Gott den Menschen zu sich ins Paradies, in die Gemeinschaft mit Seiner ungeschaffenen Gnade. Am Ende der Geschichte steht der Mensch Himmel und Hölle gegenüber. Was das bedeutet, werden wir im Folgenden sehen. Wir betonen, dass es ein besonders zentrales  Thema unseres Glaubens ist, der Prüfstein des Christentums als Orthodoxie.

1. Himmel und Hölle werden im Neuen Testament häufig erwähnt. In Lk.23, 43 sagt Jesus zu dem Räuber "heute wirst du mit mir im Paradies sein“. Auf das Paradies aber bezieht sich auch der Räuber, als er sagt: "Herr, gedenke meiner [...] in deinem Reich." (Lk. 23,42)  Nach Theophylaktos von Bulgarien (PG 23, 1106): ”Für den Räuber bedeutete das Paradies nämlich das Königreich.“ Apostel Paulus (2.Kor. 12, 3-4) bekennt, dass er schon in dieser Welt "ins Paradies entrückt wurde und unaussprechliche Worte hörte, die kein Mensch auszusprechen vermag.“ In der Offenbarung lesen wir: "Wer siegt, dem werde ich zu essen geben vom Baum des Lebens, der im Paradies meines Gottes steht.“(2,7) Und Arethas von Caesarea erklärt: "Paradies meint das gesegnete und ewige Leben." (PG 106,529). Paradies - Ewiges Leben - Reich Gottes sind identisch.
In Bezug auf die Hölle: Matth. 25,46  (hingehen  "…in ewige Pein") 25,41 („in das ewige Feuer“), 25,30 („in die Finsternis draußen“), 5,22 ("Höllenfeuer").
Joh. 4,18 („…denn die Furcht rechnet mit Strafe“). Auf solch unterschiedliche Weise wird ausgedrückt, was wir mit „Hölle“ meinen.
2. Himmel und Hölle sind nicht zwei verschiedene Orte. Diese Auffassung ist heidnisch. Es handelt sich um zwei verschiedene Zustände (Weisen), die ausderselben ungeschaffenen Quelle entspringen und als zwei unterschiedliche Erfahrungen erlebt werden. Besser gesagt, es ist dieselbe Erfahrung, die vom Menschen unterschiedlich erlebt wird, entsprechend seinen inneren Voraussetzungen. Dieses Erlebnis ist der Anblick Christi im ungeschaffenen Licht Seiner Gottheit, in Seiner "Herrlichkeit". Vom Moment seiner Zweiten Ankunft bis in alle unendliche Ewigkeit werden alle Menschen Christus in Seinem ungeschaffenen Licht sehen. Und dann werden "die das Gute getan haben, (...) zum Leben auferstehen, die das Böse getan haben, zum Gericht." (Joh.5.29). Vor dem Angesicht Christi werden die Menschen geteilt ("Schafe" und "Böcke", zu Seiner Rechten und zu Seiner Linken). Es werden also zwei Gruppen unterschieden: diejenigen, die Christus sehen werden, wie das Paradies ("überströmendes Licht") und diejenigen, die ihn sehen, wie die Hölle ("verzehrendes Feuer" Hebr.12, 29).
Himmel und Hölle sind dieselbe Realität. Dies wird auf den Ikonen von der Zweiten Ankunft dargestellt. Von Christus geht ein Fluss aus, strahlend wie ein goldenes Licht im oberen Teil, wo sich die Heiligen befinden, und ein Strom von Feuer im unteren Teil, wo sich die Dämonen und die Unbekehrten („die niemals Reue gezeigt haben“, wie es ein Troparion sagt) befinden. Deshalb steht in Lukas 2,34 geschrieben, dass Christus "dazu bestimmt ist, dass viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden.“ Für diejenigen, die Ihn annehmen und der von Ihm angebotenen Heilung des Herzens folgen, wird er die Auferstehung zum ewigen Leben, und für alle, die ihn ablehnen, wird er zum Sturz und zur Hölle.
Patristische Zeugnisse: Der Hl. Johannes vom Sinai (Klimakos) sagt, dass das ungeschaffene Licht Christi "verzehrendes Feuer und strahlendes Licht ist". Der Hl. Gregor Palamas (E.Π.E. 11, 498) bemerkt: "Er wird euch, wie er sagt, im Heiligen Geist und im Feuer taufen, das bedeutet, durch Erleuchtung und Qual. Denn jeder wird das empfangen, was er gemäß seinen Voraussetzungen verdient." Und an anderer Stelle (Schriften, Hrsg. Christou, II. S.145): Das Licht Christi, "obgleich es für alle zugänglich ist, so nehmen doch nicht alle in der gleichen Weise daran teil, sondern unterschiedlich…“
 So sind Himmel und Hölle nicht einfach Belohnung und Bestrafung (Verurteilung), sondern die Art und Weise wie ein jeder von uns den Anblick Christi erlebt, entsprechend dem Zustand seines Herzens. Gott bestraft schließlich nicht, wenn auch aus pädagogischen Gründen und in der Heiligen Schrift von Strafe die Rede ist. Je geistlicher jemand wird, desto besser versteht er die Sprache der Heiligen Schrift und unserer Überlieferung. Die Zustand des Menschen (rein-unrein, mit Reue-ohne Reue) gibt den Ausschlag, wie wir Sein Licht aufnehmen, als Himmel oder Hölle.

3. Das anthropologische Problem in der Orthodoxie ist, wie der Mensch in Ewigkeit Christus als Paradies schauen wird, und nicht als Hölle, d.h. wie er an Seinem himmlischen und ewigen „Königreich“ teilhaben wird. Und hier liegt der Unterschied des Christentums als Orthodoxie zu den verschiedenen Konfessionen. Letztere versprechen auch eine "Glückseligkeit" nach dem Tod. Orthodoxie ist nicht die Suche nach Glückseligkeit, sondern die Therapie von der Krankheit der Religion, wie Vater Johannes Romanidis unausgesetzt anhand der Väter predigt. Die Orthodoxie ist ein offenes Krankenhaus innerhalb der Geschichte ("eine geistliche Arztpraxis" nach J. Chrysostomus), welche die Behandlung des Herzens anbietet ("Reinigung"), um zu seiner „Erleuchtung“ durch den Heiligen Geist fortzuschreiten, und schließlich die "Theosis", die einzige Bestimmung des Menschen, zu erreichen.  Das ist der Weg, den Vater Johannes Romanidis und der Ehrwürdige Metropolit von Nafpaktos, Hierotheos (Vlachos) vollständig beschrieben haben; es ist die Heilung des Menschen, wie ihn alle unsere Heiligen leben.
Das bedeutet es,  im Leib Christi (in der Kirche) zu leben. Das ist der Grund für die Existenz der Kirche. Das ist das Ziel des gesamten Erlösungswerk Christi. Der Hl. Gregor Palamas sagt (4. Predigt über die Parousie), dass es von Ewigkeit her der Wille Gottes für den Menschen ist, dass „er einen Platz findet in der Herrlichkeit des Göttlichen Königreichs“, dass er die Vergöttlichung (Theosis) erreicht. Das ist der Sinn der Schöpfung. Und er fährt fort: "Aber auch die göttliche und geheime Kenosis, der gottmenschliche Zustand, das erlösende Leiden, alle Mysterien (d.h. das ganze irdische Wirken Christi) waren aus göttlicher Vorsehung und Allwissenheit Vorbereitung  für dieses Ende (zu diesen Zweck)."

4. Wichtig ist jedoch, dass nicht alle Menschen diesem Ruf Christi folgen und deshalb nicht alle in der gleichen Weise an Seiner ungeschaffenen Herrlichkeit teilhaben. Darüber belehrt uns Christus im Gleichnis vom reichen Mann und vom armen Lazarus (Lukas, Kap.16). Der Mensch verweigert das Angebot Christi, wird zum Feind Gottes und lehnt das Angebot ab, durch Christus erlöst zu werden. (Dies ist die Lästerung gegen den Heiligen Geist, denn im Heiligen Geist akzeptieren wir den Ruf Christi). Diese sind diejenigen, die niemals  bereut haben, die in der Hymne erwähnt werden. Gott "wird niemals zum Feind",  bemerkt Johannes Chrysostomus, wir werden Seine Feinde (feindlich gesinnt), wir weisen Ihn ab. Der Mensch ohne Reue wird dämonisiert, weil er sich dafür entscheidet. Gott will das nicht. Der Hl. Gregor Palamas sagt: „…denn das war nicht MEIN ursprünglicher Wille; ich habe euch nicht dafür erschaffen; ich habe das Feuer nicht für euch bereitet; sondern für die Dämonen, die einen unveränderlichen Hang zum Bösen haben, wird dieses unauslöschliche Feuer entzündet, denen euer eigener unbekehrter Sinn anhängt“. „Die Symbiose mit den bösen Engeln ist freiwillig (= willentlich).“ (op. cit.) Mit anderen Worten, es ist eine freie Wahl des Menschen.
Beide, der reiche Mann und Lazarus sehen dieselbe Wirklichkeit, Gott in seinem ungeschaffenen Licht. Der Reiche erreicht die Wahrheit, den Anblick Christi, aber er kann nicht wie Lazarus daran teilhaben. Lazarus „lässt sich bitten" (wird getröstet),  jener aber "leidet" (wird gequält). Die Worte Christi,  dass sie "Mose und die Propheten haben", gerichtet an jene, die noch in dieser Welt sind, bedeuten, dass wir alle unentschuldbar sind. Denn es gibt die Heiligen, die die Erfahrung der Theosis haben und die uns einladen, uns der Art und Weise ihres eigenen Lebens anzuschließen, damit wir, wie sie, die Theosis erlangen. Also sind die Verdammten, wie der Reiche, unentschuldbar.
Die Haltung gegenüber seinem Mitmenschen zeigt das Innere des Menschen, und deshalb ist dies das Kriterium des Jüngsten Gerichts bei der Wiederkunft (Matthäus Kap. 25). Das bedeutet nicht, dass der Glaube an Christus und die Treue des Menschen  übersehen werden. Dies wird vorausgesetzt, weil die Haltung dem anderen gegenüber zeigt, ob wir Gott in uns haben oder nicht. Die ersten Sonntage im Triodion (die der Vorfastenzeit) kreisen um unsere Haltung gegenüber unserem Mitmenschen. Am ersten Sonntag rechtfertigt sich der (scheinbar fromme) Pharisäer (er spricht sich heilig) und lehnt den Zöllner ab (erniedrigt ihn) Am zweiten Sonntag bedauert der "ältere" Bruder (eine Wiederholung des fromm erscheinenden Pharisäers) die Rückkehr (Rettung) seines Bruders. Auch er, der scheinbar fromme, hatte eine falsche Frömmigkeit, die keine Liebe hervorbrachte. Am dritten Sonntag wird dieser Zustand zum Kriterium für unser ewiges Leben.

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