Samstag, 14. Dezember 2013

Birefe vom Märtyrer Alexander Schmorell

Liebe Eltern!                                                    München, 1 Mai 1943
Viel Neues kann ich euch ja nicht schreiben, ein Tag ist bei uns wie der andere und die Zeit vergeht sehr schnell. Lieber Vater, liebe Mutter, wenn ich jetzt sterben muss, so müsst ihr wissen, dass ich vor dem Tode keine Angst habe - nein, deshalb dürft ihr euch keinen Kummer machen -, ich weiß doch, dass ein schöneres Leben uns erwartet und uns alle wieder zusammenführt. Was mir schwer fällt, ist, dass ich mich von euch allen trennen muss, von euch allen, die ich so geliebt habe, und die ihr mich so geliebt habt! Wie ich euch alle geliebt habe, spüre ich erst jetzt bei der Trennung, wo ich euch alle verlieren soll. Versucht den Schmerz des Verlustes zu überwinden, vergesst nicht, dass es ein Schicksal gibt, dass dieses mir kein längeres Leben vorgesehen hatte und dass es deshalb so kommen musste. Und gegen den Willen Gottes geschieht nichts.
Grüßt alle, alle herzlichst von mir! Es umarmt und küsst euch viele, viele Male
Euer Schurik

München, 30 Mai 1943

Meine lieben Eltern!

Neues kann ich euch von hier nicht berichten, alles ist beim Alten. Aber einiges möchte ich euch noch sagen, damit ihr euer Leid etwas leichter tragt. Sollte die Begnadigung abgelehnt werden, so bedenkt doch, dass "Tod" nicht das Ende jeden Lebens bedeutet, sondern eigentlich im Gegenteil - Geburt, Übergang zu einem neuen Leben, einem herrlichen und ewig dauernden Leben! Der Tod ist also nichts Schreckliches. Hart und schwer ist die Trennung. Aber sie wird weniger hart und schwer bei dem Gedanken, dass wir uns ja nicht für ewig trennen, sondern nur für eine Zeit lang - wie für eine Reise - um uns dann für immer und ewig zu treffen, in einem Leben, das unendlich schöner ist als das jetzige, und dass es dann für das Zusammensein kein Ende gibt. Bedenkt das alles, dann wird euch die Last bestimmt leichter werden! Es umarmt und küsst euch
Euer Schurik

München, 18 Juni 1943

Meine lieben Eltern!
Von mir kann ich euch nichts Neues berichten. - Ich selber bin gesund und guter Stimmung. Ich habe neulich in einem sehr guten und bedeutenden Buch eine Stelle gelesen, die sehr gut zu euch passt: "Je größer die Tragik des Lebens, desto stärker muss der Glaube sein, je größer die Gottverlassenheit zu sein scheint, desto zuversichtlicher müssen wir unsere Seele in Gottes Vaterhände befehlen." Und der heilige Abt Theodor von Byzanz schreibt: "Darum habe ich Gott ob dem Unglück gedankt und mich völlig unter die unerforschlichen Gerichte seiner Vorsehung gebeugt, die schon von Grundlegung der Welt Zeit und Ort des Todes für jeden Menschen in zuträglicher Weise vorausgesehen hat." Es ist ungefähr dasselbe, was ich euch von mir aus schon geschrieben habe. Es würde mich sehr freuen, wenn ihr genau so dächtet, das würde euch viel Trauer und Leid nehmen. Aber ich bin ja noch gar nicht gestorben - also betet und verliert die Hoffnung nicht!
Es grüßt alle herzlichst
Euer Schurik

(An die Schwester)
München, 2 Juli 1943

Meine liebe, liebe Natascha!
Du hast die Briefe, die ich an die Eltern geschrieben habe, sicher gelesen; so dass du ziemlich Bescheid weißt. Es wird dich vielleicht wundern, wenn ich dir schreibe, dass ich innerlich von Tag zu Tag ruhiger werde, ja sogar froh und fröhlich, dass meine Stimmung meistens besser ist, als sie es früher in der Freiheit war! Woher das kommt? Das will ich dir gleich erzählen: Dieses ganze harte "Unglück" war notwendig, um mich auf den wahren Weg zu bringen - und deshalb war es eigentlich gar kein Unglück. Vor allem bin ich froh und danke. Gott dafür, dass es mir gegeben war, diesen Fingerzeig Gottes zu verstehen und dadurch auf den rechten Weg zu gelangen. Denn was wusste ich bisher vom Glauben, vom wahren, tiefen Glauben, von der Wahrheit, der letzten und einzigen, von Gott? Sehr wenig! - Jetzt aber bin ich so weit, dass ich auch in meiner jetzigen Lage froh und ruhig, zuversichtlich bin - mag kommen, was da wolle. Ich hoffe, dass auch ihr eine ähnliche Entwicklung durchgemacht habt und dass ihr mit mir zusammen - nach den tiefen Schmerzen der Trennung - auf dem Standpunkt angelangt seid, wo ihr für alles Gott dankt. - Dies ganze Unglück war notwendig, um mir die Augen zu öffnen - doch nicht nur mir, sondern uns allen, all denen, die es getroffen hat - auch unsere Familie.
Hoffentlich habt auch ihr den Fingerzeig Gottes richtig verstanden. Grüße alle herzlichst, besonders sei aber du gegrüßt von deinem
Schurik

München, den 13. Juli 1943

Meine lieben Vater und Mutter!
Nun hat es doch nicht anders sein sollen, und nach dem Willen Gottes soll ich heute mein irdisches Leben abschließen, um in ein anderes einzugehen, das niemals enden wird und in dem wir uns alle wieder treffen werden. Dies Wiedersehen sei euer Trost und eure Hoffnung. Für euch ist dieser Schlag leider schwerer als für mich, denn ich gehe hinüber in dem Bewusstsein, meiner tiefen Überzeugung und der Wahrheit gedient zu haben. Dies alles lässt mich mit ruhigem Gewissen der nahen Todesstunde entgegensehen. Denkt an die Millionen von jungen Menschen, die draußen im Felde ihr Leben lassen - ihr Los ist auch das meinige. Grüßt alle meine lieben Bekannten herzlichst! Besonders aber Natascha, Erich, Njanja, Tante Toni, Maria, Aljenuschka und Andrej. In wenigen Stunden werde ich im besseren Leben sein, bei meiner Mutter, und ich werde euch nicht vergessen, werde bei Gott um Trost und Ruhe für euch bitten. Und werde auf euch warten! Eins vor allem lege ich euch ans Herz: Vergesst Gott nicht!!!
Euer Schurik
Mit mir geht Prof. Huber, von dem ich Euch herzlichst grüßen soll!

Quellennachweis:
Gollwitzer, Helmut (Hrsg.), "Du hast mich heimgesucht bei Nacht", Gütersloher Verlagshaus Mohn, 1985

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