Dienstag, 10. Dezember 2013

Der Mensch – eine Ikone Gottes, Die Ikone – ein Abbild des vergöttlichten Menschen (Teil 1)


Gebet:
„Vor deinem allreinen Bilde fallen wir nieder, o Gütiger, und bitten um die Vergebung unserer Sünden, Christus, o Gott, denn freiwillig geruhtest Du, Dich auf das Kreuz zu erheben, um aus der Knechtschaft des Widersachers zu erlösen, die Du erschaffen hast. Deshalb rufen wir dankbar zu Dir: Mit Freude hast Du das All erfüllt, unser Heiland, der Du gekommen bist, die Welt zu erlösen.“

Einführung
„Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht.“ (Joh 1,18) Die Ikonenverehrung stellt eines der grundlegenden Merkmale der Orthodoxie dar. So eng stehen Ikone und Orthodoxie zueinander, dass wir am ersten Sonntag der großen Fastenzeit, auch Sonntag der Orthodoxie genannt, der Entscheidung der Kirchenväter hinsichtlich der Verehrung der heiligen Ikonen in der Kirche gedenken. 
Diese enge Beziehung zwischen Ikone und Orthodoxie berücksichtigend können wir schon voraussehen, dass die Ikone in der Orthodoxen Kirche nicht nur eine künstlerische, historische Bedeutung hat und dass ihre Rolle nicht nur anamnetisch und katechetisch zu empfinden ist, sondern dass die Ikonenfrage ein klares Identitätsmerkmal der Orthodoxie darstellt. Indem sie Bilder aus dem Leben Jesu Christi oder der Märtyrer malten, haben Christen von Anfang an mancheWahrheiten ihres Glaubens mit Hilfe der Symbole dargestellt. Da die christliche Liturgie sich aus dem synagogalen Kultus des Alten Testaments entwickelte, wurde auch die Legitimität dieser Freskendarstellungen in Frage gestellt.

War es ihnen gestattet Ikonen zu malen ohne dem alttestamentlichem Gebot zu widersprechen: „Du sollst dir kein Gottesbild machen und keine Darstellung von irgendetwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde“ ? Selbstverständlich untersagt dieses Gebot die Verehrung von Götzen und das Erschaffen von falschen Göttern, denen man später die Verehrung, die nur dem einen und wahrhaftigen Gott gezollt werden kann, bringen würde. Auf der anderen Seite ist Gott selbst derjenige, der Moses bei der Fertigung der Tücher für das Heiligtum befiehlt, Kerubimfiguren zu gestalten: „Die Wohnstätte sollst du aus zehn Zelttüchern herstellen; aus gezwirntem Byssus, violettem und rotem Purpur und Karmesin mit Kerubim sollst du sie machen, wie es ein Kunstweber macht“ . Der strittige Punkt stand für die Christen mit der Abbildung Gottes in enger Verbindung. Der unsichtbare Gott, der niemals von jemandem gesehen worden war, kann nicht dargestellt werden. Dieses wurde im Alten Testament untersagt und galt weiterhin als eine selbstverständliche Unmöglichkeit, so dass jeder Versuch einer Ikonendarstellung des unsichtbaren Gottes mit Sicherheit gescheitert wäre. Der unsichtbare, unfassbare, unnahbare, von menschlicher Vernunft und Verstand nicht begreifbare Gott konnte einfach nicht dargestellt werden. 

Trotzdem nahm eine Person der Heiligen Dreifaltigkeit, nämlich der Sohn, als „die Zeit erfüllt war“ , menschliches Fleisch an und wurde uns gleich. Er kam in die Geschichte, wurde sichtbar und verkehrte mit den Menschen, nahm alles Menschliche an außer der Sünde. In seiner
menschlichen Hypostase hat sich Gott offenbart: Der Unsichtbare wurde sichtbar, der Unfassbare ließ sich in einer konkreten Person umschreiben, der Unerreichbare kam in engste Nähe zum Menschen.
Das göttliche Wesen ist den Menschen weiterhin unbekannt geblieben, aber in der Person Jesu Christi hat sich Gott dem Menschen offenbart, soweit dieser es verkraften konnte. Für die Erkennung Gottes und für das Begreifen der göttlichen Dreifaltigkeit haben wir Menschen nur einen Schlüssel: Gott den Vater erkennen wir durch den Sohn: „Wer mich sieht, sieht den, der mich gesandt hat“ und „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“ , und den Sohn durch den Heiligen Geist: „Keiner kann sagen: Jesus ist der Herr!, wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet“ . Folglich können wir nicht etwas darstellen, was wir nicht kennen, aber wir können veranschaulichen, wir können in Bildern das darstellen, was uns enthüllt wurde: die Mensch gewordene Person des Sohnes Gottes . So können wir die Geburt des Sohnes aus dem Vater vor der Ewigkeit nicht darstellen, wir können aber seine menschliche Geburt aus der Jungfrau Maria abbilden . Diese Tatsache wird im Kondakion des Sonntags der Orthodoxie in ihrer vollen Klarheit vorgeführt und erweist sich als eine echte dogmatische Grundlage der Ikonenverehrung.

„Das unbeschreibliche Wort des Vaters wurde beschreibbar durch die Fleischwerdung aus dir, Allheilige Gottesgebärerin; und das befleckte Abbild hat er in seiner ursprünglichen Würde wiederhergestellt, indem er es mit der göttlichen Schönheit vermischte. Und das Heil gestehend, stellen wir es in Werk und Wort dar.“
Während das Abbilden Gottes des Vaters, den niemand je gesehen hat, unmöglich ist, würde die Ablehnung der Abbildung Christi eine Verneinung seiner menschlichen Hypostase bzw. der echten Menschlichkeit Jesu bedeuten, das automatisch zu einer Widerlegung des Heilmysteriums des Menschen in Christus führen würde. Der Heilige Geist, die dritte Person der Heiligen Dreifaltigkeit, wurde nur in den Gestalten, worin er aufgetreten ist, dargestellt: in der Gestalt einer Taube, bei der Taufe Jesu im Jordan und als Feuerzungen an Pfingsten.

Der Mensch – ein Abbild Gottes
„Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich.“
(Gen 1,26)
Bei einer aufmerksamen Lektüre des Alten Testaments stellen wir
fest, dass die erste Ikone (Abbild) Gottes von Gott selber geschmiedet
wurde, und zwar als er den Menschen als Krönung seiner Schöpfung
schuf. Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser
Abbild (gr. κατεκόνα), uns ähnlich. Sie sollen herrschen über die
Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über
die ganze Erde und über alle Kriechtiere auf dem Land. Gott schuf also
den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als
Mann und Frau schuf er sie . Gemeint ist nicht ein gemaltes Abbild,
sondern eine lebende Ikone, nach dem Antlitz des lebendigen Gottes,
der Gott, außer dem Geschenk des Lebens, auch den Lebensatem
einblies, Atem aus seinem eigenen Atem, einen Atem, der den
Menschen befähigt, außer seines biologischen Lebens auch ein
geistliches und vernünftiges Leben zu führen.
Den Ausgangspunkt für die Theologie des Abbildes (der Ikone)
Gottes bildet für die Kirchenväter die Lehre des heiligen Apostels
Paulus, der Christus als Abbild/Ikone Gottes betrachtet. Eine
Zusammenfassung dieser Lehre des Paulus finden wir im ersten Kapitel
des Kolosserbriefes. Von großer Bedeutung ist hier, dass sie nicht als
eine persönliche Meinung des Apostels dargestellt wird, sondern als
eine liturgische Hymne der frühchristlichen Gemeinde : Er ist das
Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen
Schöpfung. Denn in ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf
Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, Throne und Herrschaften,
Mächte und Gewalten; alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen. Er
ist vor aller Schöpfung, in ihm hat alles Bestand. Er ist das Haupt des
Leibes, der Leib aber ist die Kirche. Er ist der Ursprung, der
Erstgeborene der Toten; so hat er in allem den Vorrang . Diese
Dimension des Begriffes Abbild wird im 15. Kapitel seines ersten
Korintherbriefes vervollständigt, wo der Apostel den ersten Adam als
den irdischen, den natürlichen, parallel zum letzten Adam als den
lebendig machenden Geist und den himmlischen darstellt. Er zeigt, dass
der Mensch es nötig hat, dass Abbild des himmlischen Menschen,
also das Abbild Christi zu tragen, um zu seiner Erfüllung zu gelangen
und sich seiner Berufung würdig zu erweisen: So steht es auch in der
Schrift: Adam, der Erste Mensch, wurde ein irdisches Lebewesen. Der
Letzte Adam wurde lebendig machender Geist. Aber zuerst kommt nicht
das Überirdische; zuerst kommt das Irdische, dann das Überirdische.
Der erste Mensch stammt von der Erde und ist Erde; der Zweite
Mensch stammt vom Himmel. Wie der von der Erde irdisch war, so
sind es auch seine Nachfahren. Und wie der vom Himmel himmlisch
ist, so sind es auch seine Nachfahren. Wie wir nach dem Bild des
Irdischen gestaltet wurden, so werden wir auch nach dem Bild des
Himmlischen gestaltet werden . Mit anderen Worten ist der
vollkommene Mensch bzw. der Heilige ein Abbild, eine Ikone Christi,
eine menschliche Person, in der sich Christus widerspiegelt, denn wir
alle sind berufen zur Einheit im Glauben und in der Erkenntnis des
Sohnes Gottes zu gelangen, damit wir zum vollkommenen Menschen
werden und Christus in seiner vollendeten Gestalt darstellen . Nur
dann verlässt der Mensch, gemäß der Vorstellung des heiligen Paulus,
die Stufe seiner geistlichen Kindheit, die geistliche Unmündigkeit ,
wenn er sich in allem mit Christus identifiziert. Für ihn stimmt das
menschliche Erwachsensein mit dessen Christogenese überein .
Kirchenväter wie Irenäus, Klemens von Alexandrien, Athanasius
der Große, Gregor von Nyssa, Maximus der Bekenner, Gregor Palamas
und Theologen wie Origenes übernahmen die Lehre des heiligen
Apostels Paulus und entwickelten sie weiter, indem sie die Paulinische
Thematik Christus Abbild Gottes mit der Thematik der Schöpfung
der Mensch nach dem Abbild Gottes in Verbindung brachten. Es
gelang ihnen zu klären, dass Christus, der Mensch gewordene Logos,
der Archetyp des Menschen ist. Christus ist das Abbild Gottes, und der
Mensch ist das Abbild Christi; folglich ist der Mensch Abbild des
Abbildes . Obwohl wir als Untergeordnete der zeitlichen Realität eher
geneigt sind zu denken, dass während der Schöpfung Adams Christus
historisch nicht existierte, müssen wir die Tatsache in Betracht ziehen,
dass in der übernatürlichen Wirklichkeit Gottes Christus das Ebenbild
des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung ist .
Wenn also der Mensch, für den die ganze materielle Schöpfung
geschaffen wurde, als letzter von allen Geschöpfen zur Existenz
gebracht wurde, dann ist es nur logisch, dass Christus, der als Ziel der
ganzen materiellen und geistigen Schöpfung gilt, Adam zeitlich
nachgeordnet ist, soweit alle Dinge vom Unvollkommenen zur
Vollkommenheit geführt werden . Die Tatsache, dass Gott den
Menschen nach seinem Abbild geschaffen hat, bedeutet folglich, dass
er ihn eben deswegen so geschaffen hat, damit dieser auf natürliche
Weise bzw. durch seine eigene menschliche Natur nach dem, der sein
Göttliches Urbild ist, streben soll. Dies bedeutet, dass der ganze
Mensch mit Leib und Seele nach dem Abbild Gottes geschaffen worden
ist. Das menschliche Wesen in seiner Ganzheit ist nach dem Abbild
Gottes geschaffen worden und stellt ein Abbild Gottes dar .
Wir sollten uns erinnern, dass in der heiligen Schrift gerade im
Buch Genesis eine Unterscheidung zwischen dem Abbild Gottes und
der Gottähnlichkeit vorgenommen wird. Die kirchliche Überlieferung
hat seit langem geklärt, dass man durch den ersten Begriff etwas
aktuelles, ein ontologisches Geschenk Gottes und die geistige
Grundlage eines jeden Menschen verstehen sollte. Der zweite aber weist
auf eine potenzielle Wirklichkeit hin, auf die Fähigkeit der geistigen
Vervollkommnung, auf die Möglichkeit der Verkörperung des Abbildes
Gottes im Leben des Menschen, was die höchste Verwirklichung dieses
Abbildes bedeutet. Diese Verwirklichung der Ähnlichkeit, anders
gesagt die Vergöttlichung des Menschen, bedeutet das Geprägtwerden
des Menschen durch die Vollkommenheit Gottes, ohne dass irgendeine
Verschmelzung mit ihm stattfindet. Das Abbild findet in der
Vergöttlichung seine Erfüllung als maximale Ähnlichkeit mit Gott.
Indem der Mensch das Abbild Gottes in sich hat und seine Ikone ist,
trägt er die Spannung der Vergöttlichung in sich. Als Abbild Gottes
geschaffen, soll der Mensch Gott immer ähnlicher werden, er soll
immer mehr von Gott erfüllt werden und Gott in seinem Wesen immer
mehr sichtbar machen. Die Gottähnlichkeit aber, behauptet Vater
Staniloae, steht nicht nur für die letzte Stufe der Vergöttlichung, sondern
für den ganzen Entfaltungsweg des Abbildes durch den Willen des
Menschen und unterstützt von der Gnade Gottes .
In diesem Sinne können wir behaupten, dass, je mehr sich der
Mensch Gott nähert, je treuer und gläubiger er auf diesem Weg Christus
folgt als seinem Archetyp, er sich umso mehr in ein vom göttlichen
Licht durchstrahltes Fenster verwandelt, in eine authentische, von
göttlichem Licht erfüllte Ikone Gottes und selber zu Gott der Gnade
nach wird. Je heiliger sich ein Mensch erweist, umso mehr stellt er eine
authentischere Ikone Gottes dar, und dadurch enthüllt er der Welt
einiges über Gott. Die Umgestaltung des menschlichen Wesens
einschließlich des Leibes wurde uns von der Verklärung des Heilands
auf dem Berg Tabor vorabgebildet und verkündigt: Und er wurde vor
ihren Augen verwandelt; sein Gesicht leuchtete wie die Sonne und seine
Kleider wurden blendend weiß wie das Licht . In der
Apostelgeschichte finden wir im Bericht des Märtyrertodes des
Erzdiakons Stephanus ein konkretes Zeugnis bezüglich der Wirklichkeit
dieser Verwandlung des menschlichen Wesens: Und als alle, die im
Hohen Rat saßen, auf ihn blickten, erschien ihnen sein Gesicht wie das
Gesicht eines Engels .

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