Mittwoch, 18. Dezember 2013

RÜCKKEHR ZU DEN ORTHODOXEN QUELLEN: ZEHN JAHRE PILGERSCHAFT DURCH DEUTSCHLAND UND DIE SCHWEIZ Teil 1

Margaret Bauman, Road to Emmaus, Frühjahr 2010
Matuschka“2 Margaret Bauman – Deutschlehrerin und sehr aktiv in ihrer bulgarisch-orthodoxen Kirche zu Ehren der Ikone der Gottesmutter „Aller Betrübten Freude“ in Indianapolis, Indiana – hat in den letzten zehn Jahren viel Material für einen orthodoxen Reiseführer zu den heiligen Stätten der deutschsprachigen Länder zusammengetragen. Über den Fortschritt dieser Arbeit und über ihre Pilgerreisen erzählt sie in einem Interview mit der orthodoxen Zeitschrift: “Road to Emmaus“3.
RTE: Matuschka Margaret, wie kam es zu Ihrem Interesse am Leben orthodoxer Heiliger in den Ländern deutscher Sprache?
Matuschka Margaret: Ich bin Konvertitin. Meine Eltern kamen aus Deutschland und der Schweiz. Nach meiner Schulzeit habe ich sieben Jahre lang in Deutschland und Holland gelebt. Später unterrichtete ich viele Jahre lang die deutsche Sprache. Und als Lehrerin suchte ich für meine deutsche Klasse, in der sich Kinder aus verschiedenen privaten Schulen zusammenfanden, einen heiligen Schutzpatron. So begann ich, die Leben der mit dem späteren deutschen Reich verbundenen Heiligen zu lesen. Ich entdeckte damals den hl. Ansgar, den Bischof von Bremen und Erleuchter von Schweden, den ehrwürdigen hl. Gallus, den Erleuchter der Schweiz sowie einige kürzere Lebensbeschreibungen. Auch lernte ich die Arbeit des hl. Johannes von Shanghai und San Franzisko kennen, der die Heiligen Westeuropas erforscht und bekannt gemacht hat. Ich fand den Bericht des hl. Gregor von Tours “Vita Patrum” (“Leben der Väter”) in einer Übersetzung, die eine geistliche Einführung von Vr. Seraphim (Rose) über jene Zeit enthielt, in der sich die Christenheit im Westen von jener des Ostens noch kaum unterschied. Besonders interessierten mich der hl. Gallus und die Heiligen der Schweiz. Meine Schweizer Cousine Margreth Allgaier, die mich später bei einigen interessanten Ausflügen begleitet hat, schickte mir hierzu, ein ausgezeichnetes Buch über die dortige Entwicklung des Christentums.
Ermutigt von meinem Mann, unternahm ich im Jahre 2001 die erste Pilgerfahrt, zurück nach Deutschland und in die Schweiz. Seitdem weitete ich die Besuche auf Holland, Belgien, Deutschland und Österreich aus. Später wurde ich gebeten, einen Artikel für den St. Herman Calendar 2006 zu schreiben, ein Publikationsprojekt des Klosters des hl. Herman von Alaska in Platina in Kalifornien. Mein aktuelles Projekt ist ein Reiseführer zu Orten, die mit einigen sehr wichtigen Heiligen der deutschsprachigen Länder in Verbindung stehen. Zu diesen Ländern gehören neben Deutschland, Österreich und Teilen der Schweiz auch kleinere Grenzregionen in Frankreich, Italien und Luxemburg.
RTE: Wie stellen Sie den Reiseführer zusammen? Lesen Sie zuerst die frühen Heiligenleben, und ergänzen dann die Schilderung mit der Pilgerreise?
Matuschka Margaret: So einfach ist das leider nicht. Eine gut geschriebene Vita, zeitnah zum Wirken der Heiligen verfasst oder auf verlässlichen Quellen gegründet, kann natürlich sehr dabei helfen, den Heiligen nahezukommen. Nun sind aber alle originalen Lebensbeschreibungen in Latein abgefasst, viele Jahrhunderte lang der offiziellen Kirchensprache im Westen. Nur wenige dieser Texte sind ins Englische übersetzt. Eine solche Übersetzung verlangt sehr gute Kenntnisse des mittelalterlichen Lateins, und die habe ich leider nicht. Daher las ich anfangs kurze Zusammenfassungen dieser Heiligenleben in den älteren Ausgaben der “Katholischen Enzyklopädie”, oder die “Heiligenleben” von Alban Butler, und einiges aus den Internet-Quellen auf Deutsch. Dann brach ich auf zur Pilgerreise. Ich nutze gern alles verfügbare Material, um, so weit wie irgend möglich, das gottgefällige Leben der Heiligen voll zu erfassen. Deshalb gehe ich direkt an die Orte, und suche mir zusammen was ich finden kann.
