Sonntag, 30. März 2014

Sonntag des hl. Johannes Klimakos - Metropolit Anthony Bloom

4. Sonntag der Großen Fastenzeit - Sonntag des hl. Johannes Klimakos
                                        

Wir gedenken heute des Heiligen Johannes Klimakos. Er hat seinen Beinamen von dem griechischen Wort Klimax, welches „Leiter“ bedeutet, denn er hat die so genannte „Himmelsleiter“ verfasst, eine Anleitung für den spirituellen Weg von der Erde hinauf zum Himmel, aus dem Abgrund der Sünde zu den Höhen der Göttlichen Liebe, um dort mit IHM, d.h. mit Gott vereint zu sein. 
Für die erste Stufe dieses Aufstiegs gibt der Heilige Johannes uns folgenden Rat: 
Nicht dafür, liebe Brüder, werden wir uns beim Jüngsten Gericht verantworten müssen, dass wir keine Wunder vollbracht haben, dass wir keine Theologie betrieben haben, sondern, dass wir unsere Sünden nicht beweint haben. Dafür wird man uns richten. 

Das ist also der Punkt, von dem aus entweder unser Weg zum Heil beginnt, oder aber die Schlinge unseres Verderbens geknotet wird. Wir weinen über vieles: wir zetern über unsere Verluste, leiden, wenn uns Leute beleidigen, wir jammern über unsere Krankheiten, wir trauern über all das Leid, dem wir im Verlaufe unseres Lebens begegnen. Doch dabei sehen wir nicht, dass Krankheiten, Leid, Kummer und Verluste allesamt „rein“sein können, mehr noch, sie können der Faden sein, der uns mit Gott und mit den Menschen verbindet. 

Eins vergessen wir ständig: wir vergessen, dass wir nicht ohne Sünde sind, wir verlieren sie aus unserem Augen, bemerken sie nicht, sind wenig über sie bestürzt. Dabei ist sie doch das einzige wirkliche Unglück in unserem Leben. Alles andere kann „rein“ sein, die Sünde jedoch ist dunkel. Die Sünde befleckt. Die Sünde tötet den Menschen und nicht nur ihn allein. Auch die, die an der Sünde beteiligt waren. Die Sünde tötet die 
Beziehungen der Menschen untereinander und die Beziehung zu Gott. Welche Sünde wir auch begehen, das erste, was wir wollen, ist uns vor Gott zu verstecken: Gott soll es nicht wissen. Ach, hätte Er es doch nicht bemerkt. Ach, würde Er es doch vergessen! 
Und wenn wir denken: Ach würde Er es doch verzeihen, dann sagen wir das meistens einfach nur so dahin, ohne dass wir im Innern unserer Seele wirklich betrübt sind über unsere Sünde, ohne uns Sorgen zu machen, dass wir mit unserem Tun eine Beziehung voller Liebe und Glauben zerstört haben, ein Freundschaftsband zerrissen haben. Wir sagen dies meist eher deshalb, weil etwas passiert ist, was für uns furchtbare Folgen 
haben wird, wovon die Seele erkaltet, weswegen wir mit Angst und Scham vor Gott treten werden. 

Die Sünde entfernt uns ebenso von den Menschen. Über sein Leid, seinen Verlust, über seinen Kummer kann man mit anderen reden, wir können dies alles mit unseren Mitmenschen teilen und von ihnen Halt und Unterstützung bekommen, wir können Kraft schöpfen aus dem gegenseitigen Vertrauen, daraus, dass wir die Schrecken dieser Erde gemeinsam ertragen. Die Sünde jedoch bringt Menschen auseinander. Sie entfernt uns von denen, vor denen wir Scham empfinden, ebenso von jenen, die mit uns gemeinsam der Sünde gefrönt haben, denn sie sind lebendige Zeugen und werden uns immer aufs qualvollste an die Sünde erinnern. Gleichfalls deshalb, weil wir wissen, dass wir vor dem Richterstuhl Gottes, vor dem Gericht der Liebe und der Wahrheit, nicht nur für uns selbst, sondern auch für einander Rechenschaft ablegen müssen. 

Die Sünde tötet alles im Leben, obwohl wir sie am allerwenigsten als Tod empfinden. 
Wir jammern über tausend Dinge, wir zetern ständig, klagen über alles, nur nicht darüber, dass wir lebendig sterben, dass sich um uns herum langsam ein undurchdringbarer Ring der Entfremdung bildet, sowohl von anderen ebensolchen Sündern, wie wir es sind, als auch von denen, welchen es besser gelingt, ein rechtschaffenes Leben zu führen. Ebenso entfremden wir uns immer mehr von Gott selbst. Dieser Ring kann dann auch durch die Liebe anderer Menschen nicht geöffnet werden, weil wir vor ihnen noch mehr Scham empfinden und uns noch unwohler wird, je mehr sie uns lieben. Deshalb stellt der Heilige Johannes Klimakos an die erste Stelle unseres Weges zum Heil und unserer Bekehrung den Ruf, unsere Sünden zu beweinen. 

Warum beweinen? Wir wissen aus unserer Erfahrung, dass wir nur dann weinen können, wenn das Leid oder die Freude, die Scham oder der Schreck ganz tief in die Seele gehen, wie eine Lanze in sie eindringen. Erst dann gelangt unser Leid bis in solche Tiefen, dass uns unwillkürlich Tränen in die Augen treten. Bis dahin sollten wir zumindest versuchen, wegen unserer Sünden Reue zu empfinden. Damit sollte man anfangen: erschrocken sein darüber, dass wir so handeln und so sein konnten. Dann stellt sich auch eine tiefere Reue ein, das heißt diese entschiedene, schonungslose Hinwendung unserer Seele zu uns selbst, die uns vor das Angesicht Gottes führt, die uns vor Seine Füße fallen lässt, die uns Ihn um Heilung bitten lässt, um Reinigung, um Gnade, um Vergebung und das nicht nur für uns selbst, sondern auch für die Opfer unserer Sündhaftigkeit. Später dann, wenn unser Bewusstsein so weit geschärft ist und in solche Tiefen dringt, 
dass jegliche Entfremdung von Gott für uns unerträglich sein wird, wenn wir begriffen haben, dass unsere Sünden im geistigen Sinne Verbrechen an uns selbst und an anderen sind, erst dann werden aus unseren Augen Tränen der Reinigung fließen. Solange wir es jedoch noch nicht gelernt haben, unsere Sünden zu beweinen, können wir sicher sein, dass wir unsere Sündhaftigkeit noch nicht begriffen haben, dass wir noch nicht verstanden haben, wie grob wir immer noch sind, wie kalt, dass wir immer noch voll und ganz in Sünden leben. 

Die Sünde tötet. Sie tötet unsere Seele, macht sie unempfindlich und hart. Sie tötet unsere Beziehung zu Gott und zu den Menschen. Sie lässt unser Gewissen und uns im Leben anderer sterben. Sie tötet Christus am Kreuz. In der vergangenen Woche haben wir das Kreuz verehrt, schon bald werden wir die Heiligen Leiden unseres Herrn schauen. Seht, was Sünde vollbringt: Sie mordet. Immer einen Unschuldigen, immer ist das Opfer jemand, der dieses Leid, diese Demütigung, diese Schmerzen nicht verdient hat.  Denkt darüber nach! Jeder von euch über sein Leben und über jede Sünde. Seid mit euch streng und ohne Schonung. Bringt vor Gott zuerst euer Bedauern und danach wirkliche, immer größer werdende Reue, bis euren Herzen dann ein Strom von Tränen entfließt und ihr sagen könnt: „Herr, ich bereue aufrichtig!“ und ihr durch eure Tränen wieder rein werdet. Amen 

Predigt des Metropoliten Anthony Bloom aus dem Jahr 1987

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen