5. Die
Erfahrung von Himmel oder Hölle ist jenseits der Worte und der
Sinne. Es ist eine ungeschaffene Realität und nicht eine
geschaffene. Die Lateiner schufen den Mythos, dass Himmel und Hölle
geschaffene Realitäten sind. Es ist ein Mythos, dass die Verdammten
Gott aufgrund seiner Abwesenheit nicht schauen werden. Die Lateiner
nahmen auch das Feuer der Hölle als etwas Geschaffenes (z.B. Dante).
Die orthodoxe Tradition ist der Heiligen Schrift treu geblieben, dass
auch die Verdammten Gott schauen werden (wie der reiche Mann im
Gleichnis), allerdings als ein "verzehrendes Feuer." Die
lateinischen Scholastiker verstanden die Hölle als Strafe und
Entzug der Schau des Göttlichen Wesens. Aus biblischer und
patristischer Sicht aber ist die Hölle das Versagen des Menschen und
seine Weigerung, mit der göttlichen Gnade zusammenzuarbeiten, um zur
"erleuchtenden" Schau Gottes (Paradies) und zur
bedingungslosen Liebe zu gelangen (vgl. 1 Kor 13,8: "sie
(die Liebe) sucht nicht das
Ihre“)
Es gibt daher keine Abwesenheit Gottes, nur Seine Gegenwart. Deshalb
ist seine Wiederkunft schrecklich. ("Oh, was für eine Stunde
wird es sein,..." singen wir in den Ainous, den Hymnen des
Morgengebetes). Es ist eine unwiderlegbare Tatsache, auf die sich die
Orthodoxie allezeit ausrichtet („Ich
erwarte die Auferstehung der Toten…“).
Die Verdammten, diejenigen, die ein verstocktes Herz haben, wie die
Pharisäer (Mk. 3,5 "in
der Verhärtung ihres Herzens")
schauen in Ewigkeit das Feuer als Rettung! Denn ihr Zustand ist
für eine andere Form des Heils nicht empfänglich. Auch sie sind
"vollendet", sie erreichen das "Ende" ihres
Weges, aber nur die Gerechten vollenden den Weg als Erlöste. Jene
vollenden ihn als Verdammte. Für jene ist die Hölle die Rettung,
weil sie während ihres Lebens nur die Freuden gesucht haben. Der
Reiche im Gleichnis labte sich an seinen Gütern. Lazarus erlitt
unerschütterlich "das Übel". Das ist es, was der
Apostel Paulus zum Ausdruck bringt (1. Kor. 3,13-15): "Das
Werk eines jeden wird offenbar werden; jener Tag wird es sichtbar
machen, weil es im Feuer offenbart wird. Das Feuer wird prüfen, was
das Werk eines jeden taugt. Hält das stand, was er aufgebaut hat, so
empfängt er Lohn. Brennt es nieder, dann muss er den Verlust tragen.
Er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durch Feuer
hindurch."
Beide, Gerechte wie Unbekehrte gehen durch das ungeschaffene „Feuer“
der Göttlichen Gegenwart, die einen gehen jedoch unversehrt
hindurch, während die anderen verbrannt werden. Sie werden ebenfalls
„gerettet“, aber nur so, wie jemand, der durch Feuer
hindurchging. Efthymios Zigavinos (12. Jh.) stellt fest: "Gott
als Feuer, das die Reinen erleuchtet und erhellt, die Unreinen jedoch
verbrennt und verdunkelt".
Und Theodoret von Cyrus schreibt über das „gerettet werden“:
"Man
wird durch das
Feuer gerettet und geprüft“,
so nämlich, wie wenn jemand durch das Feuer hindurchgeht. Wenn er
einen guten Schutz hat, verbrennt er nicht, andernfalls wird er zwar
„gerettet“, allerdings versengt!
Das
Feuer der Hölle, hat also nichts mit dem lateinischen "Purgarotium“
(Fegefeuer) zu tun, noch ist es geschaffen, noch ist es eine
Bestrafung, noch ein vorübergehender Zustand. Ein solcher Ansatz
verlagert die eigene Verantwortung auf Gott. Aber die Verantwortung
liegt einzig und allein bei uns, ob wir Gottes Angebot des Heils (der
Heilung) annehmen oder ablehnen. Der "geistliche Tod" ist
die Schau des ungeschaffenen Lichts, der Göttlichen Herrlichkeit,
als Feuer und Flamme. Der Heilige Johannes Chrysostomus bemerkt in
seiner 9. Auslegung des ersten Korintherbriefes: „Die
Hölle ist ewig… die Sünder werden bestraft im ewigen Verderben.
Und das «Verbrannt werden», bedeutet, dass man der Kraft des Feuers
nicht standhält."
Und er fährt fort: "Und
er, Paulus, sagt, es bedeutet: „er wird nicht, so wie seine Werke,
völlig zum Nichts (zum „Nichtmehrsein“) verbrannt, sondern er
existiert weiter im Feuer. Er betrachtet das als „Rettung“
(nämlich, dass er nicht völlig ausgelöscht wird, sondern weiter
existiert) Bei uns ist es auch Brauch zu sagen: „es hat das Feuer
überlebt“, wenn wir uns auf nicht völlig verbrannte Materialien
beziehen.
Die
scholastischen Vorstellungen bzw. Interpretationen, die, durch Dantes
Werk (Inferno), auch in unsere Welt eingegangen sind, haben
Auswirkungen, die bis zu heidnischen Versionen reichen. Ein Beispiel
ist die Trennung von Himmel und Hölle, als zwei unterschiedliche
Orte. Das geschieht, weil nicht zwischen dem Geschaffenen und dem
Ungeschaffenen unterschieden wird. Ein weiteres Beispiel ist die
Leugnung der Ewigkeit der Hölle im Sinne der "Wiederherstellung"
der Dinge oder der Idee vom "guten Gott" (Bon Dieu). Gott
ist in der Tat "gut" (Mt. 8,17), da er allen das Heil
anbietet. "Er will, dass alle Menschen gerettet werden ..."
(1. Tim. 2,4). Aber das Wort Christi, das wir bei Begräbnissen
hören, ist gewaltig: "Von
mir selbst aus kann ich nichts tun; ich richte, wie ich es (vom
Vater) höre, und mein Gericht ist gerecht“.
(Joh. 5,30) Eine Erfindung ist auch der Begriff der
„Theodizee“, der in diesem Fall angewandt wird. Alles bezieht
sich letztlich auf Gott (er wird retten oder verdammen), ohne die
„Mitarbeit“ des Menschen als Faktor für das Heil zu
berücksichtigen. Die Erlösung ist nur im Rahmen der Teilnahme und
Mitarbeit des Menschen mit der göttlichen Gnade möglich. Johannes
Chrysostomos schreibt: "Das
Meiste, ja fast alles, ist Gottes; er überließ uns jedoch eine
Kleinigkeit."
Diese "Kleinigkeit" besteht darin, die Einladung Gottes
anzunehmen. Der Dieb wurde gerettet, indem er das "HERR
gedenke meiner!“
als Schlüssel benutzte. Heidnisch ist auch die Vorstellung von Gott,
der zornig auf den Sünder ist, während Gott,
wie wir sahen, "niemals
zum Feind wird".
Dies ist ein juristisches Verständnis von Gott, das auch dazu führt,
dass die „Buße“ bei der Beichte als Strafe und nicht als Arznei
(Heilmittel) verstanden wird.
6. Das
Geheimnis von Himmel und Hölle wird auch im Leben der Kirche in
der Welt erfahren. Bei den Sakramenten wird die Teilnahme des
Gläubigen an der Gnade verwirklicht, damit die Gnade in unserem
Leben auf unserem Weg in Christus wirksam wird. Vor allem in der
Göttlichen Eucharistie wird das Ungeschaffene, die Heilige
Kommunion, in uns entweder Paradies oder Hölle, je nach unserem
Zustand. Deshalb ist die Teilnahme an der Heiligen Kommunion mit dem
ganzen geistlichen Weg des Gläubigen verbunden. Wenn wir unrein und
ohne Reue hinzutreten, dann werden wir verdammt (verbrannt). Die
Heilige Kommunion wird in uns zur „Hölle“ und zum „geistlichen
Tod“. Jedoch natürlich nicht, weil sie sich in so etwas verwandeln
würde, sondern weil unsere Unreinheit sie nicht als „Paradies“
akzeptieren kann. Da die Heilige Kommunion die "Medizin
der Unsterblichkeit"
genannt wird (Hl. Ignatius der Gottesträger, 2. Jh.) verhält es
sich mit ihr genau wie mit einem Medikament. Wenn unser Körper nicht
die Voraussetzungen hat, um es zu akzeptieren, dann hat das
Medikament Nebenwirkungen und, anstatt zu heilen, tötet es. Nicht
das Medikament ist dafür verantwortlich, sondern der Zustand unseres
Organismus. Es muss betont werden, dass, wenn wir das Christentum
nicht als einen therapeutischen Prozess akzeptieren und die
Sakramente als geistliche Medizin, wir dahin geführt werden, aus dem
Christentum eine Religion zu machen, d.h. wir machen es zu einem
Götzenkult. Und das geschieht leider sehr häufig, wenn wir das
Christentum als "Religion" verstehen.