Mein erstes Ziel ist jedes Mal die Kirche, in der die heiligen Gebeine ruhen. Der Reiseführer, den fast alle Kirchen verkaufen, kann zwar hilfreich sein zur Orientierung, doch vermeiden die meisten neueren Ausgaben oft jede Erwähnung von Reliquien. Natürlich versuche ich zuerst vor den Reliquien niederzuknien. Das vereint mich mit den Gebeten, die hier über Jahrhunderte hinweg emporgestiegen sind, und mit dem reichen Segen, der durch die Fürsprache des Heiligen herabgekommen ist.
Ich achte auch auf die künstlerische Gestaltung der Kirche. Sie mag Vorgänge und Besonderheiten im Heiligenleben zeigen und manchmal helfen, den Charakter des Heiligen ein wenig besser zu verstehen. Es gibt da eine subtile Wechselwirkung zwischen Künstlern und Heiligen. So zeigen etwa alle Kunstwerke, die illuminierten Handschriften wie auch sein Grabmal, den hl. Wunibald stets als sehr demütigen Menschen. Dagegen zeigt ein Bild seines älteren Bruder, des hl. Bischofs Willibald, diesen, obgleich sehr nach innen gekehrt, zugleich energisch und entschieden.
Als Nächstes versuche ich eine gute Vita auf Deutsch zu finden, wenn ich nicht bereits eine bei mir habe (normalerweise aus dem örtlichen Buchladen). Weiter versuche ich eine gute Ortsgeschichte aufzutreiben, die oft den Hintergrund der Hagiographie aufhellt. Sie hilft auch dabei, die Orte ausfindig zu machen, an denen die Ereignisse im Leben der Heiligen stattfanden, und die manchmal noch vermerkt oder auf irgendeine Weise erinnert werden.
Dann folge ich Schritt für Schritt den gefundenen “Spuren”, um dem Heiligen immer näher zu kommen, wo und wie er sein Leben gelebt hat. All das kann zwei oder drei Reisen in Anspruch nehmen, da ich zwischendurch nach Hause zurückkehren und all die Bücher verarbeiten muss, die ich gefunden habe. Dann denke ich beim Lesen immer: „Oh, wenn ich das nur früher gewusst hätte“. Das ist auch der Grund, weshalb ich einen Reiseführer schreiben möchte. So brauchen andere nicht meine Fehler zu wiederholen. Und diese Orte und Heiligen werden zugänglich auch für Menschen, die kein Deutsch verstehen.
Noch auf ein anderes Problem bin ich gestoßen. Aus einigen historischen und aktuellen Gründen sind Stätten für Gebet und Verehrung vor den Gebeinen des Heiligen, nicht immer leicht zugänglich oder sind auch völlig verschwunden. In einigen Fällen gingen die Reliquien vollständig verloren. Sie können sich in Lagern, Museen, in abgeschlossenen Bereichen (unzugänglich für Besucher) befinden. Oder sie mögen zwar präsent, aber hinter kunstvollen Schutzgittern verwahrt sein, oder an Orten, die fürs Beten ganz ungeeignet sind.
Bruch mit dem frühen Christentum
RTE: Wir wissen, dass Europa eine bedeutende christliche Vergangenheit hatte. Wie kommt es dann zu solcher Unzugänglichkeit von Reliquien?
Matuschka Margaret: Das hat mit der sehr komplexen Geschichte der deutschsprachigen Länder zu tun. Mit dem Rückzug römischer Truppen aus dem Raum längs des Rheins und der Donau, der nötig geworden war, um Rom kurz vor seinem Zusammenbruch im 5. Jahrhundert zu verteidigen, gab es eine Periode großer Völkerwanderungen, die heidnische germanische Stämme in die bereits zum Römischen Reich gehörenden Gebiete brachten. Das Christentum hatte in diesem Raum über mehrere Jahrhunderte existiert, aber nun wurden viele Kirchen zerstört oder man ließ sie verfallen, und die Kontinuität mündlicher und geschriebener Geschichte war zuweilen unterbrochen. Zum Beispiel finden wir in Bregenz (heute Österreich) Spuren der Ersetzung des Christentums durch heidnischen Gottesdienst. Als dort zwei Jahrhunderte später Missionare eintrafen, fanden sie eine Kirche vor, welche früher der hl. Aurelia geweiht worden war. Zwei Bronzetafeln alter heidnischer Götter waren dort an der Wand befestigt, und die Einwohner brachten ihre Opfer dar. Die Missionare weihten zwar erneut die Kirche der Heiligen, konnten aber nur drei Jahre lang sich dort halten: der Widerstand gegen das Christentum war zu stark, und unter veränderten politischen Umständen gab es keinen Schutz mehr für die Missionare. Wir können nur vermuten, dass nach ihrem Weggang diese Kirche abermals als heidnische Opferstätte diente,  bis dann das Christentum endgültig in dieser Gegend siegte.
In einigen Städten der früheren römischen Gebiete konnten Christentum und Bildung lebendig bleiben, weil Klerus und Regierungsbeamte am Ort geblieben waren. Doch die Menschen der umliegenden Ländereien waren nun gänzlich ungebildet, oft kriegerisch gesinnt und Verehrer heidnischer Götter. Später kamen reisende Mönche und Kleriker aus dem westlichen Frankreich, aber auch aus den alten römischen Residenzen auf heute deutschem Boden (besonders aus Trier), und aus Irland, die sich als Einsiedler niederließen und eine sehr stille Mission trieben. Einige von ihnen werden noch heute als herausragende Heilige verehrt. Hierzu zählen wir den hl. Castor von der Mosel, den hl. Goar vom Rhein, den hl. Suitbert (ein früher Missionar aus England für die Gebiete des heutigen Holland und des nördlichen Deutschland), und den hl. Emmeran in Bayern.
Als ich diese Heiligen nach ihren Jahrhunderten zu sortieren versuchte, fand ich relativ wenige namentlich bekannte aus dem 5., 6. und 7. Jahrhundert. Das liegt daran, dass die Kriege und Wanderungen andauerten. Außerdem blieben große Gebiete des heutigen Deutschland überhaupt von römischer Herrschaft ganz unberührt. Hier siedelten immer nur germanische, überwiegend heidnische Stämme. Noch zu Beginn des 8. Jahrhunderts lebten die Christen weit zerstreut über das Gebiet Westeuropas, und ihre wenigen, schlecht ausgebildeten Priester hielten sich nicht an christliche Regeln und mischen das Christentum mit allerlei Aberglauben und Götzendienerei. Die Mehrheit der Bevölkerung, besonders in den Gebieten, die nie unter der Herrschaft Roms standen, war offen heidnisch und praktizierte Hexerei.
Dann trafen im Jahre 719 der hl. Bonifatius und seine angelsächsisches Landsleute aus England ein, um mit dem großen Werk der Bekehrung des größeren Teils des (heutigen) Deutschlands und des oberen Österreichs zu beginnen. Er und seine Schüler bauten Kirchen, errichteten Klöster sowohl für Männer als auch für Frauen, reisten umher, um dem Volk zu predigen, und gründeten Diözesen. Sie erklärten die Beschlüsse der Ökumenischen Konzilien und wahrten ein hohes Niveau an Geistigkeit und Moral. Einige seiner Schüler, solche wie die hll. Frauen Lioba und Walburga, die hll. Lullus, Sturmius, Sola, Willibald und Wunibald, führten gleichfalls ein heiligmäßiges Leben, sie werden als Heilige verehrt. Andere vollbrachten ihr Werk der Bekehrung weiter nördlich, so dass im Jahrhundert vor dem Schisma von 1054 fast alle Länder deutscher Sprache zum orthodoxen Christentum bekehrt waren. Es gab nun Priester, Bischöfe, Kirchen und Klöster, die ihnen dienten.
Hl. Bonifatius
RTE: Wurden die originalen Lebensbeschreibungen, mit deren Übersetzungen Sie bekannt wurden, zu jener Zeit abgefasst?
Matuschka Margaret: Einige von ihnen wurden von Schülern der Heiligen verfasst, andere wurden später geschrieben. Als ich mit den Lebensbeschreibungen anfing, wurde ich vor einem weiteren Problem gewarnt: In der Zeit nach dem Großen Schisma, und dann besonders während der Zeit der Kreuzzüge, wurden viele Viten umgeschrieben. Durch falsch verstandene Frömmigkeit fügten westliche Schreiber manchmal blumige und phantastische Elemente hinzu, die die Wahrheit der früheren Berichte verdunkelten. Zuweilen verhalfen sie auch Legenden zum Leben, welche die originalen Viten aus dem Bewusstsein der Gläubigen verdrängten. Wenn Sie zum Beispiel in Bad Säckingen in Deutschland den Ort der Kämpfe des hl. Fridolin besuchen, finden Sie diesen gewöhnlich dargestellt, wie er einen Toten namens Urs aus dem Grabe auferweckt. Dieser Urs soll dann vor Gericht bezeugt haben, dass er sein Eigentum dem Kloster vermacht hat. Ein solches Ereignis war natürlich kein Teil der ursprünglichen Lebensbeschreibung; dennoch wurde es eine populäre Besonderheit der Darstellung des Heiligen.
Als sich dann Westen und Osten in Glauben und Praxis immer weiter trennten, und die Probleme der miteinander verflochtenen kirchlichen und weltlichen Mächte nach Reform riefen, fand der verheerendste Wandel von allem statt, die Reformation oder die protestantische Revolution. Viele Kirchen, reich an Geschichte, Gepränge, Schönheit und Heiligkeit, wurden geschändet und ihrer Sakramente, der Ruhestätten und Reliquien der Heiligen, ihrer wunderbaren Ausstattung beraubt. Sie wurden schmucklos und kahl zurückgelassen. Wegen des Materialwerts wurden einige der geheiligten Gegenstände Museen übereignet, während andere verschwunden sind, verkauft oder fortgeworfen oder irgendwo anders aufbewahrt wurden.
Für eine Nicht-Historikerin wie mich überraschend hatten auch die Napoleonischen Kriege eine sehr beträchtliche Auswirkung auf große Teile Deutschlands. In vielen Gegenden “säkularisierten” zwischen 1803 und 1808 die Franzosen kirchliches Eigentum und vermachten es deutschen Adligen, die Truppen für Napoleons Feldzüge ausgerüstet hatten, oder für von Frankreich annektierte Ländereien Kompensation erhielten. Klöster, die zum Gedächtnis bestimmter Heiliger erbaut worden waren, wurden konfisziert und für weltliche Zwecke umgerüstet. Ländereien, die den Klöstern Erträge und Nahrung gesichert hatten, wurden gleichfalls enteignet, so dass die Klöster mangels Einnahmen aufgelöst werden mussten. Abhängig von der jeweiligen religiösen Tendenz der neuen Eigentümer, wurde die Klosterkirche entweder Kirche einer protestantischen (lutheranischen oder reformierten) oder auch einer römisch-katholischen Gemeinde. Im letzteren Fall ließ sich die Verehrung lokaler Heiliger sowie die Aufbewahrung ihrer Reliquien zumindest teilweise in ungebrochener Linie bis zur Gegenwart fortsetzen, was diese Kirchen heute zu echten Pilgerzielen macht.
Heilige Reliquien und Pilgerstätten heute
Ganz allgemein wurde in den von mir besuchten Ländern deutscher Sprache während der Zeit ihrer Zugehörigkeit zur einigen Kirche, aber auch nach dem Großen Schisma und der Reformation in den römisch-katholischen Gebieten, für die Heiligengräber gesorgt. Die Leben der Heiligen wurden überliefert, es wurden Pilgerreisen zu den heiligen Stätten unternommen, und diese umgab liturgisch-eucharistisches Leben.
In jüngeren Zeiten begegnen wir jedoch den modernen Problemen: Vandalismus kommt auf, was größere Sicherheitsmaßnahmen erfordert, und die Gleichgültigkeit wächst gegenüber Reliquien. Viele Reliquienstätten werden verschlossen gehalten und sind nicht mehr leicht zugänglich, wegen der ernsten Gefahr des Raubs oder der Entweihung. Hinzu kommt der Glaubensmangel in Westeuropa, und leider manchmal sogar Gleichgültigkeit bei römischen Katholiken gegenüber den Reliquien.
Zum Beispiel trafen wir einen Küster in Fulda, der uns erzählte, dass er Kirchenreliquien zum Verkauf auf Flohmärkten gesehen hätte, und sie aufkaufte, um sie in Sicherheit zu bringen. In einem anderen Fall wusste der katholische Priester einer Kirche, die dem hl. Martin von Tours geweiht war, nicht einmal, ob sich die Reliquien des Heiligen noch in einem erst kürzlich restaurierten Reliquienschrein befanden, den man aus einem Lager zurückgeholt und nun erneut aufgestellt hatte. Es schien ihm egal zu sein. In einer anderen Gegend der Schweiz versicherte ein Priestermönch der Benediktiner, dass er persönlich, obwohl der Orden noch die Heiligen verehre, nicht glaube, dass deren Reliquien irgendetwas Besonderes wären. Dabei verfügte das Kloster über eine außerordentliche Sammlung, einschließlich solcher Reliquien von Heiligen, die sonst nirgendwo anders vorkommen.
Natürlich schätzen manche Katholiken ihre Reliquien sehr. Ebenso wie wir Orthodoxen finden sie großen Gewinn an jener wundervollen Verbindung eines friedlichen Gebetsplatzes und den nahen Gebeinen eines Heiligen: wo durch ununterbrochenes, hingebungsvolles Gebet die Gegenwart Gottes herbeigerufen und ebenso die Kirchengeschichte lebendig erhalten wird. Solche Orte finden sich etwa in der Kirche des hl. Fridolin in Bad Säckingen; im Frauenkloster der Benediktiner in Eichstätt, das der hl. Walburga geweiht ist; vor dem Schrein der hl. Walburga, der hll. Wunibald und Willibald in der Kleinstadt Scheer an der Donau, in der Krypta der Kirche des Heiligen Kreuzes in Donauwörth (wo ein Teil des Ehrwürdigen Kreuzes verwahrt wird); sowie in der Touristenstadt St. Goar am Rhein, wo sich ganz unerwartet ein Schrein befindet, mit einer kleinen Reliquie des Heiligen, gleich neben der Kirchentür der katholischen St. Goarskirche.4.

Über diese kurze Zusammenstellung sozusagen “perfekter” Stätten hinaus gibt es aber auch noch andere schöne Stellen. So können Sie an einigen Orten in eine Krypta hinuntersteigen, eine Schatzkammer oder andere besondere Reliquiare besichtigen, wenn Sie sich vorher anmelden. An vielen Orten werden Reliquien, die normalerweise im sicheren Gewahrsam sind, während einer Prozession zur Verehrung am Festtag der Heiligen herausgetragen. Andere Stätten, so die Stadt Scheer, haben bewiesen, dass es möglich ist, die Schätze sicher aufzubewahren, und dennoch dafür zu sorgen, dass sie täglich verehrt werden können. Dort in der Kirche besitzen sie wunderbare Duplikate dreier Reliquienschreine der angelsächsisch verschwisterten Heiligen. Die Reliquien selbst befinden sich jedoch in einem Raum direkt hinter der Wand in ihren ursprünglichen Schreinen. Diese Originale werden an den Festtagen herausgebracht.


RTE: Pilgern deutschsprachige Orthodoxe zu diesen Stätten? Ich weiß, dass es ein Wiederaufleben des Interesses an alten Pilgerstätten gibt, z.B. in der Bretagne seitens französischer Katholiken. Es gibt sogar orthodoxe Pilger, die von weit her kommen, aus Russland.


Matuschka Margaret: Die meisten Orthodoxen, die sich in deutschsprachigen Ländern niedergelassen haben, wissen nicht, dass es westliche Heilige vor dem Großen Schisma gibt. Dass deren Leben und deren Fürbitte nach ihrem Tod den Boden geheiligt haben, auf dem sie leben, und dass diese Heiligen orthodox sind. Aber einige wenige verbreiten dieses Wissen, und ermutigen ein örtliches Pilgerleben.


RTE: Können sie uns nun über ihre eigenen Pilgerreisen erzählen?


Matuschka Margaret: Meine erste Reise nach Europa im Jahr 2001, bei welcher ich mehr über die frühe Kirche erfahren wollte, führte mich in die Schweiz nach Basel (in die Heimatstadt meiner Mutter). Das ist eine wunderschöne alte Stadt am Rhein, wo Frankreich, Deutschland und die Schweiz zusammentreffen. Ich hatte ihren Zauber bereits als zwanzigjährige Studentin kennengelernt. Mein Cousin begleitete mich auf einer Spaziertour zu interessanten alten Häusern Basels. Ich übernachtete im Haus der Eltern meines Cousins am Rhein, hörte die Nebelhörner der Lastkähne, welche den langen, weiten Weg von Rotterdam zurückgelegt hatten.

Basel

Viele Jahre später verweilte ich zuerst am Münster (der früheren Kathedrale) nahe am Rhein, dessen farbenprächtiges Dach auf den meisten Abbildungen der Stadt gezeigt wird. Früher war das eine katholische Kirche, geweiht der Jungfrau Maria und dem hl. Pantalus (dem ersten Bischof von Basel). Jetzt ist es eine reformierte Kirche, und ich fand sie enttäuschend reizlos. Ich erlebte solche Öde wieder und wieder, ob in Zürich, Romainmotier, oder an anderen Orten. Die Reformbewegung des 16. Jahrhunderts hatte die Kirche all dessen beraubt, was dem Herz traditionsbewusster Christen teuer ist. Ich erwartete keine Ikonen, aber wo waren Freskos, Statuen, Reliquien? Wer war der heilige Patron der Kirche?


Meine Suche nach heiligen Stätten führte mich noch zu einer anderen Baseler Kirche. Diese war in das Historische Museum (am Barfüsserplatz) umgewandelt worden. Hier war alles vorhanden, was einst in die Kirchen gehörte, es gab sogar ein paar wunderschöne Reliquienschreine. Später erfuhr ich, dass zu Beginn des 19. Jahrhunderts alle Reliquien, die nach der Reformation in die Baseler Schatzkammer gelangten, aus ihren Behältern herausgenommen wurden. Der Archivar wurde angewiesen, sie entweder in den Rhein zu werfen oder zu verbrennen! Dieser brachte es in beiden Fällen nicht über sich, das zu tun. So beschriftete er die Reliquien sorgsam und lagerte sie ein. Später leitete er sie an ein Kloster weiter, das außerhalb der Stadt liegt. Dort wurden sie geordnet und geschmückt, und viele von ihnen können heute verehrt werden. Also das Museum verfügt über leere Behälter, und das Kloster ehrt die wirklichen Schätze, die kostbaren Gebeine der Heiligen!



Ende Teil 1

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