Dienstag, 3. Dezember 2013

Paradies und Hölle nach der Orthodoxen Überlieferung-Protopresbyter Georgios Metallinos-Teil 2

5. Die Erfahrung von Himmel oder Hölle ist jenseits der Worte und der Sinne. Es ist eine ungeschaffene Realität und nicht eine geschaffene. Die Lateiner schufen den Mythos, dass Himmel und Hölle geschaffene Realitäten sind. Es ist ein Mythos, dass die Verdammten Gott aufgrund seiner Abwesenheit nicht schauen werden. Die Lateiner nahmen auch das Feuer der Hölle als etwas Geschaffenes (z.B. Dante). Die orthodoxe Tradition ist der Heiligen Schrift treu geblieben, dass auch die Verdammten Gott schauen werden (wie der reiche Mann im Gleichnis), allerdings als ein "verzehrendes Feuer." Die lateinischen Scholastiker  verstanden die Hölle als Strafe und Entzug der Schau des Göttlichen Wesens. Aus biblischer und patristischer Sicht aber ist die Hölle das Versagen des Menschen und seine Weigerung, mit der göttlichen Gnade zusammenzuarbeiten, um zur "erleuchtenden" Schau Gottes (Paradies) und zur bedingungslosen Liebe zu gelangen (vgl. 1 Kor 13,8: "sie (die Liebe) sucht nicht das Ihre“) Es gibt daher keine Abwesenheit Gottes, nur Seine Gegenwart. Deshalb ist seine Wiederkunft schrecklich. ("Oh, was für eine Stunde wird es sein,..." singen wir in den Ainous, den Hymnen des Morgengebetes). Es ist eine unwiderlegbare Tatsache, auf die sich die Orthodoxie allezeit ausrichtet („Ich erwarte die Auferstehung der Toten…“). Die Verdammten, diejenigen, die ein verstocktes Herz haben, wie die Pharisäer (Mk. 3,5 "in der Verhärtung ihres Herzens") schauen in Ewigkeit das Feuer als Rettung! Denn  ihr Zustand ist für eine andere Form des Heils nicht empfänglich. Auch sie sind "vollendet", sie erreichen das "Ende" ihres Weges, aber nur die Gerechten vollenden den Weg als Erlöste. Jene vollenden ihn als Verdammte. Für jene ist die Hölle die Rettung, weil sie während ihres Lebens nur die Freuden gesucht haben. Der Reiche im Gleichnis labte sich an seinen Gütern. Lazarus erlitt unerschütterlich  "das Übel". Das ist es, was der Apostel Paulus zum Ausdruck bringt (1. Kor. 3,13-15): "Das Werk eines jeden wird offenbar werden; jener Tag wird es sichtbar machen, weil es im Feuer offenbart wird. Das Feuer wird prüfen, was das Werk eines jeden taugt. Hält das stand, was er aufgebaut hat, so empfängt er Lohn. Brennt es nieder, dann muss er den Verlust tragen. Er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durch Feuer hindurch." Beide, Gerechte wie Unbekehrte gehen durch das ungeschaffene „Feuer“ der Göttlichen Gegenwart, die einen gehen jedoch unversehrt hindurch, während die anderen verbrannt werden. Sie werden ebenfalls „gerettet“, aber nur so, wie jemand, der durch Feuer hindurchging. Efthymios Zigavinos (12. Jh.) stellt fest: "Gott als Feuer, das die Reinen erleuchtet und erhellt, die Unreinen jedoch verbrennt und verdunkelt". Und Theodoret von Cyrus schreibt über das „gerettet werden“: "Man wird durch das Feuer gerettet und geprüft“, so nämlich, wie wenn jemand durch das Feuer hindurchgeht. Wenn er einen guten Schutz hat, verbrennt er nicht, andernfalls wird er zwar „gerettet“, allerdings versengt!

Das Feuer der Hölle, hat also nichts mit dem lateinischen "Purgarotium“ (Fegefeuer) zu tun, noch ist es geschaffen, noch ist es eine Bestrafung, noch ein vorübergehender Zustand. Ein solcher Ansatz verlagert die eigene Verantwortung auf Gott. Aber die Verantwortung liegt einzig und allein bei uns, ob wir Gottes Angebot des Heils (der Heilung) annehmen oder ablehnen. Der "geistliche Tod" ist die Schau des ungeschaffenen Lichts, der Göttlichen Herrlichkeit, als Feuer und Flamme. Der Heilige Johannes Chrysostomus bemerkt in seiner 9. Auslegung des ersten Korintherbriefes: „Die Hölle ist ewig… die Sünder werden bestraft im ewigen Verderben. Und das «Verbrannt werden», bedeutet, dass man der Kraft des Feuers nicht standhält." Und er fährt fort: "Und er, Paulus, sagt, es bedeutet: „er wird nicht, so wie seine Werke, völlig zum Nichts (zum „Nichtmehrsein“) verbrannt, sondern er existiert weiter im Feuer. Er betrachtet das als „Rettung“ (nämlich, dass er nicht völlig ausgelöscht wird, sondern weiter existiert) Bei uns ist es auch Brauch zu sagen: „es hat das Feuer überlebt“, wenn wir uns auf nicht völlig verbrannte Materialien beziehen.
 Die scholastischen Vorstellungen bzw. Interpretationen, die, durch Dantes Werk (Inferno), auch in unsere Welt eingegangen sind, haben Auswirkungen, die bis zu heidnischen Versionen reichen. Ein Beispiel ist die Trennung von Himmel und Hölle, als zwei unterschiedliche Orte. Das geschieht, weil nicht zwischen dem Geschaffenen und dem Ungeschaffenen unterschieden wird. Ein weiteres Beispiel ist die Leugnung der Ewigkeit der Hölle im Sinne der "Wiederherstellung" der Dinge oder der Idee vom "guten Gott" (Bon Dieu). Gott ist in der Tat "gut" (Mt. 8,17), da er allen das Heil anbietet. "Er will, dass alle Menschen gerettet werden ..." (1. Tim. 2,4). Aber das Wort Christi, das wir bei Begräbnissen hören, ist gewaltig: "Von mir selbst aus kann ich nichts tun; ich richte, wie ich es (vom Vater) höre, und mein Gericht ist gerecht“. (Joh. 5,30)  Eine Erfindung ist auch der Begriff der „Theodizee“, der in diesem Fall angewandt wird. Alles bezieht sich letztlich auf Gott (er wird retten oder verdammen), ohne die „Mitarbeit“ des Menschen als Faktor für das Heil zu berücksichtigen. Die Erlösung ist nur im Rahmen der Teilnahme und Mitarbeit des Menschen mit der göttlichen Gnade möglich. Johannes Chrysostomos schreibt: "Das Meiste, ja fast alles, ist Gottes; er überließ uns jedoch eine Kleinigkeit." Diese "Kleinigkeit" besteht darin, die Einladung Gottes anzunehmen. Der Dieb wurde gerettet, indem er das "HERR gedenke meiner!“ als Schlüssel benutzte. Heidnisch ist auch die Vorstellung von Gott, der zornig auf den Sünder ist, während Gott, wie wir sahen, "niemals zum Feind wird". Dies ist ein juristisches Verständnis von Gott, das auch dazu führt, dass die „Buße“ bei der Beichte als Strafe und nicht als Arznei (Heilmittel) verstanden wird.

6. Das Geheimnis von Himmel und Hölle wird auch im Leben der Kirche  in der Welt erfahren. Bei den Sakramenten wird die Teilnahme des Gläubigen an der Gnade verwirklicht, damit die Gnade in unserem Leben auf unserem Weg in Christus wirksam wird. Vor allem in der Göttlichen Eucharistie wird das Ungeschaffene, die Heilige Kommunion, in uns entweder Paradies oder Hölle, je nach unserem Zustand. Deshalb ist die Teilnahme an der Heiligen Kommunion mit dem ganzen geistlichen Weg des Gläubigen verbunden. Wenn wir unrein und ohne Reue hinzutreten, dann werden wir verdammt (verbrannt). Die Heilige Kommunion wird in uns zur „Hölle“ und zum „geistlichen Tod“. Jedoch natürlich nicht, weil sie sich in so etwas verwandeln würde, sondern weil unsere Unreinheit sie nicht als „Paradies“ akzeptieren kann. Da die Heilige Kommunion die "Medizin der Unsterblichkeit" genannt wird (Hl. Ignatius der Gottesträger, 2. Jh.) verhält es sich mit ihr genau wie mit einem Medikament. Wenn unser Körper nicht die Voraussetzungen hat, um es zu akzeptieren, dann hat das Medikament Nebenwirkungen und, anstatt zu heilen, tötet es. Nicht das Medikament ist dafür verantwortlich, sondern der Zustand unseres Organismus. Es muss betont werden, dass, wenn wir das Christentum nicht als einen therapeutischen Prozess akzeptieren und die Sakramente als geistliche Medizin, wir dahin geführt werden, aus dem Christentum eine Religion zu machen, d.h. wir machen es zu einem Götzenkult. Und das geschieht leider sehr häufig, wenn wir das Christentum als "Religion" verstehen.
Das gegenwärtige Leben wird unter dem Licht des  Zwillingspaares Paradies/  Hölle bewertet. "Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit" empfiehlt uns Christus (Mt. 6,33). Und Basilios der Große sagt zu den jungen Leuten: "Alles was wir tun, ist die Vorbereitung auf ein anderen Lebens“. (Kap. 3) Unser Leben muss eine andauernde Vorbereitung auf die Teilhabe am „Paradies“ sein, d.h. auf unsere Gemeinschaft mit dem Ungeschaffenen (Joh. 17,3). Und das beginnt schon in diesem Leben. Deshalb sagt der Apostel Paulus: Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade; jetzt ist er da, der Tag der Rettung.“ (2 Kor 6,2). Jeder Moment unseres Lebens ist von soteriologischer Bedeutung. Entweder gewinnen wir die Ewigkeit, die ewige Gemeinschaft mit Gott, oder wir verlieren sie. Deshalb tun die östlichen Religionen und Kulte, die die Reinkarnationen predigen, dem Menschen unrecht. Denn sie verlagern das Problem auf ein anderes (natürlich nicht-existierendes) Leben. EIN Leben hingegen gibt es, in dem wir gerettet werden oder verloren gehen. Deshalb fährt Basilius der Große fort, "die Dinge jedoch, die uns diesem Leben näherbringen, sollten wir lieben und ihnen aus ganzer Kraft folgen; und diejenigen, die uns nicht dorthin führen, sollten wir als etwas Wertloses missachten.“ Das ist das Kriterium des christlichen Lebens. Der Christ wählt immer das, was zu seinem Heil beiträgt. In diesem Leben gewinnen wir den Himmel oder wir verlieren ihn  und landen in der Hölle. Deshalb sagt der Evangelist Johannes: Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er an den Namen des einzigen Sohnes Gottes nicht geglaubt hat." (3.18)

Die Aufgabe der Kirche ist es daher nicht, den Menschen ins Paradies oder die Hölle zu „schicken“, sondern ihn auf das letzte Gericht vorzubereiten. Die Arbeit des Klerus ist therapeutisch und nicht moralisierend oder sittenbildend im weltlichen Sinn des Wortes. Die Essenz des Lebens in Christus wird in den Klöstern bewahrt, natürlich nur, wenn sie orthodox, d.h. patristisch sind. Der Zweck, der von der Kirche angebotenen Therapie ist es nicht, „nützliche“ Bürger und das dem Wesen nach „Nützliche“ zu schaffen, sondern Bürger des himmlischen (ungeschaffenen) Königreichs. Dies sind die Bekenner und die Märtyrer, die wahren Gläubigen, die Heiligen.

Daran wird aber auch unsere Mission gemessen: Wohin rufen wir die Menschen? In die Kirche als Hospital / Sanatorium oder zu einer Ideologie, die sich christlich nennt? Anstatt nach Heilung,  suchen wir im Allgemeinen danach, uns einen Platz im "Paradies" zu sichern. Deshalb beschäftigen wir uns   mit Festen und nicht mit Therapie. Das bedeutet natürlich nicht eine Ablehnung der Gottesverehrung. Aber ohne Askese (asketisches Leben, heilende Übung) kann die  Gottesverehrung  uns nicht heiligen. Die daraus resultierende Gnade bleibt unwirksam in uns. Die Orthodoxie verspricht niemandem, ihn in irgendein Paradies oder in irgendeine Hölle zu schicken, aber sie hat die Kraft, wie es die unversehrten und wunderwirkenden Reliquien ihrer Heiligen beweisen (Unversehrtheit=Vergöttlichung), den Menschen vorzubereiten, auf ewig die ungeschaffene Gnade und das Königreich Christi als Paradies zu schauen und nicht als Hölle.

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