Das
gegenwärtige Leben wird unter dem Licht des Zwillingspaares
Paradies/ Hölle bewertet. "Suchet
zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit"
empfiehlt uns Christus (Mt. 6,33). Und Basilios der Große sagt zu
den jungen Leuten: "Alles
was wir tun, ist die Vorbereitung auf ein anderen Lebens“.
(Kap. 3) Unser Leben muss eine andauernde Vorbereitung auf die
Teilhabe am „Paradies“ sein, d.h. auf unsere Gemeinschaft mit dem
Ungeschaffenen (Joh. 17,3). Und das beginnt schon in diesem Leben.
Deshalb sagt der Apostel Paulus: „Jetzt
ist sie da, die Zeit der Gnade; jetzt ist er da, der Tag der
Rettung.“
(2 Kor 6,2). Jeder Moment unseres Lebens ist von soteriologischer
Bedeutung. Entweder gewinnen wir die Ewigkeit, die ewige Gemeinschaft
mit Gott, oder wir verlieren sie. Deshalb tun die östlichen
Religionen und Kulte, die die Reinkarnationen predigen, dem Menschen
unrecht. Denn sie verlagern das Problem auf ein anderes (natürlich
nicht-existierendes) Leben. EIN Leben hingegen gibt es, in dem wir
gerettet werden oder verloren gehen. Deshalb fährt Basilius der
Große fort, "die
Dinge jedoch, die uns diesem Leben näherbringen, sollten wir lieben
und ihnen aus ganzer Kraft folgen; und diejenigen, die uns nicht
dorthin führen, sollten wir als etwas Wertloses missachten.“
Das ist das Kriterium des christlichen Lebens. Der Christ wählt
immer das, was zu seinem Heil beiträgt. In diesem Leben gewinnen wir
den Himmel oder wir verlieren ihn und landen in der Hölle.
Deshalb sagt der Evangelist Johannes: " Wer
an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon
gerichtet, weil er an den Namen des einzigen Sohnes Gottes nicht
geglaubt hat." (3.18)
Die
Aufgabe der Kirche ist es daher nicht, den Menschen ins Paradies oder
die Hölle zu „schicken“, sondern ihn auf das letzte Gericht
vorzubereiten. Die Arbeit des Klerus ist therapeutisch und nicht
moralisierend oder sittenbildend im weltlichen Sinn des Wortes. Die
Essenz des Lebens in Christus wird in den Klöstern bewahrt,
natürlich nur, wenn sie orthodox, d.h. patristisch sind. Der Zweck,
der von der Kirche angebotenen Therapie ist es nicht, „nützliche“
Bürger und das dem Wesen nach „Nützliche“ zu schaffen, sondern
Bürger des himmlischen (ungeschaffenen) Königreichs. Dies sind die
Bekenner und die Märtyrer, die wahren Gläubigen, die Heiligen.
Daran
wird aber auch unsere Mission gemessen: Wohin rufen wir die Menschen?
In die Kirche als Hospital / Sanatorium oder zu einer Ideologie, die
sich christlich nennt? Anstatt nach Heilung, suchen wir im
Allgemeinen danach, uns einen Platz im "Paradies" zu
sichern. Deshalb beschäftigen wir uns mit Festen und
nicht mit Therapie. Das bedeutet natürlich nicht eine Ablehnung der
Gottesverehrung. Aber ohne Askese (asketisches Leben, heilende Übung)
kann die Gottesverehrung uns nicht heiligen. Die daraus
resultierende Gnade bleibt unwirksam in uns. Die Orthodoxie
verspricht niemandem, ihn in irgendein Paradies oder in irgendeine
Hölle zu schicken, aber sie hat die Kraft, wie es die unversehrten
und wunderwirkenden Reliquien ihrer Heiligen beweisen
(Unversehrtheit=Vergöttlichung), den Menschen vorzubereiten, auf
ewig die ungeschaffene Gnade und das Königreich Christi als Paradies
zu schauen und nicht als Hölle.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen