Dienstag, 10. Dezember 2013

Über die Rolle des Freimaurertums in der Kirchenspaltung der Emigration-M. Nazarow


In der letzten Zeit widmen die Massenmedia in Rußland dem Freimaurertum immer größere Aufmerksamkeit. Das Meinungsspektrum ist ungeheuer groß. Die einen behaupten, die Freimaurerei sei ein Mythos und sie wollen daher nur in ironischen Tönen von diesem Thema sprechen. Andere stimmen diesem grundsätzlich zu, halten das Problem jedoch für ernster: “Die Freimaurerphobie ist eine ideologische Geistesstörung besonderer Art... ähnlich dem Eifersuchtswahn: ein Gebäude aus logischen Konstruktionen hat der Eifersüchtige sich erbaut, nur eines fehlt, nämlich die Fakten”. Solche Leute müssen “behandelt” werden, versichtert der Moskauer Psychiater M. Bujanov. Die dritten, geben im Unterschied zu den ersten, zwei löbliche Bücher heraus über die so wichtige Rolle der Freimaurerei in Geschichte und Kultur, unter anderem auch in der russischen: Die Zeitung “Izvestija” teilt mit, daß “Puschkin Freimaurer war. Er war stolz auf seine Zugehörigkeit... Die Freimaurerei half Puschkin, vom jugendlichen Atheismus den Weg zum Christentum zu finden...”. Die vierten halten die Freimaurerei zwar auch für einflußreich, jedoch für dermaßen schädlich und allgegenwärtig, daß sie in allen negativen Phänomenen und Ereignissen freimaurerisches Treiben wittern...
Diejenigen, die die Wahrheit suchen, sollten sich besser zu den freimaurerischen Quellen selber wenden. Jüngst schrieb ich, getreu diesem Prinzip, zwei Artikel: über die sozialpolitische Grundlage jenes Phänomens, das die rechte Flanke als “jüdisch-freimaurerische Verschwörung” bezeichnet; und über die Rolle der Freimaurerei in der russischen Emigration (s. die Münchner Zeitschrift “Veçe” No. 42 und 43; erster Teil auch in “Na‚ sovremennik” No. 12, 1991). Jetzt möchte ich dieses Thema unter einem neuen Aspekt und auf anderem Niveau fortführen, wobei ich auf eine Publikation der Moskauer Zeitung “Politika” zurückgreife.
In dieser Zeitung war ein Interview mit M.V. Garder abgedruckt. In der Emigration ist er bekannt als Autor international-politischer Presseschauen und ehemaliger Oberst des französichen Generalstabs. Jetzt erfuhren wir, daß er außerdem der “Senior, sowohl der Mitgliedschaft als auch dem Rang nach” in der russischen Freimaurerei im Ausland ist, und dazu “die Nummer zwei in der französischen Freimaurerei des Schottischen Ritus” - diese Obedienz betrachtet sich als religiös, im Unterschied zu dem atheistischen “Grande Orient”.
Die Hauptloge des Ordens, an deren Spitze Garder steht, hat ihren Sitz in Paris in der No. 8, rue Puteau. Eben mit dieser Adresse in Verbindung zu treten, forderten die Freimaurer die Bürger der Sowjetunion über Radio “Liberty” (22.3.91) auf, um sich ihrer Organisation anzuschließen. Die Moderatorin der Radiosendung, F. Salkazanova, beteuerte den Zuhörern sogleich, daß verschiedene “Lügenmärchen” über die Freimaurerei “nur im Gehirn eines Kretins entstehen konnten” (die Ähnlichkeit mit der Meinung des Psychiaters M. Bujanov ist hier nicht zufällig: er ist auch oftmals Autor von Sendungen von Radio “Liberty”). Die Vertreter der Loge bezeichneten als das “Hauptziel der Freimaurer - zur moralischen und spirituellen Vervollkommnung der Gesellschaft beizutragen”. Für ein Musterbeispiel derartiger Vollkommenheit halten sie die USA und riefen ins Gedächtnis, daß “die USA sich von Anfang an auf freimaurerische Prinzipien gründeten”. Daher - so erklärten sie - bedürfe Rußland heutzutage vielmehr als andere Länder der Freimaurer, denn “das, wonach das Land heute trachtet, entspricht den freimaurerischen Prinzipien”. Mehr noch: “es gibt heute keine Alternative als die freimaurerischen Strukturen, welche die Erziehung echter Bürger garantieren kann... die Kirche ist dazu nicht fähig und auch nicht die neuen politischen Parteien, denen es noch an demokratischer Reife mangelt”. “Heute ist allen, auch den sowjetischen Führern, klar, daß, wenn sie zu Reformen schreiten wollen, die Ausweitung des Freimaurertums in Rußland einen realen Schritt darstellt, der zu geistigem und materiellem Wohlstand führt.”
Mit dem Ziel “zur Ausdehnung der Freimauerei in Rußland beizutragen” und dort “freimaurerische Strukturen” aufzubauen, wurde in der rue Puteau eine Loge “Alexander Sergejeviç Pu‚kin” geschaffen. Denn, wie die Maurer mahnten, ist es nicht gestattet, neue Logen selber einzurichten: das geht nur unter der Führung schon bestehender. Am Schluß der Sendung wiederholte Frau Salkazanova zweimal, Buchstabe um Buchstabe, die Adresse und drückte die Hoffnung aus, daß auch Frauen dorthin schreiben werden - “es könnte ja auch eine russische Loge für Frauen gegründet werden”.
Ehe wir diesen Aufruf bewerten, wollen wir noch ein Dokument zitieren, das ebenfalls mit dieser Adresse zusammenhängt. 1924 schrieb ein Freimaurer der ersten Emigrationswelle namens N.P. Vakar an seinen Chef:
“Am 23. Januar... fand im Tempel in der rue Puteau eine Versammlung statt, die der ‘Glorifzierung Satans’ gewidmet war... das war im Grund genommen entweder eine Lobeshymne an den Satan oder eine Missionspredigt eines Satanisten. Die Rede war eben so konstruiert, nicht nur inhaltlich, sondern auch formell: jeder Absatz endete mit dem gesungenen Refrain ‘O Satan, Frère des Hommes’!
... der ‘Vortrag’ war in einen ‘historischen’ und einen ‘philosophischen’ Teil gegliedert. Auf diesem Gebiet bewies der Vortragende eine wesentliche Unwissenheit, dennoch erklärte er, daß der ‘Satan ... der Vorkämpfer des Rechtes der Menschheit gegen die göttliche Despotie’ ist, ‘eine wahre Quelle des Lichtes’, u.ä. Erklärend, daß es ganz natürlich ist, wenn der Mensch Gott auf die sogenannte ‘göttliche Liebe’ mit Haß und Bosheit zurückzahlt, daß ‘die Menschheit eben der Satan’ ist, schloß der Prediger mit der Satanshymne, wozu er die bekannten Verse Baudelaire dazu adaptierte. Das Fazit, das die Zuhörer aus der Predigt ziehen konnten, war nur eines: KOMMT UND LASST UNS IHN ANBETEN...
Im Abschlußwort dankte der Ehrwürdige Meister der Loge dem Bruder Humary für seine ‘interessanten und ergreifenden’ Ausführungen und bestätigte den anwesenden und neu geweihten Brüdern den ‘echt freimaurerischen Charakter’ des gehörten Vortrags”.
In diesem Zusammenhang stellt der “verdutzte” Vakar eine Frage: ist dies “irgendein Programm, das bewußt und absichtlich in der Bruderschaft von einem Teil der Brüder durchgeführt wurde; oder .... die Bekundung zynischer Sittenkorruption und spirituellen Rowdytums”?
Leider ist uns die Antwort des Freimaurerchefs auf diesen Brief Vakars unbekannt. Versuchen wir selber, eine Antwort zu finden.
Es besteht kein Zweifel, daß die Freimaurerei die einflußreichste Bewegung der Neuzeit ist, welcher die heutige Welt weitgehend ihre spirituelle Situation verdankt. Sie entstand in der Form eines Geheimordens in dem ideologischen Raum zwischen religiöser Reformation und atheistischer Aufklärung - als neuheidnische Religion der Vernunft, welche sich dem “reaktionären” Einfluß der Kirche entgegenstellt und auf eine Transformation der Gesellschaft auf “progressiver” rationalistisch-kosmopolitischer Grundlage hinarbeitet. (Daher verbietet die katholische Kirche seit 1738 ihren Gläubigen, einer Loge beizutreten, unter Exkommunikationsandrohung...)
Allmählich bildeten sich innerhalb der Freimaurerbewegung verschiedene “Obedienzen” heran, von den mystischen bis zu den atheistischen, die somit verschiedene Seiten dieses Programms betonten. Und dementsprechend kann man die Auswirkung der Freimaurerei in der Neuzeit ebenso von der geistigen wie auch von der politischen Ebene aus untersuchen.
Was die Politik betrifft, so verbirgt die einschlägige freimaurerischen Literatur schon lange nicht mehr, daß unter den Führern der “bürgerlichen Revolutionen” (angefangen von der französischen) auch viele Freimaurer waren, sowie unter den Leadern sozialistischer Parteien, und unter den Gründungsmitgliedern des Völkerbundes (später UNO), und sehr oft auch unter den Präsidenten der Vereinigten Staaten. Seine Ansicht, daß in der Februarrevolution von 1917 die Freimaurer “keinerlei Rolle spielten”, könnte M. Garder anhand des franz. freimaurerischen Wörterbuchs berichtigen: dort heißt es, daß “die Mehrheit der Mitglieder der Provisorischen Regierung Freimaurer waren”. Dabei stammte die damalige Freimaurerei in Rußland grundlegend von jener Obedienz in Frankreich ab, deren Oberhaupt 1904 erklärte: “Wir sind nicht nur antiklerikal, wir sind Gegner aller Dogmen und Religionen... Das tatsächliche Ziel, das wir verfolgen, ist die Zertrümmerung aller Dogmen und aller Kirchen”.
Nachdem die Freimaurerei im Westen ihr Ziel erreicht hatte (nach dem Sieg über den Einfluß der katholischen Kirche und nach der Atomisierung der Gesellschaft), verlor die Freimaurerei ihre politische Agressivität. Sie hat sich wohl jetzt, wie die Freimaurer selber scherzen, in so etwas wie ein “Büro für gegenseitige Hilfe von Funktionären” verwandelt. Denn in jener demokratischen Gesellschaft, welche die Freimaurer errichteten, braucht man, um an die Macht zu gelangen und sie zu realisieren, eben keine geheimen Organisationen mehr, sondern Geld und Informationsmedien (obwohl auch jetzt die wahren Machtstrukturen wie zuvor es immer noch vorziehen, hinter den Kulissen zu wirken; in letzter Zeit wird ihre Ideologie der “neuen Weltordnung” als “Mondialismus” bezeichnet). Darüberhinaus wurden die freimaurerischen Ideen (moralischer Pluralismus, Abkehr von dem christlichen Geschichtsverständnis) allgemein gültig in der westlichen Welt (in der Sowjetunion fand eine ähnliche Entwicklung auch ohne freimaurerische Strukturen statt: das sogenannte “Westlertum”). Deshalb ist es heute bereits nicht mehr so wichtig, ob dieser oder jener Politiker Freimaurer ist oder nicht; interessanter ist, das geistige Wesen des Freimaurertums zu analysieren (und damit auch sein Erbe), sowie seinen Platz im allgemeinen Lauf der Apostasie (Abfall von Gott) der Menschheit.
Indem wir jedoch zur Analyse dieses Niveaus der Freimaurerei schreiten, müssen wir eine Bemerkung machen: es fordert schon nicht mehr sozialpolitische Fakten, sondern geschichtsphilosophische und religiöse Kategorien. Und hier können uns die freimaurerischen Quellen nur mit grellen Illustrationen, aber nicht mit endgültigen Schlußfolgerungen helfen.

Die dunkle Spiritualität des Freimaurertums ist bereits an seinen finsteren äußerlichen Attributen erkennbar, an den Racheritualen mit den “Leichnamen” in den Särgen (siehe z.B. Illustrationen in dem in Moskau nachgedruckten zweibändigen Werk “Freimaurerei in Vergangenheit und Gegenwart”). Noch dunkler ist der innere Sinn der freimaurerischen Symbolik. Schon für ihre Genealogie wählten die Freimaurer gleichsam absichtlich aus dem AT die Repräsentanten des Hochmuts und Materialismus: Kain, die Konstrukteure des Babylonischen Turmes, den König Salomo und den Erbauer seines Tempels Hiram. Mit den letzten zwei Lehrbildern sind die wichtigsten Rituale der Freimaurerei verbunden.
So ist “der Salomonische Tempel das Lehrbild, das alle anderen Symbole aus sich entwickeln läßt, um sie wieder in eine Einheit zusammenzufassen” - kann man im Freimaurerlexikon lesen. Ihre Tätigkeit selber bezeichnen die Maurer als “den Salomonischen Tempelbau”, wobei sie darunter eine Art Paradies auf Erden verstehen; darin liegt die Allegorie des Begriffes “freie Maurer”. “Einen besonderen Kult mit der Symbolik des Salomonischen Tempels treiben amerikanische Logen”.

Aber nach der patristischen Lehre, die bereits lange vor dem Erscheinen der neuzeitlichen Freimaurerbewegung entstand, wird in diesem Tempel kein anderer als König sitzen als der Antichrist, der Sendbote Satans, “der Mensch der Gesetzlosigkeit, der Sohn des Verderbens” (2 Thess 2,3-4)....
Außerdem folgt schon aus dem AT, daß der Antichrist aus dem Geschlecht Dan hervorgeht - eben dieses Geschlecht steht in der Bibel mit dem zukünftigen Träger des Bösen im Zusammenhang (Gen 49,17-18; Jer 8,16), und es ist das einzigste, das in der Apokalypse nicht genannt ist unter der Zahl der zum Heil gekommenen Geschlechter Israels (Apk 7,4-8). Und siehe, die im Freimaurertum hauptsächlich angebetete Figur Hiram stammt mütterlicherseits eben aus diesem Geschlecht: Sie war “aus den Töchtern Dans” (2 Chron 2,14) - vermerkt das genannte freimaurerische Lexikon seelenruhig. Es ist nicht zu verwundern, daß in einigen Varianten der freimaurerischen Legende über Hiram seine Herkunft in direkten Zusammenhang mit dem Engel gebracht wird, der gegen die “göttliche Despotie” rebelliert.
Übrigens geht der Kult Hirams in der Freimaurerei so weit, daß sogar eine Art “Antievangelium” geschaffen wurde über die Ermordung des Meisters durch seine Neider; “anti” - weil Christus nach seinem Tod aufersteht, aber von Hiram nur die verwesende Leiche übrigbleibt. In ihren Ritualen rächen sich die Freimaurer auch für seinen Tod; in den Logen gibt es kunstvoll hergestellte Modelle der Leiche.
Vor diesem Hintergrund kann man auch besser den Sinn der freimaurerischen “Initiation” verstehen (der Eingeweihte wird eine Viertelstunde lang “unter der Erde” gelassen: in einem finsteren Zimmer allein mit der Leiche oder einem Schädel), die durch die Verpflichtung (unter Todesandrohung), das Geheimnis zu hüten, besiegelt wird. Im “Boten der Vereinigen Freimaurerlogen”, der Garder angehört, wird eine derartige Initiation im Sinne eines “Einflusses geistiger Ordnung, dessen Ursprung... unbedingt ‘nicht-menschlicher’ Herkunft sein muß” erörtert. “Das Ritual kann in gewissem Sinn magische Kraft beinhalten, die eine emotionale Wirkung auf die Psyche des Neophyten ausüben kann.” “Wir waren oftmals Zeugen einer tatsächlichen Metamorphose - was natürlich das Ziel jeder echten Initiation sein sollte -, die in einigen unserer Brüder stattfand.”
Fast ebenso legt eine ausländische Autorität namens Endres die Bekehrung zum Freimaurertum aus: dies ist eine “esoterische Verbundenheit mit dem Immateriellen.... Einweihung ist eine Zustandsveränderung der eigenen Seele” (Kursiv im Orginal). Die Faustische Analogie mit dem Verkauf der Seele liegt hier nahe. (Interessant zu bemerken, daß Goethe, der Autor des Faustes, auch ein Freimaurer war). Und aus dem französischen Freimaurerlexikon erfahren wir, daß in einem der freimaurerischen Rituale “Hiram geistig in dem Initierten wiedergeboren wird”.

Charakteristisch ist, daß die Freimaurer es vermeiden, zu spezifizieren, welches “Höchste Wesen” sie anbeten, und ihn einfach den “Großen Baumeister des Universums” nennen. Dieser Umstand, wie auch die Verneinung des trinitarischen Verständnisses Gottes, erleichert die Möglichkeit, Ihn (bewußt oder verborgen) durch irgendein anderes “Wesen” zu ersetzen, denn gerade auf die Rolle des “Baumeisters” erhebt auch Satan einen Anspruch in der Absicht, in dieser Angelegenheit mit Gott zu wetteifern. Die Freimaurer selber verfallen in diesen Konkurrenzhochmut, wenn sie behaupten, daß “im Christlichen durch die falsche Übersetzung der neutestamentlichen Forderung des ‘metanoiete’ mit dem unrichtigen Wort ‘tut Buße’ eine gewisse Verinnung eingetreten” ist. “Die Metanoia, ein uraltes Ziel der Mysterien, heißt nicht Buße, sondern heißt ‘Andersdenken’...”. Und in dem zitierten Programm von Radio Liberty unterließen die Freimaurer nicht, zu unterstreichen: “Auf ihrer Suche nach der Wahrheit... lehnen die Freimaurer jeden Versuch, diese Forschungen einzuschränken, ab. Der Freimaurer ist ein Mensch, der frei von Vorurteilen und Dogmen ist...”.

Der Möglichkeiten für solch einen Ersatz Gottes durch den Diabolus(Teufel) gibt es in der freimaurerischen Symbolik viele. Die Tatsache, daß die sogenannte “religiöse” freimaurerische Obedienz auf ihren “Altären” die Bibel legt - bedeutet nichts, denn “Wenn die Hand des zu verpflichtenden Bruders bei der Aufnahme auf der Bibel liegt, so verplfichtet das den Bruder keineswegs auf den Inhalt der Bibel”, schreibt Enders; daher: “viele Logen ersetzen die Bibel durch ein Buch mit weißen Blättern”....
So ist die von Vakar beschriebene Anbetung Satans nur eine der Erscheinungen des inneren Wesens des Freimaurertums. Nur, wahrscheinlich die Maurer selber, “wissen nicht, was sie tun” - für viele von ihnen ist der Satan kein Träger des Bösen, sondern die “wahre Quelle des Lichtes und der Vernunft”... In diesem Zusammenhang könnte man sich daran erinnern, daß Satan auch den Namen Luzifer, “Lichtträger” hat (er hat die Fähigkeit, die Gestalt eines “lichttragenden Engels” anzunehmen). Eben dieses Licht geht während des Initiationsritus in den Freimaurer ein. Und dieses “Licht der Aufklärung” trägt das Freimaurertum von Anfang seines Wirkens an. Dieses “Licht” strahlt auch das Pentagramm, der fünfeckige “flammende” Stern aus, der “zu den allgemeingültigen Symbolen der Freimaurerei gehört”, mit der Tradition der Kabbala in Zusammenhang gebracht wird und auch mit dem “Siegel Salomonis, da der König es auf dem Grundstein des Tempels angebracht habe” - so führt das Freimaurerlexikon aus. (Vielleicht wurde das Pentagramm von den Bolschewiken unbedachterweise übernommen, aber die Symbolik der geistigen Verwandtschaft zwischen Freimaurertum und Kommunismus ist recht beeindruckend geworden: So prätendierten auch die Kommunisten auf die Errichtung eines ähnlichen “Tempels” - nämlich des Paradieses auf Erden...). Der bereits oben zitierte Kenner der freimaurerischen Symbolik bekräftigt, daß, so wie der fünfeckige, auch der sechseckige Stern (ebenfalls ein freimaurerisches mit Tempel Salomonis im Zusammenhang stehendes Symbol) gemeinsam eine wichtige Eigenschaft besitzen: sie strahlen “Licht” aus, was auf die altbabylonische Astrologie zurückgeht.
Einige Verteidiger des Freimaurertums geben zu, daß es darin satanistische Tendenzen gibt, aber sie schreiben das “nur solchen Logen zu, die deswegen auch einen Kampf gegen die Religion führen, die deswegen auch schreien ‘Nieder mit dem Gekreuzigten’, um ihre Religion und ihre Herrschaft aufrechtzuerhalten, denn ein Freimaurer von der hellen Seite wird nie so auftreten.... Wie man sehen kann, liegt der Unterschied zwischen “atheistischem” und “religiösem” Freimaurertum nur darin, daß das erstere direkt seine Negierung sowohl der geistigen Welt, als auch der christlichen Werte bekennt, während das letztere ein “positives” Programm aufweist, in dem es sich in der geistigen Welt ein anderes Anbetungsobjekt wählt und dabei behauptet, dies sei mit dem Christentum “wohl vereinbar”. Manchmal geschieht dies auf folgende Weise: “Wir sind Freidenker, ihr seid Gläubige... Als vom Forschungsgeist Besessene, sind wir Bedienstete des Satans. Ihr seid die Hüter der Wahrheit, die Diener Gottes. Diese zwei Meister ergänzen einander. Sie bedürfen einander....” - schrieb in seinem “Brief an den Heiligen Vater” der prominente Freimaurer A. Lantoine.
Leute, die die “Initiation” erhalten haben, zu überzeugen, ist jedoch sehr schwer: es ist als ob sie von irgend etwas verzaubert sind und in einem anderen System ethischer und ästhetischer Koordinaten leben (nicht einmal die Leichensymbolik schreckt sie ab). Das bestätigt auch Garder, der im Freimaurertum “so eine gewisse Atmosphäre wittert... es ist ein Traum, aber ein bewußter Traum” und “wenn Sie sich tatsächlich der Musik dieses Traums hingeben, den Sie erleben, dann verändert er irgend etwas in Ihnen”... 

Charakteristisch ist in diesem Zusammenhang die Apologie des Freimaurertums in der Broschüre von A. Klizovskij; schwerlich war sich der Autor bewußt, daß er seine Opponenten durch solche Argumente eher erschrecken als beruhigen konnte:
“Es ist wohl bekannt, daß der Freimaurerorden genauso wie die ihm im Geiste verwandte Lehre des Rosenkreuzerorderns, in Verbindung mit der Quelle des Lichtes, den Führern unseres Planeten, den Älteren Brüdern der Menschheit steht”. Ihr Ziel ist “das zukünftige irdische Paradies”, wobei “sogar die negativen Phänomene von den Großen Baumeistern der Welt, den Älteren Brüdern der Menschheit zu unserem Nutzen umgestaltet werden und zu etwas Positivem werden...” So “ist die der Natur eigene Grausamkeit jene Peitsche, die die Faulen und Schwachen antreibt. In dem menschlichen Königreich der Natur existieren die räuberischen Hechte auch dazu, um die zarten Karauschen zu nötigen, Aufmerksamkeit, Selbständigkeit und andere positive Qualitäten zu entwickeln, und wenn diese Eigenschaften voll entfaltet sind, dann besteht keine Notwendigkeit mehr für diese Peitsche....”. In der Welt findet die “Absonderung der reichen Früchte der menschlichen Evolution von den unreifen statt. Und während die reifen Früchte der menschlichen Evolution durch ihr höheres Bewußtsein das Licht spüren und zur Lichtquelle streben, sehen die unreifen dieses Licht nicht. Für die geistig reifen Menschen werden unsere Unsichtbaren Führer, die Älteren Brüder der Menschheit zur Realität, sie werden fühlbar und sogar sichtbar, aber für die in der Dunkelheit Verharrenden bleiben Sie Phantasien... V. Ivanov (Autor von freimaurer-gegnerischen Büchern, M.N.)... weiß um die Existenz auf der Erde unserer Führer, die auf unserem Planeten leben: die Älteren Brüder der Menschheit, aber er nennt sie... finstere satanische Mächte... Mit Leuten wie Ivanov haben wir nichts gemeinsam”. 

Bote 1992, 5 - 1992, 6
... In einer derart riesigen Organisation wie der YMCA gab es die verschiedensten Leute: Viele von ihnen bemühten sich aufrichtig, den orthodoxen Flüchtlingen zu helfen. Und es scheint, daß man eben der YMCA (vor allem ihrem amerikanischen Teil) den Grad freimaurerischen Einflusses zuschreiben muß, welchen die rechte Emigration übertriebenerweise den “Parisern” anlastete, nämlich: die “Infliltration”, die Durchdringung dieser Organisation mit Freimaurern, ohne daß sie sich als freimaurerisch erklärt hätte. Die Gründe für solch eine Mutmaßung kann man im folgenden sehen.

Erstens, handelt es sich bei der YMCA um eine ökumenische Organisation, welche auf die Glättung der Unterschiede zwischen den Konfessionen hinarbeitet, und die Freimaurer selber geben zu, daß die Idee des Ökumenismus “dem Freimaurertum nahesteht, weil sie die Idee des Universalismus beinhaltet”; daher war z.B. bei dem “Aufkommen der ökumenischen Kongresse das Engagement unserer angelsächsischen und skandinavischen Brüder entscheidend”20 .
Zweitens, war die YMCA von Anfang an eine vorwiegend protestantische Organisation, wobei nach Aussage der Freimaurer-Enzyklopädie “zwischen dem Protestantismus in seinen verschiedenen Formen und dem Freimaurertum niemals eine grundsätzliche Unvereinbarkeit bestand. Die Gründer des modernen spekulativen Freimauertums waren Anderson und Desaguliers, beide Pastoren”; nicht zufällig “ist in den Ländern mit protestantischem Übergewicht das Freimaurertum stark und tritt nirgends gegen die Kirche auf”, sondern sogar die Geistlichkeit “tritt in die Logen ein und fühlt sich dort prächtig”21 .
Drittens, kann man dasselbe auch von der Anglikanischen Kirche sagen, die mit der YMCA und den ökumenischen Bestrebungen der Jurisdiktion Metropolit Evlogijs gemeinsame Sache machte. Die katholische Enzyklopädie vermerkt die Logen-Mitgliedschaft “vieler Bischöfe der Angelikanischen Kirche” bis zum Erzbischof von Canterbury hinauf22. Und der Pariser “Bote der Union Russischer Logen” unterstreicht im Hinblick auf den Anglikanismus “seine enge Verbindung mit dem englischen Freimaurertum” und behauptet, daß “man das englische Freimaurertum nicht außerhalb vom Anglikanismus analysieren und betrachten darf”23 . So stand der Aktivität der Freimaurer in der YMCA nichts im Wege.
Und viertens, erachtete es das Freimaurer-Lexikon (1932) für nötig, einen lobenden Artikel über die YMCA mit einzubauen. Dort wird zwar die “ freimaurerische Abhängigkeit” der YMCA geleugnet (was man übrigens verschieden auslegen kann), aber es wird “eine gewisse Arbeitsgemeinschaft zwischen YMCA und Freimaurern” im charitativen Bereich in den Jahren des Ersten Weltkrieges zugegeben: die Freimaurer aus der Großloge von New York “unterstützten... mit den gesammelten Mitteln die Einrichtungen der YMCA”.24 

Der YMCA wurden nicht nur von der Russischen Auslandskirche freimaurerische Tendenzen zugeschrieben: “... dieser Organisation als einer freimaurerischen standen auch die Römisch-Katholische, die Bulgarische und die Rumänische Orthodoxe Kirche ablehnend gegenüber”25 , vermerkt eines der synodalen Sendschreiben. Schließlich ist es unwesentlich, ob die YMCA freimaurerisch war oder nur “dem Geiste nach mit den Freimaurern verwandt war”, wichtig ist, daß ihre Politik auf die Förderung des religiösen Liberalismus ausgerichtet war - das war das Hauptsächliche, was dem rechten Flügel mißfiel, den andererseits jedoch die von dieser Organisation zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel durchaus nicht störten.
Wahrscheinlich deshalb kann man auch in der Einschätzung der Hierarchen der Russischen Auslandskirche - bei all ihrer Kompromisslosigkeit - der Beziehungen zur YMCA einige Differenzen sehen. So, gleich nachdem 1926 das Bischofskonzil der Jugend der “Russischen Christlichen Studenten Bewegung” (RSChD) die Zusammenarbeit mit der YMCA und der YWCA verboten hatte und wiederholt ihre Organisationen als “eindeutig freimaurerisch und antichristlich” eingestuft hatte, schrieb Metropolit Antonij and die RSChD, daß er diese Entscheidung angefochten hatte, aber da sie konziliar getroffen wurde, sie für ihn verpflichtend war. Dennoch hat sie “keinerlei einengenden Charakter, weder in den Beziehungen zu den orthodoxen Studenten, noch in den Beziehungen zu dem Vorstand des Bundes YMCA”. Denn das Konzil “verbot seinen Gläubigen nicht die Mitgliedschaft bei dem Bund YMCA, sondern wollte nur nicht, daß sie unter seiner geistigen Führung stehen”, fuhr Metropolit Antonij fort. Das Konzil “untersagte nicht die Mitarbeit bei seinen Verlagen, mit denen ich selbst zusammengearbeitet habe, da ich in den letzten 4-5 Jahren dort keinerlei antiorthodoxe Propaganda begegnete, weder in den Ausgaben des Bundes, noch in dem von ihm subventionierten Pariser Theologischen Institut.” Die Leiter der YMCA, G.G. Kulman, Lauri u.a. wurden von Metrpolit Antonij als “Freunde der Orthodoxen Kirche und des orthodoxen Glaubens, deren Einfluß auf die russischen Studenten für uns nur begrüßt werden kann”, charakterisiert. Und das Verbot des Konzils sei dadurch zu erklären, daß seinen Gliedern die in der YMCA seit 1921 vonstatten gegangene “bedeutsame Entwicklung” kaum bekannt war, doch Metropolit Antonij “konnte seine Überzeugung seinen Bruder-Bischöfen nicht aufzwingen”26.
Der Erzbischof Mefodij von Charbin schrieb damals über die YMCA etwa das selbe: “Es besteht eine Meinung, daß dieser Bund ein Zweig der Freimaurerei sei. Wir sind anderer Ansicht”, obwohl “das Emblem einer der mächtigsten Sektionen dieses Bundes, nämlich der amerikanischen, ein Dreieck mit der Spitze nach unten ist, was zum Nachdenken anregt... Dort ist nicht das Symbol des Christentums, das Kreuz, sondern auffallenderweise das Symbol des Juden-Freimaurertums zu sehen”. Selbstverständlich “können die Mitglieder des Bundes persönlich von den besten Absichten bewegt sein, aber die religiöse Ideologie des Bundes ist zu weit von der Orthodoxie entfernt, als daß echte Beziehungen entstehen könnten... Diese Organisation, die keinen Unterschied zwischen der Vielheit der Religionen und Sekten macht, konnte der Herausbildung einer orthodoxen Weltanschauung bei der russischen Jugend nicht förderlich sein.” Aber der umgekehrte Einfluß ist begrüßenswert: “Unter Bewahrung ihrer Heiligkeit und Unversehrtheit... muß die Orthodoxe Kirche dieser Bewegung entgegen gehen”, und ihr die orthodoxe Wahrheit erschließen27 (worum sich die Pariser Russ.Chr.Stud.Bew. auch bemühte). Zu bemerken ist, daß das Charbiner Theologische Institut, das in der Jurisdiktion der Russischen Auslandskirche lag, auch finazielle Unterstützung von der YMCA bekam.28
Der größte Einfluß der amerikanischen YMCA ist bei den außerkirchlichen Unternehmen N. Berdjajews (Religionsphilosophische Akademie, Zeitschrift “Putj” und Verlag “YMCA-Press”) festzustellen. Und in der Stellung Berdjajews zur Freimaurerei kann man, nach seinem Artikel in “Put’” zu schließen, rechtfertigende Züge sehen: er bemerkt, daß die Freimaurerei verschiedenartig ist (was stimmt), und daß sie sogar auf “den Triumph des Christentums in der Welt” gerichtet sein kann (dem kann man nicht zustimmen: für das Christentum genügt die Lehre Christi; darüberhinaus ist das Beispiel Joseph de Mestre, über den Berdjajew schreibt, für das Freimaurertum nicht typisch).
Dieser Artikel Berdjajews erschien 1926, gerade zum Zeitpunkt der Zuspitzung der freimauerfeindlichen Beschuldigungen seitens der Russischen Auslandskirche. Es ist offensichtlichlich, daß er die Furcht vor dem Freimaurertum verringern und “die finstere Legende” über die freimaurerische Weltverschwörung zertrümmern wollte. Aber es scheint, mit seinen nicht ganz logischen Argumenten goß er nur noch Öl ins Feuer. Die wichtigste seiner Unlogiken erwähnten wir bereits: Indem er richtig sagte, daß die Kräfte des Bösen in der Welt auf vielfältige Weise wirken und nicht unbedingt organisiert sein müssen, übersah er, daß diese Wege eben vielfältig sein können, darunter durchaus auch organisiert. Außerdem weiß man nicht, aus welchen Gründen er behauptete, daß es nicht die Freimaurerei sei, die sich aller Parteien zur Erreichung ihrer Ziele bediene, sondern umgekehrt: des Freimaurertums bedienen sich alle Kräfte, Organisationen, Parteien “zur Verwirklichung ihrer Ziele, ebenso der bösen, wie machmal auch der guten”. Er erinnerte auch, daß wenn in den katholischen Ländern, “in Frankreich und Italien, die Freimaurerei vorallem antikirchlichen und antichristlichen Charakter trägt”, so “hat die Freimaurerei in Amerika und England vorwiegend protestantisch-christlichen Charakter, es gibt sogar Bischöfe unter den Freimaurern”29 (hier handelt es sich offensichtlich um eine Anspielung darauf, daß die “Pariser” es in der Hauptsache mit der amerikanischen YMCA und der Anglikanischen Kirche zu tun hatten).
Auf derartige Argumente entgegnete das Bischofskonzil der Russischen Auslandskirche: “Sehr häufig hört man Aussagen, als gäbe es ein ‘gutes’ und ein ‘böses’ Freimaurertum, doch in den Reden und Schriften der angesehenen Freimaurer treffen wir ständig Hinweise auf die Einheit des weltweiten Freimaurertums, ungeachtet des darin vorhandenen Zwistes...”30
Auf jeden Fall ist es nicht verwunderlich in Anbetracht des religiösen Liberalismus der YMCA, daß diese Organisation im russischen Exil liberalere Strömungen anregte. So schreibt der Gründer der Jugendorganisation “Vitjazi” N.F. Fedorov in seinen Memoiren, daß die amerikanische Spitze der YMCA “die ganze Aktion der russischen Arbeit in Frankreich, und wohl auch in Europa der Russischen Christlichen Studenten Bewegung übergab”, deren Führern die “nationale Tendenz der Erziehung fremd war... sowie die Traditionen der Russischen Zarenarmee, was wir in gewissem Umfang von Anfang an in unser Progamm aufgenommen haben, um das nationale Gefühl in der Jugend zu kräftigen, - all dies war ihnen nämlich dem Geiste nach fremnd und sogar unangenehm”, insofern sie bis zu einem gewissen Grade Anhänger der Februarrevolution geblieben waren. “Ich möchte nichts Schlechtes über diese Leute sagen. Sie hatten ihre Überzeugung, aber uns... die wir zwei Revolutionen erlebt hatten und den Wert ihrer Führer konkret kannten: sie waren uns mehr als fremd. Noch waren die Wunden nicht verheilt...”31
Daher waren die damals verbreiteten Gerüchte auch nicht verwunderlich, daß die YMCA den “Parisern” Unterstützung leistete - und zwar unter der Bedingung ihrer Weigerung der Unterordnung dem “reaktionären” Synod der Auslandskirche. Diese Bedingung scheint nicht so gänzlich unannehmbar gewesen zu sein: im Gegenteil, nur dies sicherte den “Parisern” die Freiheit ihres Schaffens im Theologischen Institut. Eine Grenze zu ziehen zwischen dem freimaurerischen Einfluß und dem eigenen Liberalismus der “Pariser” in denen oder jenen Entscheidungen, ist jedoch sehr schwer und wohl auch gar nicht so wichtig.
Vielleicht hat die Aktualität dieses Problems deshalb auch allmählich abgenommen. 1932 wird in dem “Anti-Freimaurer”-Sendschreiben des Auslandsrussischen Bischofskonzils die YMCA unter der Zahl der Organisationen genannt, die dem Freimaurertum nur “dem Geist und der Tendenz nach verwandt” sind. Auf dem Zweiten Gesamtkonzil der Auslandskirche 1938, wo viel von der Freimaurerei gesprochen wurde, war fast keine Rede von der YMCA. Und 1949 im Zusammenhang mit der Schaffung einer “selbständigen Russischen Christlichen Union junger Leute (d.h. russischer YMCA - M.N. ) tauchte sogar die Frage der Revidierung des Verhältnisses der Kirche zu dieser Union auf - entsprechend dem in den Prinzipien ihrer Aktivtät eingetretenen Wandel”, insofern in der Resolution der ersten Konferenz der Union als Ziel genannt wurde: “die Entfaltung der Arbeit der Christlichen Union Junger Leute im russisch-nationalen Geist und in der Treue zur Heiligen Orthodoxie”. Auf der Konferenz war Bischof Nafanail (L’vov) zugegen, der “einen angenehmen Eindruck von der Atmosphäre mitnahm... gleichzeitig wurde ein Brief an Metropolit Anastasij gesandt, in dem die Konferenz erklärte, daß ‘die Arbeit in voller Übereinstimmung mit der Lehre der Orthodoxen Kirche durchgeführt wird’...”32 Daher bestimmte im Jahre 1949 der Bischofsynod unter dem Vorsitz von Metropolit Anastasij, “den Gläubigen der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland die Teilnahme an der Russisch-Christlichen Union Junger Leute zu gestatten... und als geistlichen Leiter der Russisch-Christlichen Union Junger Leute den hochgeweihten Nafanail zu ernennen”33 .
Allerdings, mit den “Parisern” stand diese Union nicht in Beziehung: es waren die Flüchtlinge (darunter NTS) in den Nachkriegslagern für deplaced persons in Deutschland, welche sich um Hilfe von der YMCA bemühten... Und 1951 schrieb derselbe Bischof Nafanail, als er nach Paris kam, anders: “In meiner Diözesanarbeit in Frankreich stieß ich auf die äußerst unfreundliche Haltung der YMCA unserer Russischen Auslandskirche gegenüber. All dies gibt mir Anlaß zu der Meinung, daß unsere Versuche, einen kirchlichen Einfluß auch nur auf einen Teilzweig der YMCA auszuüben, falsch waren, und wie schmerzhaft auch die Rückkehr zu der streng-kompromißlosen Haltung des Konzils von 1932 hinsichtlich der YMCA sein mag, so ist es doch der einzige moralisch unvermeidliche Weg, während eine Milderung dieser Position, für die ich 1949 eintrat, nicht wünschenswert ist, zu Versuchunen führen könnte und die Gefahr birgt, den jungen Seelen großen Schaden zuzufügen”34.
Aber auch in Paris gab es Veränderungen. 1958 klagte der nach “rechts” gerückte A.V. Karta¡sev dem Erzpriester Mitrofan Znosko-Borovskij, einem Priester der Auslandskirche:
“... Sie haben keine Ahnung von der schrecklichen geistigen Verknechtung des russisch-orthodoxen Gelehrten, auch hier, im Ausland. Schwer ist unser Weg. Es heißt: ‘Geld stinkt nicht’. Das stimmt nicht. Es stinkt nicht nur, sondern in ihm verbirgt sich auch ein schreckliches Gift. Nehmen Sie z.B. unsere Pariser Geistliche Akademie, ihre Studenten... Stets sage ich ihnen, daß die Geschichte und das Leben sie noch einer Prüfung unterwerfen wird; später im freien Rußland wird die Mutter Kirche sie fragen “was glaubst du” und Sie können sicher sein, sie werden diese Prüfung nicht bestehen. Stellen Sie sich vor, wenn ich ihnen in meinen Vorträgen vom Heiligen Rußland spreche, lachen sie, für sie ist das eine Legende, ein leeres Gerede... Vor Ihnen liegt mein vielbändiges Werk “Geschichte der Russischen Kirche”... Wenn Sie wollen, ist dies die Rechtfertigung meines Lebens und mein letztes Wort vor dem Tod an die Mutter, die Russische Kirche. Das Werk ist druckfertig, aber ich kann es nicht herausgeben. Der Verlag YMCA-Press fordert einen zu hohen Preis. Sie verlangen die Überarbeitung einiger Geschichtsperioden, etwas auszumerzen, etwas zu ändern. Anders gesagt, ich soll das leugnen, was so wichtig und wesentlich in der Geschichte unserer Kirche und im Leben unseres Volkes ist. Was habe ich nicht alles durchgemacht - so fuhr der Professor fort -, als ich mich um die Herausgabe meines Buches ‘Wiederherstellung des Heiligen Rußland’ bemühte. Auch damals forderte die YMCA-Press viele Textänderungen. Ich machte Konzessionen, einiges änderte ich, doch sie forderten immer wieder neue Änderungen, womit ich mich einfach nicht einverstanden erklären konnte, und so wäre das Buch eben nicht veröffentlicht worden, wenn nicht mein dankbarer Schüler, der jetzige Bischof Silvester die Verhandlungen auf sich genommen hätte.” (Das Buch erschien 1956 als “Ausgabe eines Sonder-Komittees” under dem Vorsitz von Bischof Silvester, dem Exarch des Ökumenischen Patriarchen; zwei Bände der “Skizzen zur Geschichte der Russischen Kirche”, deren Ausführungen bis zum Beginn des 19. Jh. reichen, wurden 1959 von der YMCA-Press herausgegeben).
Die Beanstandungen des Verlages in bezug auf “Wiederherstellung des Heiligen Rußland” lagen offensichtlich und in der Tat in dem unterschiedlichen Verständnis der Wechselbeziehungen zwischen christlich und national; aber auch in der Mißbilligung des Aufrufs von Karta¡sev zur “Abgrenzung von der anationalen Emigration” (s. das gleichlautende Kapitel in dem Buch und seine Beurteilung in den USA. Wie schon gesagt, war dies eine schmerzliche Frage in “ökumenischen” Pariser Kreisen, und hier sind nicht unbedingt die ausländischen Gelder und die Freimaurer schuld. Karta¡sev selber schrieb 1950 einen Jubiläumsartikel zum 30-jährigen Bestehen der YMCA-Press (herausgegeben 1955), mit großer Dankbarkeit an die amerikanischen Freunde...
Über das weitere teilt der jetzige Leiter der YMCA-Press Struve mit, daß in den “50-er Jahren in der zentralen amerikanischen YMCA ein Generationenwechsel stattgefunden hatte, und für die neuen Leute an der Spitze der Organisation war die russische Sache - gar noch von religiös-philosophischer Ordnung - wenig verständlich, fremd und nicht mehr aktuell”. Und mit dem Tode des Gründers des Verlages YMCA-Press P. Anderson anfangs der 80-er Jahre “zerbrach endgültig jegliche Verbindung mit der amerikanischen YMCA”
Noch weniger lohnt es sich, heute eine “Verbindung der Pariser zur Freimauerei” zu suchen, insofern als die Rolle der Freimaurerei in der Welt sich seitdem gewandelt hat; besser nach den Früchten zu urteilen, und in diesem Zusammenhang z.B. waren die Artikel über die jüdische Frage in dem Pariser “Vestnik RSChD” bemerkenswert und nützlich. 

In der Nachkriegszeit im Zusammenhang mit der Überwindung des überflüssigen Modernismus durch die Pariser und ihrer Entwicklung nach rechts scheinen neue Meinungsverschiedenheiten theologischen Chrarakters zwischen Paris und der Auslandskirche nicht mehr aufgetaucht zu sein. Die Lehre des Erzpriesters Sergej Bulgakov fand keine Nachfolger. Es blieb nur die Nachwirkung der alten kirchen-politischen Streitigkeiten übrig, die sich von Zeit zu Zeit verschärften, insofern die nicht überwundene Vergangenheit entweder Rechtfertigung oder Reue fordert, und diese fällt auch Geistlichen nicht leicht. Dieses “Trägheitsmoment” war stark genug, um auch in den 1970-er Jahren den Versöhnungaufruf Sol¡zenizyns zum Scheitern zu verurteilen.

M. Nazarow

Bote 1992, 3

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