Donnerstag, 19. Dezember 2013

RELIQUIEN IN DEUTSCHLAND: EINLADUNG UND TEIL-LÖSUNG FÜR ORTHODOXE CHRISTEN- Cornelia Delkeskamp-Hayes


Höchstgeweihter Vladyka, Hochwürdige Väter, Liebe Brüder in Christus, Verehrte Gäste Vermutlich erhoffen Sie sich von diesem Vortrag eine hinreichend vollständige Liste besuchbarer Pilgerorte. Stattdessen erhalten Sie– im zweiten Teil meiner Ausführungen – lediglich einen Listen-Ansatz, im ersten Teil jedoch eine Einladung und dringliche Bitte, an ihrer Vervollständigung selbst mitzuarbeiten. Wie das?
Selbst wenn man sich – bedauerlich aber unvermeidbar – auf das Gebiet des heutigen Deutschland beschränkt: Die Aufgabe ist schlichtweg zu groß. Literatur, Internet, Freunde quer durch alle orthodoxen Diözesen und die Kontakte mit örtlichen Pfarrämtern, Dekanaten und Museen ergaben ein Material, das jeden Vortrag sprengt. Blickt man nur auf die großen Wallfahrtsorte, sagen wir mal, mit den von außerhalb nach Deutschland übertragenen Reliquien, also auf Trier (mit dem Apostel Matthias), oder Köln (mit dem Dreikönigschrein, Pantaleon oder Panteleimon, und der Armreliquie des Heiligen Nikolaus), oder Frankfurt (mit dem Apostel Bartholomäus), Benediktbeuren mit Benedikt von Nursia, auf Liborius in Paderborn, Kosmas und Damian in Hildesheim, so scheint das Feld überschaubar. Bei näherem Hinsehen aber wachsen die Hinweise ins Unbewältigbare: Bereits im 4. Jh. (so etwa durch die Heilige Kaiserin Helena) kamen Reliquien in die römischen Rheinprovinzen. Seit Papst Theodorus (642-9) gelangten wegen der Langobardengefahr heilige Gebeine in großen Mengen aus Rom, zugleich aber auch aus den anderen Mittelmeerländern und dem früh christianisierten Süd- und West- Frankenreich in das damalige Austrasien. Anlaß waren fürstliche Stiftungen, bischöfliche Dekrete, päpstliche Schenkungen, oder schließlich schlichter Grab-Raub (man denke nur an den Bericht über die „Gewinnung“ der Heiligen Petrus und Marcellinus für die Seligenstädter Basilika Einhards, des Sekretärs und Schwiegersohnes Karls des Großen). Die Eroberung Mailands durch Friedrich I, dann die Pilgerfahrten und Kreuzzüge ins Heilige Land und nach Konstantinopel, begünstigten eine im großen Stil betriebene Umverteilung von Reliquien, die in den nachfolgenden Jahrhunderten bis in die Gegenwart hinein durch käufliche Erwerbung oder erbetene Geschenke, besonders aus Rom, fortgesetzt wurde. Die gewonnenen Heiltümer wurden oft auch innerhalb Deutschlands noch einmal kreuz und quer übertragen, zurückerstattet, in ihre Bestandteile zerlegt und aufgeteilt. Die ursrpünglich 11 Gefährtinnen der Heiligen Ursula in Köln verwandelten sich, nachdem aus einem römischen Friedhof neben ihrer Kirche immer neue Knochen zutage traten, in 11 000 Jungfrauen, die von Köln aus im weiten Umkreis an die Pfarreien Nordrhein-Westfalens verkauft wurden. Dieser – man kann schon sagen – Massentransport erschwert natürlich bei der Listen-Erstellung die Entscheidung, welche der immer vielfältiger und zugleich diffuser werdenden Spuren man zuerst verfolgen soll. Zwar haben die Barbaren der Völkerwanderung, Hunnen, Ungarn, Normannen, die Bauernkriege im Gefolge der Reliquien-feindlichen Reformation, der Dreißigjährige Krieg mit seinen protestantischen Heerscharen, dann noch tiefgreifender die Säkularisation ab 1803, die Bestände gründlich reduziert, - so zum Beispiel in Mainz, vormals einer Hochburg der Reliquienverehrung, wo die verbliebenen Reste in einem Sammelsarkophag im Dom beigesetzt wurden, vor dem der Gläubige entscheiden muß, ob er sich nun an Ferrutius, Crescens, Theonest, Aureus, Maximus, Justina, Alban, Martin oder einen der beiden Ruperte wenden soll. Und zwar hat weiterhin, abgesehen von den üblichen Stadt-Bränden durch alle Jahrhunderte hindurch sowie zwei Weltkriegen mit ihren Bombardements, das zweite vatikanische Konzil zumindest in Bayern für die quantitativ größte Vernichtungsaktion an Reliquien gesorgt, indem es die Heiligen der meisten im 16. und 17. Jh. aus Rom übertragenen Reliquien für überhaupt „nicht-existent“ erklärte. Andererseits aber ist seit dem Konzil von Karthago (525) in jeder Kirche eine Reliquie ihres Namenspatrons vorgeschrieben, und sogar in jedem Altar eine Reliquie des ihm geweihten Heiligen. Daß diese Vorschrift ernst genommen wurde, erhellt aus einem von Beissel zitierten Bericht Alcuins: ein Kölner Erzbischof konnte die neue Georgskirche vor den Toren der Stadt so lange nicht weihen, bis endlich die passenden Georgsreliquien besorgt waren (Beissel 26) (Weltliche oder geistliche Kirchengründer pflegten daher bereits vor der Grundsteinlegung nach Rom zu pilgern, um sich entsprechend einzudecken, oder orientierten ihre Patronats-Entscheidungen am vorhandenen Reliquienbestand.). Das bedeutet, daß man bei allen alten Kirchen, und nach der Reformation immerhin bei allen katholischen Kirchen, zumindest theoretisch von Reliquien im Altar ausgehen muß, und daß es hier ein praktisch unbegrenztes Feld zu beackern gilt. (Wobei wir nicht einmal berücksichtigen, daß Reliquien auch noch an anderen Orten vorkommen können: so etwa in Triumphkreuzen, den Kapitelen von Langhaussäulen (Beissel 32 ff, Legner 289) und Holzskulpturen (Legner 67ff).)
Der Versuch andererseits, Reliquien-Fundorte heute zu verifizieren, bereitet eigene Schwierigkeiten. Seit dem aufgeklärt bibel-kritischen und das Christentum moralisierenden 19. Jahrhundert ist die Verehrung von Reliquien hier im Westen selbst in katholischen Milieus „aus der Mode“ gekommen. Ihre Anwesenheit wurde für viele Bischöfe, Pfarrer und Gemeinden zur gleichsam peinlichen Erinnerung an eine überholte Frühphase der Volksfrömmigkeit. Während die Kunstführer der 50er Jahre (Dehio, Reclam) wenigstens noch das Vorhandensein von Reliquien notierten, verschwanden diese Hinweise aus den neueren Ausgaben. Bereits Stefan Beissel, der seine immer noch maßgebende Untersuchung zum Thema Reliquienverehrung im Jahre 1890 verfaßte, sieht sich zu weitläufigen Ausführungen genötigt, um die Relevanz seines Forschungsgebiets zu begründen. Reliquare wurden aus Kirchen entfernt und als kunstgeschichtlich bedeutsam in Museen „geparkt“; Gebeine von Martyrern und Bekennern landeten, in Kartons verpackt, auf Dachböden oder in Kellern von Pfarrhäusern oder Kirchen. Mancher Küster gerät in Verlegenheit, wenn man ihn nach seinen Reliquien fragt, weil deren „unwürdige“ Aufbewahrung das Licht der Öffentlichkeit scheuen muß. Auf dem Johannesberg in Fulda sprach der Pfarrer von „sogar besonders hoch-rangigen 50 Reliquien“ von unklarer Echtheit, die allesamt beschriftet „in Kästchen“ aufbewahrt und weiter nicht beachtet werden. Der Domkustos in Halberstadt weiß „300 Reliquien“ in seinem Domschatz, wo sich niemand um sie kümmert. Manche Klöster und Kirchen haben begonnen, ihre Reliquien zu verkaufen: nicht nur auf Flohmärkten und im Internet kann man inzwischen derlei erhandeln. Die Kirche zur Enthauptung Johannes des Täufers in Washington DC zum Beispiel konnte einen reichen Reliquienschatz ansammeln, der aus belgischen Klöstern herrührt, die froh sind, wenn ihre überflüssig gewordenen Heiltümer ein doch irgenwwie würdiges Zuhause finden.
Andererseits suchen in den letzten Jahrzehnten viele, besonders ländliche Kirchen, ihre Traditionen wieder zu beleben. Besonders im Rheinland kommen dabei auch die alten Reliquien wieder zu Ehren. Deren vorausgegangene Ablehnung erzwingt dabei ein genaueres Hinsehen auf Echtheit, und eine sorgfältigere Sonderung der „Spreu“ vom „Weizen“. Nehmen wir den Heiligen Apollinaris, den ersten Bischof von Ravenna. Seine Gebeine sollen, so hieß es Jahrhunderte lang, zusammen mit dem Schrein der Heiligen Drei Könige, von Friedrichs I Kanzler Rainald von Dassel nach der Eroberung Mailands nach Deutschland gebracht worden und in Remagen niedergelegt worden sein. Nun liegt aber dieser Heilige weiterhin unversehrt in Ravenna. Da Apollinaris (im 14. Jahrhundert, und zur nachträglichen Rechtfertigung des gewaltsamen Raubes seiner Reliquien aus Remagen) Düsseldorfer Stadtpatron wurde, hat sich die dortige Lambertusgemeinde bemüht, den Widerspruch aufzulösen: aufgrund erklärbarer Verwechslungen nimmt man heute an, daß ein anderer Apollinaris aus Reims, der unter Diokletian gemartert wurde, unter Otto III ins Rheinland übertragen wurde und so nach Remagen und Düsseldorf kam. Dank eines solcherart geweckten kritischen Bewußtseins kann der gläubige Reliquiensucher, wenn er sich nur durch deren säkularisierende Sprache nicht anfechten läßt, heute auf gewissenhafte historische Untersuchungen zurückgreifen.
Allerdings hat gerade dieser neuere Aufschwung wiederum zu einer Vervielfältigung der Quellen geführt, insbesondere durch das internet, in dem sich Pfarrgemeinden erneut als Wallfahrtsorte präsentieren, und zwischen diesen Quellen zu vielfältigen Widersprüchen. Auf die Kirchenführer ist schon gar kein Verlaß: Wenn sie überhaupt Reliquien behandeln, so sind diese häufig seit der Drucklegung verschwunden, entlarvt, oder an andere Stellen geschafft worden. Auch persönliche Nachfragen bei Pfarrsekretärinnen ergeben zuweilen andere Auskünfte als Nachfragen beim Pfarrer. Das Vorhandensein von Reliquien hängt oft vom Engagement des Auskunftgebers ab.
Aus alledem wird deutlich: die Mitarbeit vieler ist unverzichtbar. Dies gilt besonders für den Besuch der Pilgerorte, und für Erfahrungen darüber, wie man an die oftmals schwer zugänglichen Reliquien überhaupt herankommt. Nicht immer sind die jeweiligen Patronatsfeste für unsere Art der stillen Verehrung günstig. (So ist es zum Beispiel beim Bartholomäus-Sonntag in Frankfurt keine gute Idee, gleich im Anschluß an unseren Gottesdienst zum Dom zu pilgern: dort endet dann nämlich gerade die Messe der Kroaten, die den aus dem Museum hervorgeholten gläsernen Schrein genau im Auge behalten und küssende Orthodoxe schnell vertreiben.) Eine Auswahl der für uns orthodoxe Christen wichtigsten und relativ gesicherten Pilgerstätten wird im Boten erscheinen. Aber was darüber hinaus die kleineren Orte und die offenen Fragen angeht, so möge jeder Interessierte meine vollständige Arbeitsliste per mail bei mir anfordern. Es wäre schön, wenn Sie mir hinterher Ihre Erkenntnisse und Erfahrungen wieder mitteilen, so daß allmählich ein immer vollständigeres Bild entsteht. So heißt die Einladung dieses Vortrags: helfen Sie mit! Und gestalten Sie Ihre Mithilfe für andere nachvollziehbar durch genaue Quellenangaben. Denn wie jedes Stück Gebein eines Heiligen eine Pergamentbeschriftung braucht, die es identifiziert, so gilt dies auch für jedes Stück verwertbarer Information, egal ob durch Literatur oder persönliche Mitteilung oder eigenen Augenschein gewonnen.
Jede Einladung braucht eine genaue Angabe des „Wozu“. Darum möchte ich diesen ersten Teil meines Vortrags durch ein Wort zu den Kriterien abschließen, die den bisherigen Nachforschungen zugrundeliegen. Diese Kriterien betreffen die Fragen:
1. Was gilt als Reliquie?, 
2. wie stark gesichert muß ihre Existenz sein?, 
3. von wem soll es eine Reliquie sein?

1. Der Begriff der Reliquie, oder wie man auch verdeutscht hat, des Heiltums, umfaßt – in erster Linie – Körper-Reliquien, also zumeist Gebeine. Im weiteren Sinne wird dieser Begriff auch für Gewand-Reste oder sonstige Textilien und Gebrauchsgegenstände verwendet. So werden im Aachener Dom Gewandreliquien von Christus, der Gottesgebärerin und Johannes des Täufers aufbewahrt, die vielleicht darum nicht ganz unglaubwürdig sind, weil sie ein Geschenk des Patriarchen von Jerusalem zur Weihe dieser ersten der Gottesgebärerin geweihten Kirche des Abendlandes im Jahre 799 darstellten. Und so werden Bischofs-Stäbe der Heiligen Magnus, Bonifaz und Severin in Füssen, Fulda und Köln verehrt. Schließlich gibt es in der ganzen Welt, und so auch bei uns, geradezu unglaublich viele Holz-Partikel vom Heiligen Kreuz. Abgesehen von der Staurothek im Dom-Museum in Limburg und dem großen Kreuz in der Kirche von St. Matthias in Trier habe ich diese Partikel, ebenso wie auch die meisten Gewand-Reliquien in meiner Liste nicht berücksichtigt, und mich vielmehr, außer in begründeten Ausnahmefällen, auf primäre Reliquien von Heiligen beschränkt.
2. Zur Frage der Sicherung: In fast allen Fällen bleibt die Frage, ob überhaupt schon ursprünglich die richtigen Gebeine verehrt, oder später feierlich erhoben wurden, und ob bei den allfälligen Umbauten, Anbauten, Wiederaufbauten abgebrannter oder zerstörter Kirchen diese ursprünglich richtigen Reliquien richtig aufbewahrt und nicht etwa vertauscht oder durch andere Gebeine ersetzt wurden, offen. Historische Nachweise sind meist nicht lückenlos führbar. Ich habe mich hier an den Rat von Mönch Paisius von der Skite des Heiligen Spyridon in Geilnau gehalten: Wenn es immerhin möglich ist, daß der Heilige am Ort seiner Verehrung durch Reliquien anwesend ist, dann dürfen wir ihn dort auch verehren: Er weiß ja, daß wir ihn meinen, auch wenn vielleicht mit den Gebeinen etwas nicht stimmt. Nur dort, wo diese Möglichkeit nicht gegeben ist, sollten wir uns zurückhalten.
3. Wer sind nun die Heiligen, deren Reliquien wir verehren? Sicherlich keine perfekten Menschen. Alle Menschen sind Sünder. Manche Heilige haben sogar in ihren theologischen Lehren geirrt. Ein Heiliger ist ein Mensch, der in erkennbarer Weise Gnade vor Gott gefunden hat. Diese Erkennbarkeit wird besonders deutlich an den zu Lebzeiten oder nach dem Tode gewirkten Wundern. Nun ist es mit Wundern so eine Sache. Als Ereignisse, die gegen das wissenschaftlich Erklärbare verstoßen, finden sie sich auch außerhalb der Kirche. Andererseits können Wunder, selbst unter orthodoxen Christen, auch dämonisch sein. In diesem Fall zählen sie gerade nicht als Ausweis besonderer Gnade Gottes.
Für die Entscheidung, wer ein Heiliger ist, und wessen Reliquien darum verehrungswürdig sind, ist der Christ an die Kirche verwiesen. Natürlich bietet auch der Begriff dieser Kirche seine Schwierigkeiten: als Leib Christi ist sie auch die Versammlung der Heiligen, und besonders derer, an denen Gott erkennbar, und durch Wunder, seine Gnade erweist. Die säkulare Logik gerät hier ins Schleudern. Glücklicherweise gilt für uns Gläubige diese Logik nur begrenzt. Ein geistliches Leben in Christus bedeutet, daß wir demütig annehmen, was die Kirche, so wie wir sie vor Ort vorfinden, uns im Sinne der orthodoxen Tradition lehrt.
Diese Rückbesinnung ist wichtig. In einer nicht-orthodoxen, aber doch christlich geprägten Kultur können wir uns nicht auf das verlassen, was durch die Traditionen der hiesigen Volksfrömmigkeit oder durch den hiesigen Klerus sanktioniert erscheint. Wir müssen in jedem Einzelfall prüfen, ob die Kirche, auf deren Urteil wir uns verlassen, noch die eine, ungeteilte Kirche ist, oder ob sie schon geistlich geschwächt, durch falsche Lehren irregeleitet, und von der Kommunion mit dem einen Leib Christi getrennt ist. Damit stellt sich das schwierige Problem der Festlegung des Zeitpunktes zu dem, und der Örtlichkeiten an denen, sich die Vatikanische Glaubenstradition so weit von der wahrhaft römischen, katholischen und apostolischen Kirche entfernt hat, daß das Urteil der Institutionen dieser geschwächten Glaubens-Tradition für uns nicht mehr vertrauenswürdig ist.
Wenn wir nun von solchen Abgrenzungen in Zeit und Raum sprechen, so geht es nicht um die Anmaßung eines Urteils über die Heiligkeit der außerhalb unserer einen wahren Kirche als heilig verehrten Personen. Der Heilige Justin Popovic hat den Franziskus von Assisi commemoriert, und der Heilige Johannes von Shanghai und San Franzisco zählte Ansgar von Bremen, den Missionar Skandinaviens, unter die Heiligen. Uns kann es demgegenüber bei der Abgrenzung nur um das gehen, worauf wir als orthodoxe Christen (quasi im Zustand der „Schafe“) vertrauen können. Wenn also die hier erarbeitete Liste die Mehrzahl der in Deutschland tatsächlich verehrten (oder vernachlässigten) Reliquien nicht enthält, so verstehen Sie dies bitte nicht als ein Urteil über deren mangelnde Heiligkeit. Es liegt darin nur ein Urteil über die Grenzen unserer Gewißheit.
Für die Frage, welche der in Deutschland liegenden Reliquien von der russisch orthodoxen Kirche im Ausland anerkannt werden, dürfen wir uns an die Weisung ihres Bischofs halten. Vladyka Mark hat mir durch den Mönch Michael mitteilen lassen, daß Karls Kaiserkrönung (800) als Grenze gelten soll, zumindest was das Wirken der Heiligen angeht. Dabei möge ich in Zweifelsfällen meinem Urteil folgen. Mein Urteil in dieser Sache orientiert sich an Abt Basilius von der Skite des Heiligen Spyridon in Geilnau, dem ich meine Zweifelsfälle vorgelegt habe.
Damit sind nun die Kriterien, die in meine vorläufige Liste eingegangen sind, klargestellt und die Einladung zur Mitarbeit an Sie präzisiert. In der verbleibenden Zeit möchte ich Ihnen nun eine Auswahl der für die Christianisierung Deutschlands wichtigsten Reliquien vorstellen. Dabei habe ich mich auf Heilige beschränkt, die, von außerhalb kommend, im Gebiet dieses Landes selbst gewirkt haben und dort bis heute verehrt werden. Zwei Perioden lassen sich unterscheiden:
1 Das römische Reich bis zu seinem Niedergang im frühen 5. Jh.,
2 Das fränkische Reich seit der Bekehrung König Chlodwigs im Jahre 496.



Aus der Zeit des römischen Reiches

1. antike
Die ersten Glaubensboten im Gebiet des heutigen Deutschland waren die römischen Soldaten und Militär-Angehörigen, die in den Provinzen Germanien, Rätien und Noricum ihren Dienst verrichteten. Unter ihnen spielten die frühen Martyrer die bedeutendste Rolle. Wir wissen nur wenig von den Opfern der Diokletianischen Verfolgung. Zweifellos sind viele Martyrergräber, über denen schon früh Kirchen erbaut wurden, durch die Zerstörungen der Völkerwanderung zugrunde gegangen.
2. MAFranken
Erhalten geblieben sind uns die Martyrer der sogenannten Thebäischen Legion: einer Armee, die aus dem ägyptischen Theben zwecks Niederschlagung eines gallischen Aufstandes über die Alpen geschickt wurde. Unter dem weströmischen Mitkaiser Diokletians, Maximinian, litt in St. Maurice en Valais an der Rhone der Anführer dieser Legion, Mauritius mit seinen 520 christlichen Soldaten, weil sie sich geschlossen weigerten, die verlangten heidnischen Opfer darzubringen, bzw. Jagd auf versteckte Christen zu machen. Kaiser Otto I, der seinen Sieg über die Ungarn auf dem Lechfeld (955) der Fürsprache des Heiligen zuschrieb, erklärte Mauritius zum Nationalheiligen. Darum liegen Reliquien von ihm auch im Magdeburger Mauritius-Dom.
Aber auch andere Einheiten dieser Legion starben in den Provinzen des mittleren und unteren Rheins. Nur wenige Offiziere sind namentlich bekannt: So werden Cassius und Florentius am Ort ihrer Verherrlichung im Bonner Münster verehrt, Viktor und Mallosus in einem 1930 durch Ausgrabungen bestätigten Grab im Dom zu Xanten.
Ebenfalls im Zusammenhang mit den diokletianischen Verfolgungen steht in Augsburg die Martyrerin Afra, für die selbst nach dem Zusammenbruch des römischen Reiches in Süddeutschland und den Alpenländern an ihrem Grab im Dom eine kontinuierliche Verehrung bezeugt ist.

Ebenfalls im 4. Jh. erlitten die britannische Königstochter Ursula (die ursprünglich vielleicht Pinnosa hieß und erst später mit einer anderen Christin verwechselt wurde) und ihre (vermutl.) 11 Jungfrauen bei der Rückkehr von ihrer Pilgerfahrt nach Rom den Martyrertod in Köln. Wir wissen nicht, ob dies durch die Hunnen geschah oder auch im Zuge einer frühen Verfolgung. Ihre Reliquien liegen in St. Ursula in Köln.
Neben den Laien und Laien-Martyrern haben natürlich die Bischöfe der frühen christlichen Gemeinden im Rhein-Mosel-Gebiet wie auch in Bayern die Mission vorangetrieben. Viele von ihnen, manche auch als Martyrer, wurden schon früh als Heilige verehrt.
3. Maas
Im Rhein-Moselgebiet ging natürlich die bedeutendste Wirkung von den römischen Verwaltungszentralen Trier, Köln und Mainz aus:
Als erster Bischof von Trier wird Eucharius in der Mitte des 3. Jhs. genannt. Er soll als Missionar von Rom aus nach Gallien geschickt worden sein. Gemeinsam mit seinem Nachfolger Valerius ruht er in der Krypta der Trierer Matthiaskirche. Die Reliquien des Heiligen Bischofs Maximin von Trier sind heute leider nicht mehr zugänglich: Über seiner ehemaligen Abtei befindet sich eine Turnhalle. Er wirkte um 330, und war Freund und Beschützer des Heiligen Athanasius von Alexandria (des Großen). Als dieser unter Konstantius (dem Sohn Konstantins des Großen) im Streit um den Arianismus verbannt wurde, gewährte Maximin ihm in Trier Exil. Immerhin sind uns die Reliquien mehrerer Schüler des heiligen Maximin erhalten, die er zu Priestern weihte, und die sich um die Mission im Moselgebiet verdient gemacht haben. Hierzu gehören die aus Aquitanien gekommenen Adeligen Kastor, der als Einsiedler bei Karden lebte (und dessen Gebeine in der ihm geweihten Kirche in Koblenz liegen), sowie Potentius (mit seinen Söhnen Felicius und Simplicius), die zu Kastors Missions-Gemeinschaft gehörten (und in Kloster Steinfeld in der Eifel ihre letzte Ruhe fanden). (Reliquien der letzten drei befinden sich auch in einem Reliquienkreuz in der Kastorkirche in Karden selbst.)
4. FrankenFranken
Hierzu gehören weiter Lubentius, ein Schüler Martins von Tours, der als Missionar in Kobern an der Mosel wirkte und wohl auch an der Lahn, wo er sein Grab in Dietkirchen bei Limburg fand, und Quiriakus, dessen Reliquien in Taben-Roth bei Trier verehrt werden).
Ein weiterer heiliger Trierer Bischof, Paulinus (+358), der sein Grab in der nach ihm benannten Kirche fand, stammte ebenfalls aus einer Adelsfamilie in Aquitanien. Er war gemeinsam mit seinem Vorgänger Maximin als Missionar nach Trier gekommen und bekämpfte wie jener den Arianismus. Auf dem Konzil von Arles (353) bekannte auch er sich zu Athanasius von Alexandria, wofür er von jenem selben Arierfreund Kaiser Konstantius nach Phrygien verbannt wurde, wo er auch starb).
5. MA groß
In Köln war Maternus (+ um 328) der erste dokumentarisch belegte Bischof, vielleicht war er auch Bischof von Tongern und sogar von Trier, denn seine Gebeine liegen dort wie die des Eucharius und Valerius in St. Matthias. Da er von Kaiser Konstantin dem Großen zu den wichtigen Donatisten-Konzilien 313 in Rom und 314 in Arles eingeladen wurde, muß seine Bedeutung als erster Missionar des Niederrheins hoch eingeschätzt werden. Sein Diakon Paulinus wurde in Köln bei der Verkündigung des Evangeliums getötet (und wird dort in St. Peter verehrt). Fast hundert Jahre später übte Severin sein Hirtenamt in einer Zeit aus, in der die römische Kontrolle zusammenbrach und die Stadt unter die Herrschaft der damals heidnischen Franken kam. Von ihm wird berichtet, daß er einen himmlischen Chor zu der Stunde vernahm, in der der Heilige Martin von Tours (397) entschlief. Er wird in der Severinskirche in Köln verehrt.
In Mainz war in der Mitte des 4. Jh. Crescens vermutlich der erste Bischof. Auch seine Tätigkeit fiel in die Zeit des Zerfalls der römischen Macht. Bei einem Germaneneinfall erlitt er das Martyrium und liegt heute dort im Dom im Sammelsarkophag. An derselben Stelle befinden sich auch die Reliquien des Bischofs Theonest und seines Gefährten Alban. Beide waren als Missionare aus Italien über Gallien undAugsburg nach Mainz gekommen, wo sie im frühen 5. Jahrhundert Bischof Aureus gegen die Barbaren zu unterstützen suchten. Ebenso wie Bischof Aureus, dessen Schwester Justina (oder Diakon Justinus) und viele Christen wurden Theonest und Alban im Dom selbst von Vandalen (Hunnen) erschlagen. Auch Aureus’ Nachfolger im Bischofsamt Maximus, der nach der Zerstörung der Stadt die überlebenden Christen im Glauben stärkte, erlitt dessen Schicksal. Die Reliquien all dieser Hieromartyrer liegen ebenfalls im Dom.
Was nun die bischöfliche Mission im Südosten Deutschlands angeht, so bin ich mir bisher nur über Bischof Valentin sicher. Im Jahre 435 kam er nach Passau, wurde aber von den dortigen Einwohnern immer wieder vertrieben. Er wirkte als Wanderbischof und Missionar in Rätien und Tirol. Erst im 8. Jahrhundert wurden seine Gebeine aus Trient nach Passau zurückgebracht, wo sie bis heute im Stephansdom verehrt werden.
Damit sind wir bei der zweiten Periode der christlichen Mission im Gebiet des heutigen Deutschlands angelangt, der Zeit des christianisierten Frankenreiches (ab Chlodwigs Taufe im Jahre 496):
2. Aus der Zeit des fränkischen Reichs
In groben Zügen lassen sich die frühen Missionare des Frankenreichs auch zeitlich so einigermaßen nach ihren Herkunftsorten unterscheiden: Den Anfang bildet die vom bereits christianisierten West-Frankenreich ausgehende Mission des 6. bis in die erste Hälfte des 8. Jahrhunderts. Fast zugleich erschienen im 6. und 7. Jahrhundert die iro-schottischen Wandermönche, die den Weg über das Westfrankenreich nach Ostfranken nahmen und darum zuweilen von den aquitanischen Missionaren kaum noch zu unterscheiden sind. Die Zeit des ausgehenden 7. und 8. Jahrhunderts bringt die angelsächsische Mission, die sich auf die stammesverwandten Heiden im Sachsenland richtete. Den Schluß bilden die ersten einheimischen Missionare.
A Westfränkisch geprägte Mission (500-750)
Auch hier konzentrierte sich das Wirken einerseits auf die Wiederherstellung des Christentums im Rheingebiet, andererseits auf eine Bekehrung der seit dem 6. Jh. fränkisch beherrschten, aber außerhalb des Herrscherhauses heidnisch gebliebenen Bayern.
6. FrankenFranken
Im Rheingebiet gilt Evergislus als der erste bekannte Bischof von Köln mit fränkischem Namen (6. Jh). Er soll in Tongern Schüler des Heiligen Severinus gewesen sein, dem er als Bischof in Köln nachfolgte. Seine Reliquien wurden im 11. Jh. aus Tongern nach Köln (St. Peter) überführt. Der Heilige Goar soll einer Adelsfamilie in Aquitanien entstammen. Nach seiner Priesterweihe gründete er eine Einsiedelei am Rhein (an deren Stelle später ein Kloster erbaut wurde, über seinem Grab die heutige Patronatskirche von St. Goar), übte sich in barmherzigen Werken und half den Rheinschiffern, die gefährlichen Felsen unterhalb der „Lorelei“ zu umschiffen. So missionierte er die Umgebung. Die Wahl zum Bischof in Trier schlug er aus. (+575) Seine Reliquien werden heute in Koblenz beim Heiligen Kastor verehrt.
7. Magroß
Die Mission in Bayern wurde weitgehend von Herzog Theodo (660-717) unterstützt. So kam Emmeram aus der Gegend von Poitiers als Missionsbischof, um in Regensburg das Werk der Mönche Eustasius und Agilus fortzusetzen. Auf einer Pilgerreise nach Rom fiel er einer Verleumdung zum Opfer und wurde von einem Sohn des Herzogs ermordet (+ 652). Heute wird der Heilige in Regensburg in St. Emmeram verehrt. Ebenfalls in Regensburg liegen im Niedermünster die Gebeine seines Nachfolgers im Bischofsamt, Erhard (+ nach 700), der wohl auch aus Südfrankreich stammte (oder, wie andere meinen, Ire war) und im Elsaß viele Klöster gegründet hatte. Bis nach Salzburg führte die Mission des Heiligen Rupert, bei dem ebenfalls die Herkunft aus Franken oder Irland unklar ist. Rupert war zunächst Bischof von Worms, folgte aber um 700 dem Ruf Theodos. Nach Jahren der Mission in der Regensburger Gegend und bei den Slawen zog er in das antike, immer noch völlig zerstörte Juvavum, wo der Herzog ihm Besitzungen schenkte. Hier in Salzburg sorgte er für den Wiederaufbau, baute Kirchen und gründete Klöster. Einige seiner Reliquien gelangten auch in den Mainzer Dom (+ 718). Der Heilige Korbinian schließlich hatte zunächst als Einsiedler in der Gegend um Chartes gelebt, war 710 nach Rom gepilgert, wo er zum Missionsbischof geweiht wurde, und verkündete dann, ebenfalls von Theodo unterstützt, in der Schweiz und in Bayern das Evangelium. Er gründete in Freising die Kirche St. Stephan, aus der später die Abtei Weihenstephan erwuchs. Im Freisinger Dom fand er seine Grablege (+725)
B. Iro-schottische Wander-Mission des 6. und 7. Jh.
Diese Missionare erschlossen weitere Wirkungsgebiete an der Mosel, in Südbaden, Franken und wiederum in Bayern.
8. Maas
An der Mosel soll Wendelin, ein schottischer Königssohn, anläßlich einer Wallfahrt nach Rom mit seinen Gefährten bei Trier auf eine klösterliche Gemeinschaft von Laien gestoßen sein. Später ließ er sich als Einsiedler in der Nähe eines Mönchsklosters nieder. (+617) Seine Reliquien ruhen in St.Wendel (dort sind sie allerdings im Moment wegen Restaurierung schwer zugänglich), aber auch in Bühl bei Laupheim(südl. von Ulm), Trillfingen bei Haigerloch, und Obergermaringen, alle im Schwäbischen, sowie in Köln-Müngersdorf und Asbach-Krankel im Rheinland.
9. MABaden
In Südbaden wurde die Mission des Heiligen Fridolin bedeutsam. Dieser war zunächst in Irland missionarisch tätig gewesen und hatte später am Grab des Hl. Hilarius von Poitiers ein Kloster gegründet. Auf Weisung einer Vision hin begab er sich nach Alemannien und ließ sich auf einer ihm geschenkten Rheininsel bei Säckingen nieder. (+ 538) Sein dort gegründetes Kloster (wo auch seine Gebeine verehrt werden) erlangte im 9. Jahrhundert große Bedeutung. Landelin (+ Anfang 7. Jh.)lebte als Einsiedler in der Ortenau in Baden, wurde aber für einen Zauberer gehalten und ermordet. In Ettenheimmünster, wo am Ort seines Martyriums eine Wallfahrts-Kirche erbaut wurde, werden seine Reliquien verehrt. Pirmin (der entweder Westgote, oder Romane, oder aber tatsächlich Iro-Schotte war) wurde 720 in Frankreich zum Missionsbischof geweiht und im Auftrag Karl Martells nach Allemanien geschickt. Er gründete auf der Reichenau im Bodensee sein bedeutendstes Kloster, weitere Klöster in der Ortenau und in der Pfalz. (+753) Seine Reliquien werden auf der Reichenau und in der Pfarrkirche von Hornbach verehrt.
Seine Missionstätigkeit in Franken ließ sich der irische Bischof Kilian von Papst Conon in Rom bestätigen. Kilian hatte zunächst nach der kolumbanischen Regel als Mönch in Irland gelebt und war nach seiner Bischofsweihe mit seinen Gefährten, dem Priester Koloman und dem Diakon Totnan, in die Gegend von Würzburg gelangt. Hier unterwiesen die drei die heidnische Bevölkerung in Ackerbau, Holzwirtschaft und Viehzucht, und gewannen so viele für den neuen Glauben. Ihre Kritik an der Ehe Herzog Gozberts mit der Witwe seines Bruders soll zur Ermordung der Heiligen geführt haben. (+ 689) Ihre Reliquien liegen im Würzburger Neumünster
In Bayern lebte der Heilige Alto, vermutlich ein Ire, der möglicherweise mit Virgil von Salzburg in die Gegend von Dachau gekommen war, zunächst als Einsiedler. Seine Klostergründung Altomünster, die auch seine Gebeine beherbergt, wurde von Bonifatius geweiht. (+ 760)
10. Rosenheim
Ebenfalls als Einsiedler wirkte der in Rom von Papst Eugen I zum Wanderbischof geweihte Ire (oder Aquitanier) Marinus mit seinem Gefährten, dem Diakon Anianus bei Irschenberg. Marinus wurde dort von Vandalen ermordet (beide starben 697). Ihre Reliquien befinden sich am Ort ihrer Verherrlichung in Wilparting bei Rosenheim.
C. Angelsächsische Mission im Dienste der merowingischen Expansion des ausgehenden 7. und des 8. Jhs.
11. Bonifaz
Die verschiedenen Stadien der angelsächsischen Mission lassen sich um die großen Persönlichkeiten der Heiligen Willibrord und Bonifatius herum gruppieren.
Willibrord ist der erste bedeutende angelsächsische Missionar; er wurde zum Apostel der Westfriesen. In Nordengland als Benediktinermönch erzogen, wurde er in Irland zum Priester geweiht und auf Anforderung Pippins II mit vielen Gefährten aufs Festland gesandt. Systematisch verknüpfte er seine Missionsarbeit mit dem fränkischen Herrscherhaus. Wiederholte Reisen nach Rom brachten die Ernennung zum Bischof. Willibrord war der erste Missionar, der jene enge Zusammenarbeit mit Rom pflegte, die für die Angelsachsen typisch wurde. Ab 719 wurde er von Bonifatius tatkräftig unterstützt. Die zweifache Rückendeckung durch Pippin II und Papst Sergius I sicherte die Stabilität seiner geistlichen Bemühungen, besonders in Utrecht und seinem Kloster Echternach, wo er mit knapp 81 Jahren (739) verstarb. Seine Reliquien werden inEchternach, aber auch in der St. Pauls Kirche in Aachen verehrt.
12. MAFranken
Suitbert gehörte zu den irischen Gefährten Willibrords. Während dessen Reisen nach Rom wurde Suitbert, da die Region einen anwesenden Bischof benötigte, nach England geschickt und dort geweiht. Später bemühte er sich wenig erfolgreich um die Mission der (noch nicht unterworfenen) Brukterer an Lippe und Ruhr, und erhielt darum auf fränkischem Gebiet von Pippin II in Kaiserswerth einen befestigten Missions-Stützpunkt.Von dort aus setzten seine Mönche die Mission fort und gründeten viele Kirchen, so daß Suitbert schließlich doch noch zum Apostel des Berger Lands wurde. Dennoch erlitt er (+ 713) durch einfallende Sachsen das Martyrium (seine Reliquien liegen in Kaiserswerth bei Düsseldorf)
Zum weiteren Kreis um Willibrord gehören die heiligen Gebrüder Ewald, die, von ihm aus Irland berufen, nach seinem Vorbild die Sachsen an der Lippe zu missionieren suchten. Bevor sie mit ihrem Werk beginnen konnten, wurden sie ermordet. (+ 695) Ihre Reliquien werden in Kölnin Stl. Kunibert verehrt
13. Bonifaz
Die zweite, größere Gruppe angelsächsischer Missionare steht in Verbindung mit dem Heiligen Bonifatius (Winfried), dem großen Organisator und Reformer der Kirche, und darum Apostel von Deutschland. Bonifaz hatte zunächst als englischer Mönch eine umfassende Bildung und dadurch die Hochachtung des königlichen Hofes gewonnen, war dann aber dem Ruf zur Mission gefolgt. Nach drei Jahren der Zusammenarbeit mit Willibrord begab er sich, dem Auftrag Gregors II folgend, ins Lahngau, nach Niederhessen und Franken. Bei einer erneuten Romreise wurde er mit der festeren Bindung des örtlichen Klerus an Rom beauftragt und zum Bischof ernannt. Nach Fällung der Donar-Eiche in Geismar war sein Weg frei für Thüringen, wo er, mit Unterstützung Karl Martells und später Karlmanns, und gegen den Widerstand der dortigen Iro-Schotten, eine umfassender römische Orientierung durchsetzte. Zugleich sorgte diese Orientierung dafür, die Kirche vom fränkischen Adel stärker unabhängig zu machen. Auseinandersetzungen mit weniger Rom-treuen, zum Teil auch häretischen Bischöfen im fränkischen Reich belasteten die späteren Jahre. Gegen Ende seines Lebens gab Bonifatius sein Bischofsamt in Mainz an seinen Schüler Lullus und widmete sich noch einmal der Mission der nördlicheren Friesen. Hierbei erlitt er 754 das Martyrium bei Dokkum. Seine Reliquien werden im Dom seiner Lieblingsstadt Fulda verehrt.
Unter Bonifatius’ Gefährten im Martyrium finden sich auch die Heiligen Adalar, erster Bischof in Erfurt und Eoban, deren Reliquien im ErfurterDom liegen.
Zu den von Bonifatius aus England ins Frankenreich berufenen Missionaren gehört zunächst der Heilige Wigbert, der in Fritzlar und späterOhrdruf als Abt diente und dessen Reliquien in Fritzlar verehrt werden (+737/8), dann aber auch Burchard aus Wessex, den Bonifatius zum Bischof von Würzburg weihte, wo dieser die Gebeine des Heiligen Kilian erhob. Dank seines Einsatzes für die Thronfolge Pippin IIIs in Rom wurde den Würzburger Bischöfen die Herzogswürde verliehen. Im Alter zog er sich in das nach ihm benannte Kloster in Würzburg zurück, wo er auch selbst begraben liegt (+754)
14. MABaden
Auch den Heiligen Benediktinermönch Willibald, der mit seinem Vater und Bruder eine Pilgerfahrt nach Rom unternommen und nach mehrjährigen Aufenthalten in Jerusalem und Konstantinopel bei seinem Bruder Wunibald in Montecassino am Wieder-Aufbau des Klosters mitwirkte, hat Bonifatius (vermutlich mit ihm verwandt) nach Deutschland berufen, wo er ihn zum Bischof von Eichstätt weihte. Willibalds Mission war besonders beim bayerischen, fränkischen und alemannischen Adel erfolgreich, so daß er den Beinamen „Bischof der Edlen“ erhielt. Seinen Bruder Wunibald setzte er in Heidenheim als Abt eines neugegründeten Doppel-Klosters ein, dem als Äbtissin beider aus England herbeigerufene Schwester Walburga vorstand. Dieses Kloster entwickelte sich zu einem Zentrum der Bildung und der karitativen Werke. Die Reliquien aller drei Geschwister werden heute in Eichstätt verehrt. Dies gilt auch für Sola, den Bonifatius aus England berief, und der von seiner von Willibald gegründeten Zelle in Solnhofen aus im Altmühltal missionierte (+ 790 oder 794).
Zu den aus England berufenen, hoch gebildeten angelsächsischen Nonnen gehörte auch Bonifatius’ Nichte Lioba, unter deren Leitung Walburga zunächst einige Jahre im Kloster von Tauberbischofsheim verbrachte. Bonifatius war überhaupt der erste Missionar, der auch Frauen zur Festigung des Glaubens einsetzte. Weitere Klostergründungen Liobas umfaßten Kitzingen und Ochsenfurt. Ihre Reliquien werden in Fulda auf dem Petersberg verehrt (+ 782)
D Erste einheimische Missionare derselben Zeit
Diese Heiligen lassen sich nach ihren geographischen Wirkungsgebieten im Rheinland, auf der südlicheren Linie des Mains, und in Süddeutschland einteilen. Dabei habe ich die Binnengliederung nach den Todesdaten vorgenommen.
15. Karolinger
1. Rheinland und Niedersachsen
Der Heilige Kunibert entstammte einer adeligen Familie an der Mosel und erhielt seine Erziehung am Hof des austrasischen Königs (Chlotar II oder Dagobert). Seit 623 Bischof von Köln, brachte er die Diözese zum Blühen, gründete Klöster, half Armen und Kranken, und gehörte mit Pippin dem Älteren zu den engsten Beratern König Dagoberts. Kurz nach seiner Wahl soll ihm eine Taube das Grab der Heiligen Ursula offenbart haben. Seine politische Bedeutung erhellt aus der Tatsache, daß er gemeinsam mit einem Herzog zum Leiter von „Pfalz und Reich“ für den Sohn Dagoberts, Sigismund III bestellt wurde und beim Tode Dagoberts die Interessen Sigismunds bei der Erbteilung im neustrischen Compiegne vertrat. In der von ihm erbauten Klemens-Kirche, heute St. Kunibert, werden seine Reliquien (+ 663) aufbewahrt.
Auch der Heilige Rupert von Bingen kam aus einer vornehmen Familie am Mittelrhein, in der allerdings nur die Mutter, die ebenfalls als Heilige verehrte Berta, schon Christin war. Nach dem Tode des heidnischen Vaters erzog sie ihn, und bereits mit 15 Jahren unternahm er eine Wallfahrt nach Rom. Bei seiner Rückkehr erbaute er sich bei Bingen eine Kirche und lebte dort als Einsiedler, starb aber früh an einer Fieberkrankheit. Seine Reliquien liegen heute in Bingen-Rochusberg (+732)
Der Heilige Liudger entstammte einer adeligen Familie in Friesland. Im Haus der Großeltern begegnete er dem Heiligen Bonifatius, kurz vor dessen Martyrium in Dokkum. Im Martinskloster zu Utrecht wurde er von Abt Gregor, einem Schüler des Heiligen Bonifatius ausgebildet, später studierte er in York bei Alkuin. Nach der Priesterweihe in Köln wurde er Missionar in Friesland, wo er aufgrund seiner Herkunft als Einheimischer erfolgreicher war als die angelsächsischen Missionare. So wurde er neben Willibrord und Bonifaz einer der drei Apostel der Friesen. Als diese sich einem sächsischen Aufstand anschlossen, mußte Liudger sich zurückziehen und verbrachte einige Jahre im Benediktinerkloster von Montecassino. Karl der Große berief ihn erneut nach Friesland, aber ein neuer Aufstand unterbrach auch diese segensreiche Arbeit. Er lehnte die ehrenvolle Berufung zum Bischof von Trier ab und ließ sich stattdessen mit der Mission der Niedersachsen beauftragen. Mittelpunkt seines Wirkens war das heutige Münster, als dessen erster Bischof Liudger sich schließlich einsetzen ließ. Er gründete geistliche Schulen, Kirchen und ein Stift in Münster, und konnte endlich in Essen-Werden seinen langgehegten Wunsch einer benediktinischen Klostergründung verwirklichen. Seine Abhandlung über seinen Lehrer Gregor und den Heiligen Bonifatius erweist ihn als einen der wenigen Gründerbischöfe, die auch als Schriftsteller tätig waren. Als Wanderbischof durchzog er seine Diözese, so wie auch immer wieder Friesland. In seiner Demut und Opferbereitschaft wurde er allen ein Vorbild seine Liebenswürdigkeit überwand schließlich selbst die Widerstände der Sachsen. Seine Reliquien werden bis heute in Essen-Werden verehrt. (+ 809)
16. Mainbereich
2. Pfalz, Hessen, und Franken
Die Heilige Äbtissin Bilhildis stammte aus Veitshöchheim bei Würzburg. Sie war eine Nichte des Mainzer Bischofs Rigibert und soll mit dem heidnischen König Hetan von Thüringen verheiratet worden sein. Früh verwitwet, gründete sie das ehemalige Altmünster-Kloster in Mainz, das sie mit Gütern bei Würzburg ausstattete. Reliquien von ihr befinden sich in Veitshöchheim und in der Mainzer Peterskirche (+um 734)
Zu den einheimischen Schülern des Heiligen Bonifatius, die selbst Heilige wurden, gehört an erster Stelle Sturmius aus Oberösterreich, den Bonifaz bei seinem ersten Aufenthalt in Bayern kennenlernte und in Fritzlar bei Abt Wigbert zum Mönch erziehen ließ. Er lebte dann zunächst als Einsiedler, bis ihn Bonifatius mit der Mission in Hessen beauftragte und als Abt seiner neuen Klostergründung Fulda einsetzte. Dieses Kloster wurde zu einem bedeutenden geistlichen Zentrum: unmittelbar dem Papst in Rom unterstellt, genoß es besondere Unabhängigkeit genoß. (+779) Nach dem Martyrium Bonifatius’ in Dokkum brachte Sturmius seine Reliquien nach Fulda. Konkurrierende Ansprüche anderer Bischöfe auf Fulda führten zu Sturmius zwei-jähriger Verbannung in ein Kloster bei Jumièges. Die dort gewonnenen wichtigen Erfahrungen konnte Sturmius jedoch nach seiner Wiedereinsetzung in Fulda nutzbringend umsetzen. Seine Reliquien liegen neben denen seines Lehrers Bonifatius im Dom.
Der selige Megingaud, Franke und Nachfolger Bischof Burchards von Würzburg, lebte zunächst als Mönch und Abt in Fritzlar. Im Jahre 787 legte er sein Bischofsamt nieder und zog sich in das Kloster Neustadt zurück. Seine Reliquien befinden sich im Würzburger Neumünster (+ 794)
17. Süd
3. Schwaben und Bayern
Der Allemanne Othmar erhielt in Chur seine Erziehung als Mönch, wurde zum Priester geweiht und mit der Leitung der vom Heiligen Gallus gegründeten Einsiedelei betraut. Otmar schuf daraus das berühmte Kloster von St. Gallen, mit seinem berühmten Spittal für Kranke und Aussätzige, und Klosterbauten für 50 Mönche. Aufgrund von Besitzstreitigkeiten wurde er verleumdet, verurteilt und auf der Insel Werd bei Stein am Rhein gefangengesetzt, wo er entschlief. Seine Verehrung verbreitete sich auch in Deutschland. Eine Reliquie von ihm kam nachAttenhausen bei Krumbach, eine andere nach Untersulmetingen in Oberschwaben (+ 759)
Der Heilige Wikterp, aus bayerischem Adel, gilt als der erste bekannte Bischof von Augsburg. (+ 771) Wegen seiner Bedeutung für die Mission des Allgäus wird er als Heiliger verehrt, seine Reliquien liegen im Augsburger Dom.
Diese Mission wurde hauptsächlich durch den Heiligen Magnus (Maginold, Mang) befördert. Man hat ihn schon früh mit einem Gefährten des irischen Missionars Columban verwechselt. Tatsächlich hat er im Auftrag Wikterps im Ostallgäu das Evangelium gepredigt. Er gründete eine Zelle in Füssen, aus dem später das Benediktinerkloster St. Mang hervorging. Seine Gebeine liegen heute in St. Mang in Füssen. Der Stab dieses Heiligen soll bei der Abwehr von Ungeziefer und wilden Tieren geholfen haben. Teile davon werden in Füssen, Schussenried undWangen aufbewahrt. (Hier habe ich einmal eine Ausnahme gemacht und eine sekundäre mit aufgenommen. Den Grund kann Ihnen Vater Paisius besser erzählen.)


I Problem-Beschreibung und Einladung

II Reliquien der für die Christianisierung Deutschlands wichtigen Heiligen
Zur Zeit des römischen Reichs bis zum Ende des 5. Jh.
Laien: Mauritius, Cassius, Florentius, Viktor, Mallosus, Afra, Ursula/Pinnosa
Geistliche: Im Rhein-Mosel-Gebiet: Trierer Einflüsse: Eucharius, Valerius, Kastor, Potentius,
Felicius, Simplicius, Lubentius, Quiriakus, Paulinus
Köln: Maternus, Paulinus, Severin
Mainz: Crescens, Theonest, Alban, Aureus, Justina/us
Maximus
Im Südosten: Valentin

Im fränkischen Reich seit der Bekehrung Chlodwigs (496)
A. Westfränkisch geprägte Mission 500-750
Im Rheingebiet: Evergislus, Goar
In Bayern: Emmeram, Erhard, Rupert, Korbinian

B. Iro-schottische Wander-Mission des 6. und 7. Jh.
An der Mosel: Wendelin
In Südbaden: Fridolin, Landelin, Pirmin
In Franken: Kilian, Koloman, Totnan
In Bayern: Alto, Marinus, Anianus

C. Angelsächsische Mission im 7. und 8. Jh.
Willibrord, Suitbert, die Brüder Ewald
Bonifatius, Adalar, Eoban, Wigbert, Burchard, Willibald, Wunibald, Walburga, Sola, Lioba

D. Erste einheimische Missionare
Im Rheinland und Niedersachsen: Kunibert, Rupert, Liudger
In der Pfalz, Hessen, Franken: Bilhildis, Sturmius, Megingaud
In Schwaben und Bayern: Othmar, Wikterp, Magnus

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